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ID1004307200

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    7. Mitzscherling.: 1
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    Plenarprotokoll 10/43 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 43. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 Inhalt: Verzicht des Abg. Haase (Kassel) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . 3009A Eintritt des Abg. Stockhausen in den Deut- schen Bundestag 3009A Bestimmung der Abg. Dr. Miltner und Dr Unland als stellvertretende Mitglieder im Gemeinsamen Ausschuß 3009 B Gedenkworte für die Opfer des Flugzeugunglücks in Madrid 3099 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 —Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltausschusses — Drucksachen 10/690, 10/691 — Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 10/634, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 10/635, 10/659 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 3009D, 3043 A Dr. Vogel SPD 3012 B, 3053 D Dr. Dregger CDU/CSU 3023 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 3034 A Hoppe FDP 3039 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . 3055 A Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 3055 C Wischnewski SPD 3056 B Genscher, Bundesminister AA 3062 B Reents GRÜNE 3069 A Dr. Althammer CDU/CSU 3071 A Dr. Mitzscherling SPD 3076 A Präsident Dr. Barzel 3023 D Namentliche Abstimmung 3079C, D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 10/644, 10/659 — II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 und Art. 20c des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 10/655 — Frau Traupe SPD 3082 A Dr. Stavenhagen CDU/CSU 3086 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 3089 B Dr. Weng FDP 3091 B Leonhart SPD 3094 B Löher CDU/CSU 3097B Voigt (Sonthofen) fraktionslos 3098 C Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 3099 B Namentliche Abstimmung . . . . 3102D, 3103A Nächste Sitzung 3104 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3105*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3009 43. Sitzung Bonn, den 7. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Büchner (Speyer) * 7. 12. Cronenberg (Arnsberg) 9. 12. Fischer (Frankfurt) 9. 12. Gilges 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Haehser 9. 12. Frau Dr. Hartenstein 9. 12. Immer (Altenkirchen) 9. 12. Jaunich 7. 12. Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Reddemann* 9. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. Schreiner 9. 12. Schulte (Unna)* 8. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockleben 9. 12. Stratmann 7. 12. Verheyen 9. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Althammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident, ich bitte um Verständnis, aber meine Redezeit ist wegen der langen Ministerreden reduziert worden. Ich liebe sonst solche Diskussionen, aber ich kann aus Zeitgründen leider keine weitere Zwischenfrage mehr zulassen. Es tut mir leid.
    Ich möchte aber noch zu einem anderen Punkt kurz etwas sagen. Es gibt ja wohlwollende Freunde in der Bundesrepublik, die uns immer wieder gefragt haben: Na, was habt ihr denn mit eurer finanzpolitischen Wende in dieser Zeit schon erreicht? Es hat sich doch eigentlich gar nicht viel bewegt. — Denen müßten wir in allem Ernst und in aller Deutlichkeit sagen: In den wenigen Monaten, in denen die neue Koalition im Amt ist, sind rund 35 Milliarden DM eingespart worden; wenn Sie die Sozialversicherungsträger hinzunehmen, dann sind es über 50 Milliarden DM, die eingespart wurden. Wir wissen alle — ich sage das nicht nur mit Genugtuung —, welche ungeheuren Opfer für unsere Bevölkerung hinter diesen Zahlen stecken und was wir unserer Bevölkerung zumuten mußten, damit diese Einsparungen möglich waren. Aber wir können heute, glaube ich, doch mit Befriedigung sagen, daß sich diese Opfer lohnen.

    (Schily [GRÜNE]: Für wen?)

    — Herr Schily, diese Opfer lohnen sich für unser ganzes Volk. Ich werde Ihnen gleich beweisen, wieso unsere Bevölkerung den Vorteil davon hat.

    (Schily [GRÜNE]: Gut!)

    Nun aber zu der Frage des Wirtschaftswachstums zwei kurze Anmerkungen.
    Wir können erfreulicherweise feststellen, daß die Prognosen gerade in den letzten Wochen und Tagen immer positiver geworden sind. Wenn es so sein sollte, daß wir im nächsten Jahr nicht nur ein Wirtschaftswachstum von 2,5 % haben werden, wie es die Bundesregierung ihrer Finanzplanung zu-
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3073
    Dr. Althammer
    grunde gelegt hat, sondern von 3 %, wie das Ifo-Institut jüngst festgestellt hat, oder vielleicht sogar noch mehr, dann besteht die Hoffnung, daß wir die Nettoverschuldung im kommenden Jahr noch einmal reduzieren können.
    Für all die Leute, die die alten Thesen von der Bedenklichkeit des Wirtschaftswachstums heute wieder vorgetragen haben, möchte ich nur einen Hinweis geben. Ohne angemessenes, vernünftiges, reales Wirtschaftswachstum gibt es auch keine finanzielle Sicherung unseres sozialen Netzes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer gegen Wirtschaftswachstum ist, der soll bitte auch die Konsequenz sehen, daß dann dieses soziale Netz nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
    Ich möchte jetzt zu dem Hauptproblem unserer Innenpolitik kommen, nämlich zu der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Ich wundere mich manchmal über den Mut, mit dem Kollegen von der SPD heute die gegenwärtige schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt, die Situation vieler Arbeitsloser, insbesondere derjenigen, die länger arbeitslos sind, hier in einer Weise beklagen, als ob die neue Regierung an dieser Situation schuld sei.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Ist sie ja!)

