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ID1004302000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/43 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 43. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 Inhalt: Verzicht des Abg. Haase (Kassel) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag . 3009A Eintritt des Abg. Stockhausen in den Deut- schen Bundestag 3009A Bestimmung der Abg. Dr. Miltner und Dr Unland als stellvertretende Mitglieder im Gemeinsamen Ausschuß 3009 B Gedenkworte für die Opfer des Flugzeugunglücks in Madrid 3099 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 —Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltausschusses — Drucksachen 10/690, 10/691 — Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 10/634, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 10/635, 10/659 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 3009D, 3043 A Dr. Vogel SPD 3012 B, 3053 D Dr. Dregger CDU/CSU 3023 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 3034 A Hoppe FDP 3039 B Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . 3055 A Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 3055 C Wischnewski SPD 3056 B Genscher, Bundesminister AA 3062 B Reents GRÜNE 3069 A Dr. Althammer CDU/CSU 3071 A Dr. Mitzscherling SPD 3076 A Präsident Dr. Barzel 3023 D Namentliche Abstimmung 3079C, D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 10/644, 10/659 — II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 und Art. 20c des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 10/655 — Frau Traupe SPD 3082 A Dr. Stavenhagen CDU/CSU 3086 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 3089 B Dr. Weng FDP 3091 B Leonhart SPD 3094 B Löher CDU/CSU 3097B Voigt (Sonthofen) fraktionslos 3098 C Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 3099 B Namentliche Abstimmung . . . . 3102D, 3103A Nächste Sitzung 3104 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3105*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3009 43. Sitzung Bonn, den 7. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Büchner (Speyer) * 7. 12. Cronenberg (Arnsberg) 9. 12. Fischer (Frankfurt) 9. 12. Gilges 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Haehser 9. 12. Frau Dr. Hartenstein 9. 12. Immer (Altenkirchen) 9. 12. Jaunich 7. 12. Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Reddemann* 9. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. Schreiner 9. 12. Schulte (Unna)* 8. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockleben 9. 12. Stratmann 7. 12. Verheyen 9. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Spöri, erstens stimmt -das nicht, was Sie sagen. Und zweitens werde ich mich nachher mit den Fragen des Arbeitsplatzdefizits sehr eingehend beschäftigen, und ich denke, daß Sie dann im einzelnen Antworten auf Ihre Fragen erhalten.

    (Dr. Hackel [CDU/CSU]: Wenn er es überhaupt hören will! — Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Unter der Voraussetzung, daß die wirklich zuhören!)

    Wir stehen erst am Anfang. Wir dürfen nicht nachlassen. Wir dürfen nicht in schlechte Gewohnheiten zurückfallen. Wir müssen konsequent bleiben.

    (Schily [GRÜNE]: Ja, das ist ein „klares Konzept"!)

