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ID1003616700

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    Plenarprotokoll 10/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . 2460B, 2567 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Doppelbeschluß der NATO und Stand der Genfer INF-Verhandlungen in Verbindung mit Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Doppelbeschluß der NATO und Stand der . Genfer INF-Verhandlungen — Drucksache 10/617 — in Verbindung mit Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 in seinen beiden Teilen — Drucksache 10/620 — in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD NATO-Doppelbeschluß und Stand der INF-Verhandlungen — Drucksache 10/621 — Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . . 2459 B Fischer (Frankfurt) GRÜNE (zur GO) . 2459C Porzner SPD (zur GO) 2459 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2460 B Horn SPD 2469 D Präsident Dr. Barzel 2585D, 2586 A Biehle CDU/CSU 2475 B Frau Nickels GRÜNE 2481 C Vizepräsident Stücklen 2482 A Schäfer (Mainz) FDP 2483 C Waltemathe SPD 2488 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 2492 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 2494 D Brandt SPD 2498 D Vizepräsident Wurbs 2503A, 2512 D Schily GRÜNE (zur GO) 2510 B Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . 2511 A Porzner SPD (zur GO) 2511 D Rühe CDU/CSU 2512 B Frau Kelly GRÜNE 2520 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2524 A Vizepräsident Westphal 2527 B, 2568 A Schröder (Hannover) SPD 2527 B Dr. Kronenberg CDU/CSU 2530A Dr. Apel SPD 2533 B Reents GRÜNE 2536 A Dr. Feldmann FDP 2539 D Klein (München) CDU/CSU 2541 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2547 B Horacek GRÜNE 2550 B Wischnewski SPD 2552 A Ertl FDP 2553 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 2556A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 2560 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . 2563 B Reents GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 2566 D Burgmann GRÜNE (zur GO) 2567 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 GO Dr. Haack SPD 2568 C Dr. Hirsch FDP 2569 B Krizsan GRÜNE 2569 D Sauermilch GRÜNE 2570 B Reents GRÜNE 2571 A Schwenninger GRÜNE 2571C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 2572 B Dr. Jannsen GRÜNE 2572 D Bastian GRÜNE 2573 B Drabiniok GRÜNE 2573 D Frau Reetz GRÜNE 2574 B Schneider (Berlin) GRÜNE 2574 D Burgmann GRÜNE 2575 D Horacek GRÜNE 2576 C Stratmann GRÜNE 2577 A Frau Potthast GRÜNE 2578A Frau Schoppe GRÜNE 2579 A Frau Dr. Bard GRÜNE 2579 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 2580 C Frau Kelly GRÜNE 2581 D Frau Dr. Hickel GRÜNE 2582 C Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2583A Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 2584A Hoss GRÜNE 2584 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 2585A Schily GRÜNE 2585 C Namentliche Abstimmungen 2586 B, 2588 B, 2590 B Einspruch des Abg. Vogt (Kaiserslautern) gegen den am 21. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 A Einspruch des Abg. Schily gegen den am 22. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 B Nächste Sitzung 2592 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2593* A Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abg. Dr. Dieter Haack . . . . 2593* A Anlage 3 Erklärung des Abg. Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2593* B Anlage 4 Erklärung der Abg. Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO . 2594* A Anlage 5 Erklärung des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2594* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2459 36. Sitzung Bonn, den 22. November 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 35. Sitzung, Seite 2448 B, 7. Zeile von unten: Statt „Allergie" ist „Allegorie" zu lesen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2593* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Haehser 25. 