    In Wirklichkeit ist es doch so, daß diese Situation von der alten Bundesregierung und von der alten Koalition zu verantworten ist. Es war doch in diesen Jahren so, daß man zuerst die Geldwertstabilität verloren, eine Inflationsentwicklung zugelassen, daß man dann das Wirtschaftswachstum zerstört, dadurch die Arbeitslosigkeit verursacht und daß man schließlich wegen der fehlenden finanziellen Einnahmen einen Schuldenberg aufgehäuft hat, an dem noch unsere Kinder zu tragen haben.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

    Erst durch die Politik der neuen Regierung ist es gelungen, diesen verhängnisvollen Trend umzukehren. Aber alle Fachleute wissen, daß bei einer wirtschaftlichen Trendwende — wir sagen: leider — der Arbeitsmarkt erst am Schluß der Entwicklung seine Besserungstendenzen zeigt.
    Es ist uns in der ersten Phase gelungen, die Inflation zu stoppen und die Inflationsrate in wenigen Monaten zu halbieren, auf jetzt 2,3 %. Das ist international gerechnet absolute Stabilität. Es ist uns dann als zweiter Schritt gelungen, das Wirtschaftswachstum wieder in Gang zu bringen. Es ist uns schließlich als dritter Schritt gelungen, die Staatsfinanzen wieder auf eine stabile Grundlage zu stellen.
    Nun sehen wir Gott sei Dank auf Grund der jüngsten Zahlen der Bundesanstalt in Nürnberg, daß sich auch am Horizont der Arbeitsmarktlage ein Silberstreifen abzeichnet. Ich sage das mit aller Vorsicht; es zeichnet sich ein Silberstreifen ab. Man kann aber, glaube ich, doch nicht daran vorbeigehen, daß wir im Jahre 1983 saisonbereinigt die geringste Zunahme der Arbeitslosenzahlen von Oktober auf November seit dem Jahre 1948 haben.
    Noch deutlicher wird die Tendenzwende, wenn wir die Zahlen der offenen Stellen betrachten. Gegenüber einem Vergleichsmonat im vorigen Jahr, nämlich dem November 1982, hat sich die Zahl der offenen Stellen um 35,3 % erhöht.

    (Zuruf des Abg. Burgmann [GRÜNE])

    Die saisonbereinigten Zahlen der Arbeitslosen in den letzten drei Monaten sind kontinuierlich gesunken. Jetzt sage ich Ihnen, verehrter Kollege, auch die absoluten Zahlen: eine Minderung von über 2,5 Millionen im Januar/Februar dieses Jahres, einem Höhepunkt, auf jetzt 2,2 Millionen.
    Noch deutlicher wird diese Trendwende, wenn wir die Situation bei der Kurzarbeit betrachten. Jeder Kundige weiß, daß sich eine Änderung auf dem Arbeitsmarkt immer zuerst bei der Kurzarbeit niederschlägt. Es ist so, daß wir im Vergleich zum November 1982 jetzt im November 1983 eine Minderung der Kurzarbeit um 52 %, also um die Hälfte, haben und allein im Vergleich der Monate Oktober/ November 1983 eine Reduzierung der Kurzarbeit um 10 %. Diese Zahlen sprechen für sich. Sie sagen im Klartext: Der Gesundungsprozeß auf dem Arbeitsmarkt hat begonnen. Und dies alles ohne die verfehlten Rezepte der SPD mit einer staatlichen Beschäftigungspolitik!
    Allerdings wissen wir, daß es notwendig ist, diese zarte Pflanze nun sorgsam zu behandeln. Es wird sehr darauf ankommen, wie die Tarifverhandlungen des kommenden Jahres laufen. Es wäre verheerend, wenn z. B. die IG Metall wegen der 35-Stunden-Woche einen Arbeitskampf entfesseln würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Maßvolle Tarifabschlüsse helfen also auch denen, die heute noch Arbeitsplätze suchen.
    Die CDU/CSU hat sich bemüht, in umfangreichen Existenzgründungsprogrammen diesen Prozeß, vermehrt Arbeitsplätze zu schaffen, zu fördern. Wir haben mit Genugtuung gesehen, daß die Programme finanziell aufgestockt werden mußten und daß gerade in den letzten Monaten die Existenzgründungen gewaltig zugenommen haben. Der Herr Bundeskanzler hat bereits darauf hingewiesen.
    Ich weise aber noch darauf hin, daß die Fraktion der CDU/CSU, hier dankenswerterweise vor allem von unserer Mittelstandsgruppe, voran dem Kollegen Hauser, getragen, einen Gesetzentwurf zur Sparförderung für Existenzgründungen erarbeitet hat. Wir werden als Fraktion diesen Gesetzentwurf im nächsten Jahr dem Parlament vorlegen. Wenn er in Kraft tritt, besteht die Chance, daß durch gezielte Sparverträge zur Existenzgründung in den nächsten zehn Jahren vermehrt Arbeitsplätze geschaffen werden können. Es gibt optimistische Berechnungen, die sagen, daß in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren ungefähr eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen werden können, wenn alle zusammenstehen und diese Existenzgründungen fördern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Wo? In welchen Bereichen?)

