Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme Herrn Paterna zu, daß wir über den Haushalt der Deutschen Bundespost eigentlich gar nicht diskutieren können, weil die parlamentarische Kontrolle der konkreten Haushaltsplanung und Haushaltspolitik des Unternehmens Deutsche Bundespost erstens per Gesetz nicht möglich ist und zweitens der vom Verwaltungsrat zu beschließende Haushaltsentwurf den Abgeordneten nicht zur Verfügung steht.
Zumindest wäre es notwendig gewesen, daß dieser Entwurf den Abgeordneten vor der heutigen Debatte vorgelegen hätte und nicht erst nach dem 12. Dezember vorgelegt wird, wie ein Beamter des Bundespostministeriums mir mitgeteilt hat. Er
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2935
Frau Reetz
schrieb, bis dahin handele es sich nur um einen verwaltungsinternen Entwurf, an dem auch noch Änderungen vorgenommen werden könnten.
— So ist es. — Angesichts der Vorgabe der Koalitionsvereinbarung, daß die Investitionen der Deutschen Bundespost Lokomotivfunktion für das erstrebte wirtschaftliche Wachstum haben sollen, muß das Parlament aber doch die Möglichkeit haben, die Investitions- und Personalplanung dieses Bundesunternehmens, das zudem gemeinwirtschaftlich ausgerichtet sein soll, zu kontrollieren.
Denn diese zentralen Entscheidungen sind von außerordentlich politischer Bedeutung — sie geben Weichenstellungen für die Zukunft —, aber sie werden am Parlament vorbei gefällt.
Unsere Einwendungen gegen den Einzelplan 13 beziehen sich vor allem auf zwei Punkte: erstens die unsoziale Personalpolitik und zweitens die Investitionen für die Breitbandverkabelung. Einen aufschlußreichen Eindruck zur Personalpolitik vermitteln die zahlreichen Briefe von Postbeamten und Postangestellten; sie sprechen eine deutliche Sprache. Mit Bestürzung haben sie zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung ihre Sparmaßnahmen zum großen Teil finanziert durch Besoldungsstopp, ja sogar durch Absenken der Anfangsbesoldung für Beamte. Schon heute sparen die öffentlichen Arbeitgeber — so schreibt der Verband der Deutschen Postingenieure — an jedem einzelnen Ingenieur pro Jahr zwischen 6000 und 12 000 DM gegenüber der Wirtschaft. Als Sonderopfer für den öffentlichen Dienst bezeichnete es die Deutsche Postgewerkschaft, Bezirksverwaltung München, daß rund 1,7 Millionen Beamte und rund 2,8 Millionen Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst mit rund 6,5 Milliarden DM zur Kasse gebeten werden durch Kürzungen, die durch zwei Haushaltsstrukturgesetze seit 1975 und nun verschärft seit einem Jahr in einem vorher nie gekannten Ausmaß verordnet wurden. Diese extrem unsozialen Maßnahmen des Lohnstopps bilden in dem jetzigen Haushalt mit 4 Milliarden DM einen ganz erheblichen Posten der sogenannten Haushaltssanierung, der nur zu Lasten der unteren und mittleren Einkommensgruppen geht. Sie treffen die Beamten, und das heißt, sie lassen auch eine obrigkeitsstaatliche Hybris erkennen, die wir scharf ablehnen.
Am empörendsten offenbart sich aber die totale Verneinung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern in der Kürzung der Zuschüsse zu Hauptmahlzeiten. Diese Zuschüsse wurden von bisher 99 Millionen DM auf 25 Millionen DM, d. h. um 74 Millionen DM gekürzt. Die Streichung dieses Essenszuschusses, seit 1939 gewährt, bedeutet für einen Großteil der Arbeitnehmer bei der Deutschen Bundespost eine Einkommensminderung um 1 bis 1,5%. Es ist mir unbegreiflich, wie eine solch unsoziale Maßnahme überhaupt in Erwägung gezogen werden konnte von Ministerialbeamten und Abgeordneten, die, ohne mit der
Wimper zu zucken, im nächsten Jahr die eigenen Gehalts- und die Diätenerhöhungen in die Tasche stecken.
Daß dieser Schritt nebenbei auch noch die Postkantinen gefährdet, die mit erheblichen Umsatzrückgängen zu rechnen haben, und daß dabei auch Arbeitsplätze verlorengehen, sei nur am Rande erwähnt.
Kürzungen auch bei den Aufwendungen für Wohnungsversorgung, insbesondere im sozialen Mietwohungsbau, um 60 Millionen DM, von 250 Millionen DM auf 190 Millionen DM.
Für Pressearbeit, Markt- und Meinungsforschung dagegen werden 17,9 Millionen DM zusätzlich ausgegeben.
