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    Plenarprotokoll 10/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . 2460B, 2567 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Doppelbeschluß der NATO und Stand der Genfer INF-Verhandlungen in Verbindung mit Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Doppelbeschluß der NATO und Stand der . Genfer INF-Verhandlungen — Drucksache 10/617 — in Verbindung mit Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 in seinen beiden Teilen — Drucksache 10/620 — in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD NATO-Doppelbeschluß und Stand der INF-Verhandlungen — Drucksache 10/621 — Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . . 2459 B Fischer (Frankfurt) GRÜNE (zur GO) . 2459C Porzner SPD (zur GO) 2459 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2460 B Horn SPD 2469 D Präsident Dr. Barzel 2585D, 2586 A Biehle CDU/CSU 2475 B Frau Nickels GRÜNE 2481 C Vizepräsident Stücklen 2482 A Schäfer (Mainz) FDP 2483 C Waltemathe SPD 2488 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 2492 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 2494 D Brandt SPD 2498 D Vizepräsident Wurbs 2503A, 2512 D Schily GRÜNE (zur GO) 2510 B Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . 2511 A Porzner SPD (zur GO) 2511 D Rühe CDU/CSU 2512 B Frau Kelly GRÜNE 2520 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2524 A Vizepräsident Westphal 2527 B, 2568 A Schröder (Hannover) SPD 2527 B Dr. Kronenberg CDU/CSU 2530A Dr. Apel SPD 2533 B Reents GRÜNE 2536 A Dr. Feldmann FDP 2539 D Klein (München) CDU/CSU 2541 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2547 B Horacek GRÜNE 2550 B Wischnewski SPD 2552 A Ertl FDP 2553 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 2556A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 2560 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . 2563 B Reents GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 2566 D Burgmann GRÜNE (zur GO) 2567 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 GO Dr. Haack SPD 2568 C Dr. Hirsch FDP 2569 B Krizsan GRÜNE 2569 D Sauermilch GRÜNE 2570 B Reents GRÜNE 2571 A Schwenninger GRÜNE 2571C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 2572 B Dr. Jannsen GRÜNE 2572 D Bastian GRÜNE 2573 B Drabiniok GRÜNE 2573 D Frau Reetz GRÜNE 2574 B Schneider (Berlin) GRÜNE 2574 D Burgmann GRÜNE 2575 D Horacek GRÜNE 2576 C Stratmann GRÜNE 2577 A Frau Potthast GRÜNE 2578A Frau Schoppe GRÜNE 2579 A Frau Dr. Bard GRÜNE 2579 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 2580 C Frau Kelly GRÜNE 2581 D Frau Dr. Hickel GRÜNE 2582 C Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2583A Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 2584A Hoss GRÜNE 2584 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 2585A Schily GRÜNE 2585 C Namentliche Abstimmungen 2586 B, 2588 B, 2590 B Einspruch des Abg. Vogt (Kaiserslautern) gegen den am 21. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 A Einspruch des Abg. Schily gegen den am 22. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 B Nächste Sitzung 2592 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2593* A Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abg. Dr. Dieter Haack . . . . 2593* A Anlage 3 Erklärung des Abg. Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2593* B Anlage 4 Erklärung der Abg. Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO . 2594* A Anlage 5 Erklärung des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2594* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2459 36. Sitzung Bonn, den 22. November 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 35. Sitzung, Seite 2448 B, 7. Zeile von unten: Statt „Allergie" ist „Allegorie" zu lesen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2593* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Haehser 25. 11. Immer (Altenkirchen) 25. 11. Kastning 25. 11. Dr. h. c. Lorenz 25. 11. Offergeld 25. 11. Petersen 25. 11. Frau Dr. Wex 25. 11. Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abgeordneten Dr. Dieter Haack gez. Dr. Dieter Haack gez. Horst Grunenberg gez. Dr. Hans de With ) gez. Peter Würtz gez. Bruno Wiefel gez. Manfred Schulte (Unna) gez. Engelbert Sander gez. Horst Haase (Fürth) gez. Erwin Stahl gez. Dr. Axel Wernitz gez. Egon Franke (Hannover) gez. Lothar Löffler gez. Rudolf Purps gez. Kurt Vogelsang gez. Fritz Gerstl gez. Annemarie Renger gez. Dr. Müller-Emmert gez. Günter Herterich gez. Hans Matthöfer gez. Dr. Karl Ahrens gez. Erich Berschkeit Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 Geschäftsordnung: Vor mehr als 20 Jahren formulierten die Heidelberger Thesen der Evangelischen Kirche: Das System der atomaren Abschreckung müsse für eine Anlagen zum Stenographischen Bericht gewisse Zeit hingenommen werden. Es verschaffe den politisch Verantwortlichen aber nur eine Gnadenfrist, um durch atomare Abrüstung das System der atomaren Abschreckung überwinden zu können. Diese Gnadenfrist ist in keiner Weise zu atomarer Abrüstung genutzt worden — im Gegenteil. Diese Gnadenfrist geht zu Ende. „Abschreckung" soll jetzt erreicht werden, indem man sich auf das lange Undenkbare — den Atomkrieg - vorbereitet, durch Strategien des Sieges im Atomkrieg ebenso wie durch die Entwicklung von Atomwaffen, die nicht mehr der politischen Abschreckung dienen, sondern zum Einsatz im Atomkrieg vorgesehen sind. Auch die Pershing-Il-Raketen dienen nicht mehr der politischen Abschreckung, sondern dem Einsatz im erwogenen Atomkrieg. Nicht nur ihr Einsatz, sondern schon ihre Produktion und ihre Stationierung sind für mich unverantwortbar. Wir haben kein Recht, die Vernichtung der Welt, der Schöpfung Gottes, planmäßig vorzubereiten. Ein Zweites bestärkt mich in meinem entschiedenen Nein zu weiterer atomarer Aufrüstung: Diplomatie, Rüstungskontrollverhandlungen sind für mich bislang letztendlich nur die Kulisse, hinter denen Entscheidungen über neue Rüstungstechnologien, neue Kernwaffensysteme getroffen werden. Dabei dominieren wirtschaftliche und militärische Interessen, politische Kontrolle findet weitgehend nicht statt. 15 Minuten, so berichtete Valentin Falin, habe das ZK der KPdSU dazu gebraucht, der Umwandlung einer geplanten neuen dreistufigen Langstreckenrakete in die zweistufige SS 20 zuzustimmen. Im Jahre 1978 erhielt die amerikanische Rüstungsfirma Marietta Martin den Auftrag, bis 1986 Pershing II herzustellen. Die Raketen sollten von vornherein in Europa stationiert werden. Eine politische Diskussion fand darüber weder in den USA noch in Europa statt. Der NATO-Doppelbeschluß beschleunigte lediglich den Fertigstellungstermin für die ersten Raketen um zwei Jahre. Mein Nein zur Raketenstationierung ist der Versuch, der Politik wenigstens die Chance zu geben, endlich auf den atomaren Aufrüstungsprozeß Einfluß nehmen zu können. Planspiele in Ost und West malen das Bild eines „fährbaren und gewinnbaren Atomkrieges". Uns wird versichert, kein vernünftiger Mensch könne jemals einen derartigen Versuch wagen. Aber wäre der Erste oder der Zweite Weltkrieg je zustande gekommen, wenn nicht auch deutsche Politiker und Militärs versucht hätten, das Unmögliche möglich zu machen? „Schlieffen-Plan" und „Blitzkriegstrategie" wollten doch das Unmögliche, einen Sieg Deutschlands über ganz Europa, möglich machen. Ich fürchte, daß erneut — auch im atomaren Zeitalter - Menschen der Versuchung erliegen könnten, das Undenkbare — den Sieg im Atomkrieg — denkbar und umsetzbar zu machen. Deshalb stimme ich gegen den Antrag der Regierungsfraktionen, mit der Aufstellung von Pershing II und Cruise Missiles auf deutschem Boden zu beginnen, und unterstütze das Nein meiner Fraktion. 2594* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Anlage 4 Erklärung der Abgeordneten Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO: Die Vollversammlung des Ökumenischen Weltrates der Kirchen ist im Sommer dieses Jahres aus christlicher Überzeugung zu einer Erklärung gekommen, in der es u. a. heißt: Ein Atomkrieg ist unter keinen Umständen, in keiner Region und durch kein Gesellschaftssystem zu rechtfertigen oder als gerecht zu erklären, denn das Ausmaß der daraus folgenden Zerstörung steht in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, den man sich davon verspricht. Das Konzept der Abschreckung, dessen Glaubwürdigkeit von der Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen abhängt, ist aus moralischen Gründen abzulehnen und ungeeignet, Frieden und Sicherheit langfristig zu wahren. Die Herstellung und Stationierung von Kernwaffen sowie deren Einsatz sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Dieses sind keine Aussagen für das Leben in einem paradiesischen Jenseits, sondern für unser Handeln heute. Wir kommen als Christen zum gleichen Ergebnis und werden uns auch in unserem politischen Handeln danach richten. Der Antrag der SPD entspricht in den wichtigsten Passagen dieser Zielsetzung. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zu. Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO Zur Abstimmung über die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik gebe ich folgende Erklärung ab: Bereits am 26. Mai 1981 habe ich zusammen mit vier weiteren sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gegen eine Stationierung gestimmt. Die Vorgänge in den letzten zweieinhalb Jahren, insbesondere der mangelnde Verhandlungswille der beiden Supermächte in Genf, aber auch der deutliche Mehrheitswille unserer Bürger wie die Argumente der Friedensbewegung haben mich in meinem Abstimmungsverhalten noch bestärkt. Ich bin sehr froh, daß mein NEIN heute im Einklang mit dem NEIN meiner Partei, der SPD, und im Einklang mit dem Mehrheitswillen meiner Fraktion steht. Mein NEIN ist weder zeit- noch situationsbedingt, sondern ein kategorisches NEIN, weil ich die denkbaren, die möglichen und die wahrscheinlichen Folgen dieser Stationierung vor meinem Gewissen nicht verantworten kann. Die Gründe für mein NEIN fasse ich wie folgt zusammen: 1. Die neuen Nuklearwaffen sind, wie im übrigen auch die sowjetischen SS 20, geeignet, Millionen friedlicher Menschen auf Knopfdruck in wenigen Minuten auszurotten und weite Teile Europas auf Jahrtausende hinaus zu verwüsten. Kein wie immer gearteter Zweck kann ihren Einsatz rechtferigen. Wer diese Waffen annimmt, nimmt, auch wenn er ihn nicht will, den Völkermord billigend in Kauf. 2. Mit den neuen Nuklearwaffen soll erneuter Schrecken über die osteuropäischen Völker verbreitet werden. Damit läßt sich vielleicht vorübergehend Krieg abschrecken, aber niemals ein dauerhafter Friede zwischen den Völkern begründen. Der Friede wächst nicht auf Raketen, sondern nur auf Entspannung, Aussöhnung, Verständigung und Sicherheitspartnerschaft über alle unverwischbaren ideologischen Grenzen hinweg. 3. Die Sicherheit unseres Volkes ist vielfach gewährleistet. Sie bedarf dieser neuen Nuklearwaffen nicht. Diese Waffen machen unser Volk nicht mehr sicherer, sondern unermeßlich bedrohter, weil sie gegnerische Atomschläge letzten Endes nicht abschrecken, sondern im Konfliktfall auf sich ziehen. 4. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion nicht zur Abrüstung veranlassen. Der Versuch, mit mehr und immer mehr Waffen zu weniger Waffen auf der Welt zu kommen, ist ein durch die jüngere Geschichte längst widerlegter Wahnsinn. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion zu weiterer Aufrüstung mit Kurzstreckenraketen veranlassen. Diese wiederum wird den Grund oder Vorwand für erneute „Nach"rüstung im Westen abgeben. Auf diese Weise kommt es mit zwangsläufiger Sicherheit zu einer neuen mörderischen Dynamik im weltweiten Wettrüsten. Wie die Menschheitsgeschichte in Hunderten von Fällen lehrt, steht am Ende einer solchen Hochrüstung nicht der Friede, sondern der Krieg. Der nächste Krieg ist aber nicht irgendeiner, den man schlecht oder recht überleben könnte. Er kann in der Vernichtung der Menschheit enden. 5. Die Stationierung neuer Nuklearwaffen und die damit verbundene ausschließliche Einsatzgewalt des Präsidenten der Vereinigten Staaten, zerstört die sowieso schon eingeschränkte Souveränität der Bundesrepublik im Wesensgehalt. Wie kann im übrigen die uns allen gemeinsame Lehre des 2. Weltkriegs beherzigt werden, wonach von deutschem Boden nie mehr wieder ein Krieg ausgehen darf, wenn in unserem Vaterland nukleare Vernichtungswaffen als Angriffswaffen stationiert werden und ein einziger Amerikaner über den Einsatz dieser Waffen entscheiden darf oder binnen weniger Minuten Warnzeit entscheiden muß?
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    Rede von Jürgen Reents


