Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß ich einen Beitrag zur Orientierung leisten kann, wenn ich sage, daß ich nicht zur Landwirtschaft spreche, sondern darüber, daß die Vermögenspolitik zwischen Ackerbau und Viehzucht und nachfolgend Stahl hineingezwängt ist, wenn ich das richtig erkannt habe.
Ich hoffe, daß diese Art der „verbundenen Debatte" nicht ein Zeichen dafür ist,
daß dieses Parlament nicht mehr dialogfähig ist.
Gestern hat der Oppositionsführer mit gekünstelter Theatralik uns erzählt, daß der Bundeskanzler nicht handlungs- und führungsfähig sei. Den Beweis hat er nicht angetreten. Wir haben umgekehrt heute und gestern gehört, daß diese Bundesregierung natürlich sehr handlungsfähig ist. Es gibt aber kaum ein Thema, bei dem sich einerseits die politische Handlungsunfähigkeit der alten Regierungen so deutlich nachvollziehen und sich andererseits die Handlungsfähigkeit der neuen Bundesregierung so deutlich nachweisen läßt wie bei der Vermögensbildung.
Die Vermögenspolitik ist ein Musterbeispiel dafür, wie sehr bei den SPD-geführten Regierungen Ankündigung und Tat, Versprechen und Einlösung auseinanderklafften. Allein die Staffette der vermögenspolitischen Ankündigungen in den Regierungserklärungen der SPD-Kanzler sind Dokumente mangelnder Glaubwürdigkeit. Brandt 1969, Brandt 1973, Schmidt 1974, Schmidt 1976: Immer wurde diesem Parlament und dem deutschen Volk versprochen, daß die Vermögensbildung jetzt endlich vorankomme. Zum Beispiel Brandt in der Regierungserklärung 1969 — ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin:
Zu den Schwerpunkten
— Ich unterstreiche: Schwerpunkten —
der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik dieser Bundesregierung gehört das Bemühen um eine gezielte Vermögenspolitik. Die Vermögensbildung in breiten Schichten — vor allem in Arbeitnehmerhand — ist völlig unzureichend; sie muß kräftig verstärkt werden.
Das Protokoll verzeichnet an dieser Stelle „Beifall bei den Regierungsparteien". Wie sehr müssen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, heute enttäuscht sein, daß 13 Jahre nach dieser Ankündigung in der Vermögensbildung überhaupt nichts passiert ist.
Gerade in dieser Zeit — darauf hat Bundesminister Blüm heute schon hingewiesen — ist die Vermögensverteilung in diesem Lande mit Sicherheit nicht gleichmäßiger geworden. Wo der Staat so ungeheuer viel Schulden aufhäuft, da verdient nicht
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3211
Dr. Faltlhauser
der kleine Mann, sondern der, der Geld und Kapital übrig hat.
Nun das Kontrastprogramm: Die Union hat vor den Wahlen am 6. März 1983 den Wählern versprochen, schnell etwas für die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand zu tun. Nur vier Monate nach den Wahlen verabschiedet das Kabinett Kohl bereits das Vermögensbeteiligungsgesetz, das heute hier verabschiedet werden soll. Die Regierung Kohl hat also in neun Monaten zustandegebracht, was die SPD-geführten Regierungen 13 Jahre lang nicht zustandegebracht, sondern nur immer versprochen haben. Und da will der Herr Vogel, da will der Oppositionsführer von Handlungsunfähigkeit und Führungsschwäche sprechen! Wie sollen wir denn dann das, was in den letzten 13 Jahren bei Ihnen passiert ist, unsererseits benennen? Wie sollen wir diesen vermögenspolitischen Dauerschlaf bezeichnen? Da reicht der deutsche Wortschatz wohl kaum aus.
Wir sehen dieses Vermögensbeteiligungsgesetz als konsequente Fortsetzung der Vermögenspolitik der CDU/CSU in der Nachkriegszeit. Die Union hat zunächst das Bausparen gefördert, dann das Geldsparen. Nun wird konsequenterweise die dritte Säule, das Produktivkapital gezielt gefördert. Durch das Gesetz wird auch die Kapitalbasis vor allem der mittelständischen Unternehmen gestärkt werden. Wer mehr Kapital hat, der kann auch wieder mehr riskieren, kann wieder mehr wagen. Und genau das ist es, was wir jetzt brauchen.
Wir haben in unserem Land keine Probleme mit der Sparquote, die immer noch dreimal so hoch ist wie die in den USA. Aber wir haben Probleme, weil zu wenig Risikokapital in den Betrieben gebildet wird. Mit diesem Gesetz sollen und können die Arbeitnehmer mithelfen, Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen.
Daneben werden wir mit diesem Gesetz auch ein zusätzliches Instrument der Tarifpolitik schaffen Das Gesetz folgt den Forderungen, die der Sachverständigenrat über viele Jahre niedergelegt hat Nicht zuletzt aber, meine Damen und Herren, kann dieses Gesetz zur Minderung des Verteilungskampfes beitragen. Gerade in Zeiten geringerer Spielräume der Lohnpolitik rückt das Vermögensbeteiligungsgesetz Unternehmensinteresse und Arbeitnehmerinteresse wieder näher zusammen. Übet diesem Gesetz steht die Überzeugung, daß das bewegende Element der sozialen Marktwirtschaft eben nicht der Klassenkampf, sondern die Partnerschaft ist.