    3074 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Dr. Althammer
    Herr Kollege, ich darf noch auf ein anderes Modell hinweisen. Es ist heute wiederholt mit Recht davon gesprochen worden, daß wir ähnlich wie die Japaner und die Amerikaner den Umsatz von Erfindungen auf die praktische Anwendung verbessern müssen. Es ist interessant, daß die Stadt Berlin hier ein Modell entwickelt hat. Wirtschaftssenator Pieroth hat dieses Modell der Öffentlichkeit vorgestellt. Es handelt sich um ein Firmengründungszentrum, das in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin aufgebaut worden ist. Dieses Firmengründungszentrum soll es gerade mittleren und kleinen Unternehmen ermöglichen, Erfindungen und sonstige Erkenntnisse auf der Ebene der Universitäten möglichst schnell in die Praxis umzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich empfehle, die Erfahrungen mit diesem Modell gründlich zu studieren. Wenn sie positiv sind, sollten die anderen Bundesländer, vielleicht auch der Bund, diese Idee aufnehmen.
    Schließlich hat die Bundesregierung zur weiteren Förderung von Beschäftigung Gesetzentwürfe zur Vorruhestandsregelung eingebracht. Ich darf dazu anmerken, daß gerade unsere Fraktion — unser Fraktionsvorsitzender hat heute vormittag schon darauf hingewiesen — sehr darauf sehen wird, daß mittlere und kleine Betriebe bei diesem Gesetz angemessen berücksichtigt werden.
    Schließlich liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen vor. Unser Arbeitsminister Blüm hat weitere Vorschläge zur Erleichterung der Arbeitsaufnahme in Arbeit.

    (Zuruf des Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD])

    Wir haben schließlich noch Veranlassung, Herr Kollege, unserem Bundeskanzler dafür zu danken, daß er sich für Ausbildungsplätze in dieser persönlichen Weise eingesetzt hat, wie es noch kein Bundeskanzler vor ihm getan hat, seit wir dieses Problem haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD])

    35 000 neue Ausbildungsplätze wurden geschaffen, und zwar für Dauer. Darüber hinaus hat die Bundesregierung ein Sonderprogramm durchgeführt, das noch einmal 8 000 neue Ausbildungsplätze schafft.

    (Zuruf des Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD])

    Wir finden, daß dies ein positiver Anfang ist, um dieses schwere Problem in den Griff zu bekommen.
    Lassen Sie mich noch eine Anmerkung machen. Die SPD beklagt immer wieder, wie groß die Opfer seien und wie ungerecht sie aus ihrer Sicht verteilt seien.

    (Kühbacher [SPD]: Das letzte ist der Vorwurf!)

    Wenn man sich einmal vor Augen hält, welche Nachteile unserer Bevölkerung aus der ungehemmten Inflationsentwicklung der letzten Jahre erwachsen sind, dann stellen wir fest, daß hier Milliardenbeträge gerade den breiten Schichten unseres Volkes verlorengegangen sind

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir weiter wissen, daß es diese SPD-geführte Bundesregierung zu verantworten hat, daß Millionen von Arbeitsplätzen verlorengegangen sind, dann stellen wir fest

    (Zuruf von der SPD)

    — j a, natürlich, das haben Sie zu vertreten, das ist doch ganz klar —, daß auch hier die Masse unserer Bevölkerung Nachteile erlitten hat, die mit den schweren Opfern, die wir jetzt zur Gesundung zumuten, überhaupt nicht vergleichbar sind. Sie sind viel, viel größer. Es ist ein positives Datum, daß nach drei Jahren einer negativen Einkommensentwicklung, in denen unsere Bevölkerung pro Jahr netto immer weniger an privatem Einkommen zur Verfügung hatte, unsere Bevölkerung im kommenden Jahr zum erstenmal wieder einen Einkommenszuwachs, also eine Vermehrung ihres real verfügbaren Einkommens zu verzeichnen hat.

