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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/44 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 44. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 Inhalt: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534 —Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 10/690, 10/691 — Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 10/638, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 10/653 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 10/657 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 10/647, 10/659 — dazu Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksachen 10/686, 10/716 —Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/687 — Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1983 bis 1987 — Drucksachen 10/281, 10/535, 10/723 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 10/639, 10/659 — dazu Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/677 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/696 — in Verbindung mit Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen 10/640, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 10/641, 10/659 — dazu Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 10/724, 10/733 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/725 — Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der unmittelbaren Kostenbeteiligung der Versicherten an der Krankenhaus- und Kurbehandlung (Selbstbeteiligungs-Aufhebungsgesetz) — Drucksache 10/120 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 10/675 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/676 — Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion der SPD Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit — Drucksachen 10/189, 10/704 — Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Hoss und der Fraktion DIE GRÜNEN Sofortmaßnahme: Erhöhung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung — Drucksachen 10/205, 10/698 — Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Mutterschaftsurlaub — Drucksachen 10/358 Nr. 64, 10/706 — in Verbindung mit Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksachen 10/645, 10/659 — in Verbindung mit Haushaltsgesetz 1984 — Drucksachen 10/658, 10/660 — Dr. Meyer zu Bentrup CDU/CSU . 3109B, 3205 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3109C Wieczorek (Duisburg) SPD 3118A Carstens (Emstek) CDU/CSU 3123 D Stratmann GRÜNE 3128 B Dr. Weng FDP 3133 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 3136 D Frau Simonis SPD 3144 B Glos CDU/CSU 3150 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 3154 D Vizepräsident Stücklen 3156 C Frau Fuchs (Köln) SPD 3165A Dr. Friedmann CDU/CSU 3171 D Frau Potthast GRÜNE 3175A Frau Seiler-Albring FDP 3176B, 3248 B Roth SPD 3178C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 III Wissmann CDU/CSU 3183 D Hoss GRÜNE 3186 A Dr. Haussmann FDP 3189 D Sieler SPD 3191 D Präsident Dr. Barzel 3194A Jagoda CDU/CSU 3195A Vizepräsident Frau Renger 3195 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 3198 D Gobrecht SPD 3201 B Frau Dr. Vollmer GRÜNE 3208 B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 3210 C Grünbeck FDP 3212 B Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 3213C Schulhoff CDU/CSU 3218 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 3220 D Frau Zutt SPD 3223 C Bredehorn FDP 3226 A Kiechle, Bundesminister BML 3227 D Hauck SPD 3230 B Dr. Hoffacker CDU/CSU 3232 C Eimer (Fürth) FDP 3236 B Jaunich SPD 3237 A Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 3239 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 3244 A Roth (Gießen) CDU/CSU 3245 D Walther SPD 3249 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . 3250 B Vizepräsident Wurbs 3258 C Namentliche Abstimmungen . 3254 B,C, 3256 B,C Nächste Sitzung 3258 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3259* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Heyenn (SPD) nach § 31 Abs.1 GO 3259* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3107 44. Sitzung Bonn, den 8. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 12. Cronenberg (Arnsberg) 9. 12. Fischer (Frankfurt) 9. 12. Gerstl (Passau) * 9. 12. Gilges 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Haase (Fürth) * 9. 12. Haehser 9. 12. Handlos 9. 12. Frau Dr. Hartenstein 9. 12. Immer (Altenkirchen) 9. 12. Dr. Kreile 8. 12. Lemmrich* 9. 12. Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Dr. Müller* 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Reddemann* 9. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. von Schmude 9. 12. Schreiner 9. 12. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 9. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockleben 9. 12. Verheyen 9.12. Voigt (Frankfurt) 9. 12. Weiskirch (Olpe) 9. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung des Abg. Heyenn (SPD) nach § 31 Abs.1 GO Zur Abstimmung über den Einzelplan 11 erkläre ich hiermit, daß ich aus den von Sprechern meiner Fraktion dargelegten Gründen nicht zustimmen kann. Ich begrüße jedoch, daß es auf Betreiben meiner Fraktion eine interfraktionelle Einigung darüber gegeben hat, wie sichergestellt werden kann, daß die drei im Hamburger Verkehrs-Verbund einbezogenen Linien der Eisenbahngesellschaft Altona, Kaltenkirchen, Neumünster (AKN) auch künftig von Behinderten unentgeltlich in Anspruch genommen werden können. Ich begrüße weiter, daß die Fraktionen von CDU/CSU und FDP verbindlich erklärt haben, eine gesetzliche Regelung vorzunehmen, wenn der jetzt gemeinsam vorgesehene Weg nicht zum Ziel führt. Die Fraktionen von CDU/CSU, FDP und SPD haben sich darauf geeinigt, im Rahmen der Aussprache zum Einzelplan 11 folgende Erklärung zu Protokoll zu geben: Die Fraktionen gehen übereinstimmend davon aus, daß die obersten Landesbehörden in Hamburg und Schleswig-Holstein die drei in den Hamburger Verkehrsverbund einbezogenen Linien der Eisenbahngesellschaft Altona, Kaltenkirchen, Neumünster (AKN) als S-Bahnen im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Schwerbehindertengesetz anerkennen. Durch diese Entscheidung der zuständigen Landesbehörden soll sichergestellt werden, daß Behinderte auch künftig diese Linien, die eine Reihe von S-Bahnmerkmalen aufweisen, unentgeltlich in Anspruch nehmen können.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Glos, die Tatsache, daß man sich, nachdem man jahrelang kollegial und vernünftig zusammengearbeitet hat, auch mit dem Menschen Graf Lambsdorff unterhält, sollte Sie nicht zu ironischen und dümmlichen Zwischenbemerkungen veranlassen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Verhalten Sie sich auch auf dem Podium da oben noch menschlich!)