Meine Damen und Herren, Sie kennen die wesentlichen Elemente dieses Vermögensbeteiligungsgesetzes: den höheren Förderungsrahmen —936 DM —, die Erweiterung des Anlagenkataloges und schließlich die besondere Förderung des Produktivkapitals; 23% Arbeitnehmersparzulage und zusätzlich noch die Förderung nach dem Einkommensteuergesetz. Das heißt, das Gesetz bevorzugt die Produktivkapitalanlagen durch einen höheren
Förderungsrahmen und durch eine höhere Arbeitnehmersparzulage doppelt.
Jetzt hat die SPD diesem Plenum neben einer Reihe von Anträgen auch einen Entschließungsantrag vorgelegt. Dazu will ich einige Anmerkungen machen. In dem Entschließungsantrag heißt es entrüstet:
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist auch mittelstandsfeindlich, da die Beteiligung an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und an Kommanditgesellschaften nicht vorgesehen ist.
Dazu wäre zu sagen: Das Gesetz bietet viel beweglichere Anlagen an für die mittelständischen Unternehmen als gerade GmbH- und KG-Anlagen.
Noch ein Zweites dazu. Am 13. Mai 1980 wurde das letzte der vielen Gesetze debattiert, das die CDU/CSU-Opposition zur Vermögensbildung vergeblich — leider vergeblich — in diesem Haus vorgelegt hatte. Der Kollege Rapp (SPD) begründet seine Ablehnung des Unionsgesetzes u. a. wie folgt:
Diese Gesetzentwürfe sehen auch Zuwendungen von GmbH- und Kommanditanteilen vor. Da solche Zuwendungen Arbeitslohn sind, müssen die Anteile wegen der enthaltenen stillen Reserven einkommensteuerlich bewertet werden ... Aber die Antwort auf die naheliegende Frage, wie die Bewertung in einem Massenverfahren technisch machbar sein soll, sind Sie schuldig geblieben ...
Für unlösbar halten wir auch das Problem, das sich daraus ergibt, daß jeder Kommanditist .. . aus seinen Gesamteinkünften Gewerbesteuer zahlen muß.
Das war der Herr Kollege Rapp als Sprecher der damaligen Regierungsfraktion. Damals hielt die SPD etwas für unmöglich, was sie heute in dem hoffnungsgrünen Papier des Entschlußantrags für dringend notwendig hält. Diese wieselflinke Wendigkeit ist erstaunlich. Ich stelle fest, daß es die SPD sogar bei steuertechnischen Detailfragen fertig bringt, opportunistisch von der einen Seite zur anderen zu springen.
Eine weitere Anmerkung. Sie stellen in Ihrem Entschließungsantrag fest, daß die Anträge zur Förderung überbetrieblicher Anlageformen in den Ausschüssen abgelehnt wurden. Das ist richtig. Wir haben aber gute Gründe dafür. Diese Gründe stehen im Vorblatt des Gesetzes. Ich muß das hier nicht vorlesen.
In Ihrer Regierungszeit haben Sie bei den Vermögensbildungsdebatten — ich darf Sie daran erinnern — immer wieder als Grund, warum Sie Ihr eigenes Gesetz nicht eingebracht haben, vor allem die technischen Schwierigkeiten mit den außerbetrieblichen Anlagesammelstellen begründet. Damals war Ihnen sehr wohl bewußt, wie eingehend diese Fragen zu prüfen sind. Heute meinen Sie, daß
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das mit einer fünfzeiligen Gesetzesänderung getan sei. Das ist auch, Herr Kollege Huonker, ein Beitrag zum Thema Glaubwürdigkeit ...
Meine Damen und Herren, wir haben keinen eigenen Minister oder einen Staatssekretär gebraucht, nur um die Vermögensbildung voranzubringen, wie Sie, und hinterher hat es nichts gebracht als Kosten für den Steuerzahler.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist ein Angebot des Gesetzgebers auf drei Ebenen: zum einen für den einzelnen Arbeitnehmer, zum zweiten für Betriebsräte und Arbeitgeber für Betriebsvereinbarungen und schließlich für Tarifvertragsparteien.
Die SPD schreibt in ihrem Entschließungsantrag: „Tarifverträge werden auf der Grundlage dieses Gesetzes nicht abgeschlossen werden!" Großartig! Hier maßt sich die SPD-Fraktion bereits an, für die Tarifpartner zu sprechen. Ich sage Ihnen: Überlassen Sie das einmal den Tarifpartnern selbst.
Im Jahre 1961 hat die SPD-Fraktion auch immer darauf hingewiesen, daß die Gewerkschaften das Angebot des 312-DM-Gesetzes nicht annehmen würden. Dann waren es die besonnenen und vernünftigen Gewerkschaften, die diesem Gesetz zum Durchbruch verholfen haben.
Georg Leber war einer dieser zukunftsorientierten Gewerkschaftsführer. Ich hoffe, daß mit Georg Leber nicht der letzte Arbeitnehmerführer aus dieser SPD-Fraktion ausgezogen ist, der sich die Vermögensbildung auf seine Fahne geschrieben hat.
Das Gesetz ist natürlich auch ein Appell an die Arbeitgeber, daß sie wieder an die Tradition von Martin Schleyer anknüpfen. Auch das muß ich sagen.
Meine Damen und Herren, wir haben den Arbeitnehmern vor den Wahlen einen schnellen Fortschritt in der Vermögensbildung versprochen. Helmut Kohl und seine Regierung haben Wort gehalten. Jetzt sind die Tarifparteien an der Reihe. Die Arbeitnehmer in diesem Lande warten darauf.