    (Kühbacher [SPD]: Vielleicht!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute ist wiederholt über das Problem der Steuerreform gesprochen worden. Kollege Hoppe hat mir vorher gesagt, daß er sich jetzt seiner Besuchergruppe widmen muß. Ich möchte ihm trotzdem sagen, daß wir mit den Äußerungen, die er zu dieser Frage für seine Fraktion abgegeben hat, voll einverstanden sind. Ich darf das noch einmal präzisieren: Priorität Nr. 1 ist für uns die Fortführung der Gesundung der Staatsfinanzen, Priorität Nr. 2 der Abbau der Steuer- und Abgabenbelastung unserer Bürger. Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie im Frühjahr des kommenden Jahres die Eckdaten vorlegen wird. Ich sage Ihnen ganz offen zu den Diskussionen, die da über Größenordnungen und über Zeitpunkte stattfinden, meine persönliche Meinung ist die, daß es im Augenblick verfrüht ist, jetzt schon endgültige Zahlen zur Höhe der Entlastung und endgültige Daten zum Inkrafttreten zu nennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Warten wir doch bitte erst einmal die Eckdaten der Bundesregierung ab, sehen wir den Fortgang der Entwicklung, die wir positiv und optimistisch einschätzen, und nehmen wir uns dann vor, wenn wir eine Reform machen, daß diese Reform breiten Schichten unserer Bevölkerung eine fühlbare Entlastung zu bringen hat! Sonst hätte sie nämlich keinen Wert. Wir wollen nicht, daß es uns so geht wie dem damaligen Finanzminister Apel, der nach einer ähnlichen Operation den klassischen Ausspruch getan hat, er denke, es trete ihn ein Pferd.
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3075
    Dr. Althammer
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schon wiederholt darauf hingewiesen worden, daß für die CDU/CSU zu einer solchen Entlastung auch die familienpolitische Komponente gehört. Wir möchten die Steuergerechtigkeit gegenüber den Familien wieder herstellen; denn wir halten das, was die alte Regierung getan hat, nämlich den Familien, die mehrere Kinder erziehen, keine angemessene steuerliche Entlastung zu geben, für falsch. Wir möchten zu einem klaren dualen System zurückkehren, auf der einen Seite Steuerentlastung für die Familie, auf der anderen Seite ein entsprechendes wirklich ausreichendes Kindergeld für diejenigen, die keine Steuern zahlen.
    Wegen der Kürze der Zeit kann ich jetzt zwei wichtige Fragen nur noch in Stichworten ansprechen. Wir müssen uns auch bemühen, die Struktur unserer Ausgaben und unserer finanziellen Verpflichtungen in den nächsten Jahren zu verbessern. In meinen Augen gehört dazu, daß wir uns dem Problem der Privatisierung von staatlichen Gewerbeunternehmen verstärkt widmen. Unser Finanzminister hat einen ersten Schritt getan, indem er eine weitere Teilprivatisierung der VEBA durchgesetzt hat, was immerhin für nächstes Jahr rund 700 Millionen DM als Einnahme für die Staatskasse erwarten läßt.
    Meine sehr verehrten Anwesenden, hier ist aber ein prinzipieller Unterschied unserer Fraktion und der FDP zu den Sozialisten. Wir sind nicht der Meinung, daß der Staat gewerbliche Unternehmen in Konkurrenz zu privaten Unternehmen betreiben sollte. Diese sogenannte gemischtwirtschaftliche Ordnung ist nicht unser Vorbild

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Die haben wir doch!)

