Rede von
Horst
Peter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen. Die eine richtet sich an Herrn Dr. Göhner in bezug auf die Möglichkeit und das Recht, Petitionen hier im Bundestag zur Debatte zu stellen. Ich meine, es ist voll im Einklang mit der Intention des Petitionsrechts, daß sich einzelne Personen oder mehrere Personen gemeinsam in Bitten und Beschwerden an die Volksvertretung wenden. Ich meine, wenn unter Petitionen eine Vielzahl von Unterschriften steht, haben die Petenten auch das Anrecht darauf, ihre Argumente im Plenum deutlich wiederzufinden.
Zweitens behält sich meine Fraktion dieses Recht ebenfalls vor,
immer dann, wenn wir es für notwendig halten,
auch Einzelpetitionen aus Sammelübersichten her-
2856 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Dezember 1983
Peter
auszugreifen und hier im Plenum zur Debatte und zur Abstimmung zu stellen.
Eine zweite Vorbemerkung: Ich gehöre im Unterschied zu den beiden Vorrednern zu denjenigen, die am Ortstermin teilgenommen haben. Ich bekenne mich schuldig, ich bin der Verursacher dieses Ortstermins, weil ich gemeint habe, bei Umweltfragen müsse man sich einen persönlichen Eindruck schaffen. Ich meine allerdings, aus den Unterlagen und dem ausführlichen Protokoll kann jeder, der nicht am Ortstermin teilnimmt, sich eine Meinung bilden und diese Meinung voll zum Ausdruck bringen.
Die SPD-Fraktion wird bei ihrem Ausschußvotum bleiben. Das Ja zur Ausschußvorlage ist allerdings ein Ja mit erheblichen Vorbehalten. Im Hinblick auf die Raketendebatte könnte man neudeutsch sagen: ein konditioniertes Ja. Das Ja ist nach meiner Auffassung die einzige Chance, dem Anliegen der Petenten Erfolgsmöglichkeiten zu lassen, eine Erweiterung des Standortübungsplatzes Kerstlingerröder Feld bei Göttingen zu verhindern.
Im Unterschied 'zu den GRÜNEN sind wir der Meinung, daß der Punkt b der Vorlage wirklich die einzige Möglichkeit ist. Dieser Eindruck beruht eben auf dem Ortstermin, auf den Aussagen des Protokolls, daß die niedersächsische Landesregierung mit der Bundesregierung in Verhandlungen über Nutzungsverträge steht und bei diesen Nutzungsverträgen die alte Landtagsposition, mit dem Landbeschaffungsgesetz sei die Prüfung abgeschlossen, bei den Verhandlungen über Nutzungsverträge wieder einbringen kann.
Die Bundesregierung weigert sich, in einem bereits 1973 rechtlich abgeschlossenen Verfahren nach dem Landbeschaffungsgesetz freiwillig eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Richtlinien der Bundesregierung vorzunehmen. Das war unsere Intention im Ausschuß. Das finden wir befremdlich, da einerseits das Thema „Schutz des Waldes" erhebliche Bedeutung gewonnen hat und da andererseits das Umweltbewußtsein insgesamt gestiegen ist. Die Verweigerung signalisiert, daß sich in dem Zielkonflikt Schutz der Natur und Belange der Bundeswehr auf seiten der Bundesregierung offensichtlich der Wandel des Bewußtseins nicht oder noch nicht mitvollzogen hat. Die Verweigerung läßt den Eindruck aufkommen, daß die Reden von den Maßnahmen gegen das Waldsterben leere Worte sind, bestenfalls für Sonntagsreden geeignet.
