Nun gehen Sie her, meine Herren Kollegen, und lehnen den Einzelplan 27 ab. Das ist schon eine beachtliche und, wie ich meine, unzureichend begründete Kehrtwendung. Herr Kollege Heimann, als Sie sprachen, habe ich daran denken müssen: Als der Minister Franke kräftig mit der Axt daranging, die Mittel für die Förderung von Berlin-Reisen drastisch und zum Schaden der Stadt zu kürzen, da waren Sie doch Mitglied des Senats von Berlin, und da waren Sie doch hier in Bonn der Vertreter des Landes Berlin beim Bund. Ich habe damals überhaupt nichts davon gespürt, daß Sie kräftig Hand angelegt hätten, um zugunsten und zum Nutzen des Landes Berlin und auch im Interesse der deutschlandpolitischen Aufgabenstellung den Minister Franke an seiner frevelhaften Tat zu hindern. Das haben mein Kollege Nehm und ich in Ordnung bringen müssen.
Die Aufgaben des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen sind politisch so schwergewichtig, daß ich schon darum bitten muß, in dieser Frage die bisher gemeinsamen Positionen nicht zu
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verlassen. An der Arbeit ist nichts auszusetzen, und weil an der Arbeit nichts auszusetzen ist, wird hier eben die Flucht angetreten auf der Suche nach Nebenkriegsschauplätzen.
Nun aber einige Punkte zum Einzelplan 27. Vor einem Jahr konnte ich hier bei der zweiten Lesung des Einzelplans 27 feststellen, daß der damalige Bundesminister Dr. Barzel nach einer jahrelang höchst stiefmütterlichen Behandlung dieses Einzelplans eine erste Korrektur vorgenommen hat. Der Ansatz wurde nach Jahren eines politisch unverantwortlichen Schrumpfens erstmals wieder um 20 Millionen DM erhöht.
Mit dem von Bundesminister Windelen jetzt vorgelegten Haushalt 1984 werden neue Schwerpunkte erkennbar. Der Haushalt des innerdeutschen Ministers steigt um 1,8 % und erhöht sich zusätzlich durch Umschichtung aus dem Gesamthaushalt. Ich sage dies mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn wenn man sich die Aufgaben des Ministeriums nach dem Vorwort zum Einzelplan 27 ansieht, dann wird klar, daß eine nur dem Durchschnitt des Gesamthaushalts entsprechende Erhöhung des Einzelplans 27 angesichts der Aderlässe früherer Jahre nach meinem Urteil und bei entschiedenem Willen zur Sparsamkeit nicht sachgerecht ist. Ich appelliere also an die Bundesregierung — auch vor dem Hintergrund ihrer Regierungserklärung — beim Einzelplan 27 für 1985 spürbar zuzulegen.
Allerdings sind trotz der begrenzten Mittel für 1984 durch Schwerpunktbildung im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen wesentliche Verbesserungen erkennbar. Hierzu einige Beispiele.
Erstens. Die deutschlandpolitische Projektforschung wird verstärkt. Der Forschungsplan wurde durchforstet und ergebnisorientiert umgestaltet. Hier wurde einer Bitte des Kollegen Nehm und meiner Bitte entsprochen, überflüssigen Forschungsballast von Bord zu werfen und sich ergebnisorientiert zu verhalten. Die Forschungsergebnisse werden künftig veröffentlicht und nicht nur für Fachexperten bereit gehalten oder in irgendwelchen Schubladen abgelegt.
Zweitens. Die Zonenrandförderung wird im Gegensatz zu den Finanzplanungen der Regierung von Helmut Schmidt nicht gekürzt. Aber ich möchte zu diesem Titel doch sagen, daß aller Anlaß besteht, die Zonenrandförderung in den kommenden Jahren zu verstärken. Über die Gründe ist im Innerdeutschen Ausschuß eingehend, wie ich schon sagte, und mit Sachverstand beraten worden. Bei steigenden Mittelanforderungen und insbesondere angesichts der Arbeitsmarktsituation im Zonenrandgebiet sind 115 Millionen DM zu wenig. Die bevorzugte Förderung des Zonenrandgebietes muß erhalten bleiben, damit nicht Schaden entsteht.
Mein Appell geht daher an die Bundesregierung, die Mittel für die Zonenrandförderung künftig aufzustocken.
Drittens. Die Publikationen des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen sind ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich. Der Ansatz dafür wurde für 1984 leider nur um 10 000 DM auf 4,7 Millionen DM erhöht.
Hier geht es doch vor allem um die Information der Jugend über die Situation in Deutschland über die nach wie vor schrecklichen Auswirkungen der deutschen Teilung. Da muß 1985 aufgestockt werden. Da kann es nicht den Haushältern überlassen bleiben, durch Umschichtungen zu erreichen, was die Regierung vorlegen sollte.
Wie sollen wir denn von jungen Menschen erwarten, sich für die deutsche Frage zu interessieren und etwas dafür zu tun, wenn das notwendige Informationsmaterial nicht bereitsteht? Wen wundert es da, wenn in einer Fernsehsendung keiner der vielen anwesenden Teilnehmer wußte, daß Karl-MarxStadt früher Chemnitz hieß?
Im vergangenen Jahr haben mein Kollege Nehm und ich das Ministerium gebeten, das Literaturpaket, welches an Schulen versandt wird, zu durchforsten und Bücher auszuwählen, die nicht nur für Lehrer als Lehrmaterial, sondern auch für Schüler als Lesematerial bestimmt sind. Ich danke Herrn Bundesminister Windelen und Herrn Staatssekretär Rehlinger ausdrücklich dafür, daß dies geschehen ist.
Dieses Bücherpaket wurde sinnvoll von 105 auf 56 Buchtitel reduziert. Das heißt, es wurde Ballast abgeworfen.
— Herr Kollege Diederich, wenn Sie sich die alte und die neue Bücherliste ansehen, dann werden Sie feststellen, daß Sie eben eine sehr dumme Bemerkung gemacht haben.
Es ist Ballast von Bord geworfen worden, und es können auf diese Weise bei gleichem Ansatz mehr Bücherpakete verschickt werden. Die Schüler sollen durch den direkten Zugang zur deutschlandpolitischen Literatur neugierig gemacht werden und den Wunsch bekommen, nach drüben zu fahren.
Also nochmals: Dieser Ansatz ist in der Tat wichtig. Er sollte 1985 um mindestens 1 Million DM aufgestockt werden. Wenn ich mir die Ansätze für Publikationen in anderen Ressorts ansehe, dann ist
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dies weiß Gott keine unberechtigte oder gar übertriebene Forderung, im Gegenteil.
Viertens. Ich begrüße die Entscheidung des Ministeriums, daß der Jakob-Kaiser-Fernsehpreis und der Ernst-Reuter-Rundfunkpreis nicht mehr nur alle zwei Jahre, sondern jeweils jährlich verliehen werden. Dasselbe gilt für den Ernst-Richter-Wissenschaftspreis und den Thomas-Dehler-Literaturpreis. Auch auf diese Weise wird die allgemeine Aufmerksamkeit verstärkt auf deutschlandpolitische Fragen gelenkt. Wichtig hierbei ist, daß vor allem junge Wissenschaftler und Künstler zur Beteiligung angeregt werden.
Fünftens. Für die Aufgaben des Ministeriums werden für 1984 drei neue Haushalstitel eingerichtet. Erwähnen möchte ich den Titel 685 33 in Kapitel 27 02 zur Förderung von Begegnungen und Informationsreisen in die DDR und für den kulturellen Austausch im Bereich der innerdeutschen Beziehungen. Für diese Zwecke sind 9,8 Millionen DM im Einzelplan 27 umgeschichtet worden. Wir sind der Meinung, daß die innerdeutschen Begegnungen vor allem jungen Menschen soweit wie irgend möglich verstärkt werden sollen. Dies geschieht z. B. durch die Förderung von Jugendgruppen und Schulklassenfahrten von drei bis zehn Tagen in die DDR, den sogenannten Studienfahrten. Dafür zahlt das Minsterium einen Zuschuß für die Omnibuskosten und 5 DM je Fahrt und Teilnehmer.
1981 sind 90 Schulklassen mit 2 400 Schülern in die DDR gefahren. 1982 waren es 196 Klassen mit 5 000 Teilnehmern und 1983 fuhren rund 5 000 Klassen mit ca. 13 000 Teilnehmern in die DDR. Ich meine, dies ist eine erfreuliche Entwicklung.
Im Dezember 1982 habe ich vorgeschlagen, neben diesen drei- bis zehntägigen Studienfahrten auch Ein- bis Zwei-Tages-Fahrten von Jugendlichen in die DDR zu fördern. Lehrer, Schüler und Eltern werden sich leichter für eine erste Reise in die DDR entscheiden, wenn diese nur einen Tag oder zwei Tage dauert.
— Oh, das ist doch furchtbar einfach mit einer EinTages-Reise. Wenn ich mit einer Schulklasse morgens um sieben Uhr in Berlin abfahre, bin ich in aller Bequemlichkeit gegen 10 Uhr in Güstrow und kann über Schwerin nach Berlin zurückfahren. Oder: Wenn ich um 7 Uhr in Berlin in südliche Richtung abfahre, kann ich über den Spreewald nach Dresden fahren und kann mit dieser Schulklasse
— was haben Sie denn dagegen? — über Meißen und Wittenberg nach Berlin zurückfahren.
Ich bin dem damaligen Minister Dr. Barzel und dem Minister Windelen dankbar, daß meine Anregung aufgegriffen wurde und ab 1984 auch solche Kurzreisen von Jugendlichen in die DDR gefördert werden. Ich bin auch darüber zufrieden, daß der Bundesminister der Finanzen den entsprechenden
Richtlinien am vorigen Freitag sogar zugestimmt hat.
— In der Tat!
Sechstens. Politischen Stellenwert hat auch der Titel 685 32 für Informationsreisen nach Berlin und an die Grenze zur DDR. Jede Abschlußklasse einer weiterführenden Schule sollte Gelegenheit haben, wenigstens einmal eine Informationsreise nach Berlin zu unternehmen. Darüber sind wir uns — wie ich glaube — auch mit der SPD einig.
— Na, dann klatscht doch ein bißchen!
1980 hatte der Titel dafür noch 14,6 Millionen DM betragen. Er ist 1981 und 1982 von der alten Regierung ohne allzu scharfen Widerspruch unseres Kollegen Heimann, der damals in verantwortlicher Regierungsposition in Berlin war, kräftig zusammengestrichen worden. Im vergangenen Jahr haben mein Kollege Nehm und ich eine Erhöhung auf zunächst 12,45 Millionen DM durchsetzen können. Im Regierungsentwurf 1984 war es leider bei diesem Ansatz geblieben. Bei den Berichterstattergesprächen haben mein Kollege Nehm und ich für diesen Zweck quasi mit dem Staubsauger aus anderen Positionen zusätzlich 320 000 DM mühsam zusammengekratzt. Ich habe die dringende Bitte an die Bundesregierung, daß der Ansatz stufenweise wieder auf den früheren Ansatz von mindestens 14,6 Millionen DM gebracht wird.
Der Bund zahlt für die Informationsreise nach Berlin ca. 80 % der Omnibuskosten und 5 DM je Tag und Teilnehmer. Mit anderen Worten, jeder Teilnehmer zahlt aus seiner eigenen Tasche rund 300 DM dazu. Die Mittel für die Förderung der Berlin-Reisen waren bisher schon nach vier bis fünf Monaten für das ganze Haushaltsjahr verplant. Später eingehende Anträge mußten abgelehnt werden. Das ist politisch überhaupt nicht in Ordnung und kann in der Tat so nicht weitergehen.
Siebentens. Ab 1. Januar 1984 werden Freifahrt-scheine für Zusatzfahrten im Bundesgebiet an Besucher aus der DDR und aus osteuropäischen Ländern ausgegeben, deren Gastgeber Empfänger von Arbeitslosenhilfe sind. Das ist ein erster Fortschrift. Ich appelliere aber an den Finanzminister, künftig auch jene Besucher aus der DDR in diese Regelung einzubeziehen, deren Gastgeber Arbeitslosengeld erhalten, also weniger als ein Jahr arbeitslos sind.
Achtens. Ich bestätige abschließend ausdrücklich, daß das Ministerium im vergangenen Jahr äußerst sparsam gewirtschaftet hat und daß die knappen Mittel wirksam eingesetzt worden sind. Ich appelliere aber an das Ministerium, für den Etat 1985 auf eine bessere finanzielle Ausstattung bei den politisch wichtigen Titeln zu drängen. Wegen der Versäumnisse in früheren Jahren besteht hier ein dringender Nachholbedarf.
Dem Minister, seinen Staatssekretären und den Mitarbeitern des Ministeriums spreche ich den
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Dank der CDU/CSU-Fraktion aus. Die innerdeutschen Aufgaben liegen bei ihnen in guten Händen. Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Einzelplan 27 zu.
Ich danken Ihnen.