    — Herr Kollege, darum sage ich — jawohl, Sie haben recht —,

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Erfolgreich!)

    wir müssen sie abbauen, weil sie nicht erfolgreich ist. Jeder Kollege im Haushaltsausschuß weiß, was wir jährlich an Steuergeldern in Staatsunternehmen hineinzupumpen haben, die einfach nicht florieren. Wir alle kennen die Stoßseufzer vieler Fachkundiger, die sagen: Wenn ein Privatunternehmen so wirtschaften würde wie manches staatlich geführte Unternehmen, dann wäre es längst pleite.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Deshalb sind wir der Meinung, daß wir hier eine Reprivatisierung einleiten müssen. Wir müssen diejenigen staatlichen Gewerbeunternehmen, die in roten Zahlen stecken, zuvor sanieren. Es wäre wünschenswert, wenn wir damit eine Weiterführung unseres Programms zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand verbinden könnten, d. h. Arbeitnehmer sollten bevorzugt Anteile an solchen Unternehmen erwerben können.
    Ich möchte kurz einen zweiten Punkt anschneiden; es handelt sich um den Bereich der Entbürokratisierung. Ich habe auf diesem Sektor einige leidvolle Erfahrungen, weil ich in der 8. Wahlperiode vom damaligen Fraktionsvorsitzenden Helmut Kohl beauftragt worden war, eine Entbürokratisierungskommission zu leiten. Wir waren ganz stolz, daß wir nach Vorarbeiten im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Rechtsbereinigung eingebracht haben. Es gehört zu den Enttäuschungen meines Parlamentarierlebens, daß wir in einer Sache, von der ich glaubte, daß eigentlich alle Fraktionen dieses Hauses einer Meinung sein müßten, bei der damaligen Koalition überhaupt keine Gegenliebe für unsere Bemühungen um Entbürokratisierung gefunden haben.
    Nun, nachdem die neue Bundesregierung die Verantwortung übernommen hat, ist eine Kommission unter Herrn Staatssekretär Waffenschmidt gebildet worden — auch er war damals übrigens ein Mitstreiter meiner Kommission —, die die Verwaltungs- und Rechtsvereinfachung in Angriff nimmt. Wir freuen uns außerordentlich, daß diese Kommission bereits erste Zielangaben vorgelegt hat, daß sie das Baurecht entrümpeln will, daß sie das Statistikunwesen — so muß man es schon nennen — einmal aufarbeiten will. Auch das Gewerbe- und das Sozialrecht sollen behandelt werden. Ich weise darauf hin, daß viele Bundesländer auf diesem Sektor vorbildlich gewirkt haben. Ich möchte auch die Gemeinden ermutigen, auf diesem Sektor am gleichen Strang zu ziehen.
    Ich weiß, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn von Bürokratie die Rede ist, versucht man manchmal, den öffentlich Bediensteten eine Schuld aufzulasten. Ich kann Ihnen aber sagen: Die Angehörigen des öffentlichen Dienstes leiden unter der Flut von Gesetzen und Verordnungen genauso wie der Bürger. Auch von dort ist die Forderung nach einer Entbürokratisierung mit Recht erhoben worden.
    Wir müssen dahin kommen, daß die Personalkosten in der Zukunft dadurch eingedämmt werden, daß wir die Personalvermehrung stoppen. Der öffentliche Dienst hat bei der Sanierungsaktion große Opfer bringen müssen. Wir anerkennen dies. Ich möchte hier für meine Fraktion sagen: Der öffentliche Dienst, besonders das Berufsbeamtentum, wird in der Zukunft am allgemeinen Zuwachs genauso beteiligt werden wie die Arbeitnehmer des privaten Sektors.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir werden uns also bemühen müssen, durch eine Modernisierung und Rationalisierung die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu steigern. Ich bin überzeugt, daß dies möglich ist. Wir müssen auch die Entlastung der Bürger von einer Überfrachtung mit bürokratischen Gesetzen, Verordnungen, Formularen und sonstigen Belastungen in Angriff nehmen. Wir wissen, daß diese Entbürokratisierung ein Dauerproblem ist und daß wir es nie ganz schaffen können, die unnötigen Zöpfe endgültig abzuschneiden. Wir können immer nur versuchen, die schlimmsten Auswüchse zu bereinigen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stellen als Zwischenergebnis dieses Tages der De-
    3076 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Dr. Althammer
    batte fest, daß die Bundesregierung und die Koalition auf dem richtigen Weg sind.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die neue Finanzpolitik hat in der Bevölkerung Vertrauen geschaffen. Es zeigen sich die ersten Erfolge sowohl im Bereich der Konsolidierung der Staatsfinanzen als auch bezüglich des Wachstums. Wir sehen Wachstumsraten, die uns hoffen lassen, daß es in der Wirtschaft wieder aufwärtsgeht. Und wir haben erste Anzeichen dafür, daß die Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann. Unsere Bürger wissen das, unsere Bürger haben Vertrauen zur neuen Regierung, zum Bundeskanzler, und unsere Bürger haben erfahren, daß sozialistische Rezepte in dieser Frage nicht weiterführen, sondern daß uns die Soziale Marktwirtschaft diese Erfolge bringt.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Na, na!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mitzscherling.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Mitzscherling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte zunächst einige Anmerkungen zu der Erfolgsbilanz machen, die der Herr Bundeskanzler und die Herren Dregger und Genscher vorgelegt haben, weil sie sich auf Indikatoren stützt, die unter Umständen zu falschen Schlüssen führen könnten.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Vielleicht darf ich das an Hand weniger Beispiele erläutern.
    Das erste Beispiel: Es ist behauptet worden, daß seit dem Amtsantritt dieser Regierung die Zinsen zurückgegangen seien. Nun, meine Damen und Herren, seit dem 6. März dieses Jahres sind in der Bundesrepublik die Zinsen um einen Prozentpunkt gestiegen. In allen anderen europäischen Ländern dagegen, mit Ausnahme der Niederlande, sind sie zurückgegangen. Diese Behauptung trifft also nicht zu.
    Das Zweite — Sie können das im Sachverständigengutachten nachlesen; das ist die gleiche Quelle, die auch der Herr Bundeskanzler benutzt hat —: Es ist behauptet worden, daß wegen der Preisentwicklung die Realeinkommen gestiegen seien. Nun, das Sachverständigengutachten weist für dieses Jahr bei den Realeinkommen der Arbeitnehmer eine Null aus. Ich will gar nicht auf die Einkommen der übrigen Gruppen unserer Bevölkerung zurückkommen. Das heißt, die Arbeitnehmer haben keinen Pfennig mehr in der Tasche als ein Jahr zuvor. Wo sollte es auch herkommen?

