Rede von
Klaus-Jürgen
Hoffie
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Roth, es tut mir leid, daß Sie offensichtlich nicht mehr diese Mehrzweckwaffe sind, wie früher als Juso-Mann für die Landbevölkerung. Sie werden morgen Gelegenheit haben, hier zu Wort zu kommen.
Meine Damen und Herren, so kurz nach der Debatte über den Verkehrsetat muß man beim Studium des Haushaltsvoranschlages der Deutschen Bundespost für das Haushaltsjahr 1984 sicher den Eindruck gewinnen, in einem Märchenbuch zu lesen. Zwar ist auch dort von Neuverschuldung die Rede, dennoch erwirtschaftet die Post 1984 voraussichtlich mehrere Milliarden DM Gewinn und damit eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals. Gleichzeitig tritt die Post auch noch mit einem Volumen von netto 7,5 Milliarden DM als Großinvestor auf, bildet 1 Milliarde DM Rücklagen und liefert dann auch noch 4,4 Milliarden DM an den Bund ab. Das alles klingt sicher sehr erfreulich. Man könnte fast versucht sein zu übersehen, daß auch bei der Post der Schuldenberg stetig wächst, nämlich im nächsten Jahr auf fast 55 Milliarden DM. Deshalb muß die Frage erlaubt bleiben, wie lange es eigentlich noch bei dem immer noch als vorübergehend vorgesehenen Ablieferungssatz von jetzt 10 % an den Bundeshaushalt bleiben darf.
Zwar kann man die Finanzlage der Post noch als gesund bezeichnen, und sie ist sicher auch besser als die vieler Großunternehmen der privaten Wirtschaft, aber die Finanzstruktur verschlechtert sich,
und die Zukunft der Post ist mit hohen Zinsaufwendungen belastet.
Nach dem Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten als selbsternanntem Zusteller in Sachen Post stand der Bundespostminister sogar unverhofft noch vor einer Mehrbelastung von 100 Millionen DM, die Herr Strauß in Ost-Berlin mehr angeboten hat, als es die praktisch schon perfekte Vereinbarung zum Postabkommen vorsah. Es ist dem Bundespostminister wirklich zu danken, daß dieses leichtfertige Angebot am Ende noch wenigstens um die Hälfte reduziert werden konnte.
— Man könnte das auch härter formulieren, Herr Kollege Pfeffermann.
Insgesamt ist es natürlich erfreulich, daß die Post entgegen den Annahmen bei der letzten Gebührenerhöhung Gewinne macht und in erheblichem Umfang investiert. Erfreulich ist im Grunde auch, daß der Schwerpunkt der Investitionen dort liegt, wo auch die Gewinne herkommen, nämlich bei den Fernmeldeanlagen. Wir begrüßen schließlich, daß die Post in diesem Bereich in neue Kommunikationstechniken, also u. a. in die Breitbandverkabelung und den Satellitenfunk, investiert. Dennoch muß ich zu bedenken geben, daß der Milliardenbetrag, der 1983 für Kabelanlagen zur Verfügung stand, nicht voll genutzt werden konnte. Dies ist sicher auch für 1984 nicht zu besorgen.
Im übrigen gilt weiterhin, was ich an dieser Stelle vor einigen Wochen zur Breitbandverkabelung grundsätzlich gesagt habe: Mehr als diese Milliarde ist für die Post wirtschaftlich nicht tragbar. Andererseits ist dieser Betrag viel zu niedrig, um die Verkabelung gesamtwirtschaftlich sinnvoll vorzunehmen.
Es klingt zwar imposant, wenn die Post in zehn Jahren 1,5 Millionen Wohnungseinheiten verkabelt habe und damit die ersten Gewinne gemacht haben will. Aber man muß sich zum Vergleich wohl immer noch vor Augen halten, daß z. B. das ZDF trotz noch vorhandener Lücken für über 21 Millionen Wohnungseinheiten erreichbar ist. Die Planung der Post läuft also eher auf eine Verkabelung im Schneckentempo hinaus. Deshalb ist es richtig, Herr Bundespostminister, daß Sie Private an der Verkabelung wirklich nachhaltig beteiligen sollten.
Auch das für die Kabelnetze vorgesehene Gebührensystem muß nochmals überdacht werden, weil es, wie sich aus Warnungen großer Wohnungsbaugesellschaften ergibt, so nicht nachfragegerecht ist. Es kann nicht Sinn einer solch gigantischen Zukunftsinvestition sein, gerade die Hauptabnehmer in den Wohnblocks der Städte abzuschrecken, wie es jetzt zu geschehen droht. Und es kann nicht angehen, daß der Anschluß einer Hoch- oder Hinterhauswohnung praktisch dasselbe kostet wie der Anschluß einer Villa im Park, bei der dazu die effektiven Anschlußkosten noch wesentlich höher sind. Schließlich braucht jedes Haus nur ein Kabel. Aber der Häuserblock beherbergt Unmengen von Anschlußmöglichkeiten und damit mehr Einnahme-
2934 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Hof fie
quellen, während die Villa im Park diese Möglichkeit nur einmal bietet. Dieser Umstand muß, wie ich meine, abgesehen von den sozialen Aspekten stärker berücksichtigt werden.