11. Immer (Altenkirchen) 25. 11. Kastning 25. 11. Dr. h. c. Lorenz 25. 11. Offergeld 25. 11. Petersen 25. 11. Frau Dr. Wex 25. 11. Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abgeordneten Dr. Dieter Haack gez. Dr. Dieter Haack gez. Horst Grunenberg gez. Dr. Hans de With ) gez. Peter Würtz gez. Bruno Wiefel gez. Manfred Schulte (Unna) gez. Engelbert Sander gez. Horst Haase (Fürth) gez. Erwin Stahl gez. Dr. Axel Wernitz gez. Egon Franke (Hannover) gez. Lothar Löffler gez. Rudolf Purps gez. Kurt Vogelsang gez. Fritz Gerstl gez. Annemarie Renger gez. Dr. Müller-Emmert gez. Günter Herterich gez. Hans Matthöfer gez. Dr. Karl Ahrens gez. Erich Berschkeit Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 Geschäftsordnung: Vor mehr als 20 Jahren formulierten die Heidelberger Thesen der Evangelischen Kirche: Das System der atomaren Abschreckung müsse für eine Anlagen zum Stenographischen Bericht gewisse Zeit hingenommen werden. Es verschaffe den politisch Verantwortlichen aber nur eine Gnadenfrist, um durch atomare Abrüstung das System der atomaren Abschreckung überwinden zu können. Diese Gnadenfrist ist in keiner Weise zu atomarer Abrüstung genutzt worden — im Gegenteil. Diese Gnadenfrist geht zu Ende. „Abschreckung" soll jetzt erreicht werden, indem man sich auf das lange Undenkbare — den Atomkrieg - vorbereitet, durch Strategien des Sieges im Atomkrieg ebenso wie durch die Entwicklung von Atomwaffen, die nicht mehr der politischen Abschreckung dienen, sondern zum Einsatz im Atomkrieg vorgesehen sind. Auch die Pershing-Il-Raketen dienen nicht mehr der politischen Abschreckung, sondern dem Einsatz im erwogenen Atomkrieg. Nicht nur ihr Einsatz, sondern schon ihre Produktion und ihre Stationierung sind für mich unverantwortbar. Wir haben kein Recht, die Vernichtung der Welt, der Schöpfung Gottes, planmäßig vorzubereiten. Ein Zweites bestärkt mich in meinem entschiedenen Nein zu weiterer atomarer Aufrüstung: Diplomatie, Rüstungskontrollverhandlungen sind für mich bislang letztendlich nur die Kulisse, hinter denen Entscheidungen über neue Rüstungstechnologien, neue Kernwaffensysteme getroffen werden. Dabei dominieren wirtschaftliche und militärische Interessen, politische Kontrolle findet weitgehend nicht statt. 15 Minuten, so berichtete Valentin Falin, habe das ZK der KPdSU dazu gebraucht, der Umwandlung einer geplanten neuen dreistufigen Langstreckenrakete in die zweistufige SS 20 zuzustimmen. Im Jahre 1978 erhielt die amerikanische Rüstungsfirma Marietta Martin den Auftrag, bis 1986 Pershing II herzustellen. Die Raketen sollten von vornherein in Europa stationiert werden. Eine politische Diskussion fand darüber weder in den USA noch in Europa statt. Der NATO-Doppelbeschluß beschleunigte lediglich den Fertigstellungstermin für die ersten Raketen um zwei Jahre. Mein Nein zur Raketenstationierung ist der Versuch, der Politik wenigstens die Chance zu geben, endlich auf den atomaren Aufrüstungsprozeß Einfluß nehmen zu können. Planspiele in Ost und West malen das Bild eines „fährbaren und gewinnbaren Atomkrieges". Uns wird versichert, kein vernünftiger Mensch könne jemals einen derartigen Versuch wagen. Aber wäre der Erste oder der Zweite Weltkrieg je zustande gekommen, wenn nicht auch deutsche Politiker und Militärs versucht hätten, das Unmögliche möglich zu machen? „Schlieffen-Plan" und „Blitzkriegstrategie" wollten doch das Unmögliche, einen Sieg Deutschlands über ganz Europa, möglich machen. Ich fürchte, daß erneut — auch im atomaren Zeitalter - Menschen der Versuchung erliegen könnten, das Undenkbare — den Sieg im Atomkrieg — denkbar und umsetzbar zu machen. Deshalb stimme ich gegen den Antrag der Regierungsfraktionen, mit der Aufstellung von Pershing II und Cruise Missiles auf deutschem Boden zu beginnen, und unterstütze das Nein meiner Fraktion. 