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Wenn er sich kurzfaßt; ich habe nur wenig Zeit. Aber Herr Mertes kommt ja sonst auch selten dran.





Rede von Dr. Alois Mertes
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Reents, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß mich jüdische Persönlichkeiten aufgefordert haben, Stellung gegen die Gleichsetzung der Vernichtung ihrer Angehörigen in Auschwitz durch das Holocaust mit der Frieden und Freiheit sichernden Abschreckungsstrategie des Atlantischen Bündnisses, zu der diese jüdischen Persönlichkeiten positiv stehen, zu nehmen?

(Zustimmung des Abg. Seiters [CDU/ CSU])


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Reents


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Mertes, das nehme ich gern zur Kenntnis. Wir haben über diesen Punkt hier auch schon einmal an Hand von Äußerungen debattiert, die aus einem „Spiegel"-Interview meiner Fraktionskollegen Schily und Fischer stammen. Darum ging es hier aber gar nicht, sondern es geht darum, ob dieser Satz, wie ihn der Bundeskanzler gestern ausgesprochen hat, daß es in Überlebensfragen nicht die geringste Legitimation für eine Minderheit gibt, ihren Willen gegen eine Mehrheit durchzusetzen, nicht auch eine ganz unheilvolle Botschaft in sich tragen kann, unabhängig von den konkreten Dingen, um die es hierbei geht.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Entweder wir haben Demokratie oder wir haben sie nicht! — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Oligarchie oder was?)

    Ich will das jetzt weiter ausführen. Uns beunruhigen drei Dinge an der Raketenstationierung. Einmal sind es die Raketen selbst.

    (Seiters [CDU/CSU]: Die SS 20?)

    Lassen Sie mich gleich einen Satz dazu sagen: Ich meine die Raketen und das, was sich mittlerweile hier an Waffentechnologie entwickelt hat. Ich komme zu der Frage der Computerfehler, über die hier debattiert worden ist. Herr Wörner hat gesagt: Das entscheidet nicht der Computer, sondern letztlich entscheiden es die Menschen. Ich will dem etwas entgegenhalten. Wir haben eine ganze Reihe von Fällen gehört, in denen es diese Computerfehler gegeben hat und in denen, wie Sie genau wissen, der Überprüfungszeitraum für diese Fehler länger als das gewesen ist, was jetzt die Vorwarnzeit und Flugzeit für die Pershing II ist. Aber das ist noch gar nicht das Entscheidende. Wollen wir doch einmal annehmen, daß es wirklich so ist, daß das bislang funktioniert hat und daß das auch momentan noch weiter funktionieren wird. Wollen Sie uns ernsthaft hier versichern, daß das gleiche auch in einer Krisensituation gilt? Wollen Sie uns ernsthaft versichern, daß man, wenn eine Krisensituation, sei es im Nahen Osten oder sonstwo in der Welt, in dramatischer Weise existiert, dann noch in der gleichen Weise darauf vertrauen kann, daß Computerfehler auch wirklich ausgetilgt werden und der Schrecken dann nicht wirklich seinen Lauf nimmt? Das ist die Situation, mit der man sich an diesem Punkt auseinandersetzen muß.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Wie ist es mit den SS 20? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Schreien Sie jetzt nicht so viel dazwischen! Sie können es ruhig tun, Sie werden nachher sowieso Ihre Stimme wieder in Ordnung bringen, denn nachdem Sie die Abstimmung hier in Ihrem Sinne durchgeführt haben, werden Sie doch sicherlich mit Wein und Sekt feiern, daß Sie endlich stationieren dürfen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das ist unverschämt! — So ein Flegel!)

    Das zweite, was uns beunruhigt, sind die Kriegsführungsstrategien aus den USA. Ich sage bewußt „Kriegsführungsstrategien", auch wenn Herr Kronenberg gerade eben in seinem Beitrag bestritten hat, daß es das überhaupt gibt.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das kapieren Sie gar nicht!)

    Herr Reagan, der amerikanische Präsident, der sich als Vollstrecker des jüngsten Gerichts gegen die Sowjetunion aufspielt, sagt doch nur das, was tatsächlich im Militär der USA geplant wird. Sie kennen diese Zitate genausogut wie ich. Sie kennen auch die ganzen Studien, die es gibt.

    (Berger [CDU/CSU]: Die können Sie sich sparen!)

    Ich will Sie nur auf eines in diesem Zusammenhang hinweisen. Das Air-land-battle-Konzept 2000, das in der letzten Zeit einige Unruhe in der Öffentlichkeit verursacht hat, sagt in seinem Vorwort, unterschrieben von dem Heeresinspekteur der Bundeswehr, Glanz, und dem chief of staff der US-Armee, General Meier — ich zitiere das —: „Unsere Armeen müssen so bewaffnet und ausgebildet werden, daß sie die Kampfaufträge bewältigen, die wir ab Mitte der 90er Jahre auf dem mitteleuropäischen Gefechtsfeld durchführen müssen." Nun frage ich Sie: Mit welcher Sicherheit wird hier in diesem Airland-battle-2000-Konzept davon ausgegangen, daß die Bundeswehr und die US-Army Mitte der 90er Jahre militärische Kampfaktionen auf dem europäischen Gefechtsfeld durchführen müssen, wie es hier steht?

