Rede von
Hans A.
Engelhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über Geld wird in der Debatte über den Justizetat traditionell nicht gesprochen.
— Was regen Sie sich denn auf? Ich verstehe die Aufregung gar nicht. —
Es wird darüber sicherlich deswegen nicht breit gesprochen, weil die von uns in Anspruch genommenen Mittel gering sind. Es sind 0,14 % des Gesamtbundeshaushalts, die auf den Etat des Bundesministeriums der Justiz entfallen, ein Siebenhundertstel also. Dies läßt sich noch besser, noch leichter dadurch tragen, daß ein ganz erheblicher Teil davon, fast zwei Drittel durch Einnahmen gedeckt werden kann, insbesondere durch die Gebühren des Europäischen Patentamtes.
Ich möchte diese Gelegenheit hier aber heute nicht vorbeigehen lassen, ohne ausdrücklich Dank dafür zu sagen, daß sich der Haushaltsausschuß dort, wo es zwingend notwendig ist, sehr darum bemüht hat, uns zu Hilfe zu kommen. So hat er einen weiteren Senat beim Bundesfinanzhof gebilligt und das zugestanden, was dringend erforderlich ist, um — im Interesse höherer Steuereinnahmen, im Interesse derer, die dort Verfahren anhängig haben — die angewachsenen Rückstände schneller aufarbeiten zu können; dafür an dieser Stelle ausdrücklich meinen herzlichen Dank.
— Ja, zur Sache: Ich wende mich da gleich dem Kollegen Schmidt zu, dem es — im Gegensatz zu anderen Rednern, die ich zu solchen Themen schon gehört habe — gar nicht so schwergefallen ist, eine Begründung dafür zu finden, daß die SPD-Fraktion, wie angekündigt, den Etat ablehnen wird. Das war ja in der Vergangenheit in einigen Debatten, etwa im letzten Jahr, manchmal etwas quälend. Im Grunde haben mir die Redner der SPD leid getan, weil ich durch ihre Worte immer die ganz leise, zwischen den Zeilen vorgetragene Bitte heraushören konnte: Mei, versteht's uns halt, wir sind in einer anderen Situation; wenn wir auch denken wie früher, so müssen wir doch etwas anders reden; dafür wird man Verständnis aufbringen müssen.
Ihnen, Herr Kollege Schmidt, ist das überhaupt nicht schwergefallen. Das liegt etwas an Ihrer Art, an Ihrem Naturell. So wie Sie das Ihre haben, so habe ich das meine. Dies ist konträr zu Ihrem, aber das hindert nicht, daß wir uns jetzt einmal mit einigem dessen auseinandersetzen, was Sie gesagt haben.
Da haben Sie also gesagt, Sie wären ja mit Ihren Kollegen ungeheuer bereit gewesen, möglicherweise noch in mein Lob auszubrechen, wenn nur die Arbeit so gewesen wäre. Das kann j a überhaupt nicht richtig sein. Denn die Wertung etwa, die Sie dem Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen gegeben haben — und dies stand ja am Anfang der Arbeit im letzten Herbst —, war ja ein totaler Verriß. Und ich war der federführende Minister, ich hatte dieses Gesetz einzubringen, und ich habe es aus voller Überzeugung vertreten. Und wie Sie, Herr Kollege, aus der Vergangenheit, aus vielen vergangenen Jahren, wissen: Ich bin dabei in der Kontinuität meines Denkens geblieben,
weil ich immer der Überzeugung war, daß das, was im Übermaß und in der Verzerrung in den vergangenen Jahren hier angerichtet worden ist, auf Grund gewonnener Erfahrungen einer Korrektur bedarf. Insofern war es also mit den Vorschußlorbeeren für mich schon gar nichts, und ich war mir über die Fronten hier von vornherein im klaren.
Zum anderen habe ich zu einem sehr frühen Zeitpunkt — und daß dies etwas wehtut, verstehe ich gut — darauf hingewiesen, daß ich es als eine meiner wichtigsten Aufgaben ansehe, den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts endlich
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2915
Bundesminister Engelhard
nachzukommen, insbesondere wenn eine ganze Anzahl von Jahren schon vergangen ist.
Haben wir im letzten Herbst mit der kleinen Reparaturnovelle zum Versorgungsausgleich begonnen, werden wir in dieser Legislaturperiode mit der großen Lösung nachfolgen müssen, werden wir im materiellen Scheidungsrecht und zu der offenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Unterhaltsrecht die Reparaturen vornehmen müssen.
