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ID1004202400

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  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 12
    1. Dr.: 2
    2. Herr: 1
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    4. Schmude,: 1
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    12. Hirsch?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/42 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 42. Sitzung Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2865A Begrüßung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für das Flüchtlingswesen, Poul Hartling 2955 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. Dezember 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Straßenbrücke über den Rhein zwischen Sasbach und Marckoldsheim — Drucksache 10/252 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 10/688 — 2865 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Zweiten Protokoll vom 17. Februar 1983 zur Änderung und Ergänzung des Abkommens vom 22. April 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und bei einigen anderen Steuern — Drucksache 10/461 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/694 — 2865 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Feuerschutzsteuergesetzes — Drucksache 10/556 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/714 — 2865 D Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) — Drucksachen 10/280, 10/534 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksachen 10/690, 10/691 — Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/631, 10/659 — . . . . 2866 A II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/632, 10/659 — Conradi SPD 2866 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 2867 C Seiters CDU/CSU 2868 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/633, 10/659 — . . . . 2868 D Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksachen 10/636, 10/659 — und Art. 23, 24, 24a, 25 und 25a des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksachen 10/656, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 10/654 — Kühbacher SPD 2869 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 2872 D Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2878 A Dr. Hirsch FDP 2881 D Dr. Schmude SPD 2885 C Dr. Laufs CDU/CSU 2889A Schäfer (Offenburg) SPD 2893 B Baum FDP 2896 D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 2898 D Namentliche Abstimmung 2904 C Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksachen 10/637, 10/659 — in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksachen 10/646, 10/659 — Helmrich CDU/CSU 2906 C Schmidt (München) SPD 2908 D Kleinert (Hannover) FDP 2911 B Schily GRÜNE 2912 C Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 2914 B Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 10/642, 10/659 — Hoffmann (Saarbrücken) SPD 2916 C Metz CDU/CSU 2920 B Drabiniok GRÜNE 2922 C Hoffie FDP 2924 C Dr. Dollinger, Bundesminister BMV . . 2926 C Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksachen 10/643, 10/659 — Dr. Friedmann CDU/CSU 2928 B Paterna SPD 2930 B Hoffie FDP 2933 B Frau Reetz GRÜNE 2934 D Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMP 2936 D Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksachen 10/649, 10/659 — und Art. 26 a des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 — Müntefering SPD 2939 B Echternach CDU/CSU 2942 A Sauermilch GRÜNE 2944 D Gattermann FDP 2946 D Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 2948 C Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksachen 10/651, 10/659 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 2952 C Vosen SPD 2955 B Dr.-Ing. Laermann FDP 2958 D Frau Dr. Bard GRÜNE 2961 A Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 2962 D Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 10/652, 10/659 — Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 III und Art. 22 des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 — Drucksachen 10/335, 10/347, 10/690, 10/691 — Vogelsang SPD 2966 B Dr. Rose CDU/CSU 2968 B Dr. Jannsen GRÜNE 2971 B Neuhausen FDP 2972 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 2974 C Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 10/648, 10/659 — Brück SPD 2977 C Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 2980 C Frau Gottwald GRÜNE 2983 B Frau Seiler-Albring FDP 2985 B Dr. Hauchler SPD 2987 D Dr. Pinger CDU/CSU 2991 A Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 2993 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 10/650, 10/659 — Heimann SPD 2997 B Stiegler SPD 2999 B Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 3000 C Schneider (Berlin) GRÜNE 3003 A Ronneburger FDP 3005 A Windelen, Bundesminister BMB . . . 3006 D Nächste Sitzung 3008 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3008 B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2865 42. Sitzung Bonn, den 6. Dezember 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. h. c. Lorenz 9. 12. Offergeld 9. 12. Pauli 9. 12. Petersen 9. 12. Rapp (Göppingen) 9. 12. Dr. Stark (Nürtingen) 9. 12. Stockleben 9. 12. Schlaga 6. 12. Schmidt (Hamburg) 9. 12. Schreiner 9. 12. Voigt (Frankfurt) ** 6. 12. Frau Dr. Wex 9. 12. Dr. Wittmann 9. 12. Dr. Wörner 6. 12. ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Jürgen Schmude


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstmals seit der Aussprache über die Regierungserklärung des Bundeskanzlers im Mai dieses Jahres bietet diese Debatte die Gelegenheit, die politische Arbeit und das politische Handeln des Bundesinnenministers umfassend zu würdigen. Das Bild, das wir da sehen, hat sich leider nicht zum besseren gewendet. Besondere Leistungen sind nicht zu vermelden. Noch hat der Bundesinnenminister kein Gesetz durch den Bundestag gebracht.