2594* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Anlage 4 Erklärung der Abgeordneten Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO: Die Vollversammlung des Ökumenischen Weltrates der Kirchen ist im Sommer dieses Jahres aus christlicher Überzeugung zu einer Erklärung gekommen, in der es u. a. heißt: Ein Atomkrieg ist unter keinen Umständen, in keiner Region und durch kein Gesellschaftssystem zu rechtfertigen oder als gerecht zu erklären, denn das Ausmaß der daraus folgenden Zerstörung steht in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, den man sich davon verspricht. Das Konzept der Abschreckung, dessen Glaubwürdigkeit von der Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen abhängt, ist aus moralischen Gründen abzulehnen und ungeeignet, Frieden und Sicherheit langfristig zu wahren. Die Herstellung und Stationierung von Kernwaffen sowie deren Einsatz sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Dieses sind keine Aussagen für das Leben in einem paradiesischen Jenseits, sondern für unser Handeln heute. Wir kommen als Christen zum gleichen Ergebnis und werden uns auch in unserem politischen Handeln danach richten. Der Antrag der SPD entspricht in den wichtigsten Passagen dieser Zielsetzung. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zu. Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO Zur Abstimmung über die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik gebe ich folgende Erklärung ab: Bereits am 26. Mai 1981 habe ich zusammen mit vier weiteren sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gegen eine Stationierung gestimmt. Die Vorgänge in den letzten zweieinhalb Jahren, insbesondere der mangelnde Verhandlungswille der beiden Supermächte in Genf, aber auch der deutliche Mehrheitswille unserer Bürger wie die Argumente der Friedensbewegung haben mich in meinem Abstimmungsverhalten noch bestärkt. Ich bin sehr froh, daß mein NEIN heute im Einklang mit dem NEIN meiner Partei, der SPD, und im Einklang mit dem Mehrheitswillen meiner Fraktion steht. Mein NEIN ist weder zeit- noch situationsbedingt, sondern ein kategorisches NEIN, weil ich die denkbaren, die möglichen und die wahrscheinlichen Folgen dieser Stationierung vor meinem Gewissen nicht verantworten kann. Die Gründe für mein NEIN fasse ich wie folgt zusammen: 1. Die neuen Nuklearwaffen sind, wie im übrigen auch die sowjetischen SS 20, geeignet, Millionen friedlicher Menschen auf Knopfdruck in wenigen Minuten auszurotten und weite Teile Europas auf Jahrtausende hinaus zu verwüsten. Kein wie immer gearteter Zweck kann ihren Einsatz rechtferigen. Wer diese Waffen annimmt, nimmt, auch wenn er ihn nicht will, den Völkermord billigend in Kauf. 2. Mit den neuen Nuklearwaffen soll erneuter Schrecken über die osteuropäischen Völker verbreitet werden. Damit läßt sich vielleicht vorübergehend Krieg abschrecken, aber niemals ein dauerhafter Friede zwischen den Völkern begründen. Der Friede wächst nicht auf Raketen, sondern nur auf Entspannung, Aussöhnung, Verständigung und Sicherheitspartnerschaft über alle unverwischbaren ideologischen Grenzen hinweg. 3. Die Sicherheit unseres Volkes ist vielfach gewährleistet. Sie bedarf dieser neuen Nuklearwaffen nicht. Diese Waffen machen unser Volk nicht mehr sicherer, sondern unermeßlich bedrohter, weil sie gegnerische Atomschläge letzten Endes nicht abschrecken, sondern im Konfliktfall auf sich ziehen. 4. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion nicht zur Abrüstung veranlassen. Der Versuch, mit mehr und immer mehr Waffen zu weniger Waffen auf der Welt zu kommen, ist ein durch die jüngere Geschichte längst widerlegter Wahnsinn. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion zu weiterer Aufrüstung mit Kurzstreckenraketen veranlassen. Diese wiederum wird den Grund oder Vorwand für erneute „Nach"rüstung im Westen abgeben. Auf diese Weise kommt es mit zwangsläufiger Sicherheit zu einer neuen mörderischen Dynamik im weltweiten Wettrüsten. Wie die Menschheitsgeschichte in Hunderten von Fällen lehrt, steht am Ende einer solchen Hochrüstung nicht der Friede, sondern der Krieg. Der nächste Krieg ist aber nicht irgendeiner, den man schlecht oder recht überleben könnte. Er kann in der Vernichtung der Menschheit enden. 5. Die Stationierung neuer Nuklearwaffen und die damit verbundene ausschließliche Einsatzgewalt des Präsidenten der Vereinigten Staaten, zerstört die sowieso schon eingeschränkte Souveränität der Bundesrepublik im Wesensgehalt. Wie kann im übrigen die uns allen gemeinsame Lehre des 2. Weltkriegs beherzigt werden, wonach von deutschem Boden nie mehr wieder ein Krieg ausgehen darf, wenn in unserem Vaterland nukleare Vernichtungswaffen als Angriffswaffen stationiert werden und ein einziger Amerikaner über den Einsatz dieser Waffen entscheiden darf oder binnen weniger Minuten Warnzeit entscheiden muß?
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedrich Kronenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich möchte meine Rede zu Ende bringen.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Er hat Angst!)

    Die Argumentation der fundamentalen sicherheitspolitischen Verweigerer hat sich in den letzten zwei Jahren mehr und mehr auf diese schrecklichen Waffen und auf diese grauenvollen Wirkungen fixiert. Ihre Argumentation hat sich zunehmend in ein Kriegsführungsdenken verrannt. Aber unsere Sicherheitspolitik denkt nicht in Kategorien der Kriegsführung. Unsere Sicherheitspolitik denkt in Kategorien der Kriegsverhütung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie wollen Sie eigentlich, meine Damen und Herren der Fraktion der GRÜNEN, und Sie, meine Damen und Herren in der SPD, die Sie sich leider auf den Weg gemacht haben von dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt zum „Friedensfor-



    Dr. Kronenberg
    scher" Gert Bastian, die Geister dieser Angst wieder loswerden?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meinen Sie, Kriegsangst zu hegen oder gar zu erzeugen sei bloß ein politischer Ausrutscher, sei ohne Belang für den Frieden in unserem Land? Wer so handelt, leistet dem Frieden keinen Dienst.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ihre unheilvolle gedankliche Pervertierung der kriegsverhütenden Instrumente unserer Sicherheitspolitik zu Instrumenten der Kriegsführung hat den politischen Dialog um die beste Sicherung des Friedens, hat die Friedensdiskussion erschwert.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Bindig [SPD]: Wie kann ein einzelner Mensch so viel Unsinn reden!)

    Sie haben allerdings auch in breiten Schichten unserer Bevölkerung ein sehr gründliches Nachdenken über die Ziele, über die Methoden, über die Wege, über die Mittel unserer Sicherheitspolitik provoziert. So haben Sie ungewollt auch die Vermittlung einer tieferreichenden ethischen Begründung unserer Sicherheitspolitik ermöglicht. Bei allen Verwerfungen, die Ihre Bewegungen im politischen Bewußtsein unserer Bürger verursacht haben, kann ich daher heute feststellen, daß jetzt mehr Menschen Durchblick durch unser sicherheitspolitisches Konzept haben, daß heute mehr Menschen diese Sicherheitspolitik auch aus tiefer moralischer Überzeugung und Verantwortung bejahen. Bei vielen Menschen ist die Akzeptanz vertieft worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Bindig [SPD]: Sie blicken nicht durch! — Zuruf des Abg. Reents [GRÜNE])

    Die Friedensdiskussion hat also auch vieles geklärt, und dafür können wir dankbar sein; denn wir können eine den Frieden auf Dauer wirklich sichernde Politik nur machen, wenn bei allem Streit um konkrete Schritte im einzelnen die wesentlichen Merkmale unserer Friedens- und Sicherheitspolitik fest im Konsens der breiten Mehrheit unserer Bürger verankert bleiben.
