Rede von
Dr.
Peter
Mitzscherling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Der zweite Grund, weshalb wir auch im Inland für die Verschuldungskrise selbst zu zahlen haben, ist, daß die verschuldeten Entwicklungsländer weniger als zuvor imstande sind zu importieren. Das bedeutet für uns, daß die Exporte in diesen Raum behindert werden.
Deshalb sind wir der Meinung, daß es zu einer umfassenden Entschuldungsoperation für die Entwicklungsländer kommen muß. Dabei kann man die Kosten für die Altschulden zwischen den Banken, den Industriestaaten und den Schuldnerländern teilen. Wir müssen helfen. Dazu verpflichtet uns auch die Solidarität mit diesen Ländern. Europa kann hierbei nicht abseits stehen. Wir könnten durchaus eine Initiative ergreifen. Auch hier ist die Bundesregierung, ist der Herr Bundeskanzler aufgefordert, sich zu bewegen.
Die dritte Gefahr schließlich, die uns von außen droht, ist der zunehmende Protektionismus. Die Folgen sind oft beklagt worden, und diese immer wieder vorgebrachten Klagen sind nach wir vor richtig. Die Folgen sind nicht nur hohe Arbeitslosigkeit, sondern verzerrte Wechselkurse und damit verzerrte Konkurrenzverhältnisse. Wir kannten das auch in Europa. Ich bin sicher, daß der EG-Binnenmarkt längst wieder in seine alten nationalen Segmente zerfallen wäre, wenn wir nicht das Europäische Währungssystem, wenn wir heute nicht halbwegs stabile Wechselkurse in Europa hätten.
Ich garantiere Ihnen: Je länger die Überbewertung des Dollars dauert, um so stärker wird sich der Protektionismus in Amerika ausbreiten. Deshalb sind wir der Auffassung, daß eine Neuordnung des internationalen Währungssystems mit dem Ziel stabilerer Wechselkursentwicklungen dringend notwendig ist. Stabilere Wechselkursbeziehungen und stabilere Wechselkursentwicklungen, die sich nach den volkswirtschaftlichen Grunddaten richten und nicht nach spekulativen Kapitalanlageentscheidungen, sind notwendig. Sie sind Voraussetzung für ein wieder stärker werdendes Wirtschaftswachstum; denn ohne größere Währungsstabilität bleiben die Risiken einfach zu hoch.
Der Exportwirtschaft fehlen doch zunehmend exakte Kalkulationsgrundlagen. Das gleiche gilt für die Importeure oder diejenigen, die mit den Importeuren konkurrieren. Und unkontrollierbare Wechselkursschwankungen bedeuten nun einmal Unsicherheiten für alle, weil man nicht weiß, wie der Wechselkurs morgen aussehen wird. Das führt zu Unsicherheiten, und Unsicherheiten schlagen sich in Risikoabschlägen nieder.
Um es klar zu sagen: Wir fordern keine Rückkehr zu festen Wechselkursen, sondern wir möchten ein Währungssystem haben, das stabiler ist als das jetzige und das flexibler ist als das System von Bretton Woods. Pläne, die zeigen, wie ein solches Währungssystem mit einer stärkeren europäischen Währung unter Einschluß Großbritanniens im EWS aussehen könnte, liegen auf dem Tisch. Diese Vorstellungen und Überlegungen müssen ernsthaft ge-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3079
Dr. Mitzscherling
prüft und diskutiert werden. Auch hier ist Europa aufgefordert, Initiativen zu ergreifen und nicht zu warten, bis irgendwo etwas geschieht und sich alles von selbst einrenkt.
Dem Herrn Bundeskanzler muß gesagt werden, daß heute eine engere Zusammenarbeit in Europa notwendiger als je zuvor ist. Offensichtlich war aber die Bereitschaft hierzu noch nie so gering wie heute.
Als der Herr Bundeskanzler von Williamsburg zurückkam, sprach er davon, man müsse seine Hausaufgaben machen. Doch mit dem Hausaufgaben-Machen ist das so eine Sache. Damit allein lassen sich die internationalen Probleme nicht bewältigen. Es kann passieren, daß diese internationalen Probleme so groß werden, daß sie dem Hausaufgaben-Machen im Wege stehen.