    (Beifall bei der SPD)

    Das innenpolitische Klima, das bereits durch die Ernennung dieses Bundesinnenministers im Oktober 1982 beeinträchtigt worden ist, hat er allerdings durch die von ihm ausgehenden Ankündigungen und Signale weiterhin negativ beeinflußt, ohne daß es dazu eines veränderten Paragraphen bedurft hätte.

    (Beifall bei der SPD)

    Zu den am meisten umstrittenen Vorhaben, die der Bundesinnenminister betreibt, gehört die Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts. Selten hat ein Gesetzgebungsvorhaben im Bereich der inneren Sicherheit in der Öffentlichkeit wie in Fachkreisen eine so scharfe, ja vernichtende Kritik erfahren wie dieses. Selbst die Befürworter dieser Rechtsänderung verzichten mittlerweile darauf, der allgemein vorhandenen Besorgnis entgegenzutreten, daß das neue Recht nicht Chaoten und/oder Gewalttäter, sondern in erster Linie friedliche und gewaltlose Demonstranten bedrohen würde. Wie der Tatbestand des Landfriedensbruchs durchgesetzt werden sollte, wenn sich eine Menschenmenge nach Aufforderung nicht sogleich auflöst und die einzelnen Teilnehmer nicht schleunigst die Demonstration verlassen, weiß niemand zu sagen. Aber darum geht es j a wohl auch weniger als darum, von der Teilnahme an Demonstrationen überhaupt abzuschrecken.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Diese Rechtsänderung ist überflüssig, wie die inzwischen mit einigem Geschick praktizierte Ausschöpfung des geltenden Rechts zeigt. Das neue Strafrecht wäre aber auch unpraktikabel. Es belastet die Polizei mit der unlösbaren Aufgabe der Festnahme ganzer Menschenmengen und nimmt ihr die bisher bestehende Möglichkeit des Vorgehens nach bestem eigenen Ermessen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Diejenigen, die diesen Fehlgriff ausbaden müssen, wehren sich mit Entschiedenheit. Der Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei, in der neun von zehn Polizisten organisiert sind, hat durch einstimmigen Beschluß über Parteigrenzen hinweg, die auch dort bestehen, die Rechtsänderung abgelehnt.
    Der Bundesinnenminister nutzt in seiner Begründungsnot jeden irgendwie geeignet scheinenden Vorgang, um die Notwendigkeit des neuen Gesetzes und der Verwirklichung seiner noch weiter gehen-
    2886 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983
    Dr. Schmude
    den Absicht zum Verbot der Vermummung und der sogenannten passiven Bewaffnung daraus herzuleiten. Viel hat er da nicht aufzubieten, nachdem der von ihm mit aller Phantasie vorausgesagte heiße Herbst ausgefallen ist.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie sind auch ausgefallen!)

    Die Ausschreitungen in Krefeld anläßlich des Besuchs des amerikanischen Vizepräsidenten im Juni schienen immerhin so, als sei eine kleine Gruppe verbiesterter Gewalttäter dabei, Herrn Zimmermann die gewünschten Stichworte und Argumente zu liefern. Neben vielem anderen hat auch die gründliche Betrachtung dieses Vorgangs im Innenausschuß des Bundestages gezeigt, daß es für polizeiliche Schutzmaßnahmen und für die Strafverfolgung in Krefeld keines verschärften Strafrechts bedurft hat.

    (Sehr wahr! bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber auch die unerfreulichen Zusammenstöße am Rande der Bannmeile des Bundestages am 21. und 22. November — insoweit, Herr Kollege Hirsch, schließe ich mich Ihrer harten Kritik hier an — haben keinen Bedarf an schärferem Strafrecht erkennen lassen. Zitat: „Diese Vorgänge geben keine Veranlassung, das geltende Recht zu ändern." So sagt Bundesjustizminister Engelhard dazu mit vollem Recht.
    Somit bleibt es beim Signal der Einschüchterung all jener kritischer Bürger, die ihren Unmut über die Politik der Bundesregierung nicht nur im privaten Kreis, sondern gemeinsam mit anderen auch in der Öffentlichkeit artikulieren. Ist es dieses Ziel der Einschüchterung, Herr Bundesinnenminister, das Sie an dem neuen Gesetzesvorhaben so uneinsichtig festhalten läßt? Gleichgerichtete andere Erklärungen aus dem letzten Jahr lassen das vermuten.
    Die drohende Strafrechtsverschärfung reichte Ihnen im Juli 1983 plötzlich nicht mehr. Es sollten auch schärfere gegenständliche Instrumente in etwaigen Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten eingeführt werden. Der erstaunten Öffentlichkeit und den ebenso überraschten wie befremdeten Fachleuten kündigten Sie die Einführung von Gummiwuchtgeschossen bei Polizei und Bundesgrenzschutz an.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Niemand wußte etwas davon, daß durch neue technische Entwicklungen die seit langem erhärteten, durchgreifenden Bedenken gegen Gummiwuchtgeschosse ausgeräumt worden wären. Den Innenministern der Länder war weder bekannt noch akzeptabel, daß die Bewaffnung der ihnen unterstehenden Polizei nunmehr durch Verfügung des Bundesinnenministers geregelt werden konnte.