    Die große Mehrzahl unserer Bürger weiß: Zum Frieden gehört die Freiheit. Ohne Freiheit bleibt nur die Friedhofsruhe. Zum Frieden gehören Recht und Gerechtigkeit. Ohne Recht und Gerechtigkeit bleibt nur die erzwungene Ruhe der Sklaverei.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Zum Frieden gehört die Solidarität. Ohne Solidarität mit allen Menschen in Ost und West, in Nord und Süd bleibt nur die Verschlafenheit der Müden und der Satten.
    Wir müssen aber den Frieden auch sichern, und zwar durch eine politische Strategie militärischer Abschreckung, die politische Erpressung abwehrt und die Kriege verhütet oder, besser gesagt, die den Gedanken an die Führbarkeit eines Krieges erst gar nicht aufkommen läßt.
    Ich bekenne mich zu dieser Politik. Ich bekenne mich dazu auch als Christ. Für mich ist es selbstverständlich, daß Krieg nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Krieg ist das Scheitern von Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Politik ist dem Ziel verpflichtet, Krieg zu verhüten. Krieg zu verhüten ist aber auch der Inhalt der ethischen Grundsätze, die die Kirchen in der Friedensdiskussion dieser Monate immer wieder verkündet haben.
    Herr Dr. Vogel, die kirchliche Diskussion ist an uns nicht, wie Sie gesagt haben, spurlos vorübergegangen. Aber wir wählen nicht einseitig Zitate aus. Wir lassen uns selbst in Anspruch nehmen durch bischöfliche Äußerungen und durch kirchliche Stellungnahmen. Aber wir nehmen die Äußerungen nicht für uns in Anspruch, nicht für eine parteipolitische Argumentation.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Kirchliche Verkündigung ist kein Steinbruch für die Politik. Unsere Sicherheitspolitik gründet vor allem auf der Ethik der Kriegsverhütung. Das aber ist die Ethik, die die Kirchen in den Mittelpunkt ihrer theologischen Aussagen rücken, z. B. in der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz „Gerechtigkeit schafft Frieden".

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Sinne dieser Zielsetzung der Kriegsverhütung bejahe ich unsere Rüstung und auch die jetzt erforderliche Nachrüstung; ohne Feindbild, Herr Waltemathe. Die Waffen selbst sind weder in sich gut noch in sich böse. Ihre moralische Qualität bestimmt sich von dem Ziel, dem sie dienen. Das Ziel aber sind die Kriegsverhütung und die Abwehr von politischer Erpressung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Weil die Androhung unserer Waffen diesem Ziel dient, ist die Androhung dieser Waffen ethisch auch zu rechtfertigen. Der Staat würde die christliche Kardinaltugend der Gerechtigkeit grob verletzten, wenn er den Bürgern nicht den Schutz vor einer Bedrohung von außen gewährte, einen Schutz, auf den die Bürger ein Recht haben. Was wäre das für eine Gerechtigkeit, wenn der Staat dem Bürger das Recht auf Schutz vorenthielte! Gerechtigkeit schafft Frieden.
    Als Christ kann -ich die Abschreckungsstrategie, insbesondere mit Nuklearwaffen, mit Massenvernichtungswaffen, nur verantworten, weil wir gleichzeitig und mit allen Kräften eine Politik der Rüstungskontrolle und eine Politik der gleichgewichtigen Abrüstung betreiben. Friedenssicherung durch nukleare Abschreckung ist nur als eine moralische Grenzsituation vertretbar, als eine Situation, die überwunden werden muß, sobald das geht; denn als Christ bin ich dem Gebot der Bergpredigt verpflichtet — es ist nicht irreal, Herr Schäfer, sondern sehr real, dem Gebot der Bergpredigt verpflichtet zu sein —, nämlich alles zu tun, damit Gewalt und Mittel der Gewalt immer weiter verringert werden, möglichst bis zum Punkt Null.



