Rede von
Hans-Joachim
Hoffmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir überlegt, ob es für diesen Haushalt, den wir jetzt besprechen, einen griffigen Titel gibt, und hatte mir zuerst vorgenommen zu sagen — wir haben ja heute den 6. Dezember — „Nikolaus hat für Dollinger nur taube Nüsse im Sack", aber mein Obmann hat mir gesagt, das sei nicht zutreffend und man könne mit dem Verkehrsetat so nicht umgehen.
Deshalb habe ich ein neues Motto ausgesucht: „Stoltenbergs Winteropfer heißt Dollinger". Dazu möchte ich Ihnen kurz einiges vortragen.
Der Haushalt 12, der Verkehrshaushalt, ist einer der großen Haushalte. Er umfaßt fast 25 Milliarden DM, und von diesen 25 Milliarden DM sind etwa 47 % Investitionen. Es ist also ein sehr wichtiger Haushalt, der auch relevante Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Beide Trends allerdings, das muß man feststellen, sind sinkend, d. h. die absoluten Zahlen des Haushalts wie auch die Investitionsquote nehmen ab.
Wir können folgende wichtigen Trends für diesen Haushalt feststellen.
Erstens strebt man offensichtlich eine zunehmende Privatisierung an. Zweitens ist eine weniger große Vorsorge für den öffentlichen Personennahverkehr festzustellen. Drittens. Bestimmte Teilbereiche sind völlig konzeptionslos; auf einige Bereiche werde ich eingehen. Viertens. Vorsorge und Planung für bestimmte Ersatzinvestitionen fehlen. Fünftens schließlich — der wichtigste Punkt, auf den ich gleich eingehe — ist hiermit eine gravierende Arbeitsplatzvernichtung verbunden.
Die Arbeitsplatzauswirkungen sind natürlich nicht auf die Zahl genau festzulegen, aber ich kann vielleicht folgende Richtgrößen angeben. Die faktische Verminderung des Einzelplans 12 bringt direkte Verluste von ungefähr 15 000 Arbeitsplätzen im Jahr 1984. Wenn man einen bestimmten Multiplikatoreffekt aus der Erfahrung mit ansetzt, kann man sagen, daß in der Folge noch weitere 25 000 Arbeitsplätze künftig verlorengehen. Den Zeitraum allerdings kann ich damit nicht genau abgreifen, aber ungefähr die Dimension.
Außerdem hat nicht nur der allgemeine Verkehrshaushalt diese Tendenz, sondern auch für den speziellen Bereich der Bundesbahn ist vorgesehen, daß bis zum Jahr 1990 etwa 80 000 Arbeitsplätze wegfallen. Auch hier ergibt sich ein weiterer negativer Multiplikatoreffekt in bezug auf den Arbeitsmarkt, den man auf Sicht von fünf bis zehn Jahren mit weiteren 200 000 Arbeitsplätzen ansetzen muß.
Dies sind ganz gravierende Aussagen. Ich behaupte nicht, daß man sie exakt nachrechnen kann. Ich behaupte auch nicht, daß man sie präzise in einem Zeitrahmen festlegen kann. Aber das ist ein Trend, der hier angegeben ist. Der sollte uns ganz besonders interessieren, weil dieser Einzelplan 12 nachweist, daß das, was die Bundesregierung hiermit betreibt, Schaffung von Arbeitslosigkeit ist.
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Außerdem muß man feststellen, daß dieser Einzelplan 12 praktisch zur Sparbüchse von Herrn Stoltenberg geworden ist, denn er hat sich an diesem Verkehrshaushalt ziemlich ausgetobt. In anderen Haushalten ist er da nicht so straff verfahren, beispielsweise beim Einzelplan 14, aber darauf werden andere, berufenere Kollegen als ich zurückkommen.
Ich glaube auch, daß der halbjährige Stellenbesetzungsstopp für das Ministerium und seine nachgeordneten Behörden ziemlich sinnlos sein wird, denn wenn Verkehrspolitik wirklich vernünftig betrieben werden wird, wird man sich eine sechsmonatige Besetzungssperre gar nicht erlauben können.
