Ich habe nichts anderes gesagt, als daß der Antrag von der SPD kam, daß wir den Antrag aufgenommen haben, und zwar bevor die CDU/CSU diesen Antrag gestellt hatte. Sonst habe ich nichts gesagt.
Ich möchte noch etwas sagen, und ich hoffe, das wird akzeptiert: Freunde von der CDU/CSU, nach über einem Jahr Regierungszeit — normalerweise werden 100 Tage genehmigt — muß endlich einmal Schluß sein mit der Erblast.
Damit muß endlich einmal Schluß sein: denn wir haben Sie ja nicht gerufen, sondern Sie haben sich in die Regierung hineingedrängt. Das muß auch einmal deutlich gemacht werden.
— Aber Herr Kollege!
Ich danke ausdrücklich von dieser Stelle Brigitte Traupe für ihren Beitrag.
Wer diesen Beitrag mit den früheren Reden vergleicht, stellt fest, daß sie in der Zeit der Regierung genauso gesprochen hat wie heute in der Opposition, nämlich sachlich, ausgewogen und anständig.
Ich meine, so müßte es auch sein, denn die Demokraten sind keine Feinde untereinander, und sie dürfen es nicht sein. Sie können allemal Gegner sein, Konkurrenten. Ich meine, wir können uns sicher um das Ruder im Boot streiten, aber eines dürfen wir nicht, nämlich um das Boot selbst streiten,
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3095
Leonhart
wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, daß das Boot kentert und wir alle Schaden nehmen.
Bei Vorbereitung meines Debattenbeitrages habe ich natürlich nachgelesen, was wer zu welchem Thema gesagt hat. So habe ich Herrn Apel nachgelesen, und ich habe Erwin Horn nachgelesen und viele andere Sozialdemokraten. Zum Teil — ich bin seit 1980 hier im Plenum — habe ich sie auch direkt hier im Hause erlebt. Die Reden sind überwiegend in der Regierungszeit gehalten worden, aber sie haben noch heute Gültigkeit. In Verantwortung vor dem Ganzen ist die heutige Opposition doch die mögliche Regierung von morgen und umgekehrt.
Ich glaube, daran sollten wir uns alle orientieren. Daraus ergeben sich Verpflichtungen für uns.
Auch die damaligen Oppositionsredner der CDU/CSU habe ich hier im Hause zum Teil miterlebt, Herr Kollege Würzbach.
Lesen Sie einmal die Reden unseres Freundes Werner Marx nach. Das ist der, der damals Vorsitzender des Verteidigungsausschusses gewesen ist. Da war aber auch gar nichts mehr heil in diesem Lande, da war aber auch alles kaputt. Das fing beim Bankrott an und ging bis zu weiß Gott was. Dabei wissen wir alle — denn das haben wir gelernt —, daß Lautstärke — ich sehe den Kollegen Marx leider nicht — noch keine Argumente darstellt.
Oder nehmen wir Herrn Würzbach. Das ist der, der heute Staatssekretär ist,
ein schneidiger Mann; das wissen wir alle.
Wenn man ihn so sieht, weiß man, daß er mit jedem Zoll Soldat ist. Sympathisch ist er noch dazu; das füge ich gern an.
Aber lesen wir seine Reden. Er ist ja irgendwann in der Öffentlichkeit sehr rasch bekannt geworden. Die Kollegen aus dem Ausschuß wissen das noch. Denn er hatte die eigene Art, die Presseerklärung bereits fertig zu haben, bevor überhaupt die Sitzung zu Ende gewesen ist.
Das war immer eine sehr gute Sache.
Ich sage noch etwas: Ich hatte bei Herrn Würzbach immer das Gefühl, daß er sich nur deshalb eine Suppe kaufte, weil er hoffte, darin ein Haar zu finden. Nicht wahr, Herr Würzbach, so war das immer! Aber auch er — er ist ja ruhiger geworden — hat zwischenzeitlich erfahren müssen, daß zu scharfe Messer nicht schneiden.