Zu optimistisch erscheint mir die Erwartungshaltung der Post im übrigen deshalb, weil die Handwerker, die die Verkabelung in den Wohnungen vornehmen sollen und die in der Übergangszeit bis zur Verkabelung ja auch noch in der Lage sein müssen, nachfragegerechte Antennenanlagen zu installieren, überhaupt nicht richtig informiert sind oder sich zumindest nicht richtig informiert fühlen. Hier fehlen genaue Vorgaben. Es fehlt vor allem ein genauer Verkabelungsplan, aus dem jeder ersehen kann, wann und wo verkabelt werden soll.
Erlauben Sie mir einige Bemerkungen zur Postpolitik im übrigen. Die Post muß meines Erachtens neue und durchaus auch für den Posthaushalt risikoreichere Tarifangebote eröffnen, wenn sie schon nicht — obwohl sie ein gemeinnütziges, weil staatliches Unternehmen ist — auf Gewinne aus den Fernmeldediensten verzichten will. Das könnte durch die Einführung eines Europatarifs geschehen. Gemeint ist ein europaweiter Mondscheintarif nach 20 Uhr, der niedriger ist, als es den jetzigen Vergünstigungen entspricht, und durchaus die Chance zu einer Ausweitung des Telefonverkehrs mit den Nachbarländern eröffnet. Das gilt auch für den Prüfauftrag des Postausschusses des Bundestages, nämlich für einen Nachtferntarif zwischen 0 und 6 Uhr für Gespräche ab 100 km, der für den Kunden kostengünstiger wäre als der Billigtarif.
Die Post muß ihre Attraktivität steigern und sich schneller und besser dem Markt anpassen. Auf der einen Seite enthält der Monopolist Post seinen Kunden viel zu lange Angebote vor, die es in anderen Ländern längst gibt. Da handelt es sich zum einen z. B. um das drahtlose Telefon, das überall schon zum Verkauf angeboten wird, hier in der Bundesrepublik aber noch nicht benutzt werden darf. Warum muß die Post hier etwas ganz Neues erfinden? Warum kann sie nicht auf die weltweit vorhandenen Technologien zurückgreifen, wenn sie der Entwicklung auf diesem-Gebiet schon so lange untätig zusieht?
Ein weiteres Beispiel ist das Autotelefon-C-Netz. Das ist sicher eine gute Idee, deren Umsetzung aber zu lange dauert und bei der die Anbieter der Endgeräte bis heute nicht wissen, was genau sie bauen müssen. Das ist zudem eine gefährliche Entwicklung, weil sich die Post hier leicht dem Vorwurf aussetzt, sie wollte nur ganz bestimmte Endgeräte zulassen.
Für den Kunden völlig unverständlich sind auch Pläne, wonach ein neues Autotelefonsystem mit Frankreich aufgebaut werden soll. Wie viele Systeme, so wird man doch wohl fragen müssen, brauchen wir eigentlich?
Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren, drängt die Post auch auf Märkte, die ja längst nachfrage- und auch bedarfsgerecht von Privaten besetzt sind. Das begann seinerzeit mit den reisebüroschädigenden Versuchen, Fahrkarten der Bundesbahn probeweise einmal über Postschalter zu verkaufen,
und das endet vorerst eimal bei den Kurierdiensten, wo die Post eine neue Marktlücke gefunden zu haben glaubt.
— Herr Kollege,
der Verkauf von Fahrkarten der Bundesbahn an Postschaltern hat ja lange gedauert, aber schließlich hat sich die FDP mit ihrer Forderung, das einzustellen und es dem privaten Reisebürogewerbe zu überlassen, dann doch noch durchgesetzt. Ich freue mich darüber,
und die Reisebüros tun es auch, meine Damen und Herren.
Wir sollten vorsichtig sein, wenn Private zu gleichen oder besseren Bedingungen und Leistungen bedarfs- und nachfragegerecht das übernehmen können, was dann der Monopolist Post in dem einen oder anderen Bereich vielleicht auch noch als zusätzlichen Markt entdecken wollte.
Meine Damen und Herren, wenngleich manche Aktivität der Post eher zum Nachdenken Anlaß gibt, so ist die Deutsche Bundespost insgesamt doch nach wie vor auf dem richtigen Weg, wenn sie sich mit leistungsfähigen Netzen und hochwertigen Diensten marktgerecht, aber künftig auch erheblich flexibler bewegt.
Die FDP-Fraktion, meine Damen und Herren, stimmt diesem Einzelplan zu.
Herzlichen Dank.