Rede von
Dr.
Antje
Vollmer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich habe leider nur zehn Minuten.
Wir GRÜNEN sind gegen eine solche Gießkannenpolitik zugunsten einer immer weniger ökologischen Landwirtschaft. Wir haben Ihnen genaue Berechnungen vorgelegt, wie es anders zu machen wäre. Dafür käme z. B. ein Gesetz für die Staffelung einer Energiesubvention in Frage, die gerade den energiesparenden Kleinbetrieb bevorzugt und Betriebe über 50 Hektar ganz aus der Förderung herausnimmt. Betriebe über 50 Hektar brauchen nicht subventioniert zu werden, außer es handelt sich um ganz schlechte Sandböden. Und großer Energieverbrauch gehört unserer Meinung nach in der Landwirtschaft — wie in der Industrie — nicht belohnt, sondern bestraft.
Die beste und wirksamste Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft wäre allerdings die Erhaltung einer stabilen landwirtschaftlichen Struktur mit Hilfe einer guten Sozialpolitik und vor allen Dingen gestaffelter Erzeugerpreise, die die eigenen Bauern leben ließe.
Ich komme zum zweiten Punkt, zum Forschungsprogramm für Gewinnung von Treibstoff — gleich Bioäthanol — auf der Basis von pflanzlichen Rohstoffen. Zu diesem Programm habe ich dem Ministerium vor einiger Zeit eine ganze Menge präziser Fragen gestellt, die offensichtlich so den Kern getroffen haben, daß es um sechs Wochen Verlängerung für die Antwort gebeten hat.
Um so wichtiger ist für uns die grundsätzliche Kritik an diesem Programm. Es ist uns auch wichtig, daß Sie begreifen, worum es uns dabei geht. Dieses ganze Programm atmet den Geist, daß man die Energie- und Umweltprobleme nicht etwa durch Drosselung des Verbrauchs oder durch Suchen nach sanften, umweltfreundlichen Energiealternativen anzupacken versucht,
sondern nur durch das Auftun einer ganz neuen Profitmöglichkeit mit Hilfe einer noch umfassenderen, noch skrupelloseren Ausbeutung der Natur.
Für uns GRÜNE ist es schlichtweg ein Unding, landwirtschaftliche Flächen nicht für die Ernährung der Menschen zur Verfügung zu stellen, sondern für die Gewinnung eines Biotreibstoffes. Wir würden ja unsere landwirtschaftlichen Flächen sehr wohl gebrauchen, wenn wir nicht durch die Importe von Futtermitteln aus den USA und aus der Dritten Welt unsere Ernährung praktisch auf der Basis der Produkte der Flächen fremder Länder aufbauen würden.
Diese Futtermittelimporte aufrechtzuerhalten, um gleichzeitig die eigenen Flächen für gewinnträchtige Rohstoffgewinnung zu beschlagnahmen, ist für uns schlichtweg eine Verachtung der Grundgesetze der Natur und der Grundlagen unseres Lebens.
Ich möchte Sie einmal herzlich bitten, sich als Menschen, die j a mit Vorstellungskraft begabt sind, die Konsequenzen eines solchen Programmes, wenn es Wirklichkeit werden sollte, vorzustellen. Unsere besten Böden würden wegen der damit verbundenen Gewinnchancen und hohen Deckungsbeiträge für diese gewinnträchtige Rohstoffproduktion in Anspruch genommen werden. Unser Bedarf an Importfuttermitteln würde daher also nicht etwa
3210 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
Frau Dr. Vollmer
abgebaut, sondern geradezu noch erhöht, was uns
sicherlich den Beifall der USA bringen würde.
Zur Bearbeitung dieser Böden für die großflächige Rohstoffproduktion würden wir zunehmend Monokulturen rund um die Standorte dieser Raffinerien haben. Sozialpolitisch — das ist mir besonders wichtig — würde dies zu einem Ausweiten der nichtbäuerlichen Vertragslandwirtschaft führen. Das sähe dann so aus — wir haben solche erschrekkenden Beispiele aus Frankreich —, daß sich der Bio-Äthanol-Konzern faktisch den Bauern kauft, indem er Verträge mit ihm macht und ihn rundum gängelt: Er liefert das Saatgut, er liefert das dazugehörige Paket von Pestiziden, und er knebelt den Bauern mit dem Abnahmemonopol.
Das Ungeheuerliche an diesem Haushaltstitel ist, daß die dafür ausgegebenen Forschungsmittel von Steuergeldern bezahlt werden, während sie in ihrer Auswirkung eindeutig der petrochemischen Industrie zugute kommen.
Eine weitere schlimme Folge ist noch folgendes: Es wird nämlich allgemein gesagt, wir könnten ja für diese Produktion die Böden nehmen, die sowieso schon geschädigt sind. Wissenschaftler sprechen von bis zu 7 % der landwirtschaftlichen Flächen, die bereits geschädigt sind.
Statt also die Wiederaufarbeitung dieser Flächen in Angriff zu nehmen und sie wieder der menschlichen Ernährung zuzuführen, was Jahre dauern würde und unheimlich viel zähe Bauernarbeit in Anspruch nehmen würde, werden diese Flächen gründlich auf Jahrzehnte und Jahrhunderte mit Schadstoffen belastet,
weil man da ja keine Rücksicht mehr nehmen muß, da es sich ja nicht mehr um Nahrungsmittelproduktion handelt. Aus landwirtschaftlichen Gegenden werden somit rund um die Standorte der Raffinerien ganz sicher agrar-chemische industrielle Komplexe.
Ich komme zum Schluß: Es gibt Gründe genug, jedem Nachdenklichen den Wahnwitz dieser Programme nahezubringen. Nach unserer Meinung haben sie in einem Haushalt eines Ministeriums das sich der Ernährung, der Landwirtschaft und den Forsten verpflichtet weiß, nichts zu suchen.