    Ich habe im übrigen — das ist im Anschluß an dieses Gespräch kein Vertrauensbruch — Graf Lambsdorff bei diesem Mittagessen gesagt, daß ich an dieser Stelle diese Aufforderung an ihn richten werde. Auch das, meine Damen und Herren, finde ich vernünftig und fair im Umgang zwischen der Opposition und der Bundesregierung, daß man das miteinander bespricht, bevor es in der Öffentlichkeit bekannt wird.
    Meine Damen und Herren, nun zur Sache.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Tun Sie uns das nicht an! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    In dieser Debatte schwelgen die Redner der Koalition von Reden über den Wirtschaftsaufschwung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die haben auch Grund dazu!)

    Ich bin als einer, der die Wirtschaftspolitik seit Mitte der 70er Jahre hier im Plenum und in den Ausschüssen des Bundestages mitverfolgt hat, zutiefst beunruhigt über das Ausmaß von Selbstbetrug und Selbstgefälligkeit, das in den Reden der Koalition hier stattfindet, und zwar einfach deshalb, weil ich mich an gewisse Fehler — ich sage das ganz offen — aus unserer eigenen Regierungszeit erinnere.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Zu spät! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die waren reichlich!)

    3180 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
    Roth
    Als im Jahre 1976 nach der Rezession 1974/75 die Zuwachsrate des Sozialprodukts nach der Schrumpfung im Vorjahr real 5,3 % — nicht 1 % — betrug und im nächsten Jahr, 1977, 2,8 % betrug, dann 3 %, dann 4 %, also über vier Jahre hinweg solche Zuwachsraten zu verzeichnen waren, haben ich und Freunde meiner Partei und teilweise damals noch der Koalition insgesamt daran erinnert, daß all diese Zuwachsraten des Sozialprodukts, all diese positiven Veränderungen des Volkseinkommens an der Situation der Massenarbeitslosigkeit nichts ändern würden. Ende der 70er Jahre hatten wir einen Sockel von 850 000 Arbeitslosen. Dann kam die Rezession 1979/80, Ölpreiskrise und die starke Verwerfung in der Volkswirtschaft. Und — das rechne ich Ihnen jetzt nicht zu — im Verlaufe dieser Wirtschaftskrise hat sich der Sockel an Massenarbeitslosigkeit von 850 000 auf jetzt weit über zwei Millionen Menschen erhöht. Jetzt kommt das Entscheidende. Alle Voraussagen, meine Damen und Herren von der Koalition, alle Prognosen, egal, ob Sie Sachverständigenrat oder das Wirtschaftsministerium, die Bundesbank oder die fünf Institute nehmen, die uns jährlich im Herbst und im Frühjahr beraten, gehen dahin: wenn das, was wir jetzt Wirtschaftsaufschwung oder -belebung nennen — das ist ja unterschiedlich im Begriff; manche reden nur von der Wirtschaftsbelebung, und dem würde ich mich anschließen —, einige Jahre stattgefunden hat, dann wird die nächste Rezession bei einer Arbeitslosigkeit von zwei Millionen Menschen beginnen. Das heißt aber nichts anderes, als daß wir noch in den 80er Jahren beträchtlich über drei Millionen Arbeitslose in der Bundesrepublik bekommen werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Warten wir es ab! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Von diesem Sachverhalt, meine Damen und Herren, reden Sie nicht, redet auch der Wirtschaftsminister nicht. Dieser Sachverhalt wird Sie in den 80er Jahren einholen, und zwar schneller, als Sie glauben. Wir wissen, daß ein Konjunkturzyklus etwa fünf Jahre beträgt. Das heißt, die Aufschwungphase beträgt zwei, zweieinhalb Jahre. Wir haben ein Jahr hinter uns. Sie können ziemlich exakt absehen, wann der obere Wendepunkt der Konjunktur erreicht sein wird. Sie können ziemlich exakt absehen, wann Sie bei einem Sockel von zwei Millionen Arbeitslosen in eine Rezession kommen. Das ist das Problem der 80er Jahre. Das ist kein parteipolitisches Problem, sondern ein Problem, das Staat und beide soziale Gruppen, Unternehmer und Gewerkschaften, gemeinsam angeht.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Über dieses Problem müßte man hier reden. Man müßte, meine Damen und Herren, zu den Grundfragen der Wirtschaftspolitik mehr reden, als es heute geschieht, zu den kurzfristigen Prognosen, die dann in die Zukunft verlängert werden und erst recht Enttäuschung verursachen.
    Grundfrage 1: Entkoppelung des Wirtschaftswachstums von der Beschäftigungsentwicklung. Das läßt sich mit einem ganz kleinen Sachverhalt für dieses Jahr belegen. Wir hatten im ersten Halbjahr 1983 ein Wirtschaftswachstum von 0,7 %, also unter 1 %. Wir hatten einen Produktivitätsfortschritt, also Leistungssteigerung pro Arbeitsstunde in der Volkswirtschaft, von durchschnittlich 2,5 %. Das heißt, die Kluft zwischen Produktivität und Nachfragewachstum und Produktionswachtsum ist weiter aufgegangen. Das bedeutet, trotz allen Wirtschaftswachstums wird sich am Arbeitsmarkt keine Wende ergeben. Das ist der Sachverhalt, über den Sie nicht reden.

    (Kolb [CDU/CSU]: Sie vergessen den Dienstleistungsbereich, Herr Kollege!)

    Meine Damen und Herren, diesen Sachverhalt nimmt man im betrieblichen Geschehen, im Gespräch der Arbeitnehmer untereinander dauernd wahr, man spricht miteinander. Die Arbeitnehmer beobachten eine Debatte wie die heutige im Bundestag und entdecken, daß das Rationalisierungstempo in unserer Volkswirtschaft viel schneller geworden ist als das Wachstumstempo und daß dies in diesem Hause nicht zur Debatte steht, jedenfalls nicht von Ihnen.
    Deshalb kommen Sie auch zu derart widersprüchlichen Aussagen zur Arbeitszeitverkürzung. Herr Kohl hat in einem — wo sonst? — ,,Bild"-Interview gesagt, die Forderung nach der 35-StundenWoche sei absurd, töricht und dumm. Nun stellen Sie sich einen Arbeitnehmer in der Automobilindustrie vor, zumal in einem Unternehmen, das gar nicht so schlecht geht, bei dem er am Ende eines jeden Jahres sieht, daß trotz des Wachstums in diesem Sektor etwa 5 bis 10 % der Arbeitsplätze abgebaut werden, wie der denkt, wenn er hört, daß der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zur Arbeitszeitverkürzung nur beizutragen hat: dumm, töricht und falsch. Meine Damen und Herren, hier werden Sie von den Forderungen der Arbeitnehmer eingeholt werden.

    (Glos [CDU/CSU]: Sie meinen die Funktionäre, nicht die Arbeitnehmer!)

    Und nun spielen Sie die Wochenarbeitszeitverkürzung gegen eine Vorruhestandsregelung aus. Das Groteske dabei ist, daß Sie schon, bevor wir hier im Bundestag darüber abstimmen, die Vorruhestandsregelung, die wir vorgeschlagen haben, demontiert und wirtschaftlich faktisch unwirksam gemacht haben. Das ist die Realität.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie denunzieren die Wochenarbeitszeitverkürzung als wirtschaftspolitisch falsch und demontieren gleichzeitig die Vorruhestandsregelung, d. h. die Verbesserung der Möglichkeit, aus dem Arbeitsleben auszuscheiden, wenn man dies wünscht.
    Zur Grundfrage 1, Abkoppelung des Wirtschaftswachstums von der Produktivitätsentwicklung, gibt es keine Antwort von Ihrer Seite.
    Grundfrage 2, die Wachstumsfrage schlechthin: Wir wissen, daß es von Wirtschaftszyklus zu Wirtschaftszyklus seit Anfang der 70er Jahre ein Absinken des Wachstumstempos gab. In den 50er Jahren lag die reale Wachstumsrate bei etwa 10 %, in den
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3181
    Roth
    60er Jahren bei 6 bis 8 %, in den 70er Jahren bei 4 bis 6 %. Und wenn wir jetzt Glück haben, wird in der ersten Hälfte der 80er Jahre ein Wirtschaftswachstum von etwa 2 oder 1 % herauskommen. Aber die Produktivität wird stärker steigen.
    Nun schlagen Sie zur Erreichung von Wirtschaftswachstum Abschreibungserleichterungen und alle möglichen Steuererleichterungen für Unternehmer vor. Sie schlagen ferner vor, auf der anderen Seite die Löhne zu kürzen und die übrigen Kosten der Wirtschaft zu senken. Hier laufen Sie in eine wirtschaftspolitische Sackgasse, die meines Erachtens von Ihrer Seite nicht einmal erörtert wird. Wie soll eigentlich eine Wirtschaft wachsen, bei der die Hauptnachfragekomponente, die Endnachfrage der Konsumenten, auf Grund sinkender Einkommen wegen niedrigerer Lohnabschlüsse und auf Grund von Streichungen von Leistungen im sozialen Bereich sinkt? Das ist eine tarifpolitische auf der einen und eine gesellschaftspolitische Frage auf der anderen Seite.

    (Kolb [CDU/CSU]: Wieviel bleibt denn von einer Lohnerhöhung, Herr Kollege?)

    Dieser Widerspruch, meine Damen und Herren, wächst sich allmählich zu einem argumentativen Skandal auf Ihrer Seite aus.
    Sie rechnen jetzt, ganz im Kontrast zu früheren Zeiten, nur noch mit einer Senkung der Sparquote, um das Wachstumstempo erreichen zu können, daß Sie eigentlich vorgesehen haben. Wenn ich heute früh den Bundeswirtschaftsminister richtig gehört
    habe, dann war doch sein Argument: Bei uns ist es in diesem Jahr weitergegangen, weil die Arbeitnehmer endlich ihre Sparkonten aufgelöst haben. Das war die eigentliche Quelle der Nachfrage, die es im Konsumgüterbereich gegeben hat. Angesichts dessen frage ich mich wirklich: Wie argumentieren Konservative, wenn sie feststellen, daß Arbeitnehmer auf Grund sinkender verfügbarer Masseneinkommen gezwungen sind, ihre Sparguthaben aufzulösen, um die Nachfrage aufrechtzuerhalten, die mit dem aktuellen Einkommen nicht mehr stabilisiert werden kann? Hier ist doch der Widerspruch.

    (Lattmann [CDU/CSU]: Reden Sie doch nicht so einen Unsinn! So dämlich kann doch gar keiner sein, so etwas zu behaupten! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Nun können Sie zwar damit rechnen, daß auch noch in den nächsten Monaten Sparguthaben geplündert werden, aber darauf können Sie doch keine mittelfristige Wachstumsstrategie aufbauen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das machen die Leute auf Aufforderung von den GRÜNEN)

    Das können Sie auf diesem Gebiet nicht erreichen.
    Grundfrage 3: In der Industriepolitik der Bundesrepublik Deutschland gibt es zwei Problemstellungen, über die heute von Ihrer Seite, zumal vom Grafen Lambsdorff, nicht geredet wurde. Über Glos will ich in Fragen der Wirtschaftspolitik schon gar nicht reden. — Erste Frage: Was machen wir mit den in
    die Krise geratenen Industriesektoren Stahl, Kohle, Schiffbau

    (Kolb [CDU/CSU]: Was schlagen Sie denn vor?)

    und denen, die zusätzlich in die Krise kommen werden?
    Da mache ich eine Fußnote. Wir haben zur Zeit eine steigende Nachfrage nach Automobilen. Sind Sie so sicher, daß das, was manche Automobilboom nennen, in den nächsten zwei Jahren anhält? Sind Sie so sicher, daß zur Zeit im Investitionsbereich der Automobilindustrie nicht die Überkapazitäten der zweiten Hälfte der 80er Jahre vorprogrammiert werden? Sind Sie so sicher, daß wir uns nicht in zwei Jahren hier treffen, um über die Frage zu diskutieren, was wir in bezug auf die krisenhafte Entwicklung der Automobilindustrie tun können? Fragen Sie sich das selber.
    Ich habe miterlebt, als im Jahr 1977/78 alle Fraktionen dieses Hauses über den Stahlboom beglückt gesagt haben: Endlich geht es beim Stahl aufwärts. Anschließend waren die Überkapazitäten da.
    Meine Frage ist: Was machen wir in den krisenhaft sich entwickelnden Industriesektoren? Wo ist eine industriepolitische Antwort, wie sie beispielsweise Japan durch ein Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft tatsächlich gibt? Die vorschnellen Zwischenrufer von der CDU/CSU möchte ich daran erinnern — ich weiß nicht, wer das gesehen hat; ich habe es mir jedenfalls angeguckt —, daß Franz Josef Strauß gestern abend in der ,,Bilanz"-Sendung exakt diese Fragestellung aufgeworfen hat, übrigens verbunden mit einer handfesten Kritik an Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff. Er entwikkele keine Antworten, bezogen auf die krisenhaft sich entwickelnden Sektoren Stahl, Werften usw. Das ist auch unsere Kritik.

    (Abg. Dr. Riedl [München] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich möchte diesen Gedanken ausführen, selbst angesichts einer Zwischenfrage eines CSU-Kollegen.
    Die Tatsache, daß die bayerische Staatsregierung in bezug auf die Maxhütte gesagt hat, wir werden mit den Stahlnachfragern in Bayern sprechen, damit die Kapazität der Maxhütte ausgelastet ist — ich könnte auch die Firmen nennen, mit denen die bayerische Staatsregierung gesprochen hat —, begrüße ich. Wenn sich die bayerische Staatsregierung auf der anderen Seite bereit erklärt hat, diesen Teil des Klöcknerkonzerns aufzufangen — kapazitätsmäßig anzupassen, aber auch zu sichern —, dann halte ich das für eine industriepolitische Maßnahme, der ich nur zustimmen kann.