    Wir dürfen aber auch nicht überziehen. Manchem Kritiker des letzten Jahres gingen Tempo und Ausmaß der Haushaltskonsolidierung und der Investitionsanregungen nicht schnell genug. Ich habe damals zu Geduld gemahnt — gewiß nicht aus Schwäche! Eine noch stärkere Reduzierung der öffentlichen Ausgaben wäre nach meiner Überzeugung falsch gewesen. Sie hätte durch ein noch stärkeres Schrumpfen der Sparquote nicht kompensiert werden können. Sie hätte eine schockartige Verringerung der Nachfrage zur Folge haben können.
    Ich bin überzeugt, daß es der Bundesregierung und uns gelungen ist, den schmalen Mittelweg zwischen beiden Extremen zu finden. Und die Erfolge bestätigen diese Einschätzung.
    3028 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Dr. Dregger
    Diese Erfolge waren nicht ohne große Belastungen für große Teile unserer Mitbürger zu haben. 30 Millionen Menschen waren von Kürzungen betroffen. Andere mußten ihren Beitrag in anderer Weise leisten, z. B. durch die Hinnahme heimlicher Steuererhöhungen, durch die Kombination von Geldentwertung und von Steuerprogression. Die Tarifkorrektur bei der Lohn- und Einkommensteuer steht ja noch aus. Unvermeidliche Beitragserhöhungen in der Sozialversicherung haben auch den Unternehmen Lasten aufgebürdet — neben den Arbeitnehmern.
    Aber die schon bis heute eingetretenen Verbesserungen rechtfertigen diese Belastungen. Zwei Prozent Zinsen weniger und drei Prozent Geldentwertung weniger: das hat fundamentale Auswirkungen auf alle sozialen Lebensverhältnisse, auf die Einkommensituation der Rentner und Arbeitnehmer und auf die Wirtschaft insgesamt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zwei Prozent Zinsen weniger bringen eine Kostenentlastung von annährend 16 Milliarden DM. Drei Prozent Geldentwertung weniger erhöhen die Kaufkraft der deutschen Verbraucher um 30 Milliarden DM real.
    Zwei weitere grundlegende Verbesserungen wollen wir noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen. Auch sie wären ohne die vorausgegangene Konsolidierung und den dadurch ausgelösten Aufschwung nicht durchführbar.
    Erstens. Wir möchten die Arbeitnehmer und die anderen Einkommensbezieher steuerlich durch eine Tarifreform bei der Lohn- und Einkommensteuer entlasten.
    Zweitens. Wir möchten eine Verbesserung des Familienlastenausgleichs durch die Ausdehnung des Mutterschaftsgelds auf alle Mütter und durch Einführung eines Familiensplittings oder verbesserter Kinderfreibeträge herbeiführen.
    Wann die Steuerreform in Kraft tritt, darüber wird zur Zeit gestritten — was ich nicht für besonders nützlich halte. In Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzminister und der Bundesbank warne ich vor vorzeitigen Festlegungen. Die Entscheidung darüber wird im nächsten Jahr fallen. Und dabei steht nicht das Ob, sondern nur das Wie zur Diskussion. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Steuerreform muß so gewählt werden, daß die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte dadurch nicht gefährdet wird. Wir müssen hier wie in allem anderen seriös bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sagte schon, daß unser Sanierungskurs auf den Protest mancher davon Betroffener, besonders ihrer Verbände, gestoßen ist. Das kann niemanden überraschen. Im Namen der Fraktion kann ich nur um Verständnis bitten. Wir haben es ja nicht aus Mutwillen getan, sondern um ein finanzielles Chaos zu verhindern, vor dem wir in Deutschland standen.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben es getan, um der Wirtschaft wieder Vertrauen in dieses Land zu geben und dadurch Vollbeschäftigung in Deutschland möglich zu machen.

    Natürlich kann man darüber streiten, ob alle Einzelentscheidungen richtig waren. Aber daß unser Kurs goldrichtig war, daran kann man nicht mehr zweifeln. Das zeigen die Ergebnisse und das bestätigen inzwischen nahezu alle Sachverständigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Von Kaputtsparen, wie diese dumme Vokabel heißt, kann jedenfalls nicht die Rede sein. Der Staat befindet sich immer noch in der Lage eines Mannes, der monatlich 2 000 DM verdient und dazu noch in jedem Jahr zusätzlich 4 000 DM Schulden aufnimmt. Meine Damen und Herren, wer seine Schulden Jahr für Jahr um zwei Monatseinkommen vermehrt, von dem kann man wirklich nicht behaupten, daß er sich kaputtspare. Dieser Mann lebt über seine Verhältnisse. Das hat auch der Staat getan, und auch der Staat kann sich das auf die Dauer nicht leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer den Staat im Ausmaß des letzten Jahrzehnts verschuldet, der handelt unsozial. Er bereichert die Großen und belastet die Kleinen. Nur die Großen haben Geld genug, um dem Staat gegen hohe Zinsen dieses Geld zu leihen. Die Zinslasten müssen wir alle tragen. Das meiste bringen die Kleinen auf über die Lohnsteuer, deren Anteil am Steueraufkommen unter sozialdemokratischen Finanzministern immer größer geworden ist. 5 Millionen Arbeitnehmer arbeiten zur Zeit mit ihrer Lohnsteuer nur für die Zinslast, die sozialdemokratische Finanzminister diesem Lande aufgebürdet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nicht wir verteilen um von unten nach oben, meine Damen und Herren der SPD, das haben Sie getan durch Ihre unverantwortliche Schuldenpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Spöri [SPD]: In Schleswig-Holstein gibt es auch Schulden!)