    (Zurufe von der SPD: Unglaublich!)

    So fand denn das mit geringem Sachverstand angekündigte Vorhaben ein schnelles, unrühmliches Ende zwischen deutlichen Zurückweisungen durch die Länderinnenminister und einer korrigierenden
    Sprechererklärung aus dem Bundesinnenministerium.

    (Dr. Miltner [CDU/CSU]: Trifft ja gar nicht zu!)

    Zur Zurückhaltung und Vorsicht ließ sich der Bundesinnenminister dadurch freilich nicht bewegen. Im Gegenteil: An großen Ankündigungen und starken Worten herrschte weiterhin kein Mangel.
    Die Friedensbewegung und ihre für den Herbst erwarteten Demonstrationen waren es, die die besondere Zuwendung des Bundesinnenministers durch öffentliche Angriffe fanden. Gewiß, es hat in Organisationen und Kreisen, die die Friedensbewegung mit tragen, leichtfertiges und auch unverantwortliches Gerede über ein Recht zum Widerstand gegeben. Viele haben dieser Auffassung in ernsthafter und geduldiger Diskussion widersprochen: die Kirchen, wir Sozialdemokraten und auch maßgebliche Persönlichkeiten, deren Wort in der Friedensbewegung besonderes Gewicht hat. Vor allem dadurch wurde die Verwirrung geklärt, die Gefahr gebannt. Die aufsehenerregenden Beiträge des Bundesinnenministers in diesem Prozeß bestanden leider nicht in besonders gut durchdachten Argumenten, sondern in phantasiereichen öffentlichen Spekulationen über einen gewalttätigen heißen Herbst und der Ankündigung entschlossenen Durchgreifens der Sicherheitskräfte. Die Besorgnis war begründet, daß damit ein heißer Herbst geradezu herbeigeredet werden sollte, um die Stärke des Staates in der Niederwerfung seiner Kritiker zu beweisen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Einen Komplex haben Sie!)

    Aus alledem ist nichts geworden. Die großen Friedensdemonstrationen sind so verlaufen, wie es ihrer Zielsetzung angemessen war, nämlich friedlich. Das beabsichtigte harte Durchgreifen von Polizei und Strafverfolgungsbehörden wurde entbehrlich, übrigens nicht zuletzt dank des besonderen Geschicks, des Einfühlungsvermögens und der Geduld der Polizei in den betroffenen Ländern und ihrer Führung. Ein Bedarf an verschärften rechtlichen oder sonstigen Instrumenten des Staates trat j eden-falls nicht auf. Aus Berichten und Gesprächen weiß ich, daß Polizeibeamte durch Erlebnisse vor allem des 22. Oktober 1983, des Tages der großen Demonstrationen, bewegt und beeindruckt worden sind.
    Auch diejenigen, die bis dahin ein verschärftes Demonstrationsrecht gefordert hatten, sind in dieser Frage nachdenklich geworden. Gilt das auch für die Bundesregierung? Gilt das auch für Sie, Herr Bundesinnenminister? Ist Ihnen nicht der Gedanke gekommen, daß der friedliche Verlauf der von Ihnen ganz anders vorhergesagten Herbstdemonstrationen eine besondere Antwort von Ihnen verdient?

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hirsch [FDP])

    Sie haben für diese Antwort eine große Chance. Sie
    können sie wirkungsvoll nutzen. Sie brauchen nur
    die geringfügige Bereitschaft zur Selbstkorrektur.
    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. Dezember 1983 2887
    Dr. Schmude
    Der für den Regierungsentwurf zum Demonstrationsstrafrecht mit zuständige Justizminister wird Ihnen nach den Beschlüssen des Karlsruher Parteitags der FDP gewiß nicht im Wege stehen. So appelliere ich an Sie: Setzen auch Sie ein Friedenszeichen,

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hirsch [FDP])

    verblüffen und beeindrucken Sie Ihre Gegner, indem Sie das unglückselige Gesetzesvorhaben zur Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts zurückziehen.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hirsch [FDP])

    Sie dürfen sicher sein, daß dieses Zeichen richtig verstanden werden würde und daß es eine weitreichende positive Wirkung entfalten würde.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von wem?)

