Rede von
Günther
Bredehorn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Entschuldigen Sie, ich bin mit der Zeit so knapp. Tut mir leid, Herr Kollege, ich hätte es sonst gerne gemacht.
Unsere Agrarsozialpolitik ist zu einem agrarsozialen Sicherungsinstrument ausgebaut worden, um das uns viele Berufskollegen in anderen Ländern beneiden. 3,5 Milliarden DM werden für die landwirtschaftliche Sozialpolitik bereitgestellt. Das sind fast 60 % des Agrarhaushalts. Bei der Altershilfe wurde der Bundeszuschuß von 79,5 % auf 75 % für die gesamte Legislaturperiode festgeschrieben. Trotz der dadurch notwendigen Beitragserhöhung um rund 8 % kann man nicht von einem Sonderopfer für die Landwirtschaft sprechen. Man muß diese
Einsparungen im Gesamtzusammenhang mit den notwendigen Einsparungen sehen, die wir auch anderen Bevölkerungsgruppen zumuten.
Die von der FDP geforderte gerechtere Verteilung der Bundesmittel nach der betrieblichen Leistungsfähigkeit muß nun im nächsten Jahr verwirklicht werden. Ein erster Referentenentwurf liegt uns jetzt vor.
Wir begrüßen es, daß entgegen der Mittelfristigen Finanzplanung der Zuschuß zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung mit 279 Millionen DM in voller Höhe erhalten bleibt. Unser Dank gilt hier insbesondere Herrn Bundesminister Kiechle für seinen außerordentlich energischen Einsatz.
Trotzdem wird es bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zunehmend zu Beitragserhöhungen kommen, da eine Alte Last von fast 400 Millionen DM jährlich verkraftet werden muß.
Der Bundeskanzler ist hier im Wort, indem er uns auf dem Bauerntag in Freiburg erklärt hat, daß die Abdeckung der Alten Last ein berechtigtes Anliegen sei.
Insgesamt möchte ich für den Agrarsozialbereich feststellen: Trotz einer geringfügigen, aber notwendigen Kürzung der Mittel ist es für das Jahr 1984 gelungen, untragbare Belastungen und Veränderungen für die Beitragszahler und die Leistungsempfänger in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zu vermeiden.
Im investiven Bereich des Haushaltes der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz stehen uns wiederum 1,155 Milliarden DM zur Verfügung. Der Haushaltsausschuß hat den Ansatz noch einmal um 20 Millionen DM erhöht, die für forstliche Maßnahmen — das wurde vorhin schon angesprochen — auf Grund neuartiger Waldschäden und damit zur Wiederherstellung und Sicherung der Funktionsfähigkeit unserer Wälder verwandt werden sollen.
Die in der Gemeinschaftsaufgabe eingesetzten Mittel haben in Verbindung mit den entsprechenden Komplementärmitteln der Länder und dem erheblichen Eigenanteil der Investoren eine hohe Beschäftigungswirkung im ländlichen Raum. Auf Grund der wirtschaftlichen und agrarpolitischen Entwicklung und nach intensiven Diskussionen auch im Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestages kommt es bei der Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe im Jahre 1984 allerdings zu wichtigen und notwendigen Änderungen. Die Mittel für die einzelbetriebliche Förderung werden deutlich zugunsten der überbetrieblichen Maßnahmen — wie Wasserwirtschaft, Flurbereinigung usw. — eingeschränkt. Der Bundesminister hat die volle Unterstützung der FDP, angesichts der Überschußsituation auf den Märkten die Investitionsförderung zur Kapazitätsausweitung im Bereich der Milch- und Schweineproduktion auszusetzen.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3227
Bredehorn
Dies ist aber für die gesamte EG notwendig. Die deutsche Landwirtschaft kann hier nicht einseitig Vorleistungen erbringen.