    (Wolfram [Recklinghausen]: [SPD]: Sogar weniger!)

    Das Dritte, die Arbeitslosigkeit. Sie ist schon angesprochen worden. Sicherlich zeigen sich Wirkungen auf die Arbeitslosigkeit nicht von heute auf morgen, aber auch Wirkungen einer verstärkten Investitionstätigkeit zeigen sich nicht von heute auf morgen. Das, was Sie sich heute zugute halten, nämlich eine Investitionsgüterkonjunktur, die allenfalls zaghaft beginnt, ist darauf zurückzuführen, daß es bei der Investitionszulage Bestellfristen gegeben hat, die zu Investitionsgüterkäufen, die am Ende dieses Jahres auslaufen, führen mußten. Das ist die Erklärung.
    Schließlich der private Verbrauch. Eine Erhöhung des privaten Verbrauchs bei Stagnation der Realeinkommen kommt einer Entsparung gleich. Die Sparquote ist zurückgegangen. Die Veränderungen des privaten Verbrauchs sind überdies auf Sonderfaktoren zurückzuführen. Vielleicht erinnern Sie sich daran, daß Mitte dieses Jahres etwa 8 Milliarden DM allein aus Vermögensbildungsanlagen freigeworden sind, die auf den Markt kamen. Es ist sehr ungewiß, ob derartige Einflüsse auch im kommenden Jahr wirken werden. Und der Sachverständigenrat geht tatsächlich davon aus, daß weiter entspart wird. Woher diese Prognosekraft kommt, vermag ich nicht festzustellen.

    (Zuruf von der SPD: Der Wunsch ist der Vater des Gedankens!)

    Noch eine Bemerkung zu dem, was der Herr Außenminister gesagt hat. Er warf der sozialdemokratischen Partei Opportunismus vor und glaubte, dies am Beispiel Hessens festmachen zu können. Aber wenn die Sozialdemokraten dafür eintreten, mit staatlichen Maßnahmen, die im Bereich der Umwelt privat nicht finanzierbar sind, Arbeitsplätze zu schaffen, und wenn es in Hessen ein Programm „Arbeit und Umwelt" mit dem Ziel gibt, Arbeitsplätze zu schaffen, dann ist das kein Opportunismus, dann ist das doch das Gebot der Stunde.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich nun zu einigen außenwirtschaftspolitischen Überlegungen übergehen.

    (Glos [CDU/CSU]: Bitte etwas besser als vorher!)

