Rede von
Wolfgang
Sieler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erlaube mir, noch meine letzten Bemerkungen hier anzufügen. Wie die Faust aufs Auge paßt hier die weitere Verschlechterung im Leistungsrecht für Arbeitslose. Lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlichmachen.
Ein Arbeitsloser ohne Kinder mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 1 500 DM erhält derzeit 1 020 DM monatliches Arbeitslosengeld. Nach der vorgesehenen Kürzung werden es nur noch 945 DM sein, d. h. also monatlich 75 DM weniger. Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit, wenn er Sozialhilfe beanspruchen muß, werden es statt 870 nur noch 840 DM sein. Der DGB befürchtet deshalb zu Recht, daß durch diese Neuregelung zukünftig viele Männer, aber noch mehr Frauen in die Sozialhilfe abgedrängt werden.
Das durchschnittlich gezahlte Arbeitslosengeld betrug im Oktober 1983 966,24 DM; bei der Arbeitslosenhilfe waren es 803,79 DM. Allein schon an diesen Zahlen sieht man, daß es sehr viele Arbeitnehmer gibt, deren Bezüge erheblich unter dem liegen,
was ich als Beispiel für die Berechnung dieser Kürzungen hier vorgetragen habe.
Die Bundesanstalt für Arbeit hat nach dem Gesetz nicht nur die Geldleistungen zu erbringen; ebenso wichtig sind im Rahmen ihrer Aufgabenstellung auch die Vermittlung und Beratung. Just zu diesem Zeitpunkt, als die Selbstverwaltung nach langer Diskussion eine notwendige Personalmehrung von 750 Stellen beschloß, damit Berufs- und Arbeitsberatung, damit Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenbetreuung überhaupt noch möglich sind, beschloß die Koalition, zwar 200 Stellen zu bewilligen, aber die Bundesanstalt in die allgemeine halbjährige Wiederbesetzungs- und Beförderungssperre für freiwerdende Dienstposten einzubeziehen. Nach der Feststellung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit heißt dies für die Bundesanstalt 1984 1 000 Tageskräfte in den Ämtern weniger — und das alles bei einer saisonal bedingten Zunahme der Arbeitslosigkeit.
— Herr Kollege Friedmann, ich habe mir das noch einmal bestätigen lassen: Grotesk wird die Auswirkung, wenn — wie dies vielfach der Fall ist — bei Arbeitsamtsnebenstellen z. B. mit zwei Vermittlern, zwei Vermittler aus Altersgründen ausscheiden; dann findet dort keine Arbeitsvermittlung mehr statt.
Mit elf konkreten Kürzungen im Arbeitsförderungsgesetz sammeln Sie allein rund 2 Milliarden DM von Arbeitslosen, Arbeitslosenhilfeempfängern, ausgebildeten Jugendlichen, von bildungswilligen beruflichen Rehabilitanten, ja sogar von Krankengeldbeziehern ein.
„Nie wurden die Arbeitnehmer in der Geschichte dieser Republik mehr zur staatlichen Kasse gebeten als von dieser Bundesregierung." Diesen Satz, Herr Minister, sprachen Sie von dieser Stelle aus am 11. Dezember 1979. Ich füge heute hinzu: Zählt man noch einige Maßnahmen hinzu, dann sind es über 11 Milliarden DM, die der Finanzminister zu Lasten der kleinen Leute eingesammelt hat. Allein im Einzelplan 11 sind es über 4 Milliarden DM. Wenn man noch einige Maßnahmen hinzufügt, dann sind es 4,8 Milliarden DM.
Nun will ich Ihnen — neben aller Kritik — durchaus zugute halten, daß Sie sich im Kabinett redlich Mühe gegeben haben, bestimmte Positionen zu verteidigen, daß Sie sich gewehrt haben, nicht ganz ausgezogen zu werden.