    Ein kurzer Rückblick auf unsere Konsolidierungsanstrengungen. Wir haben nicht die Schulden vermindern können, sondern nur den Schuldenzuwachs. Dieser Schuldenzuwachs, der sich 1983 ankündigte, hatte die astronomische Zahl von 55 Milliarden DM. Durch unsere Sparaktionen konnte er zunächst auf 40,9 Milliarden und im Laufe des Haushaltsvollzuges dieses Jahres auf wahrscheinlich 37 Milliarden DM herabgedrückt werden.

    (Lambinus [SPD]: Sagen Sie aber auch, auf wessen Kosten!)

    Für 1984 ist der Schuldenzuwachs auf 33,6 Milliarden DM gedrückt. Genügt das? Nein, meine Damen und Herren, ein jährlicher Schuldenzuwachs von 33 Milliarden DM ist nach wie vor viel zuviel. In den ersten 20 soliden Jahren der Republik unter Führung christlich-demokratischer Finanzminister und freidemokratischer Finanzminister betrug der Schuldenzuwachs pro Jahr weniger als eine einzige Milliarde. Das ist vorläufig nicht mehr zu erreichen. Die Zinslast frißt uns auf. In diesem Jahr zahlen wir
    Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3029
    Dr. Dregger
    nur an Zinsen für Altschulden 27 Milliarden DM. Im nächsten Jahre werden es nahezu 29 Milliarden DM sein. Solange die Schuldenlast wächst, so lange wächst die Zinslast weiter. Daher müssen wir unseren Konsolidierungskurs im Interesse der Bürger und dieses Landes fortsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Dregger, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kirschner? -- Keine weiteren Zwischenfragen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, das Erbe, das wir in der Sozialpolitik zu übernehmen hatten, war noch schlimmer als das Erbe in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Bei der Arbeitslosenversicherung hatte sich für 1983 ein Finanzierungsloch in Höhe von 13 Milliarden DM aufgetan. Die Rentenversicherung drohte ab August 1983 zahlungsunfähig zu werden.

    (Zuruf von der SPD: Im kommenden Jahr müssen Sie zur Bank gehen!)

    — Ich komme auf das, was wir für das kommende Jahr tun. — Die Beitragseinnahmen waren 1982 im Schnitt um 1 %, die Ausgaben aber um durchschnittlich 7 % gestiegen. Das Gebäude der Sozialversicherung stand vor dem Einsturz. Schnell wirkende Notmaßnahmen, Stützen für das krachende Gebälk, waren das Gebot der Stunde. Norbert Blüm hat es geschafft. Das Loch in der Kasse der Bundesanstalt für Arbeit konnte gestopft, die Zahlungsfähigkeit der Rentenversicherung konnte erhalten werden.

    (Vorsitz: Vizepräsident Westphal)

    Der Kostenschub bei der Krankenversicherung wurde gebremst. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen haben seit Dezember des vergangenen Jahres ihren Beitragssatz durchschnittlich um 0,34 % gesenkt. Das entspricht einer Entlastung der Beitragszahler um rund 1 Milliarde DM für ein Jahr. Die Not- und Sparmaßnahmen in der Sozialpolitik waren schmerzhaft, aber ohne sie wären Konsolidierung und Aufschwung nicht möglich geworden.
    Flankierend zu diesen Sparmaßnahmen werden durch gezielte wirtschaftliche Anreize für die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital der Wirtschaft neue Akzente gesetzt. Mit dem Vermögensbildungsgesetz beenden wir den 14jährigen Stillstand in der Vermögenspolitik.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Der Vermögenszuwachs wird nicht vom Staat verteilt; er wird von den Arbeitnehmern erarbeitet und in Tarifverträgen abgesichert. Wir werden weiterhin alles tun, um den Spielraum für eine breitere Eigentumsstreuung in der Wirtschaft beharrlich auszuweiten.
    Drei große Probleme in der Sozialpolitik liegen in den kommenden Jahren vor uns: erstens die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gleichstellung von Mann und Frau im Rentenrecht, zweitens die Einbeziehung von Zeiten der Kindererziehung bei der Berücksichtigung der Rentenhöhe und drittens das sich in den 90er Jahren rapide verschlechternde Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenempfängern.
    Wir können diese Probleme nur mit den Mitteln und den Überzeugungen der sozialen Marktwirtschaft lösen. Zur sozialen Marktwirtschaft gehört notwendigerweise beides: Leistung und soziale Gerechtigkeit, Wettbewerb und Solidarität, Eigenverantwortung und soziale Sicherung. Die in diesem „und" zum Ausdruck kommende Balance zwischen solidarischem Schutz und Eigenverantwortung ist in den 70er Jahren in eine Schieflage geraten. Staatliche Sozialpolitik bestand vor allem darin, den Bürgern immer neue Leistungen anzubieten und sie zu animieren, diese auch bis zum letzten auszunutzen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: So ist es! — Hochglanzpapier!)

    Beharrlich verschwiegen wurde dabei, daß das Geld dafür den Bürgern vorher oder nachher abgenommen werden würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Eine solche Politik konnte nur in der Sackgasse enden, und sie hat j a auch in der Sackgasse geendet.

    (Kirschner [SPD]: Sie haben doch allem zugestimmt!)

    Wir aber bekennen uns ohne Wenn und Aber zu den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir wissen: Die Gesetze des Marktes allein schaffen noch keine soziale Friedensordnung.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD)

    — Hören Sie doch einmal zu, es ist gut für Sie.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Die werden trotzdem nicht schlauer, auch wenn sie zuhören!)

    Der Markt honoriert nur das ökonomisch Richtige, aber nicht das Gerechte. Deshalb stellen wir die Wirtschaft in den Dienst des Menschen.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    Aber je mehr die Wirtschaft leistet, um so mehr können wir den Menschen dienen. Deshalb fördern wir die Wirtschaft und strangulieren sie nicht, wie Sie es getan haben!

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, das Vorgetragene ist die Bilanz der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, die wir immer als Einheit begriffen haben, aus nur 14 Monaten der Bundesregierung Helmut Kohl. Im Namen der CDU/CSU-Fraktion spreche ich dem Bundeskanzler Helmut Kohl, dem Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg, dem Bundesarbeitsminister Norbert Blüm und der ganzen Bundesregie-
    3030 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Dr. Dregger
    rung Dank, hohen Respekt und Anerkennung für diese großartige Leistung aus.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Auf dem Hintergrund dieser Bilanz möchte ich zu einigen aktuellen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen Stellung nehmen. Erste Frage: Kann die Arbeitslosigkeit durch eine Verkürzung der Arbeitszeit vermindert werden und, wenn ja, welche ist die richtige, die beste oder die am wenigsten schlechte Lösung?
    Zuerst eine wichtige Feststellung zur Ausgangslage. In der Schaffung neuer Arbeitsplätze ist unser Land im letzten Jahrzehnt hinter allen Industrienationen mit Ausnahme Großbritanniens weit, teilweise sehr weit zurückgefallen. Ich beziehe mich auf das Statistische Taschenbuch 1983 des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Daraus ergibt sich: Zwischen 1970 und 1981 wurde die Zahl der Arbeitsplätze bei uns nur um 637 000 vermehrt, in Frankreich um 1,4 Millionen, in Italien um 1,5 Millionen, in Japan um knapp 8 Millionen und in den Vereinigten Staaten von Amerika um 18,5 Millionen netto; alles in diesem Zeitraum.
    Ein anderer Vergleich: Über ein Drittel der heute in den USA außerhalb der Landwirtschaft bestehenden Arbeitsplätze ist in den letzten 20 Jahren entstanden, nämlich 36 Millionen von 90 Millionen. Von den Arbeitsplätzen, die es jetzt bei uns gibt, ist im selben Zeitraum nicht ein Drittel, sondern nur ein Achtel entstanden, nämlich 3 Millionen von 23 Millionen. Das zeugt nicht gerade von Vitalität, von Fortschritt, von Dynamik der deutschen Wirtschaft. Das ist aber das, was wir brauchen, meine Damen und Herren. Alles, was dem technischen Fortschritt, was der wirtschaftlichen Dynamik dient, ist notwendig, um wieder zu Vollbeschäftigung für Deutschland zu kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dieser Rückstand in der Schaffung neuer Arbeitsplätze, den die beiden sozialdemokratisch geführten Bundesregierungen zu verantworten haben, ist um so erschreckender, als im gleichen Zeitraum ein nahezu ungebremster Zuzug von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hat.
    Meine Damen und Herren, wir bitten auch die anderen Fraktionen dieses Hauses und die Öffentlichkeit, unserer vernünftigen Ausländerpolitik auch im Interesse der deutschen Arbeitnehmer zuzustimmen.

    (Aha! bei der SPD)

    — Ja, sagen Sie ruhig aha. Diese Position habe ich immer vertreten und werde sie weiter vertreten.

    (Zurufe von der SPD — Reents [GRÜNE]: Sie ist unchristlich!)

    Wir wollen den Menschen der Dritten Welt vor allem in ihrer Heimat helfen und nicht dadurch, daß wir einen verschwindenden Bruchteil von ihnen hier in unser Land holen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Und wie behandeln Sie die , die hier sind? Das sind doch Menschen! — Gegenruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/CSU])

    — Sie interessieren sich für alle in der Welt. Ich interessiere mich besonders für die Deutschen, weil ich ein Vertreter des deutschen Volkes bin. Deswegen kann ich doch mal seine Interessen hier im Deutschen Bundestag geltend machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Die Grenze zum Rassismus ist oft fließend!)

    Eine zweite Feststellung — zunächst ebenfalls ohne Wertung — möchte ich der Fragestellung, ob die Arbeitslosigkeit durch Arbeitszeitverkürzung verringert werden kann, vorwegschicken! Wir Deutschen arbeiten schon jetzt weniger als nahezu alle Industrienationen. Nur die Belgier übertreffen uns in dieser Hinsicht noch geringfügig. Bei den Belgiern sind es 1 756 Stunden, bei uns 1 773 Stunden pro Jahr — normale Arbeitszeit, abzüglich Feiertage und Urlaub.
    Eine dritte Feststellung: Bei einem internationalen Vergleich fällt auf, daß die Arbeitslosigkeit nicht in denjenigen Industrienationen am geringsten ist, in denen am kürzesten gearbeitet wird, sondern ausgerechnet in denen, in denen am längsten gearbeitet wird. Am längsten arbeiten die Japaner, nämlich 2 101 Stunden; ihre Arbeitslosigkeit beträgt im Jahresmittel 2,4 %. Die Schweizer, unser europäisches Nachbarvolk, arbeiten 2 044 Stunden, also nicht viel weniger als die Japaner; ihre Arbeitslosigkeit beträgt im Jahresmittel nur 0,4 %. Wir arbeiten, wie gesagt, 1 773 Stunden; unsere Arbeitslosigkeit lag 1982 im Jahresmittel bei 7,5 %.

    (Lambinus [SPD]: Also, für die 48-StundenWoche! — Zuruf des Abg. Reents [GRÜNE])

    — Natürlich, Erklärungen können Sie immer finden. Aber letzten Endes kommt es darauf an, daß die Menschen Arbeit finden. Dazu ist es notwendig, daß die Käufer unsere Produkte auf den Märkten kaufen; alles andere ist Gerede.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    — Ich möchte mich jetzt nicht an Sie, sondern an den Deutschen Gewerkschaftsbund wenden. Ich möchte den Deutschen Gewerkschaftsbund, vor dem ich großen Respekt habe, insbesondere die Industriegewerkschaft Metall, die bereits Kampfmaßnahmen angedroht hat, bitten, an Hand dieser Zahlen darüber nachzudenken, ob die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden in der jetzigen Lage gut für die deutschen Arbeitnehmer ist; das ist doch die Fragestellung.

    (Dr. Apel [SPD]: Fragen Sie die doch einmal!)

    Das könnte doch — wenn überhaupt — nur dann der Fall sein, wenn wir die Japaner, die Amerikaner, die Schweizer, die Franzosen, die Briten und alle anderen dazu überreden könnten, mit uns
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983 3031
    Dr. Dregger
    gleichzuziehen, also ihre Arbeitszeit auch auf 35 Stunden zu verkürzen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Herr Wieczorek, Sie können sich ja einmal bemühen. Machen Sie doch einmal auf diesem Gebiet eine Missionsreise ins Ausland. — Aber die denken gar nicht daran. In der Schweiz haben sich Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gerade darauf geeinigt, nicht die 35-Stunden-Woche, sondern die 40-Stunden-Woche einzuführen, und zwar nicht jetzt, sondern 1986 und 1988 — und das nicht bei vollem Lohnausgleich; erstaunlich.

    (Zuruf des Abg. Reents [GRÜNE])

    — Mitterrand hat mit seiner Arbeitszeitverkürzung ja Pech gehabt. So sehr ich seine Außenpolitik schätze, aber die Wirtschafts- und Finanzpolitik kann man — ich äußere mich über einen so geschätzten Mann nur ungern nicht positiv — wirklich nicht als Vorbild für die Welt hinstellen, auch nicht für die Bundesrepublik Deutschland.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Für die SPD!)

    Meine Damen und Herren, hätte die IG Metall mit ihrer Forderung Erfolg, dann stiegen die Arbeitskosten im Schnitt mindestens um 14 %; es gibt Schätzungen, die darüber liegen. Vergleichbar wäre diese bezahlte Verkürzung der Wochenarbeitszeit mit einem bezahlten Zusatzurlaub von nahezu 6 Wochen im Jahr. Das ist wirklich das Wunderland, das Paradies — oder auch nicht.
    Die Folgen eines derartigen Alleingangs — international gesehen wäre es ja ein Alleingang — liegen doch auf der Hand: Der Aufschwung würde gestoppt, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft würde weiter beeinträchtigt, noch mehr deutsche Betriebe gingen in Konkurs, die Arbeitslosigkeit in Deutschland stiege dramatisch. Das sollte niemand wollen, am wenigsten die Interessenvertreter der deutschen Arbeitnehmer.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Möge jetzt niemand sagen, das sei ein Eingriff in die Tarifautonomie, meine Damen und Herren!. Eine derartig drastische Veränderung der Arbeitszeit ist keine Privatangelegenheit der Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Eine solche Veränderung betrifft die deutsche Volkswirtschaft als Ganzes und damit den Staat, für den wir, die Vertreter des deutschen Volkes, und vor allem die Bundesregierung Verantwortung tragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Genauso wie Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände das Recht haben, uns zu kritisieren — davon machen sie selbstverständlich auch reichlich Gebrauch —, genauso haben wir das Recht, unsere Bedenken ihnen gegenüber offen und ehrlich anzumelden und Kritik zu üben,
    Ich begrüße es, daß es Gewerkschaften gibt, die der 35-Stunden-Woche ähnlich wie wir kritisch gegenüberstehen, wenn sie es auch nicht so deutlich sagen. Sie ziehen jedenfalls die Verkürzung der Lebensarbeitszeit vor. Auch diese Arbeitszeitverkürzung ist natürlich nicht ohne Probleme; aber die Verkürzung der Lebensarbeitszeit ist nicht unumkehrbar. Sie ist zunächst auf fünf Geburtsjahrgänge beschränkt; sie läßt sich mit der Tatsache rechtfertigen, daß in Deutschland in den 70er Jahren und Anfang der 80er Jahre ein besonders hohes Arbeitsplatzdefizit entstanden ist, das auch die neue Regierung nicht schlagartig beseitigen kann. In den Genuß der Verkürzung der Lebensarbeitszeit kämen die Jahrgänge, die es besonders verdient haben, weil sie dieses Land aus den Trümmern wieder aufgebaut haben. Auf jeden Fall ist dieser Weg der Arbeitszeitverkürzung besser, zumindest weit weniger gefährlich als die drastische Verkürzung der Wochenarbeitszeit.

    (Reents [GRÜNE]: Sie bringen kein Argument! Sie behaupten das!)

    Ich begrüße und unterstütze daher die Anstrengungen des Bundesarbeitsministers, zu einer ökonomisch vernünftigen und sozial vertretbaren Regelung zu kommen. Unser besonderes Augenmerk werden wir, wenn erforderlich, je nach Art der Regelung auf Schutzmaßnahmen für kleine Unternehmen mit niedriger Beschäftigtenzahl zu richten haben. Was wir jetzt haben, ist ein Diskussionsentwurf, und Norbert Blüm hat uns alle eingeladen, daran teilzunehmen; er ist offen für Verbesserungen.
    Meine Damen und Herren, auch das soll nicht unausgesprochen bleiben: Man kann Menschen, die von Natur aus fleißig sind — solche gibt es doch auch —,

    (Reents [GRÜNE]: Wer ist denn das? Wer ist von Natur aus fleißig? Das ist doch das ganze deutsche Volk, Herr Dregger!)

    nicht dazu zwingen, in der Woche nur 35 Stunden zu arbeiten. Hören Sie doch mal zu und rufen Sie nicht soviel dazwischen, Herr Reents! Man kann doch Menschen, die von Natur aus fleißig sind, nicht dazu zwingen, in der Woche nicht mehr als nur 35 Stunden zu arbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Reents [GRÜNE]: Man muß die Menschen zur Freizeit zwingen! Es ist nicht zu fassen!)

    Man kann doch nicht einen 59jährigen, einen 60jährigen zwingen, aus dem beruflichen Arbeitsleben überhaupt auszuscheiden. Das wäre doch diskriminierend.

    (Reents [GRÜNE]: Sie sind so fleißig! Sie wollen 80 Stunden in der Woche arbeiten!)

    Deswegen ist der Gesichtspunkt der Freiwilligkeit unverzichtbar,

    (Reents [GRÜNE]: Was haben Sie für ein Menschenbild?!)

    und dabei denke ich noch gar nicht an die Folgen für den Schwarzmarkt und die Schattenwirtschaft.
    Meine Damen und Herren, aus all diesen Überlegungen ergibt sich meines Erachtens: Arbeitszeitverkürzung kann kein Allheilmittel, sondern nur eine flankierende Maßnahme sein. Nicht die Vertei-
    3032 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
    Dr. Dregger
    lung des Mangels und Resignation, sondern Aktion, wissenschaftliche Höchstleistungen, technische Innovationen, Optimismus — das ist das, was wir brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    — Das ist Ihnen von den GRÜNEN völlig fremd, das ist mir klar; aber Sie repräsentieren nicht die deutsche Nation,

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Dregger! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    sondern einen sehr kläglichen Ausschnitt.
    Meine Damen und Herren, ich bin jedenfalls nicht bereit, mich damit abzufinden, auch wenn die GRÜNEN noch so laut sind, daß uns Japaner und Amerikaner abgehängt haben, in der Mikroelektronik, in der Kommunikationstechnik, in der Biotechnologie. Die Technikfeinde in Deutschland, die ihre parlamentarische Vertretung jetzt in den GRÜNEN haben, haben Schlimmes angerichtet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schily [GRÜNE]: Was ist das für ein Freund-Feind-Denken! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    Wir aber fordern alle staatlichen Stellen, Forschungsstätten und Universitäten auf, ihre Leistungen zu steigern Höchstleistungen in diesen Massengebilden überhaupt wieder möglich zu machen und dafür zu sorgen, daß wir diesen technischen Rückstand in wichtigen Teilbereichen aufholen.
    Ein reales Wachstum von 3 % über mehrere Jahre hinweg, das durchaus möglich ist, würde die Lage am Arbeitsmarkt grundlegend verändern.