— Aber Herr Kollege, ich bitte Sie wirklich! Wenn Sie aus meiner Rede auch nur eine Gehässigkeit herauslesen,
wie man es aus vielen Teilen Ihrer Fraktion kennt, gebe ich Ihnen zwanzig Mark. Sie reizen mich auch nicht dazu, daß ich gehässig werde, weil das meiner ganzen Art und Anlage nicht entspricht.
Schließlich kann man noch die Reden von Herrn Wörner lesen. Das ist der, der heute Verteidigungsminister ist.
Was hat er gesagt? Bankrott, desolat, heruntergewirtschaftet, das war sein Vokabular bei der Beurteilung der Bundeswehr.
Kein Benzin sei da, mit dem unsere Flugzeuge fliegen könnten, keine Munition für unsere Kanoniere.
Ich erinnere mich noch daran, daß gerade wir Jungen, die wir neu im Verteidigungsausschuß waren, sehr erschrocken waren, denn was geschieht dann, wenn der böse Feind hier ins Land kommt und unsere Flugzeuge können nicht fliegen, und unsere Kanoniere können nicht schießen? In unserer Not gingen wir damals zum Generalinspekteur, zu Herrn Brandt, und siehe da,
zu viert — Kolbow, Heistermann, Klejdzinski und ich — hatten wir diesen Gang gemacht, denn der Generalinspekteur mußte ja wissen, wie es mit der deutschen Bundeswehr aussah. Vor dem Ausschuß hat er dann erklärt: Unsere Bundeswehr ist in einem befriedigenden Zustand
und kann ihren Auftrag voll erfüllen. So der Generalinspekteur!
Das war vor dem Ausschuß, und Herr Biehle ist ja Mitglied dieses Ausschusses. Das ist der, der heute Vorsitzender des Verteidigungsausschusses ist.
Dieser Biehle war ein sehr ungläubiger Thomas. Lesen Sie einmal nach, was er in der Debatte am 27. November 1981, also kurz vor der Wende, über den inneren Zustand der Bundeswehr und zur Lage der Soldaten in den Streitkräften sagte. Das war eine Oppositionsrede, das kann ich Ihnen sagen!
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Danach war in dieser Bundeswehr überhaupt nichts mehr in Ordnung. Was da — so Herr Biehle — alles anders, alles besser gemacht werden konnte! Große Worte, gelassen ausgesprochen. „Und der Mensch steht im Mittelpunkt", so hat er formuliert.
Der Beförderungsstau, der Verwendungsstau wurde angesprochen, die Wehrsolderhöhung und vieles andere mehr wurde gefordert.
Und heute? Und heute?
— Ja, vergleichen wir doch einmal Anspruch und Wirklichkeit!
Da kam eitel Freud über und in die Bundeswehr seit dieser Wende, denn die Eingangsstufen wurden jetzt herabgesetzt von A 9 nach A 8 und von A 13 nach A 12, und die Wehrsolderhöhung wurde zur Freude unserer Soldaten um ein Jahr hinausgeschoben! Was doch so ein Schreibtisch ausmacht,
ein Meter Holz zwischen dem, was sich vor der Theke und dem, was sich hinter der Theke abspielt.
Ich sage das, meine Damen und Herren, ohne Bitternis. Wissen Sie eigentlich — und das ist mir ein ernsthaftes Anliegen —, welchen Schaden Sie im Meinungsbild unserer Bürgerschaft und im Meinungsbild junger Menschen, und auch dem von Soldaten, angerichtet haben? Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU — ich nehme „Damen" weg, meine nur die Herren —, haben zum Teil sehr bösartige, giftige, gehässige Debattenbeiträge gegeben. Dabei ist die Welt doch nicht schwarz-weiß — das wissen wir doch alle —, sondern die Welt ist changiert, grau in grau.