    — Herr Glos, es ist sehr lieb, daß Sie mir einen Rat geben, aber bitte überlassen Sie die Ausführungen mir.
    Ich wollte zu Europa sagen, daß das Bild, das hier gezeichnet worden ist, in seiner negativen Kontur sicherlich zutrifft. Es sieht nicht gut aus, wenn man sich die einzelnen Punkte, die Europa heute bietet, anschaut: Industrien sind am absterben, um deren Erhalt dann das eigene Land in einen Subventionswettlauf eintritt. Der gemeinschaftliche Binnenmarkt bröckelt allmählich ab. Die Gemeinschaft beginnt, sich nach außen abzuschotten. Es gibt immer weniger Unternehmen, die international konkurrenzfähig sind. Wir haben in Europa zersplitterte Forschungs- und Investitionsanstrengungen. Das alles gibt in der Tat nicht sehr zu frohem Mut Anlaß.
    Man kann zwar sagen, daß Europa heute sicherlich noch eine Insel des Wohlstands ist. Aber ob sie eine Perspektive hat, ob sie eine Zukunft hat, das ist wohl mehr als fragwürdig. Denn hier fehlt es erkennbar am gemeinsamen Willen, mit den Schwierigkeiten fertig zu werden, weil — wie schon darge-
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3077
    Dr. Mitzscherling
    stellt wurde — offenbar kurzfristige nationale Interessen, die heute die Gemeinschaft bestimmen, überwiegen. Die Zukunft ist also ungewiß.
    Das ist — so muß man es wohl sagen — der Befund nach Athen. Das Paket ist nicht aufgeschnürt worden. Es ist mit all den Problemen und auch mit den Möglichkeiten an Präsident Mitterrand weitergereicht worden, die der Herr Außenminister noch im Juni dieses Jahres angesprochen hatte, nämlich neue Politiken, neue Gemeinschaftsaktionen innerhalb Europas zu entwicklen, die auf mehr technologische, auf mehr wissenschaftliche Zusammenarbeit gerichtet sind; alles Maßnahmen, die sicher notwendig sind und auf die Europa dringend angewiesen ist. Alles das ist hinausgeschoben. Wir werden weiter auf die Einlösung warten müssen.
    Wir müssen uns darüber im klaren sein: Solange es diese zersplitterten Forschungsaktivitäten gibt, solange es an einer Kooperation der europäischen Unternehmen mangelt, solange werden uns die Planungsstrategen des japanischen Ministeriums für Technologie und Industrie und die amerikanischen Konzerne das Leben schwermachen. Wir werden ihnen nicht paroli bieten können.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Sicherlich, es darf nicht — das hat der Herr Bundeskanzler bemerkt — dazu kommen, daß die Zukunftsprodukte in Japan und in den USA hergestellt und bei uns nur noch angewandt werden. Das würde im Zweifel bei uns zu einer Vernichtung von Arbeitsplätzen führen. Herr Dregger hat diesen Aspekt angesprochen.
    Wir unterscheiden uns aber in den Schlußfolgerungen für die Anwendung der geeigneten Politik. Wir sind der Auffassung — das mag Ihnen ordnungspolitisch vielleicht auch sehr gegen den Strich gehen —, daß es in Europa eine zukunftsorientierte Industriepolitik geben muß. Unsere überwiegend mittelständisch orientierten Betriebe werden gegen diese Giganten wohl kaum allein bestehen können. Deshalb begrüßen wir auch die Initiative Frankreichs für eine stärkere wissenschaftliche und industrielle Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft.
    Das, was dem Bundeskanzler vorzuwerfen ist und was ihm vorgeworfen worden ist, ist das Fehlen von aktivem Handeln auch eines oder zweier Regierungschefs allein. Als 1978 das europäische Währungssystem geschaffen worden ist, waren es Helmut Schmidt und Giscard d'Estaing. Ich möchte wissen, ob nicht heute ähnliche Schritte notwendig wären, und ob der Bundeskanzler nicht gut beraten wäre, diese Schritte zu gehen und sie einzuleiten.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Der versteht doch gar nichts davon!)

    Denn es ist doch dringend erforderlich, daß Europa
    schon deshalb zur Geschlossenheit zurückfinden
    muß, damit es nach außen mit einer Stimme sprechen kann.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Aber mit einem, der etwas davon versteht!)

    Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Mogeln Sie sich doch bitte nicht an den Unwägbarkeiten vorbei, die das Sachverständigengutachten durchaus deutlich anspricht.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Bei uns wird nicht gemogelt!)

    Diese Unwägbarkeiten liegen in den außenwirtschaftlichen Einflüssen. Eins ist doch wohl sicher, Herr Althammer, daß es nämlich nach wie vor die überhöhten Zinsen sind, die für die Entwicklung unserer Wirtschaft die größte Gefahr darstellen. Es ist nun einmal so, daß dies überwiegend auf die amerikanische Wirtschaftspolitik zurückzuführen ist.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr wahr!)