    Ich fürchte, Sie haben dazu die Kraft nicht. Es reicht nur zu starken Worten.

    (Beifall bei der SPD)

    Dabei geht dann jede Differenzierung, jede Bereitschaft zum Begreifen und Ernstnehmen des politischen Gegners verloren. Am Umgang der Bundesregierung mit der Friedensbewegung und anderen Kritikern der Raketennachrüstung haben wir das in bedauerlicher und erschreckender Form vorgeführt bekommen. An die bösartigen Äußerungen des Bundesministers Geißler sei hierbei nur kurz erinnert; sie sind nicht vergessen und nicht vergeben.

    (Beifall bei der SPD)

    Daran dürfte ihm ja auch selbst nicht gelegen sein, denn er hat seine massiven Beschimpfungen, zunächst der Pazifisten und später der deutschen Sozialdemokratie, in kalter Berechnung auf lang anhaltende Wirkung angelegt.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Das waren die Höhepunkte einer Kampagne, zu der auch der Bundesinnenminister in seinem Verantwortungsbereich kräftig beigetragen hat. Immer wieder macht uns dieser Verfassungsminister seine Intoleranz gegenüber der abweichenden Meinung

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Jetzt hören Sie aber auf! Schluß!)

    durch die Behauptung deutlich, die — wie er es nannte — Kampagne gegen die Nachrüstung sei von Kommunisten inszeniert

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Ist sie auch!)

    und werde außer von ihnen nur noch von Mitläufern getragen; auch wenn sie sich ehrenwerte Motive einbildeten, handelten sie gegen die inneren und äußeren Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland.
    Genau in der Linie dieser pauschalen Diffamierung liegt das vom Bundesinnenministerium erstellte primitive Pamphlet über kommunistische Einflußnahme auf die Protestbewegung.

    (Dr. Hackel [CDU/CSU]: Sie tun so, als ob es überhaupt keine gäbe!)

    Es wird dem Bundesinnenminister hoffentlich zu denken geben,

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Eine hervorragende Information für viele Bürger, die das noch nicht durchschaut haben!)

    daß nach diesen unsinnigen Geldausgaben zu Diffamierungszwecken der betreffende Mittelansatz in seinem Haushalt im Haushaltsausschuß um 100 000 DM gekürzt worden ist. Eine deutliche Antwort!

    (Beifall bei der SPD)

    Leider ist in der Ausländerpolitik noch nicht erkennbar, daß jemand dem Bundesinnenminister wirksam Einhalt gebietet. Gegen die schroffe Ablehnung durch die wichtigsten gesellschaftlichen Institutionen unseres Landes, besonders gegen die Ablehnung der Kirchen, gegen die entschiedenen und sachkundigen Forderungen der von der Bundesregierung eingesetzten Ausländerbeauftragten, gegen die Kritik der Oppositionsfraktionen und selbst seines Koalitionspartners — wir haben das eben noch einmal gehört — hält Herr Zimmermann fest an seinem restriktiven und repressiven Kurs, der bereits jetzt zu einem frostigen Klima für die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer geführt hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Eine besonders bedenkliche Einzelmaßnahme ist dabei die Nachzugsbeschränkung für solche Kinder ausländischer Eltern mit Aufenthaltsrecht bei uns, die älter als sechs Jahre sind.

    (Vorsitz: Vizepräsident Stücklen)

    Was es aber in der Praxis bedeuten würde, Kinder von sieben, acht oder elf Jahren von ihren Eltern fernzuhalten, dürfte sich bisher noch kaum jemand ausmalen.

    (Zuruf von der SPD: Familienfeindlich!)

    Auf diese Praxis aber kommt es an, nicht auf lebensferne Theorie, die in Gesetzestexte und Richtlinien eingeht. Das Beispiel der elfjährigen Türkin, die vor einigen Monaten aus Berlin abgeschoben werden sollte, obwohl sich in der Heimat niemand zu ihrer Aufnahme bereithielt, hat vielleicht einigen sonst gleichgültigen Betrachtern die Augen für die bevorstehenden praktischen Probleme geöffnet. Wie Sie wissen, ist sie dann nicht abgeschoben worden.


Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Dr. Schmude, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch?

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    Rede von Dr. Jürgen Schmude


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Gerne. Vizepräsident Stücklen: Bitte.