— Ja, zusätzlich! Und dies, obwohl die Deutsche Bundespost jetzt, im Jahre 1983, bereits mit 107 Millionen DM ihre Kunden und die Bürger informiert und für ihre neuen Einrichtungen wirbt.
Die für 1984 zusätzlich knapp 18 Millionen DM werfen auch ein bezeichnendes Licht darauf, wie es denn nun eigentlich um die Akzeptanz der Postkunden und Bürger für die Breitbandverkabelung steht. Das entsprechende Diebold-Gutachten ruht ja — ich sagte es in einer früheren Rede schon einmal
— in den Schubladen des Postministeriums und wird der Öffentlichkeit vorenthalten. Annähernd 2 Milliarden DM werden im nächsten Jahrzehnt Jahr für Jahr für die Verkabelung der Nation ausgegeben, ohne daß eine Folgenabschätzung, vor allem in bezug auf die sozialen Risiken, erfolgt.
Ich sagte: „die Verkabelung der Nation", und ich möchte das wiederholen, weil es mich unerhört erschreckt hat, daß der Bundespostminister gesagt hat, die Verkabelung sei eine nationale Aufgabe. Er bedient sich damit einer Argumentation von Firmen der Großtechnologie, die in den letzten zehn Jahren zunehmend mehr gebraucht wird und die ich als Wirtschaftsfaschismus bezeichne.
— Ich bezeichne es so. Die DWK z. B., die Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen in Lüchow-Dannenberg, hat eine Hochglanzbroschüre herausgegeben, in der es heißt: „Deutschland braucht Kernenergie".
Das ist dasselbe, als wenn Sie sagen, die Breitbandverkabelung ist eine nationale Aufgabe.
2936 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Frau Reetz
Sie können nicht Begriffe, mit denen Sie Ihren wirtschaftlichen Profit ausdrücken, zusammenbringen mit Begriffen einer politischen Identifikation.
Das ist Faschismus, ich sage das.
In den Anlagenausgaben — —
— Ich verstehe das so. Wir können uns ja gerne noch darüber unterhalten.
Im Einzelplan 13 sind insgesamt 476 Millionen DM Anlagenausgaben
— Sie kommen wohl nie darüber hinweg, daß ich nicht Vizepräsidentin geworden bin — zusätzlich ausgewiesen worden für Einrichtungen, Breitbandkommunikation, Verteilnetze, linientechnische Einrichtungen usw.
Die sind in diesen 14 Milliarden DM enthalten, Sachinvestitionen, von denen Sie vorhin gesprochen haben, obwohl Sie gemeint haben, die wären gar nicht für die Breitbandverkabelung. Da steckt nämlich auch noch sehr viel drin.
Also um 476 Millionen DM erhöhen sich die in diesem Jahr bereits getätigten Anlagenausgaben der gleichen Titel in Höhe von 1,229 Milliarden DM.
Welche Absichten verbergen sich nun hinter solchen Maßnahmen, die in Kauf nehmen, daß Haushalte zwangsangeschlossen werden an die Breitbandverkabelung? Der Trend dazu ist abzusehen. Es geht auch um Haushalte, in denen der Mann arbeitslos ist, und um Wohnungen, die nicht mehr saniert werden können, weil das Geld dazu fehlt.
In keinem der Bereiche der Großtechnologie, die über die Menschen hereinbrechen, wird an erster Stelle nach den menschlichen Bedürfnissen gefragt. Immer steht die Wettbewerbsfähigkeit — vor allem im Export —, die Steigerung der Produktivität und der Rendite im Vordergrund. Was hat denn der einzelne Bürger vom Atomstrom, von Genmanipulation, von Weltraumforschung oder von dieser wahnsinnigen Informationsflut, die jetzt auf uns auf den Kommunikationsstraßen hereinbricht,
die wir mit der Breitbandverkabelung anlegen?
— Ja, eben, j a ohne! Sie müssen sie mal genießen als Mensch und nicht als einer mit zwei Dingern hier an den Ohren.
Ebenso wie dieser Haushalt durch Sozialabbau
die materielle Verarmung seiner Angestellten betreibt, werden die Investitionen die Technologien vorantreiben, die die menschlichen Beziehungen verarmen lassen. Wir GRÜNEN lehnen daher den Einzelplan 13 aus folgenden Gründen ab, erstens wegen der unverantwortlichen Vernachlässigung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen des größten Unternehmens der Bundesrepublik gegenüber den Arbeitnehmern, zweitens auch aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Der vor allem aus den Fernsprechgebühren herrührende ausgewiesene Gewinn von 2,373 Milliarden DM wird für ehrgeizige, riskante und zum Teil sogar betriebsfremde Investitionen aufs Spiel gesetzt, denen wir nicht zustimmen können.