— Sehr richtig! Kritik muß doch konstruktiv sein, sie muß aufbauend sein und dem Ganzen verpflichtet. Auch ich könnte mir eine bessere Bundeswehr vorstellen. Ich könnte mir auch eine bessere Welt vorstellen, eine Welt ohne Waffen. Aber die Welt ist nun einmal so, wie sie ist. Wir haben es mit Menschen zu tun mit all ihren unterschiedlichen Interessen und Egoismen. Was nützt uns, meine Damen und Herren, eine perfekte Bundeswehr, wenn wir den Bürger verlören, wenn sich der Bürger der Gesellschaft, unserem Staat entzöge? Sicherheitsorgane sind heute sensible Einrichtungen geworden. Das ist bei der Polizei ebenso wie bei der Bundeswehr. Beide Institute werden besonders kritisch betrachtet. Was man bei der Bahn oder der Post oder sonstigen großen Unternehmungen hingenommen hätte, erfährt bei unserer Bundeswehr besonderes Interesse. Wir haben es mit den 500 000 Soldaten und 180 000 Zivilbediensteten zu tun, also Menschen
wie Sie und ich, mit Fehlern wie wir alle. Die Bundeswehr ist nicht geeignet, im Parteienstreit zerredet zu werden. Ich würde vorschlagen, wir sollten weniger über die Soldaten als vielmehr mit ihnen reden.
Sie ist unsere Wehr, und wir können stolz auf sie sein. Diese Wehr ist nicht so gut, wie sie einige gerne sähen, aber auch nicht so schlecht, wie sie von vielen hingestellt wird. Nein, meine Damen und Herren, unsere Bundeswehr ist schon in Ordnung. Wörner, unser Verteidigungsminister,
hat in einer der letzten Ausschußsitzungen gesagt, die Bundeswehr ist eine der besten Wehre innerhalb des NATO-Bündnisses, sie kann ihren Auftrag voll erfüllen. Das ist eine richtige, wenn auch sehr späte Erkenntnis. Ich teile die Beurteilung der Bundeswehr mit dem Minister.
Ich wäre dankbar, wenn am Ende der Ära dieser Regierung unsere Bundeswehr mit dem gleichen Prädikat bedacht werden könnte. Das ist das Ergebnis einer 16jährigen Verantwortlichkeit, verbunden mit den Namen Schmidt, Leber und Apel.
So wie die Sozialdemokratische Partei — ich darf das voller Stolz sagen — aus Millionen Proletariern Bürger unseres Landes gemacht hat, so verstand sie es in ihrer Regierungszeit, aus Soldaten Bürger in Uniform zu machen. Heißspornen sollte man dieses Instrument nicht überlassen; denn, meine Damen und Herren, es gibt nichts Schnelleres als die Fehlentscheidung des einzelnen. Aber ich halte auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, für lernfähig, was mein Beitrag beweist.
Wir benötigen gerade im wehrpolitischen Bereich Sachlichkeit, damit wir Sicherheit haben, damit unsere Sicherheit zunächst einmal die Sicherheit des anderen ist. Wir brauchen nicht Kraftmeierei, sie führt nicht weiter, sondern eine glaubwürdige, ehrliche Verteidigungsbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit.
Ich sehe hier das Licht schon aufleuchten. Ich würde gern noch ein wenig weiter gesprochen haben, um deutlich zu machen, daß die deutsche Sozialdemokratie immer für eine wehrhafte Demokratie eingetreten ist.
Sie steht hier in der Kontinuität von August Bebel, Friedrich Ebert, Kurt Schumacher, Fritz Erler, Helmut Schmidt, Schorsch Leber, Hans Apel, Jochen Vogel und Willy Brandt; die Parteitagsbeschlüsse der SPD beweisen es ebenfalls.
Ich möchte zum Schluß kommen, weil dieses Licht hier aufleuchtet.
Es macht mich nicht nervös, aber ich bin eben ein sehr termintreuer Mensch.
Meine Damen und Herren, wir alle haben eine Bundeswehr; wir stehen zu ihr. Wir wollen, daß diese Menschen ihre Pflicht erfüllen. Wir alle, die wir Verantwortung tragen, wären Scharlatane, würden wir Aufgaben formulieren, die unsere Truppe nicht erfüllen kann. Schaffen wir also die Voraussetzungen dafür, daß unsere Bundeswehr die ihr gestellten Aufgaben meistern kann.
Lassen Sie mich als Mitglied der SPD-Oppositionsfraktion Generalinspekteur Altenburg und den Soldaten sowie allen Mitarbeitern herzlichen Dank für ihren schweren Dienst sagen, den sie für unser Land, für unser Volk und für uns alle leisten.