    Wenn sich die amerikanische Regierung, die wirtschaftliche Führungsmacht des Westens, bei einem Leistungsbilanzdefizit, das jetzt auf 100 Milliarden Dollar zugeht, ein Haushaltsdefizit von 200 Milliarden Dollar leistet, dann lebt sie doch eindeutig über ihre Verhältnisse. Sie finanziert dies mit dem Sparkapital — auch aus der Bundesrepublik —, das sie durch ihr hohes Zinsniveau auf sich lenkt. Trotz des von Ihnen apostrophierten großen Vertrauens, das die neue Regierung hat, haben wir Kapitalabflüsse in die Vereinigten Staaten.
    Diese amerikanische Politik ist nicht nur uns gegenüber, sie ist vor allem gegenüber den Ländern der Dritten Welt rücksichtslos. Ich werde dies noch erläutern.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben den Herrn Bundeskanzler rechtzeitig vor Williamsburg darauf hingewiesen, daß die amerikanische Wirtschaftspolitik geeignet ist, uns in den europäischen Ländern Schaden zuzufügen; denn die hohen Zinsen hemmen die Investitionstätigkeit, und sie verzögern die Modernisierung unserer Volkswirtschaften. Wenn dies stimmt, dann bedeutet die Hinnahme einer derartigen Entwicklung, daß uns die amerikanische Volkswirtschaft noch weiter vorauseilt und daß wir dabei in diesem Wettlauf weiter zurückbleiben, daß sich der Vorsprung Amerikas vergrößert. Das heißt, daß wir letztlich für eine amerikanische Wirtschaftspolitik zahlen, die sich auf die nationalen amerikanischen Interessen konzentriert, und zwar mit einer Verzögerung der Modernisierung unserer eigenen Wirtschaft.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wollen Sie das ändern?)

    Wir hatten den Herrn Bundeskanzler gebeten, daß er gemeinsam mit den anderen Regierungschefs auf eine Änderung der amerikanischen Wirtschaftspolitik hinzielt. Er hat bisher nichts erreichen können.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Er hat es gar nicht versucht!)

    3078 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Dr. Mitzscherling
    Was ist die Folge? Jedes Land schlägt sich heute, allein auf sich gestellt, mit den hohen amerikanischen Zinsen und den Auswirkungen auf das jeweils inländische Zinsniveau herum. Gerade hier wären gemeinsame Aktionen dringend erforderlich. Europa — dies ist möglich — kann sich vom amerikanischen Zinsniveau abkoppeln, aber natürlich nur gemeinsam, nicht allein jedes Land für sich. Deshalb ist der Bundeskanzler aufgerufen, eine entsprechende Initiative zu ergreifen.
    Die zweite von außen drohende Gefahr ist die internationale Verschuldungskrise. Sie kann noch immer jederzeit in eine internationale Finanzkrise umschlagen; denn niemand weiß heute, wie sich die Zinsen in den nächsten Monaten und Jahren entwickeln werden, und niemand kann deshalb auch garantieren, daß die Industrieländer das für die Entschuldung notwendige kontinuierliche jährliche Wachstum von 3 % auch tatsächlich erreichen.

    (Sehr wahr! bei der SDP)

    Noch weniger, meine Damen und Herren, ist abzusehen, ob es nicht im Zuge der Umschuldung der Länder der Dritten Welt, vor allem im südamerikanischen Bereich, eines Tages dazu kommen kann, daß die Bevölkerung dieser Länder unter der Last der Konditionen des Internationalen Währungsfonds diese Entwicklung, diesen Druck nicht mehr länger trägt oder daß das passiert, was Bundesbankpräsident Pöhl gesagt hat: das der „Kessel platzt". Es ist ausmalbar, was das für Konsequenzen haben würde.
    Die Verschuldungskrise und ihre Verschärfung ist auch eindeutig eine Konsequenz der erhöhten amerikanischen Zinsen; denn Kreditverlängerungen bekommt man heute nur zu höheren Zinsen. Wer Kredite zurückzahlt, muß bei einem Dollar, der im Verhältnis zur D-Mark bei 2,75 DM angelangt ist, tiefer in die Tasche greifen, er muß mehr dafür aufwenden. Dies ist eine besondere Form der Ausbeutung, nämlich durch hohe Zinsen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir auch hier in Europa, in Deutschland die Konsequenzen dieser Verschuldungskrise in zweifacher Hinsicht zu spüren bekommen. Einmal verlangen die Banken, um ihre faulen Kredite, ihre dubiosen Forderungen abschreiben zu können, höhere Zinsmargen, die wir zu bezahlen haben, die die Schuldner hier in ihren Krediten in Deutschland zu bezahlen haben. Höhere Zinsen bremsen das Wirtschaftswachstum und erhöhen die Arbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Der zweite Punkt ist, meine Damen und Herren, daß wir auch deshalb für die Verschuldungskrise bezahlen, weil die Entwicklungsländer so verschuldet sind — —