Uns schien eine dem veränderten Bewußtsein Rechnung tragende neue Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich, zumal das Land Niedersachsen bereits 1973 nur unter Zurückstellung von erheblichen Bedenken zugestimmt hat, den Standortübungsplatz zu erweitern. Durch die Weitergabe der Petition an den Niedersächsischen Landtag — Punkt b des Beschlusses —, auf unsere Initiative in den Beschluß aufgenommen, soll erreicht werden, daß der Niedersächsische Landtag und die dortige Landesregierung noch einmal nach dem niedersächsischen Waldgesetz und dem Naturschutzgesetz prüfen, ob die Erweiterung den neuen Umwelterfordernissen entspricht. Die niedersächsische Landesregierung, die sich auf ihr Engagement gegen das Waldsterben — aus einer Antwort der Bundesregierung an den Abgeordneten Wolfgramm geht das hervor - soviel zugute hält, kann den Abschluß von Nutzungsverträgen für das betreffende Waldgebiet verweigern bzw. so lange hinausschieben, bis die zu erwartenen Folgeschäden des Schneiseneinschlags von bis zu 15 m Breite in Hinblick auf Windbruch, Sonnenbrand, Schädlingsbefall, Verletzung des Wurzelgeflechts, Wasserabfluß und Übernässung gutachtlich geprüft sind. Das ist bisher nicht oder nicht ausreichend geschehen.
Die Bundeswehr, die zehn Jahre lang von der Genehmigung, den Standortübungsplatz zu erweitern, keinen Gebrauch gemacht hat, ist meines Erachtens durchaus in der Lage, weiterhin einen angemessenen Zeitaufschub zu ertragen. Auch scheinen mir noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, durch Umorganisation des Übungsbetriebs den Holzeinschlag überhaupt zu vermeiden, beispielsweise durch Verlagerung des infanteristischen Übungsbetriebs in den für die Erweiterung des Platzes vorgesehenen Bereich und die intensivere Nutzung des jetzigen Geländes für Panzer.
Da über die Nutzungsverträge nach meiner Kenntnis bereits intensiv verhandelt wird, wird durch den Beschluß erreicht, daß sich der Niedersächsische Landtag des Themas noch einmal annehmen kann. Deshalb empfehle ich den Petenten eine erneute Petition an den Niedersächsischen Landtag. Die Alternative, die Bundesregierung zu einer erneuten Überprüfung der Belange des Umweltschutzes zu bringen, hat sich als aussichtslos erwiesen, obwohl wir eine Fülle von Landvorhaltemaßnahmen aus der Zeit Anfang der 70er Jahre haben, die insgesamt tatsächlich zu einer Gefährdung der Waldbestände durch mechanische Eingriffe führen könnten, und ich es für notwendig halte, daß das irgendwo in den Gremien der Bundesregierung mal diskutiert wird.
Der Punkt a der Beschlußvorlage soll sicherstellen, daß im Falle eines Scheiterns des Versuchs, die Erweiterung erneut zu überprüfen, wenigstens der Waldeinschlag so gering wie möglich gehalten wird.
— Weil das der Vorschlag ist, haben wir ja auch dieses konditionierte Ja formuliert.
Abschließend, Herr Kollege Berger, muß noch vermerkt werden, daß es mich äußerst entfremdet hat, wenn in einer Stellungnahme des Verteidigungsministeriums der Satz auftaucht: „Die Petitionen haben nach Auffassung des Bundesverteidigungsministers keinen unmittelbaren aktuellen Bezug, sondern sind auf den allgemeinen und offenbar im Wachsen begriffenen Widerstand der Bürger gegen Planungen der Bundeswehr zurückzuführen."
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Herr Staatssekretär Würzbach, diese Petitionen hatten einen ganz aktuellen Bezug, den Bezug nämlich, möglichst viel des Göttinger Waldes zu retten. Wenn das das Verständnis ist, wie man konkrete Bürgeranliegen in Petitionen in einen möglicherweise politisch tatsächlich so von Ihnen gesehenen Zusammenhang stellt, dann sollte im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums das Verständnis des Petitionsrechts tatsächlich mal überprüft werden. Daß so etwas geschieht, daß solche Petitionen kommen, daran muß sich die Obrigkeit gewöhnen. Es ist Ausdruck gesteigerter Sensibilität bei den Bürgern.
Ich bin mir bewußt, daß auch der heutige Beschluß die Anliegen der Bürgerinitiativen nicht befriedigt. Ich habe einen sehr kritischen Brief einer Petentin vorliegen. Aber ich meine, daß durch diesen Beschluß die Türen für weitere Beratungen des Themas nicht zugeschlagen sind, sondern daß eine echte Chance besteht, die Umweltverträglichkeitsprüfung unter zeitgemäßen Gesichtspunkten noch einmal vorzunehmen. Deshalb bleiben wir bei unserer Ausschußvorlage und stimmen gegen den Antrag der GRÜNEN.
Schönen Dank!