Rede von
Prof. Dr.-Ing.
Karl-Hans
Laermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Vosen, es war natürlich genüßlich, Ihnen zuzuhören. Ich bin überrascht, wie schnell Sie Ihre Betriebsblindheit abgelegt haben. Aber andererseits hatten Sie offenbar auch das Bedürfnis, hier einen gewissen Stau abzureagieren. Mich hat besonders beeindruckt, daß Sie gesagt haben, Sie könnten mit Nullen umgehen, wobei Sie offengelassen haben, ob Sie die Nullen vor oder hinter dem Komma meinen oder ob Sie andere Nullen meinen. Ich weiß j a nicht, mit wem Sie ansonsten umgehen.
— Ich habe das Beispiel von den Nullen ja nicht gebracht.
Wir haben hier über den Einzelplan 30 des Haushalts zu diskutieren. Aber ich möchte mir erlauben, zunächst auch auf etwas anderes hinzuweisen. Wir sind in der Gefahr, daß wir bei der Diskussion von Einzelplänen die Diskussion um Forschung verkür-
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2959
Dr.-Ing. Laermann
zen auf Naturwissenschaft und Technik oder Technologie alleine.
Ich möchte feststellen, daß auch die Geisteswissenschaften ihren Platz und ihre Bedeutung in der Forschungs- und Wissenschaftslandschaft haben.
Natürlich bestehen keine Zweifel daran, daß die staatliche Forschungspolitik in starkem Maße orientiert ist auf die Steigerung der wirtschaftlichen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit, auf die Förderung und Beschleunigung des Strukturwandels und die Stärkung der Innovationsfähigkeit und damit auf die Sicherung und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Aber ich darf vielleicht gerade als Ingenieur hier sagen, daß auch festzustellen ist, daß die Zeiten längst vorbei sind, wo man glauben konnte, Naturwissenschaften und Technik allein seien in der Lage, die Probleme der Menschheit zu lösen.
— Es ist behauptet worden. Ich möchte nur feststellen, daß nach unserem liberalen Verständnis dies allein nicht ausreicht.
Hier wird von der Wende in der Forschungspolitik gesprochen,
und es wird gefragt: Wo ist die Wende? Nun muß man feststellen: Bei der Wende muß man immer mit der Nase durch den Wind. Bei einer kleinen Jolle ist das ganz schnell zu machen; da kann man das Steuer fix legen.
Aber der Staatsapparat gleicht doch mehr einem satten Vollschiff. Da läßt sich das Ding nur langsam und träge durch den Wind bringen. Auch ich wünsche mir, daß es etwas schneller ginge.
Aber gerade in der Exekution, verehrter Herr Kollege Steger, der Forschungs- und Technologiepolitik kann und darf es keine Stop-and-go-Aktionen geben. Hier ist Kontinuität in Richtung auf die Zielvorgaben das allein Vertretbare.
Und ich stelle hier für meine Fraktion fest: Die Zielvorgaben des Forschungsministers sind richtig. Sie entsprechen unseren liberalen Vorstellungen, die wir — und dafür, verehrte Kollegen, verbürge ich mich mit meiner Person — seit mehr als einem Jahrzehnt auch in der sozialliberalen Koalition vertreten haben.
— Sie sind im Prinzip die gleichen, Herr Kollege Steger. Und Sie wissen ganz genau, daß wir der Auffassung sind und sie auch nachdrücklich vertreten, daß die Grundlagenforschung die Voraussetzungen für die Technologie von morgen schafft und daß die Technologie von morgen die Voraussetzung für Arbeitsplätze und unsere wirtschaftliche Existenz von übermorgen ist.
— Ach, ich höre immer „wegrationalisieren". Darüber haben wir schon einmal zu einem anderen Zeitpunkt hier gesprochen. Wir werden sicher Gelegenheit haben, dieses Thema einmal ausführlich auszudiskutieren, um mit gewissen Vorurteilen aufzuräumen.
Wir sind auch der Auffassung, daß die direkte Projektförderung — und dies entspricht den Vorstellungen des Forschungsministers — nach wie vor bei den unbestrittenen Aufgaben staatlicher Zukunftsvorsorge eingesetzt werden muß. Ich nenne das Beispiel Lebenswissenschaft — Umwelt, Gesundheit. Herr Vosen, hier hat bisher niemand davon geredet, daß die direkte Forschungsförderung abgeschafft werden soll, besonders wir haben dies überhaupt nie behauptet. Die direkte Forschungsförderung hat dort ihren Platz, wo es im Hinblick auf langfristige Daseinsvorsorge gilt, neuen technischen Entwicklungen zum Durchbruch zu verhelfen, wenn Risiko und Marktferne zu groß sind, um damit Industrie und Wirtschaft zu belasten. Aber in Zukunft muß hier eine Verzettelung in viele tausend Einzelprojekte vermieden werden, müssen im Hinblick auf die knappen finanziellen Ressourcen der öffentlichen Hand die ungeheueren und nicht zu verantwortenden Reibungsverluste durch ein Übermaß an Bürokratie vermieden werden. Herr Vosen, dies müssen wir einmal sagen: daß im Bereich der Projektförderung ein Löwenanteil der finanziellen Mittel in Großunternehmen gegangen ist und die kleinen einen unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand zu betreiben und mit vielen Schwierigkeiten in der Bürokratie zu kämpfen hatten, um an die finanziellen Förderungsmittel heranzukommen. Darüber haben wir oft genug diskutiert. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, daß dies nicht mehr vertretbar ist.
Hier möchte ich den Forschungsminister nachdrücklich ermuntern, den Spielraum auszuschöpfen, den ihm die Haushaltsgesetze und der Rechnungshof lassen. Ich bin der Auffassung, daß hier noch einiges erledigt werden muß.
Herr Kollege Vosen! Vizepräsident Stücklen: Bitte sehr.