Rede von
Dr.
Winfried
Pinger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Brück, das ist eine Fehleinschätzung und eine falsche Erklärung der Entwicklungspolitik. Entwicklungspolitik wird nicht durch Versprechungen gemacht, die nachher nicht eingehalten werden können.
Entwicklungspolitik wird dadurch gemacht, daß Hilfe geleistet wird, d. h. Barzahlungen geleistet werden.
Meine Damen und Herren, zum erstenmal war mit Bundeskanzler Helmut Kohl ein Regierungschef in Indonesien, diesem wichtigen blockfreien Entwicklungsland. Seit 15 Jahren hat es nun wieder den Besuch eines Bundeskanzlers in Indien gegeben, diesem traditionellen Schwerpunktland deutscher Entwicklungspolitik. Indien ist Sprecher der Blockfreien. Daran zeigt sich, welches Vakuum in der Dritte-Welt-Politik aufzuarbeiten ist.
Muß es uns nicht zu denken geben, mit welcher Freundschaft und Erwartung der Bundespräsident bei seinem kürzlichen Besuch in zwei westafrikanischen Staaten empfangen wurde? Seit Heinrich Lübke war kein Staatsoberhaupt mehr dort.
2992 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Dr. Pinger
Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit erhöht unser Vertrauen in der Dritten Welt und die Wirkung unserer Entwicklungshilfe.
Vertrauen gründet sich auf Berechenbarkeit und Stetigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit. Bloße Versprechungen — ich wiederhole es —, die dann nicht eingehalten werden können, verursachen Enttäuschung und wirken nicht entwicklungspolitisch. Aber immer noch bestehen Sie von der SPD auf irrealen Verpflichtungsermächtigungen. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. Wir unterstützen den Bundesminister in seiner soliden und zeitnahen Planung.
Wir wollen Wirkungen erzielen und nicht Luftschlösser bauen.
Es ist daher auch richtig, daß der Minister zuallererst die entwicklungspolitische Praxis verbessern will. Dazu gehört die Ermutigung der privaten Initiative bei uns und in den Entwicklungsländern.
Der Staat kann Entwicklung weder verordnen noch selbst veranstalten; er kann Rahmenbedingungen setzen
und die Eigeninitiative unterstützen. Sozialisten setzen immer noch auf die staatliche Allmacht
und auf die oft korrupte Bürokratie.
Wir vertrauen auf die Privatinitiativen der Menschen und auf ihre Selbsthilfe,
auf eine Selbsthilfe, die aber erst dann wirksam wird, wenn marktwirtschaftliche Elemente ausreichende Freiräume
zur Entfaltung bieten. Wer produzieren will, muß dafür einen Preis erzielen, der nicht unter den Produktionskosten liegt,
der nicht entsprechend reglementiert wird. Jeder Arbeiter und Bauer versteht dieses marktwirtschaftliche Element, Sie von der SPD tun es offensichtlich nicht.
Meine Damen und Herren, entwicklungspolitische Wirksamkeit, nicht Ideologie ist der Maßstab der neuen Bundesregierung. Damit wendet sich die
Regierung von der Ideologie in der Entwicklungspolitik ab, wie sie vorher betrieben worden ist,
wofür Nicaragua und El Salvador Beispiele sind. Die Hilfe für El Salvador wurde bekanntlich eingestellt, nachdem das Rechtsregime gestürzt worden war und nachdem ein christdemokratischer Präsident versuchte,
soziale Reformen durchzusetzen. Man hat ihn hängenlassen, statt ihn zu unterstützen. Das nenne ich Ideologie in der Entwicklungspolitik!
Wir unterstützen die Bemühungen der Bundesregierung um eine rationale und damit wirkungsvollere Hilfevergabe. Es ist richtig, das Instrumentarium entsprechend anzupassen. Die neue Politik muß basieren: erstens auf eingehenden Länderanalysen;
zweitens auf nachprüfbaren länderspezifischen Vergabekriterien; sie muß drittens in einen Politikdialog mit den Regierungen und den Menschen in den Entwicklungsländern umgesetzt werden,
und sie mull viertens durch eine bessere Koordinierung mit der Politik anderer Geberländer unterstützt werden.
Diese Instrumente sind geeignet, die breite Kluft zwischen entwicklungspolitischem Anspruch und Wirklichkeit, wie sie unter den SPD-Regierungen entstanden ist, zu überbrücken.
Damit wird es dann gelingen, die wichtigsten politischen Ziele nicht nur zu proklamieren, sondern auch zu erreichen, nämlich: erstens mit den Projekten direkt die Hauptzielgruppe der Entwicklungspolitik, die Masse der armen Bevölkerung in der Dritten Welt, zu unterstützen und damit den krassen Gegensatz zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land abzubauen;
zweitens die Erfüllung der Grundbedürfnisse nicht durch Almosen und internationale Sozialhilfe, sondern durch produktive Maßnahmen zu erreichen, d. h. über Millionen bäuerlicher und gewerblicher Kleinbetriebe; drittens die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für diese Privatinitiative herbeizuführen sowie viertens die Selbstverantwortung und Partizipation dieser Zielgruppen zu erhöhen und durch Gewährleistung der Menschenrechte abzusichern.
Wir wissen, daß die Verfolgung dieser entwicklungspolitischen Ziele in der Praxis oft an den ganz
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Dr. Pinger
anderen Interessen der Machteliten in den Entwicklungsländern scheitert. Das uneingeschränkte Antragsprinzip, nach dem ohne einen Antrag eben dieser Elite ein staatliches Projekt nicht initiiert werden kann, ermöglichte diesen Gruppen die einseitige Verfolgung ihrer Interessen, und unserer damaligen Regierung verschaffte es zugleich das Alibi dafür, daß sie ihre entwicklungspolitischen Ziele nicht erreichte. Das uneingeschränkte Antragsprinzip ist eine Hinterlassenschaft sozialdemokratischer Entwicklungsminister. Es muß durch das An. gebotsprinzip ersetzt oder jedenfalls ergänzt werden.
Eine weitere Hinterlassenschaft war die feste Länderquote. Die Millionenbeträge für ein einzelnes Land wurden in der Rahmenplanung schlicht fortgeschrieben und dann auf Projekte verteilt, die die Elite gerade für richtig hielt. Wir haben jetzt mit dem Angebotsprinzip und Länderquoten, die nach entwicklungspolitischen Vergabekriterien ermittelt werden, den völlig neuen Einstieg in die Verwirklichung der entwicklungspolitischen Ziele. Mit mehr Geld wird es eine bessere Politik geben. Entscheidend ist: Die Richtung stimmt. Wir werden die Anträge der SPD und der GRÜNEN ablehnen
und mit der Bundesregierung zielstrebig und mit neuen Instrumenten an die großen entwicklungspolitischen Aufgaben herangehen.