Das neu eingeführte Agrarkreditprogramm wird von uns unterstützt. Hierdurch hat eine größere Anzahl klein- und mittelbäuerlicher Betriebe die Chance, gefördert zu werden, auch wenn teilweise vielleicht Hoffnungen erweckt werden, die die Agrarpolitik nicht einlösen kann. Die FDP-Forderung, daß dieses Agrarkreditprogramm nicht zur Produktionsausweitung in Überschußbereichen verwandt werden darf, wurde erfüllt.
Wir wollen ab 1984 wieder Dorferneuerungsmaßnahmen fördern, die die Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft verbessern, die die Lebensverhältnisse in unseren Dörfern verbessern und somit zur Erhaltung bäuerlicher Landwirtschaft und eines funktionierenden ländlichen Raumes beitragen.
Lassen Sie mich abschließend feststellen: Wir stehen in der Agrarpolitik vor einer sehr schwierigen Wegstrecke. Nachdem im Wirtschaftsjahr 1982/83, sozusagen dem letzten Amtsjahr unseres so erfolgreichen Landwirtschaftsministers Josef Ertl,
die Einkommen der Landwirte deutlich anstiegen,
haben die Landwirte im laufenden Wirtschaftsjahr
einen Einkommensrückgang zu verkraften. Die Vorschläge der EG-Kommission zum Abbau des Währungsausgleichs könnten natürlich zu einer weiteren Preissenkung nur für die deutschen Landwirte führen.
Die EG-Gipfelkonferenz in Athen ist bezüglich der notwendigen Entscheidungen zur Agrar- und Finanzreform gescheitert. Dies erfüllt uns mit Sorge; denn mit der gegenwärtigen Ungewißheit können unsere Landwirte nicht leben. Sie müssen wissen, wohin die Reise geht. Deshalb bin ich Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher sehr dankbar, daß er gestern in seiner Rede noch einmal deutlich gemacht hat, daß es keine Einigung auf Kosten und auf dem Rücken der bäuerlichen Familienbetriebe geben wird.
Unsere Landwirte können sich hier auf die FDP verlassen. Hans-Dietrich Genscher hat noch einmal deutlich gemacht, daß es nicht das Ziel unserer Politik sein kann, Milchfabriken in der EG mit dem Geld unserer Steuerzahler zu lukrativen Einkommen zu verhelfen. Deshalb ist auch der Vorschlag der EG-Kommission so abwegig, der durch eine Quotenzuteilung diesen Milchfabriken die hohen Einkommen auf Kosten des Steuerzahlers für die nächsten 10 Jahre garantieren will, während unseren bäuerlichen Betrieben jede Entwicklungschance genommen wird und sie damit über kurz oder lang aufgeben müssen. Hier muß alles getan werden, um zu der notwendigen Kompromißlösung beizutragen.
Nachdem in den letzten 35 Jahren über die Hälfte aller landwirtschaftlichen Betriebe aufgeben mußte und die Zahl der in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen um 70 % abnahm, stehen wir in den nächsten Jahren vor der Entscheidung, ob bäuerliche Landwirtschaft noch eine Zukunft hat. Wenn in meiner Oldenburger Heimat z. B. jetzt ein Agrarindustrieller einen Antrag auf Errichtung eines Sauenstalles für 4 100 Tiere stellt
und damit 100 bäuerlichen Betrieben, die mit 40 Sauen eine Existenz haben, die Existenz bzw. den Markt wegnimmt, so müssen wir uns fragen, ob die Möglichkeiten unserer Steuergesetzgebung oder die Auflagen, die unsere Umweltgesetzgebung uns ermöglicht, ausreichen, um solchen Fehlentwicklungen zu begegnen, oder ob nicht doch als letzte Möglichkeit Höchstbestandsgrenzen eingeführt werden müssen.
Meine Damen und Herren, der heute zu verabschiedende Agraretat, in dem es, wie ich ausgeführt habe, einige neue Schwerpunkte gibt, läßt der bäuerlichen Landwirtschaft alle Chancen. Daher möchte ich mich beim Landwirtschaftsminister, dem Finanzminister, den Kollegen des Ernährungsausschusses, des Haushaltsausschusses und auch den Beamten herzlich bedanken. Die FDP wird dem Einzelplan 10 ihre Zustimmung geben.