Im übrigen mache ich auch hier darauf aufmerksam, daß ich das langsam für kleinkariert halte, wenn wir die 5er-Titel, die sogenannten Sachausgaben, immer wieder kürzen. Am Ende wird im Ministerium darüber diskutiert werden, ob man noch einen Radiergummi hat. Meiner Auffassung nach müßte sich das Ministerium gegenüber dem Finanzminister endlich durchsetzen. Wir als SPD-Bundestagsfraktion werden aus verschiedenen Gründen, die ich gleich noch im einzelnen aufführen werde, eine Aufstockung dieses Einzeletats um rund 870 Millionen DM beantragen. Diese sind zu 90 % investiv. Damit könnten wir eine unmittelbare Arbeitsplatzwirkung im Jahr 1984 von etwa 12 000 Arbeitsplätzen erreichen. Der mittelfristige Effekt davon wären 25 000 weitere Arbeitsplätze. Wenn man den Zeitfaktor dieser Investitionen nicht genau zu beschreiben versucht, würde das bedeuten, daß von den 870 Millionen DM, die wir als vermehrte Ausgabe einstellen wollen, in einem bestimmten Jahresrhythmus ungefähr 800 Millionen DM direkt zurückkommen.
Aus den Einzelbereichen dieses Haushalts wird immer wieder das Thema Berlin angesprochen. Ich will es hier kurz aufführen. Zuerst haben wir festzustellen, daß die Wasserbaumaßnahmen, die durchführungsreif sind, auch finanziert werden können. Es müssen allerdings weitere Gespräche geführt werden, beispielsweise über die Trogbrücke Magdeburg, über Tauchtiefen, Liegezeiten und Liegeplätze. Das ist ein kompliziertes Thema, das ich hier nicht weiter ausführe.
Eine Wunschliste aus Berlin will ich kurz anführen, weil ich denke, sie sollte uns demnächst beschäftigen, soweit das nicht sowieso schon angesprochen worden ist. Z. B. geht es um die Elektrifizierung der Eisenbahnverbindung Berlin-Helmstedt, mindestens aber IC-Züge ab Helmstedt, Verbesserung der Fernbahnhöfe, S-Bahn-Integration, die deutlich über dem 40-km-Streckenkonzept liegen muß; denn wenn man sich auf das 40-km-Strekkennetz bezieht, wird man eine vernünftige Rentabilität und einen vernünftigen Einbau in das verkehrspolitische System Berlins nicht erzielen können. Außerdem steht auf der Wunschliste, mit der DDR über Verbesserungen der Autobahn Berlin-Hirschberg zu verhandeln.
Ich habe versucht, bei der Vorbereitung dieser zweiten und dritten Beratung eine Reihe von Gruppierungen, Regierungen und auch Lobby-Gruppen um ihre Meinung zur zweiten und dritten Beratung zu bitten. Ich habe eine Reihe von Briefen zurückbekommen, die ich hier nicht im einzelnen behandeln kann. Ich werde mit meinen Kollegen aus dem Ausschuß für Verkehr darüber reden, wie wir das sinnvoll auswerten können.
Ich will in meiner Rede auch nicht auf die verschiedenen Bundesanstalten eingehen, die Sie unter den Kap. 12 06, 12 08, 12 11, 12 13 und 12 16 finden. Ich will versuchen, diese Bundesanstalten und Bundesämter irgendwann einmal zu besuchen, um mir ein eigenes Bild machen zu können.
Ich komme zum Bereich 12 02. Daraus möchte ich drei Punkte kurz ansprechen. Der erste ist die Gasöl-Betriebsbeihilfe. Sie war hier im Parlament oft genug Gegenstand der Auseinandersetzungen. Ich gebe zu, daß die Auswirkungen besonders für den öffentlichen Personennahverkehr sehr schwerwiegend sind. Wir haben es nicht geschafft, auch nicht durch internationale Vereinbarungen, daß in anderen Bereichen wie der Luftfahrt oder der Binnenschiffahrt entsprechende Subventionskürzungen oder -abschaffungen durchgeführt werden können. Dennoch sind wir der Auffassung, daß wir das nicht einfach nochmal zurückschrauben können. Wir müssen vielmehr versuchen, dem öffentlichen Personennahverkehr in anderer Weise sinnvoll zu helfen. Dazu soll einer unserer Anträge beitragen.
Ein zweiter Punkt, der in diesem Kapitel wichtig ist, und den ich nur als Merkposten auch für die Innenpolitiker, Herr Kollege Kühbacher, aufführe, ist, daß im Verkehrsetat ja auch Beiträge für internationale Kommissionen bezahlt werden, z. B. für die Internationale Kommission für die Mosel. Ich bitte, sehr darauf zu achten, daß der Wärmelastplan Mosel genau angesehen wird. Hier gibt es einige Leichen im Keller. Da muß man schwer aufpassen. Ich hoffe, daß die Innenpolitiker das entsprechend vorbereiten werden.
Der wichtigste Punkt, auf den ich bei diesem Kapitel zu sprechen kommen möchte, ist der Bereich der Seeschiffahrtshilfen. Sie alle wissen, daß die deutsche Seeschiffahrt in einer sehr tiefen Krise ist, die von der allgemeinen Weltwirtschaftskrise mitverursacht ist. Beide Erscheinungen verlaufen parallel mit dem Rückgang des Gütertransports auf See. Es ist deshalb falsch und allzu vordergründig, die schlechte Lage der deutschen Reedereien ausschließlich und immer wieder auf die Heuertarife zurückzuführen. Herr Dollinger hat das allerdings mehrfach betont. Ich weise nur darauf hin, daß das ein zu kurz gegriffenes Argument ist. Herr Minister, wenn Ihr Kollege Stoltenberg schon nicht mehr Geld zur Stützung dieser krisengeschüttelten Branche herausrücken will, dann wenden Sie sich doch wenigstens den Maßnahmen zu, die man auch ohne finanzielle Begleitung durchführen kann! Sagen Sie uns doch, welche Punkte der vor einem Jahr vom Deutschen Bundestag einstimmig verabschiedeten Entschließung zur Schiffahrtspolitik Sie angepackt und erledigt haben!
Wenn Sie in der Schiffahrtspolitik vorankommen wollen, brauchen Sie den Außenminister und den
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Wirtschaftsminister. Beide sind gefordert, z. B. bei der Bekämpfung der Flaggendiskriminierung, bei der US-Schiffahrtgesetzgebung, bei der Ratenunterbietung, insbesondere mit den COMECON-Staaten und bei den Berichtsflaggenschiffen. Hier haben Sie ein Aktionsfeld, in dem wir Ergebnisse erwarten, die bisher noch nicht absehbar sind.
Die Freiheit der Meere, vielbeschworen, gehört auf diesem Sektor im Prinzip der Vergangenheit an. Es ist eine falsche Lagebeurteilung zu glauben, als große Industrienation könne man einfach unter diesem Motto die gesamte Flotte verkommen lassen, nur weil wir die einzigen sind, die glauben, diese Freiheit existiere noch. Deshalb sagen wir ganz deutlich, Herr Minister: Ladungsabkommen, Ladungsplan, Ladungslenkung sind keine Marterinstrumente einer zentral gesteuerten Planwirtschaft, sondern sie sind notwendige Begleiterscheinungen dessen, was sich auf dem Markt vollzieht.
In diesem Zusammenhang auch ein Wort an die deutschen Verlader, ein unangenehmes Thema, wie ich zugebe. Es ist schon kurios, wenn man sieht, wie sie sich ihre hochwertigen Güter, Maschinen, Geräte, von verschiedenen Hansestädten aus auf Rostwannen durch die Meere schiffern lassen. Man sollte vielleicht einmal an die Versicherungsgesellschaft appellieren, ob sie daraus nicht irgendwelche Tarifkonsequenzen ziehen will.
Nun zu dem Antrag, den wir stellen. Wir stellen in diesem Zusammenhang den Antrag, zu der Regelung zurückzukehren, die wir 1979 bis 1981 bereits vollzogen haben, nämlich entsprechende Finanzbeiträge für die Seeschiffahrt. Wir möchten gerne 120 Millionen DM Baransatz für 1984 eingestellt wissen. Wir möchten darüber hinaus insgesamt 180 Millionen DM Verpflichtungsermächtigungen sehen. Sie von der CDU/CSU wollen diesem Antrag offensichtlich nicht folgen. Das tut uns sehr leid. Wir werden allerdings Ihrem Antrag, nämlich der Einstellung von Verpflichtungsermächtigungen von jeweils 40 Millionen DM, zustimmen, weil wir glauben, daß das immer noch besser ist als gar nichts.
Meine Damen und Herren, ich komme zu dem nächsten Thema, 12 03, Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes — Bundeswasserstraßen. Hier haben wir ein gravierendes Thema vorliegen, das ich nicht der neuen Regierung allein in die Schuhe schieben möchte. Das wäre einfach unredlich. Wir haben ein langfristiges Problem mit der Reinvestition alter Wasserstraßen. Hier hat die jetzige Regierung einen höheren Betrag eingestellt als vorher. Das ist zu begrüßen. Sie ist aber in ihrer mittelfristigen Finanzplanung genau den umgekehrten Weg gegangen und sackt in den Reinvestitionen wieder zurück. Wir denken, daß man hier noch etwas aufstocken sollte, und beantragen, 20 Millionen DM draufzutun. Wo wollen wir sie hernehmen?
Damit bin ich sogleich beim nächsten Stichwort: Main-Donau-Wasserstraße. Das ist ein Thema, das hier so oft diskutiert worden ist, daß ich es mir verkneife, die Einzelheiten noch einmal aufzuführen. Ich gehe davon aus, daß wir hier noch 20 Millionen DM rechtswirksam abziehen könnten. Ich sage Ih nen aber auch ganz deutlich, damit Sie sich nicht so sehr aufregen: Sollte ich auch das nächste Mal Verkehrsberichterstatter sein, so wird es heute doch das letzte Mal sein, daß ich dieses Thema mit einem Kürzungsvorschlag anbringe. Denn ich denke, daß, wenn man ein bestimmtes Maß an Investitionen durchgezogen hat, ein Weg des Rückkehrens nicht mehr möglich ist. Es macht keinen Sinn, sich noch über Dinge zu unterhalten, die gelaufen sind. Aber ich sage noch einmal: Wir allesamt sind in dieser Frage Sünder und müssen uns noch einiges gefallen lassen.
Zur Frage der Schiffbarmachung der Saar, weil Sie das gerade auch angesprochen haben, Herr Kollege: Für die Saar ist vorgesehen, daß sie bis Dillingen bis zum Jahre 1986 schiffbar gemacht werden kann. Darüber hinaus sind keine weiteren Verpflichtungsermächtigungen eingestellt. Ich begrüße das und wundere mich darüber, daß andere Menschen darüber so still gewesen sind — aber bitte schön.
Weiterhin haben wir gemeinsam miteinander vereinbart, daß Ems/Leda vertieft werden soll. Wir haben gemeinsam verabredet — auch das begrüße ich —, daß 1985 mit dem Aufstiegsschleusenwerk Henrichenburg begonnen wird. Das ist ein sehr wichtiger Impuls für die Investitionstätigkeit im gesamten betroffenen Raum.
Gleichzeitig haben wir gemeinsam verabschiedet, daß die Verpflichtungsermächtigungen für die Radarsicherung von Küste und Mündungsbereich aufgestockt wird. Ich bedanke mich, daß Sie diesem Antrag von unserer Seite gefolgt sind.
Schließlich haben wir in diesem Einzelplan bzw. auch im Einzelplan des Bundesministers für Forschung und Technologie gemeinsam verankert, daß für die Ölbekämpfung einiges mehr getan wird. Ein größeres Schiff THOR wird vom BMFT und unter Mitwirkung des Bundesverkehrsministers auf Kiel gelegt. Ich denke, das ist wichtig so. Damit haben wir gleichzeitig einer Anregung meiner Kollegin Margitta Terborg entsprochen.
Nun komme ich zu einem Konfliktpunkt in diesem Bereich, nämlich zur Naßbaggerei. Meine Damen und Herren, ich spreche hier eine deutliche vorsorgliche Warnung an Sie aus. Wir werden einer Privatisierung nicht zustimmen können.
Wir werden besonders eines nicht tun — da bitte ich Sie genau aufzupassen —: Sollte sich herausstellen, daß Sie im nächsten Frühjahr in diesem Bereich eine Privatisierungswelle organisieren wollen, und sollte sich herausstellen, daß die Auftragnehmer dieselben sind, die zur Zeit vom Kartellamt die Bußgeldverfahren auf den Tisch bekommen, dann werden Sie erleben, daß das ein bundesweiter Skandal wird. Ich verspreche Ihnen, daß wir nicht lockerlassen werden; denn es wäre ja noch schöner, wenn die öffentliche Hand, die auf der einen Seite
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betrogen wird, auf der anderen Seite noch goldene Nasen verteilte. Das kann doch wohl nicht wahr sein.
Meine Damen und Herren, das nächste Thema, auf das ich zu sprechen kommen möchte, wird bei den Haushaltsberatungen wahrscheinlich nicht oft angesprochen: Ich möchte auf die Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz eingehen. Ich hatte die Gelegenheit, sie zu besuchen, und ich habe dabei festgestellt, daß die dort geleistete Arbeit für uns — jedenfalls für mich — in vielen Bereichen hochinteressant ist. Ich greife einen einzigen Punkt heraus.
Dort ist festgestellt worden, daß die Wasserzehrung durch Kraftwerke am Rhein, wenn sie so weitergebaut werden wie bisher, eine dramatische Steigerung erfahren wird, die nicht nur ökologische Auswirkungen, sondern sogar auch noch Auswirkungen auf die Schiffahrt haben wird. Ich nenne Ihnen dazu nur ein paar Zahlen. Heute beträgt die Wasserzehrung im Rhein durch diese Kraftwerke etwa 15 bis 20 Kubikmeter pro Sekunde. Wenn diese Kraftwerke in dem Stil weitergebaut werden wie bisher, werden wir in zwei Jahrzehnten bereits 70 bis 90 Kubikmeter Wasser pro Sekunde Wasserzehrung haben. Das wäre ein eklatanter Eingriff in die Ökologie, und das hätte eine erhebliche Verschlechterung der Befahrbarkeit des Rheins zur Folge. Ich denke, wir sollten dieser Frage sehr, sehr ernsthaft nachgehen.
Ein weiterer Punkt, der dort aufgenommen worden ist, ist die Frage des Klärschlamms. Auch diese Frage hat eine außerordentliche ökologische Brisanz. Ich bitte darum, daß man sich dieses Thema auch unter dem Motto Verursacherprinzip noch einmal annimmt. Es ist dort festgestellt worden, daß volkswirtschaftliche Schäden von 1,2 Milliarden DM im Jahr entstehen. Diese Summe wäre aufzuwenden, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, nachdem man ihn vorher kaputtgemacht hat. Diese Frage beschäftigt mich sehr. Ich denke, wenn wir weiter so verfahren, wenn wir es beispielsweise zulassen, daß verschiedene Abfallstoffe einfach eingeleitet werden, und wir uns nachher nur noch darum kümmern, ob es besser ist, diese Abfallstoffe zu verklappen, sie auf Trockengelände aufzuschütten oder sie in Mülldeponien einzubringen, dann werden wir der Aufgabe, die wir hier haben, nicht gerecht. Deshalb wird sich auf unseren Antrag der Haushaltsausschuß — ich nehme an, auch der Fachausschuß — im Frühjahr damit beschäftigen müssen.
Nächstes Thema ist das Deutsche Hydrographische Institut. Ich will es ganz knapp machen: Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion lehnt die private Bereederung des neuen Forschungsschiffs „Meteor" eindeutig ab.
Wir halten das für eine völlig falsche Entscheidung, die im einzelnen von uns begründet werden kann. Dazu sehe ich mich jetzt aus Gründen der Zeit nicht imstande.
Zu Kap. 12 10: Bundesfernstraßen. Auch dieses Problem müßte ausführlich behandelt werden. Ich will nur ein paar Indikatoren anfügen. Wir hatten 1950 600 000 Pkw in der Bundesrepublik; 1970 waren es 13,9 Millionen; 1983 sind es 24,8 Millionen. Ich könnte die Zahlenreihe verlängern. Wenn Sie diese Zahlen jetzt mit den entsprechenden Investitionssummen für Straße und — alternativ — für Schiene vergleichen, dann werden Sie sehen, daß wir hier ein strukturell angelegtes Problem haben, das nicht nur den Straßenbau betrifft, sondern selbstverständlich alle anderen alternativen Verkehrsträger. Es handelt sich um ein so gravierendes Problem, daß es fahrlässig wäre, wenn ich versuchen wollte, in Kürze Schlußfolgerungen daraus zu ziehen. Ich will nur kurz feststellen, daß wir uns auch auf europäischer Ebene zu überlegen haben, wie endlich auch europäische Verkehrspolitik betrieben werden kann. Wir müssen endlich auch merken, daß unsere Versorgung mit Verkehrsinfrastruktur inzwischen ein Niveau erreicht hat, das Umdenken dringend nötig macht. Dazu können Sie die entsprechenden Vorlagen der SPD-Fraktion nachlesen. Ich kann sie hier nicht im einzelnen erwähnen.
Wir haben gewisse Umschichtungen im Verkehrshaushalt vorgenommen. Wir haben beispielsweise 40 Millionen DM bei Grundstückskäufen eingespart; Sie haben das freundlicherweise mitgemacht. Wir setzen das für Schallschutzmaßnahmen ein.
Ich will Ihnen trotz der Kürze der Zeit hier ein besonderes Bonbon vortragen. Die CDU/CSU und die FDP haben beantragt, die Verpflichtungsermächtigung für den Straßenbau um 150 Millionen DM aufzustocken. — Meine Damen und Herren, dies ist ein wunderschöner Kalauer. Zuerst hat die CSU in Bayern natürlich jubiliert, weil ihre Forderungen, etwas mehr für den Straßenbau zu tun, aufgenommen war. Nun stellt der Herr Staatssekretär Voss plötzlich fest, daß er rote Ohren kriegt, weil kein einziger Pfennig mehr eingestellt wird, sondern die Baransätze exakt dieselben bleiben und die mittelfristige Finanzplanung unverändert ist. Das heißt: Der Herr Stoltenberg, dieser Evangelische, hat sie schlicht und einfach geleimt. Er hat Sie geleimt. Das werden Sie als Katholische natürlich genau wissen. Ich will das nicht näher ausführen.
Kap. 12 12 — Kraftfahrt-Bundesamt —: Wir haben einvernehmlich 2 Millionen DM für Verkehrssicherheit und Aufklärung aufgestockt, ein wichtiges Thema, das herzlichen Dank für die vielen freiwilligen Helfer in diesem Bereich verlangt.
Kap. 12 14 — Deutscher Wetterdienst —: Knappheit beim Personal, sehr schwierige Situation. Wir haben auch darüber diskutiert, ob wir den Privatfliegern Gebühren auferlegen könnten. Das ist uns noch nicht gelungen. Wir werden mit EUROCONTROL darüber verhandeln. Ich hoffe, daß uns das gelingen wird.
Flugsicherung: Der „Spiegel" meldet, daß es hier eine Vermischung von ziviler und militärischer Flugüberwachung gebe. Ich weiß nicht, inwieweit
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dies zutrifft. Ich sage nur vorsorglich: Sollten Sie eine Militarisierung der Flugüberwachung vorhaben — mit uns Sozialdemokraten nicht, meine Damen und Herren.
Gleichzeitig sage ich Ihnen auch, daß wir einer Privatisierung der Lufthansa nicht zustimmen werden.
Das letzte Problem — und damit bin ich am Schluß, Herr Präsident —, das es verdiente, daß eine eigene Rede dafür gehalten würde: Deutsche Bundesbahn. Das, was hier vorgelegt worden ist, Herr Minister Dollinger, besteht nach meiner Auffassung darin, daß auf eine betriebswirtschaftliche Analyse des Bundesbahnmanagements eine schlichte Ente oben draufgesetzt wurde. Wenn Sie sich ansehen, was dort gelaufen ist, werden Sie feststellen, daß Sie auf eine Analyse, die man im einzelnen diskutieren müßte, nichts weiter als Beschlußformulierungen draufgesetzt haben, die keinerlei unmittelbare Auswirkungen auf den Haushalt haben, gleichzeitig aber alles zulassen, was Privatisierung, was Zentralisierung, was Streckenverkürzung und was Arbeitslosigkeit beinhaltet. Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, daß wir die Frage der Bundesbahn und ihrer Beschäftigten seriös aufnehmen und nicht mit einer solchen Beschlußvorlage behandeln. Es tut mir leid, daß ich im einzelnen nicht darauf eingehen kann. Aber ich denke, die Bundesbahner haben es verdient, daß wir uns seriöser mit ihnen befassen.
Danke sehr.