Rede von
Dr.
Alfred
Dregger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Spöri, erstens stimmt -das nicht, was Sie sagen. Und zweitens werde ich mich nachher mit den Fragen des Arbeitsplatzdefizits sehr eingehend beschäftigen, und ich denke, daß Sie dann im einzelnen Antworten auf Ihre Fragen erhalten.
Wir stehen erst am Anfang. Wir dürfen nicht nachlassen. Wir dürfen nicht in schlechte Gewohnheiten zurückfallen. Wir müssen konsequent bleiben.
Wir dürfen aber auch nicht überziehen. Manchem Kritiker des letzten Jahres gingen Tempo und Ausmaß der Haushaltskonsolidierung und der Investitionsanregungen nicht schnell genug. Ich habe damals zu Geduld gemahnt — gewiß nicht aus Schwäche! Eine noch stärkere Reduzierung der öffentlichen Ausgaben wäre nach meiner Überzeugung falsch gewesen. Sie hätte durch ein noch stärkeres Schrumpfen der Sparquote nicht kompensiert werden können. Sie hätte eine schockartige Verringerung der Nachfrage zur Folge haben können.
Ich bin überzeugt, daß es der Bundesregierung und uns gelungen ist, den schmalen Mittelweg zwischen beiden Extremen zu finden. Und die Erfolge bestätigen diese Einschätzung.
3028 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Dezember 1983
Dr. Dregger
Diese Erfolge waren nicht ohne große Belastungen für große Teile unserer Mitbürger zu haben. 30 Millionen Menschen waren von Kürzungen betroffen. Andere mußten ihren Beitrag in anderer Weise leisten, z. B. durch die Hinnahme heimlicher Steuererhöhungen, durch die Kombination von Geldentwertung und von Steuerprogression. Die Tarifkorrektur bei der Lohn- und Einkommensteuer steht ja noch aus. Unvermeidliche Beitragserhöhungen in der Sozialversicherung haben auch den Unternehmen Lasten aufgebürdet — neben den Arbeitnehmern.
Aber die schon bis heute eingetretenen Verbesserungen rechtfertigen diese Belastungen. Zwei Prozent Zinsen weniger und drei Prozent Geldentwertung weniger: das hat fundamentale Auswirkungen auf alle sozialen Lebensverhältnisse, auf die Einkommensituation der Rentner und Arbeitnehmer und auf die Wirtschaft insgesamt.
Zwei Prozent Zinsen weniger bringen eine Kostenentlastung von annährend 16 Milliarden DM. Drei Prozent Geldentwertung weniger erhöhen die Kaufkraft der deutschen Verbraucher um 30 Milliarden DM real.
Zwei weitere grundlegende Verbesserungen wollen wir noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen. Auch sie wären ohne die vorausgegangene Konsolidierung und den dadurch ausgelösten Aufschwung nicht durchführbar.
Erstens. Wir möchten die Arbeitnehmer und die anderen Einkommensbezieher steuerlich durch eine Tarifreform bei der Lohn- und Einkommensteuer entlasten.
Zweitens. Wir möchten eine Verbesserung des Familienlastenausgleichs durch die Ausdehnung des Mutterschaftsgelds auf alle Mütter und durch Einführung eines Familiensplittings oder verbesserter Kinderfreibeträge herbeiführen.
Wann die Steuerreform in Kraft tritt, darüber wird zur Zeit gestritten — was ich nicht für besonders nützlich halte. In Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzminister und der Bundesbank warne ich vor vorzeitigen Festlegungen. Die Entscheidung darüber wird im nächsten Jahr fallen. Und dabei steht nicht das Ob, sondern nur das Wie zur Diskussion. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Steuerreform muß so gewählt werden, daß die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte dadurch nicht gefährdet wird. Wir müssen hier wie in allem anderen seriös bleiben.
Ich sagte schon, daß unser Sanierungskurs auf den Protest mancher davon Betroffener, besonders ihrer Verbände, gestoßen ist. Das kann niemanden überraschen. Im Namen der Fraktion kann ich nur um Verständnis bitten. Wir haben es ja nicht aus Mutwillen getan, sondern um ein finanzielles Chaos zu verhindern, vor dem wir in Deutschland standen.
Wir haben es getan, um der Wirtschaft wieder Vertrauen in dieses Land zu geben und dadurch Vollbeschäftigung in Deutschland möglich zu machen.
Natürlich kann man darüber streiten, ob alle Einzelentscheidungen richtig waren. Aber daß unser Kurs goldrichtig war, daran kann man nicht mehr zweifeln. Das zeigen die Ergebnisse und das bestätigen inzwischen nahezu alle Sachverständigen.
Von Kaputtsparen, wie diese dumme Vokabel heißt, kann jedenfalls nicht die Rede sein. Der Staat befindet sich immer noch in der Lage eines Mannes, der monatlich 2 000 DM verdient und dazu noch in jedem Jahr zusätzlich 4 000 DM Schulden aufnimmt. Meine Damen und Herren, wer seine Schulden Jahr für Jahr um zwei Monatseinkommen vermehrt, von dem kann man wirklich nicht behaupten, daß er sich kaputtspare. Dieser Mann lebt über seine Verhältnisse. Das hat auch der Staat getan, und auch der Staat kann sich das auf die Dauer nicht leisten.
Wer den Staat im Ausmaß des letzten Jahrzehnts verschuldet, der handelt unsozial. Er bereichert die Großen und belastet die Kleinen. Nur die Großen haben Geld genug, um dem Staat gegen hohe Zinsen dieses Geld zu leihen. Die Zinslasten müssen wir alle tragen. Das meiste bringen die Kleinen auf über die Lohnsteuer, deren Anteil am Steueraufkommen unter sozialdemokratischen Finanzministern immer größer geworden ist. 5 Millionen Arbeitnehmer arbeiten zur Zeit mit ihrer Lohnsteuer nur für die Zinslast, die sozialdemokratische Finanzminister diesem Lande aufgebürdet haben.
Nicht wir verteilen um von unten nach oben, meine Damen und Herren der SPD, das haben Sie getan durch Ihre unverantwortliche Schuldenpolitik.
Ein kurzer Rückblick auf unsere Konsolidierungsanstrengungen. Wir haben nicht die Schulden vermindern können, sondern nur den Schuldenzuwachs. Dieser Schuldenzuwachs, der sich 1983 ankündigte, hatte die astronomische Zahl von 55 Milliarden DM. Durch unsere Sparaktionen konnte er zunächst auf 40,9 Milliarden und im Laufe des Haushaltsvollzuges dieses Jahres auf wahrscheinlich 37 Milliarden DM herabgedrückt werden.
Für 1984 ist der Schuldenzuwachs auf 33,6 Milliarden DM gedrückt. Genügt das? Nein, meine Damen und Herren, ein jährlicher Schuldenzuwachs von 33 Milliarden DM ist nach wie vor viel zuviel. In den ersten 20 soliden Jahren der Republik unter Führung christlich-demokratischer Finanzminister und freidemokratischer Finanzminister betrug der Schuldenzuwachs pro Jahr weniger als eine einzige Milliarde. Das ist vorläufig nicht mehr zu erreichen. Die Zinslast frißt uns auf. In diesem Jahr zahlen wir
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Dr. Dregger
nur an Zinsen für Altschulden 27 Milliarden DM. Im nächsten Jahre werden es nahezu 29 Milliarden DM sein. Solange die Schuldenlast wächst, so lange wächst die Zinslast weiter. Daher müssen wir unseren Konsolidierungskurs im Interesse der Bürger und dieses Landes fortsetzen.