Jetzt sagen Sie, es seien ganz schlimme Dinge passiert. Sie haben es fast dichterisch gesagt, Herr Kollege Schmidt. Sie sagten, meine Absicht sei es gewesen — so hätte ich es gesagt —, das Justizministerium zu einer Bastion der Liberalität auszubauen an Stelle des verlorengegangenen Innenministeriums, um die anstürmenden finsteren Horden der Reaktion niederkartätschen zu können. — Wissen Sie, Herr Kollege, das war ein sehr sinngemäßes Zitat, denn dies ist Ihre, dies ist nicht meine Sprache. Allerdings, was die Beharrlichkeit und, wo es sein muß, auch Sturheit angeht, auch wenn sich dies im Schneckentempo bewegt: Ich rate Ihnen, lassen Sie noch einige Zeit ins Land gehen, und dann zählen Sie einmal die einzelnen ausweisbaren Erfolge ab! Ich kann mir vorstellen, daß es so manche politische Figur gibt, die ganz wieselflink ist und sich auf ihre Schnelligkeit viel zugute hält, die dann aber gar nicht so gut aussehen wird.
Nein, ich glaube, das ganz kontinuierliche und stetige Voranschreiten ist schon eine wichtige Sache. Und das, meine ich, ist bisher gelungen.
Herr Kollege Helmrich hat es dankenswerterweise übernommen — ich kann es aus Zeitgründen nicht tun —, eine ganze Fülle von wichtigen, aber auch von weniger wichtigen Gesetzgebungsvorhaben aufzuzählen, die alle noch unter Minister Schmude im Ministerium vorbereitet worden sind. dem Grundsatz der Diskontinuität zum Opfer fielen und dann von mir wieder eingebracht worden sind. Das ist Kontinuität, und dagegen können Sie wohl nichts haben.
Wenn Sie jetzt über das Demonstrationsrecht gesprochen haben, so bin ich mir darüber klar, daß es bei den parlamentarischen Beratungen genauer diffiziler und breiter Überlegungen in diesem Bereich bedarf.
In der knappen mir zur Verfügung stehenden Zeit muß ich noch auf zwei Dinge eingehen, weil hier bei Ihnen, Herr Kollege Schmidt, etwas deutlich geworden ist, was ich nicht schön finde. Sie haben, um der Koalition und speziell mir eins auszuwischen, in Kauf genommen, die Bevölkerung draußen mit finsteren Drohungen zu verunsichern,
weil die Landschaft so sein muß, wie Sie sie sich wünschen.
— Ja, wie soll ich denn Ihre beschwörenden Worte anders verstehen, was an finsteren Plänen im Bereich des § 218 schließlich doch Wirklichkeit werden würde? Ich gebe Ihnen eine klare Antwort. Sie kennen die Koalitionsvereinbarungen. Es wird abgewartet bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, und Sie können überzeugt sein, daß wir Liberalen das, was in der Vergangenheit nach jahrelangen Debatten geschaffen werden konnte, nicht aushebeln lassen werden.
Reicht Ihnen dies? Sie überzeugt es nicht; aber auf Sie kommt es, um es ganz klar zu sagen, auch nicht an.
Uns kommt es darauf an, daß die Bevölkerung dies weiß
und nicht jene, die hier im Stil des Angstmachers auftreten.
Sie haben einiges andere gesagt, auf das ich aus Zeitgründen hier nicht mehr eingehen kann.
Herr Kollege Schmidt, zu dem was Herr Tandler zum Besten gegeben hat, werden Sie mir keine anderen Äußerungen entlocken können, ob es Ihnen paßt oder nicht.
Ich spreche nicht im Auftrag, und was ich spreche, lasse ich mir schon gar nicht von irgend jemand vorsagen
und von Ihnen schon dreimal nicht.
— Nein, ich lege in diesem Bereich den größten Wert darauf,
daß wegen der besonderen negativen Qualität dieser Äußerung Herr Tandler Anspruch darauf hat,
in dieser gesamten Diskussion seine eigene Schublade zu haben. Ich habe dies nicht gern vermischt mit anderen Betrachtungen gesehen. Ich habe gleichzeitig darauf hingewiesen, was das Verfahren und was die Kritik angeht, die daran lautgeworden ist, zum Teil auch aus Kreisen der Justitia selbst, daß dies etwas völlig anderes ist. Eine Justiz, die auf sich hält,
will gar nicht den Anspruch erheben, in den elfenbeinernen Turm der Unberührbarkeit verbannt zu werden, sondern stellt sich auch der Kritik, aber einer fairen Auseinandersetzung, zu der jeder von
2916 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
Bundesminister Engelhard
uns in der Lage sein sollte. Nur, wer sich wie ein anderer äußert, der verdient es, völlig getrennt behandelt zu werden. Dies habe ich sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Wir werden jedenfalls mit der uns eigenen Beharrlichkeit die Politik, die wir für richtig halten, auch weiter durchsetzen. Wir treffen uns dann nächstes Jahr wieder,
und ich bin sehr gespannt, welchen Redner Ihre Fraktion dann aufbieten wird, um vielleicht auf eine neue Tour zu kommen, Befürchtungen auszusprechen und die Ablehnung des Haushalts zu begründen.