    Dr. Kronenberg
    Aber dazu gehört die Bereitschaft beider Seiten. Wer einseitig auf Waffen verzichtet, macht den Krieg führbarer. „Frieden schaffen ohne Waffen" ist zwar gut gemeint, ist aber in unserer Realität tödlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte noch die Stimme eines polnischen Freundes zitieren, der viele Jahre seines Lebens in Konzentrationslagern und Gefängnissen der Nazis und der Kommunisten verbracht hat. Er hat diese Jahre dort verbracht, weil er unerbittlich und kämpferisch dafür eingetreten ist, daß es einen Frieden um jeden Preis nicht geben darf.
    Wladislaw Bartoszewski, polnischer Patriot und Katholik, Schriftsteller und Historiker, Generalsekretär des PEN-Clubs in Polen, hat vor wenigen Tagen vor dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken gesagt:
    Der Begriff „Frieden um jeden Preis" verhöhnt die Grundlagen der Freiheit und Demokratie. Er beschwört eine schlimme Realität; denn er bedeutet, sich jeder Brutalität unterzuordnen, damit auch Mord und Mordbefehl.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wehren uns hier gegen Mord und Mordbefehl. Wir wollen keinen Frieden um jeden Preis. Wir haben die Friedensdiskussion der letzten Jahre begrüßt. Aber wir verzichten nicht auf die Frage „Welchen Frieden wollen wir?" Das ist die Frage, der wir uns stellen müssen. Ich fordere alle auf, die sich an der Friedensdiskussion in unserer Gesellschaft beteiligen, auf diese Frage „Welchen Frieden wollen wir?" zukünftig eine klare Antwort zu geben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Apel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als evangelischer Christ möchte ich nicht, daß meine Position zu den heute anstehenden Fragen von denen, die mit mir zusammen in meiner Kirche sind, so beurteilt wird, daß ich ausgegrenzt werde. Aber wenn ich darauf Wert lege — und ich lege darauf Wert —, dann kann ich auch nicht akzeptieren, Herr Kronenberg, daß der NATO-Doppelbeschluß christlich begründet ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Begründbar!)

    Wir sollten auch das nicht versuchen, wir sollten das nicht tun. Wir sollten sehr vorsichtig sein in einer solchen Debatte. Ich möchte mich an ihr auch nicht beteiligen, weil ich mich in dieser Frage nicht kompetent genug fühle.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er gar nicht gesagt!)

    Ein zweites. Wir sollten, wenn wir über Friedensbewegung reden, nicht so formulieren, wie Sie es getan haben, Herr Kronenberg, indem Sie von der Militarisierung der Friedensbewegung gesprochen haben. Wir haben heute morgen eine klirrende
    Rede des Bundesministers der Verteidigung gehört, gestern eine klirrende Rede von Herrn Dregger.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir sollten uns alle zusammen, wie ich finde, gegenseitig ein hohes Maß an Betroffenheit bescheinigen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich für meine Person sage Ihnen, daß ich betroffen bin von dieser Debatte, daß ich betroffen bin von der Entscheidung, die ich zu fällen habe. Ich möchte Ihnen deswegen sagen, welche Entscheidung es ist und auf welchen Gründen ich diese Entscheidung basiere.
    Ich komme zu dem Ergebnis, daß die amtierende Bundesregierung in der Tat unsere deutschen Interessen unzureichend vertreten hat.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Von ihr sind keine Impulse ausgegangen — und daran hat auch diese Debatte nichts geändert —, um zu einem Verhandlungsergebnis zu kommen. Mich wundert das eigentlich nicht, Herr Kollege Wörner. Ich bringe nun ein wörtliches Zitat. Sie haben bereits am 2. