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ID1004405800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/44 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 44. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 Inhalt: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534 —Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 10/690, 10/691 — Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen 10/638, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 10/653 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 10/657 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksachen 10/647, 10/659 — dazu Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksachen 10/686, 10/716 —Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/687 — Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1983 bis 1987 — Drucksachen 10/281, 10/535, 10/723 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksachen 10/639, 10/659 — dazu Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/677 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/696 — in Verbindung mit Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen 10/640, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 10/641, 10/659 — dazu Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 10/724, 10/733 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/725 — Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der unmittelbaren Kostenbeteiligung der Versicherten an der Krankenhaus- und Kurbehandlung (Selbstbeteiligungs-Aufhebungsgesetz) — Drucksache 10/120 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 10/675 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/676 — Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion der SPD Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit — Drucksachen 10/189, 10/704 — Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Hoss und der Fraktion DIE GRÜNEN Sofortmaßnahme: Erhöhung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung — Drucksachen 10/205, 10/698 — Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Mutterschaftsurlaub — Drucksachen 10/358 Nr. 64, 10/706 — in Verbindung mit Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksachen 10/645, 10/659 — in Verbindung mit Haushaltsgesetz 1984 — Drucksachen 10/658, 10/660 — Dr. Meyer zu Bentrup CDU/CSU . 3109B, 3205 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3109C Wieczorek (Duisburg) SPD 3118A Carstens (Emstek) CDU/CSU 3123 D Stratmann GRÜNE 3128 B Dr. Weng FDP 3133 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 3136 D Frau Simonis SPD 3144 B Glos CDU/CSU 3150 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 3154 D Vizepräsident Stücklen 3156 C Frau Fuchs (Köln) SPD 3165A Dr. Friedmann CDU/CSU 3171 D Frau Potthast GRÜNE 3175A Frau Seiler-Albring FDP 3176B, 3248 B Roth SPD 3178C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 III Wissmann CDU/CSU 3183 D Hoss GRÜNE 3186 A Dr. Haussmann FDP 3189 D Sieler SPD 3191 D Präsident Dr. Barzel 3194A Jagoda CDU/CSU 3195A Vizepräsident Frau Renger 3195 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 3198 D Gobrecht SPD 3201 B Frau Dr. Vollmer GRÜNE 3208 B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 3210 C Grünbeck FDP 3212 B Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 3213C Schulhoff CDU/CSU 3218 D Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 3220 D Frau Zutt SPD 3223 C Bredehorn FDP 3226 A Kiechle, Bundesminister BML 3227 D Hauck SPD 3230 B Dr. Hoffacker CDU/CSU 3232 C Eimer (Fürth) FDP 3236 B Jaunich SPD 3237 A Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 3239 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 3244 A Roth (Gießen) CDU/CSU 3245 D Walther SPD 3249 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . 3250 B Vizepräsident Wurbs 3258 C Namentliche Abstimmungen . 3254 B,C, 3256 B,C Nächste Sitzung 3258 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3259* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Heyenn (SPD) nach § 31 Abs.1 GO 3259* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3107 44. Sitzung Bonn, den 8. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 12. Cronenberg (Arnsberg) 9. 12. Fischer (Frankfurt) 9. 12. Gerstl (Passau) * 9. 12. Gilges 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Haase (Fürth) * 9. 12. Haehser 9. 12. Handlos 9. 12. Frau Dr. Hartenstein 9. 12. Immer (Altenkirchen) 9. 12. Dr. Kreile 8. 12. Lemmrich* 9. 12. Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Dr. Müller* 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Reddemann* 9. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. von Schmude 9. 12. Schreiner 9. 12. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 9. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockleben 9. 12. Verheyen 9.12. Voigt (Frankfurt) 9. 12. Weiskirch (Olpe) 9. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung des Abg. Heyenn (SPD) nach § 31 Abs.1 GO Zur Abstimmung über den Einzelplan 11 erkläre ich hiermit, daß ich aus den von Sprechern meiner Fraktion dargelegten Gründen nicht zustimmen kann. Ich begrüße jedoch, daß es auf Betreiben meiner Fraktion eine interfraktionelle Einigung darüber gegeben hat, wie sichergestellt werden kann, daß die drei im Hamburger Verkehrs-Verbund einbezogenen Linien der Eisenbahngesellschaft Altona, Kaltenkirchen, Neumünster (AKN) auch künftig von Behinderten unentgeltlich in Anspruch genommen werden können. Ich begrüße weiter, daß die Fraktionen von CDU/CSU und FDP verbindlich erklärt haben, eine gesetzliche Regelung vorzunehmen, wenn der jetzt gemeinsam vorgesehene Weg nicht zum Ziel führt. Die Fraktionen von CDU/CSU, FDP und SPD haben sich darauf geeinigt, im Rahmen der Aussprache zum Einzelplan 11 folgende Erklärung zu Protokoll zu geben: Die Fraktionen gehen übereinstimmend davon aus, daß die obersten Landesbehörden in Hamburg und Schleswig-Holstein die drei in den Hamburger Verkehrsverbund einbezogenen Linien der Eisenbahngesellschaft Altona, Kaltenkirchen, Neumünster (AKN) als S-Bahnen im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Schwerbehindertengesetz anerkennen. Durch diese Entscheidung der zuständigen Landesbehörden soll sichergestellt werden, daß Behinderte auch künftig diese Linien, die eine Reihe von S-Bahnmerkmalen aufweisen, unentgeltlich in Anspruch nehmen können.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heide Simonis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich will nicht bestreiten, daß in den Augen eines lothringischen Stahlarbeiters auch die Subventionspolitik der Bundesregierung unverfroren sein muß. Aber im Grunde genommen ist das ein Zeichen dafür, daß diese Bundesregie-
    3148 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
    Frau Simonis
    rung als Vertreterin eines der wirtschaftlich stärksten Staaten nicht in der Lage ist, innerhalb der EG ein vernünftiges Konzept durchzusetzen.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    — Das ist nicht einmal eine Erkenntnis, die ich habe, sondern die Branche trägt dem Minister ständig vor, daß er endlich einmal in Brüssel etwas machen solle.
    Und es bleibt natürlich die Tatsache bestehen, daß man in der Tat durch unverfrorene Subventionspolitik, d. h. immer vorbei an den OECD-Regelungen, versucht, sich halbwegs durchzumogeln.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Wann ist denn mit den Subventionen begonnen worden?)

    Wir hatten also gerade festgestellt, daß die neue wirtschaftspolitische Linie des Ministers lautet: Abwarten, Durchatmen, mindestens bis tausend zählen, Augen zu und durch, aber ansonsten nichts zu machen.
    Wenn die Manager in unseren Krisenbranchen so opferbereit, anpassungsfähig, leistungsbewußt und zukunftsorientiert handelten, wie sie es vom deutschen Arbeitnehmer dauernd verlangen, wäre schon manches in diesen Krisenbranchen geheilt.

    (Beifall bei der SPD)

    Nur ein Bruchteil dieser geforderten Fähigkeiten würde, von Ihnen eingesetzt, den Eindruck der Konzeptionslosigkeit bei der Bundesregierung ein bißchen zerstreuen helfen können.
    Wie sehen denn beispielsweise die Stetigkeit und die Ausdauer in der Wirtschaftspolitik aus? Da haben wir laufend wechselnde Signale, beispielsweise in den Fragen: Großfusion der Werften in Bremen, ja oder nein — das sieht vor einer Wahl immer ganz anders aus als hinterher —, übergreifendes Stahlsanierungskonzept, j a oder nein — nachdem die Regierung erst dafür war, ist sie jetzt dagegen —, Fortsetzung bzw. Ausbau eines modernen Luft- und Raumfahrtkonzeptes, ja oder nein,

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Ja!)

    Vorrang der heimischen Kohle, j a oder nein? Man weiß es nicht immer ganz genau. Heute wird etwas anderes gesagt als morgen. Und ich frage mich, ob der Wirtschaftsminister und mit ihm der Finanzminister morgen noch wissen, was heute zu tun sie sich gestern vorgenommen haben. Das Gefühl, daß sie das wissen, habe ich leider nicht mehr.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie ein Hamster in seinem Laufrad rennen sie den Beweisen nach, daß Milton Friedman nicht irren kann — weil er nicht irren darf — und daß Keynes ein geschichtlicher Irrtum der Ökonomie gewesen ist, anstatt Keynes zu modernisieren und Friedman zu vergessen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dessen Politiksurrogat hat Chile zum Kollaps geführt, bewirkt, daß in Amerika nahezu 38 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben und in
    England jeder Dritte. Das ist das Ergebnis einer Politik, in der dem Staat lediglich die Rolle eines Nachtwächters zugewiesen wird. Was, um Gottes willen, brauchen Sie denn noch an Beweisen, um endlich zu begreifen, daß Sie sich auf dem Holzwege befinden, und zu handeln? Denn heute schon zahlen Arbeitnehmer, zahlen aber auch Unternehmer in Krisenbranchen schwer für die Nachtmützen-Politik der Bundesregierung.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Welcher Bundesregierung?)

    Es ist keineswegs ein Lob für die Beteiligten, wohl aber ein Lob für den Finanzminister, wenn man feststellt: Durchgesetzt hat sich in diesem Haushalt auch bei der Wirtschaftspolitik der Finanzminister, nota bene ein Mann, der selten zukunftsweisende Visionen hat, dessen Mut zum Risiko sich im Zurückfahren von Haushaltsansätzen erschöpft und dessen Waterloo jede ausgegebene Mark ist. Der bestimmt die Richtlinien der Wirtschaftspolitik. Und so sieht die dann auch aus.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vor allem hat er den Wahlkreis gewonnen!)

    Es wäre Aufgabe des Wirtschaftsministers gewesen, jene Mittel freizubekommen, die er braucht, um die Modernisierungsprozesse in der Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze zu sichern und zu vermehren und soziale Sicherheit zu garantieren. Hat der Wirtschaftsminister gekämpft? O ja, er hat. Sein Kampf in Sachen ARBED-Saarstahl bestand darin, Massenentlassungen zu fordern. Sie sind weiß Gott der erste Wirtschaftsminister, den ich kennengelernt habe, der Massenentlassungen auf seinem Programm hat. Ich kenne sonst nur Wirtschaftsminister, die für Beschäftigung kämpfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist wirklich ein Novum.
    Gleichzeitig mit der Massenentlassung haben Sie allerdings etwas anderes vorgehabt, als nur die Arbeitslosenzahl nach oben zu treiben. Sie wollten im Saarland zwischen die Gewerkschaften einen Keil treiben. Sie wollten, daß Tarifverträge aufgelöst werden können und daß die Existenzgrundlage von Tausenden von Arbeitnehmern nahezu an eine Grenze heruntergefahren wird, von der ich behaupten möchte, daß sie ein menschenwürdiges Leben auf Dauer nicht garantieren kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie sah sein Kampf in der Kohlepolitik aus? Hat der Wirtschaftsminister irgend etwas getan, um sicherzustellen, daß Kohle bei uns verstärkt eingesetzt wird? Nein, kann man nur sagen. Das einzige, was ihm eingefallen ist, sind Freischichten und Kapazitätsanpassung auf Kosten der Bergleute.
    Wenn in diesem Zusammenhang im übrigen immer wieder von Ökonomie und Ökologie gesprochen und die für mich verblüffende These aufgestellt wird, Kohle laufe den Zielen der Ökologie zuwider, deswegen brauche man Kernenergie, dann muß ich sagen: Sie scheinen vergessen zu haben, daß Sie selbst Großfeuerungsanlagen-Verordnungen herausgegeben haben, die bei konsequenter
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983 3149
    Frau Simonis
    und schneller Befolgung durchaus den wirtschaftlichen und umweltschonenden Einsatz von Kohle erlauben würden.

    (Stratmann [GRÜNE]: Wie sah denn die Rolle der NRW-SPD aus? Die hat alles verwässert!)

    — Wissen Sie, lieber Herr Stratmann, ich würde an Ihrer Stelle nicht so herumspektakeln; denn der Sexismus, der vorhin bei Ihrem Vergleich mit der alten Frau, die sich liften läßt, durchgeschlagen ist, hätte in Ihrer Fraktion eigentlich zum Aufschrei führen müssen.

    (Beifall — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Wenn Sie von der CDU/CSU da klatschen, ist das Heuchelei!)

    Ich kenne Männer, die zu sehr viel — sagen wir einmal — unerfreulicheren Mitteln greifen, um ihre mangelnde Schönheit aufzupolieren.
    Richtig ist, daß es in der Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit — da schließe ich die SPD nicht aus
    — durchaus Irrungen und Wirrungen gegeben hat.

    (Stratmann [GRÜNE]: Heute noch!)

    Daß Sie von Geburt an alles besser wissen, ehrt Sie, freut mich für Sie, freut mich für Ihre Eltern. Aber daß es so ist, halte ich für unwahrscheinlich.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Stratmann [GRÜNE]: Das ist aber kein Argument!)

    — Nein, es spricht nur für die gute Familie, aber nicht für die Wirtschaftspolitik, die Sie vorgetragen haben.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Extra Ökoschminke!)

    Der Minister, dem von Amts wegen eigentlich zuzutrauen wäre, daß er in gesamtwirtschaftlichen Kategorien denkt, befleißigt sich — das kam auch vorhin in seiner Rede wieder zum Ausdruck — im wesentlichen einzelwirtschaftlicher Überlegungen. Das wird dann auch noch wirtschaftswissenschaftlich abgefedert durch das Institut für Weltwirtschaft, das sich zur Verdeutlichung seiner Sparpolitik nicht entblödet hat, uns im Haushaltsausschuß das Modell einer geschlossenen Wirtschaft vorzuführen. Auf die Frage, warum er das tue, hat er geantwortet, das sei für uns didaktisch und pädagogisch vernünftiger.
    In solchen Modellen — das will ich j a gerne zugeben — gibt es natürlich, so didaktisch und pädagogisch vernünftig sie sind, keine sozialen Kosten der Arbeitslosigkeit. Darin gibt es auch keine sozialen Kosten für aussterbende Regionen und Branchen. Darin gibt es lediglich Kosten und Gewinne. Die letzteren gilt es zu maximieren, die ersteren gilt es zu minimieren. Das Ganze um nahezu jeden Preis, vor allen Dingen um den Preis, daß die sozial Schwächsten es zu bezahlen haben.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Natürlich glaubt im Ernst niemand an eine geschlossene Wirtschaft. Im Gegenteil: Der Jubel bricht über jeden Prozentpunkt oder Viertelprozentpunkt aus, um den der Export gesteigert wird. Das Ganze wird dann als ein Erfolg der Regierung dargestellt. Dieser Erfolg hat lediglich damit etwas zu tun, daß sich der Dollar in geradezu atemberaubende Höhen hinaufgeschraubt hat. Dann noch zu behaupten, daß wir eine feste Währung hätten, erfordert auch wieder Mut; denn wenn der Dollar, gemessen an der Mark, auf 2,78 DM gestiegen ist, kann man nur sagen, daß zwischen diesen beiden Währungen irgend etwas nicht in Ordnung ist.
    Als Folge davon steigen natürlich unsere Exporte. Das ist wie bei einem aufgeblasenen Luftballon, der jederzeit sofort in sich zusammensinkt, wenn man mit der Nadel hineinpiekt, sprich: wenn der Dollar sinkt. Darauf würde ich keine längerfristige Wirtschaftspolitik aufbauen. Sie haben den Mut dazu. Ich kann nur sagen: à la bonne heure!
    Im übrigen verlieren Sie, wenn Sie Ihre Exporte bejubeln, auch kein Wort über zunehmende Auslandsabhängigkeit. Und die steigenden Importe, die sich bei Ihrer mittelfristen Finanzplanung in steigenden Importsteuereinnahmen niederschlagen, finden bei Ihnen auch kaum eine Erwähnung. Es ist ungefähr so, als gingen Sie davon aus: Alle unsere Handelspartner sind hoch befriedigt, im Handel mit der Bundesrepublik Zahlungsbilanzdefizite zu bekommen, und werden es auch noch zehn Jahre lang so fortsetzen.

    (Dr. Apel [SPD]: So ist es!)

    Von Protektionismus ist keine Rede. Das scheinen Sie nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Aber genau dort setzt der Widerstand unserer Handelspartner ein, indem man gegenüber deutschen Produkten protektionistisch handelt. Das richtet sich im übrigen ausgerechnet gegen jene Produkte, bei denen wir es sowieso schon schwer haben, zum Beispiel beim Stahl.
    Außerdem wird kein Wort darüber verloren, daß wir in der Zwischenzeit selbst nach Protektionismus schreien, im übrigen mit Hilfe der Regierung. Das Ganze heißt aber nicht „Protektionismus", sondern wird vornehm umschrieben als „Selbstbescheidung der Exporte aus Japan".
    Damit gestehen Sie der deutschen Wirtschaft einen Freiraum zu, in dem sie sich nicht mehr bewegen muß, in dem sie nicht mehr innovativ werden muß, sondern in dem sie sich darauf verlassen kann, daß die nach außen gerichteten Schutzzölle, Schutzzäune und Schutzbarrieren so hochgesetzt werden, daß man sich geruhsam hinsetzen und warten kann, ob ihr nicht eines Tages, wenn es doch schiefgegangen ist, mit einer Subvention ein bißchen über die Runden geholfen wird.
    Bei Ihnen findet keinerlei Nachdenken darüber statt, welche alternativen zukunftssichernden Produktionen alte Strukturen ersetzen können. Hier wird so munter von strukturellen Defiziten, von strukturellen Schwierigkeiten gesprochen.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Ist jemand von Ihnen überhaupt in der Lage, zu
    definieren, was eine Struktur ist? Ich fürchte, Sie
    3150 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1983
    Frau Simonis
    können es nicht einmal buchstabieren, geschweige denn können Sie eine Politik dagegen einleiten.

    (Beifall bei der SPD)

    Es gibt keine vorausschauende Strukturpolitik, ganz zu schweigen von einer Industrie- und Technologiepolitik. Sie sind nicht einmal in der Lage, im Haushaltsausschuß eine Antwort darauf zu geben, ob Sie beim Airbus, einem der wenigen Produkte, das Sie zu Recht mit Stolz vorführen können, die Zelle — sprich: den Körper des Flugzeugs —, die Ausrüstung — sprich: die Leitwerke — und die Motoren, die Turbinen, in gleichem Maße fördern wollen oder nicht. Sie halten vielleicht die Zelle für wichtiger als die Turbinen, aber das kann man auch genau anders sehen. Man erhält jedesmal Leerantworten, wenn man Sie danach fragt. Mit anderen Worten: Sie haben nicht die geringste Ahnung, wohin die Reise eigentlich gehen soll.
    Statt aktiver Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik gibt es bei Ihnen nur Nichtstun. Die Folge dieses Nichtstuns ist, wie wir Ihnen vorausgesagt haben, daß — dem Gesetz der Schwerkraft folgend — der materielle Wohlstand immer dorthin wandert, wo schon eine ganze Menge ist. Es gibt dafür ein deutsches Sprichwort, das ich hier jetzt nicht zitieren möchte, weil ich mir sonst unter Umständen eine Rüge einhandeln würde.
    Dies wird auf der rechten Seite des Hauses wohlwollend zur Kenntnis genommen und sogar noch dadurch gefördert, daß man im Sozialbereich kürzt, sich andererseits aber mit Ankündigungen von Steuergeschenken nur so überschlägt.
    Sie haben aber den Mut, in demselben Moment ein „Anspruchsdenken" in der Bevölkerung zu beklagen und zu fordern, daß zur Gesundung der deutschen Wirtschaft dieses „Anspruchsdenken" nach unten gefahren werden muß. Kennt man bei Ihnen eigentlich Schmerzgrenzen? Tut Ihnen irgendwann auch einmal etwas weh, wenn Sie solche Sachen sagen?

    (Beifall bei der SPD — Austermann [CDU/ CSU]: Diese Rede! — Biehle [CDU/CSU]: Bei Ihrer Rede haben wir dauernd Ohrensausen, und das tut sehr weh!)

    Bei uns in Schleswig-Holstein verdient ein Schiffsfacharbeiter 1400 DM netto im Monat. Das bringt er mit nach Hause und hat davon eine Frau und unter Umständen zwei Kinder zu ernähren. Im Saarland verdient ein Stahlfacharbeiter fast denselben Nettobetrag. Dieses als „übertriebenes Anspruchsdenken" zu bezeichnen ist der blanke Zynismus;

    (Beifall bei der SPD)

    erst recht dann, wenn man noch die Tatsache im Hinterkopf hat, daß sich der saarländische Wirtschaftsminister zu seinem, wie er es betrachtet, „schwachbrüstigen Salär" in Höhe von 160 000 DM im Jahr von seinem ehemaligen Arbeitgeber 100 000 DM im Jahr dazugeben läßt. Ich kann das verstehen: Wenn ich mir die saarländische Wirtschaft angucke, kommen mir auch die Tränen. Vielleicht war das der Grund, warum ihm 160 000 DM zu wenig waren.
    In demselben Moment, da Sie 1400 DM netto im Monat als „übertriebenes Anspruchsdenken" zurückweisen, sehen Sie interessiert zu, wie an den normalen Grundsätzen der Anständigkeit im Beamtentum und an der Regierung vorbei sich ein Wirtschaftsminister gerade im ärmsten Land der Bundesrepublik sein persönliches Gehalt aufbessern läßt. Sie erspüren offensichtlich überhaupt nichts, und Sie wollen auch nichts begreifen. Dies ist das Kennzeichen Ihrer Wirtschaftspolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    In Ihrer Unbeweglichkeit ähneln Sie trotz Ihrer Wendigkeit in bestimmten Dingen den Dinosauriern. Im Gegensatz zu den Dinosauriern allerdings, die an ihrer eigenen Unbeweglichkeit zugrunde gingen, können Sie für sich nicht in Anspruch nehmen, Sie seien nicht vor den Folgen Ihres Nichtstuns, Ihrer Unbeweglichkeit gewarnt worden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von Ihnen heute morgen?)

    Im Gegensatz zu den Dinosauriern zahlen nicht Sie die Zeche Ihrer Untätigkeit, sondern die arbeitslosen Frauen, die Behinderten, die Jugendlichen ohne Ausbildung und Arbeitsplatz, die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, die „freigesetzt" werden, oder wie sonst die schönen neudeutschen Worte dafür lauten.
    Wir sind daher nicht in der Lage, Ihrem Haushalt zuzustimmen. Das einzige, wozu wir uns aufraffen können, ist, zu sagen: Machen Sie Ihre Hausaufgaben noch einmal, und kommen Sie 1985 mit einem besseren Vorschlag!
    Vielen Dank.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Das war eine Wassersuppe, Junge, Junge!)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, wir treten nun in die Mittagspause ein. Die Aussprache wird um 14 Uhr fortgesetzt.
Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung von 12.56 bis 14.00 Uhr)


(Vizepräsident Stücklen nimmt ohne Ankündigung auf dem Präsidentenstuhl Platz — Zurufe von der SPD: Schon da! Er kommt durch die Hintertür!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Das ist eine Absprache innerhalb des Präsidiums, um das nicht so offiziell wie beim Beginn einer Sitzung zu machen, da es sich um die Fortführung einer unterbrochenen Sitzung handelt, die ich damit eröffnet habe.

    (Beifall)

    Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glos.