    (Berger [CDU/CSU]: Die wissen genau, daß das Konzept bei uns nicht gilt!)

    Wenn das nicht die Sprache von Kriegsvorbereitung, wenn das nicht die Sprache von Kriegsführungsstrategien ist, dann weiß ich nicht, was Sie darunter verstehen wollen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dieses Air-land-battle-2000-Konzept endet damit: Der Angriff in die Tiefe trägt den Kampf zum Gegner.

    (Seiters [CDU/CSU]: Sie waren doch Mitarbeiter beim Kommunistischen Bund! Das wollen wir einmal feststellen!)

    Das ist mittlerweile in der westlichen Strategie allerdings etwas Neues. Bislang hat man uns gesagt, daß die Bundesrepublik an der innerdeutschen Grenze verteidigt werden solle. Jetzt ist mit einem



    Reents
    Mal davon die Rede, daß die Verteidigung den Angriff in den Raum des Gegners tragen soll.

    (Berger [CDU/CSU]: Sie wissen genau, daß das Konzept hier nicht gilt!)

    Ich kenne Untersuchungen, Äußerungen und Studien dazu, in denen konkret sogar von Räumen jenseits der Oder-Neiße-Grenze die Rede ist.
    Sie behaupten immer, der Unterschied zwischen dem Warschauer Pakt und der NATO bestehe darin, daß die NATO ein Verteidigungsbündnis sei und auch nur reine Verteidigungsmanöver durchführe; beim Warschauer Pakt sei das aber ganz anders. Wenn Sie in Zukunft aber nach diesem Air-landbattle-2000-Konzept mit der Bundeswehr und der US-Army Manöver durchführen werden, die in ihrem Planspiel davon ausgehen, daß die Bundeswehr und die US-Army

    (Berger [CDU/CSU]: Sie machen Märchenstunde!)

    ihren Schauplatz in Polen finden werden, dann ist es nicht mehr als eine dramaturgische Frage, ob Sie sagen, daß die Voraussetzung dafür ist, daß wir angegriffen worden sind, oder ob Sie es nicht sagen. Tatsache ist, daß sie beginnen, mit diesem Konzept Air-land-battle 2000 Kriegführung außerhalb des westdeutschen Territoriums in östlicher Richtung zu planen. Das ist der zweite Punkt, der uns beunruhigt.

    (Seiters [CDU/CSU]: So kann nur ein Kommunist reden!)

    Der dritte Punkt ist, daß sich mit dieser Raketenstationierung die Gefahr von Kriegen gegen die Dritte Welt enorm erhöhen wird.

    (Zurufe von der CDU/CSU — Gegenrufe von den GRÜNEN)

    Wir alle haben hier in zwei Aktuellen Stunden gesehen, wie Sie in der Koalition es nicht schlimm gefunden haben, daß die USA Grenada überfallen haben. Ich sage Ihnen jetzt, daß wir heute auf Grund Ihrer Haltung zu Grenada fürchten müssen, daß Sie es auch nicht schlimm finden werden, wenn die US- Armee in Nicaragua einmarschieren wird und wenn es entsprechende militärische Interventionen der USA im Libanon geben wird. Auch das werden Sie nicht schlimm finden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zu dem, was dort passiert, was in Grenada von seiten der USA passiert ist und was, wie ich hoffe, in Nicaragua nicht passieren wird, aber was dort momentan zu passieren droht, kann man nur folgendes sagen: Die Politgangster sind hervorragend organisiert, verfügen über internationale Verbindungen und verstehen sich selbst als Kriegführende,

    (Seiters [CDU/CSU]: Wen meinen Sie denn damit?)

    als Kriegführende allerdings,

    (Seiters [CDU/CSU]: Wen meinen Sie damit?)

    die sich weder an die Regeln des Kriegs — noch an die Regeln des Friedensrechts halten.

    (Seiters [CDU/CSU]: Wen meinen Sie mit „Politgangster"? Unmöglich, was Sie da sagen!)

    — Herr Seiters, da brauchen Sie sich nicht aufzuregen; dieser Satz ist von Herrn Dregger am 13. März 1975 gesagt worden und stammt aus der Terrorismus-Debatte.

    (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich meine, er paßt haargenau auf das, was momentan die Politik der USA ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo waren Sie denn 1975 organisiert?)