    (Glos [CDU/CSU]: Gute Leute da unten!)

    Ich bin froh, daß es wenigstens in Bayern auf Grund der finanzpolitischen Möglichkeiten, die dieses Land hat, eine gewisse Sicherheit in diesem Fall für die Arbeitnehmer in der Maxhütte gibt. Ich finde, das ist richtig. Nur frage ich: Wo ist Ihr Selbstverständnis als CSU-Abgeordnete und CDU-Abgeordnete, wenn Sie sehen, daß diese Koalition die
    3182 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
    Roth
    schleichende Selbstzerstörung der Stahlindustrie im gesamten übrigen Bundesgebiet zuläßt? Das ist meine Frage.

    (Kolb [CDU/CSU]: Haben die Unternehmer keine Verantwortung mehr?)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Erlauben Sie jetzt eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich will das zu Ende führen.
    Seit zwölf Monaten haben wir diese Frage eigentlich alle zwei, drei Wochen im Bundestag gestellt. Auch heute ist auf diese Frage keine Antwort gekommen.

    (Kolb [CDU/CSU]: Welche Antwort geben Sie denn?)

    Graf Lambsdorff hat eine Rede gehalten, die mehr einem Oppositionsabgeordneten entsprochen hätte, der die von der SPD gestellte Bundesregierung kritisiert. Für den Stahlbereich — Saarstahl und die übrigen Standorte: Bremen, Ruhrgebiet, Siegerland, Niedersachsen — hat er nicht eine Antwort gehabt.
    Vergleichbares, wenn nicht Schlimmeres ist aus dem Werftenbereich zu berichten. Für den Werftensektor hat die Bundesregierung, hat der Bundeskanzler in Bremen vor einiger Zeit eine Garantie gegeben, bei der Fusion der Bremer Werften Unterstützung zu leisten. Und nun? Vor etwa zehn Tagen hat die Bundesregierung diese Garantie zurückgenommen.

    (Lattmann [CDU/CSU]: Das ist nicht wahr! Was Sie da erzählen, ist kompletter Unsinn!)

    Sie läßt jetzt die Bremer Landesregierung in ihrer Entscheidung allein. Auch hier wächst sich die Verweigerung der Industriepolitik

    (Lattmann [CDU/CSU]: Sie verweigern sich den Realitäten! Das ist das Problem!)

    durch die Bundesregierung zu einer Krise, nein, zu einem wirklichen Chaos aus.
    Ich darf hier zitieren, was gestern Betriebsräte der Bremer Werften an Herrn Kohl geschrieben haben. Sie können daran feststellen, welche Enttäuschung bei den Arbeitnehmern in den Betrieben herrscht. Sie schreiben:
    Am 4. März in Bremen und am 18. Juli in Bonn hat der Bundeskanzler uns persönlich, den Betriebsräten der betroffenen Werften und Vertretern der IG Metall, konkrete Hilfe für die Werften zugesagt. Voraussetzung sei, so sagte der Bundeskanzler, daß Werftvorstände ein von der Treuarbeit befürwortetes Konzept vorlegten. Diese Vorbedingung ist von Eigentümern und Werftvorständen inzwischen erfüllt worden. Der Bundeskanzler hat am 18. Juli 1983 erklärt, seine Autorität im Bundeskabinett einzusetzen, um die unterschiedlichen Interessen der Fachminister Lambsdorff und Stoltenberg für eine Lösung der bremischen Werftprobleme zu gewinnen.
    Ich kann nur sagen, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, hier hat sich Lambsdorff mit seinem Nein für eine zukunftsorientierte Industriepolitik für den Standort Bremen durchgesetzt, und die Leute in den Bremer Werften stehen jetzt nach Monaten erneut vor dem Nichts. Das ist die Tatsache.

    (Dr. Hackel [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn! — Kolb [CDU/CSU]: Wem würden Sie die Schiffe verkaufen? — Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie doch mal, was Sie machen würden!)

    — Herr Koschnick hat gesagt, und zwar vor dem Wahltag in Bremen, daß er weiß, daß eine Kapazitätsanpassung in Bremen notwendig ist.

    (Stratmann [GRÜNE]: Werftenschließung, Herr Roth!)

    Koschnick hat gesagt: Ich bin bereit, das mitzutragen, wenn durch eine Fusion und entsprechende Rationalisierungsmaßnahmen im Werftenbereich von Bremen eine der Absatzlage entsprechende Anpassung stattfindet.
    Er hat allerdings auch gesagt, daß die Finanzen des Landes Bremen nicht ausreichen, um diesen Anpassungsprozeß zu finanzieren. Er hat sich damals auf entsprechende Zusagen der Bundesregierung verlassen. Nach dem Gespräch in der vorletzten Woche hat die Bundesregierung diese Zusage zurückgezogen.

    (Lattmann [CDU/CSU]: Das ist nicht wahr, Herr Roth! Sie opfern den Rest Ihrer Glaubwürdigkeit!)

    Meine Damen und Herren, hier ist ein Stück Industriepolitik zugunsten einer dogmatischen, ideologisierten Ablehnung jeder Industriepolitik in der Bundesrepublik Deutschland geopfert worden.

    (Kolb [CDU/CSU]: Müssen wir denn Industriepolitik machen oder die Manager?)

    Die vierte Grundfrage lautet — auch dazu gibt es von Ihrer Seite nach meiner Überzeugung keine ausreichende Antwort —: Wie erhalten wir in diesem Land bei einer Verschärfung der Arbeitsmarktprobleme und der sozialen Konflikte den sozialen Frieden, den sozialen Konsens? Ich habe schon erwähnt, wie Bundeskanzler Kohl auf die Forderung — auf eine tarifpolitische Forderung, muß ich hinzufügen — der IG Metall reagiert hat. Es war in der ,,Bild"-Zeitung. Er hat gesagt, die 35-Stunden-Woche sei absurd, töricht und dumm. Das hat er zu Beginn einer tarifpolitischen Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gesagt. Ich kenne keinen Eingriff in dieser Schärfe — da schließe ich Herrn Erhard und Herrn Adenauer ausdrücklich mit ein — in eine konkrete Tarifauseinandersetzung seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der SPD)

    Unabhängig davon, wie Sie zur 35-Stunden-Woche stehen — da gibt es unterschiedliche Meinungen bei Ihnen und in allen Teilen der Bevölkerung, im Arbeitnehmerlager und auch im Bereich der Arbeitgeber —, frage ich Sie: Wie will eine Regierung
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3183
    Roth
    in einer derartigen Situation, da sich der Tarifkonflikt zuspitzen wird, Mittler sein, grüner Tisch sein, Organisator des grünen Tisches, eine Institution, die die Leute zusammenbringt, die dann, wenn sich der Konflikt zuspitzt, auch zum Kompromiß hinführen kann, wenn am Anfang eines Tarifkonflikts der staatliche Teil, der noch gar nicht gefordert ist, einseitig, allein und ausschließlich auf seiten der Arbeitgeber sein Interesse gesichert sieht?

    (Kolb [CDU/CSU]: So hat er das nicht gesagt! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist doch nicht nur eine Tariffrage! Sie haben sie doch selbst zur politischen Frage gemacht!)

    — Rufen Sie doch nicht empört hier dazwischen, sondern gehen Sie in die nächste Fraktionssitzung der CDU/CSU und machen Sie Ihrem Bundeskanzler klar, daß der Eingriff des Staates in dieser Phase einer Tarifauseinandersetzung nur zu einer Verschärfung des sozialen Klimas und nicht zu einer Lösung der sozialen Konflikte führen kann.

    (Beifall bei der SPD)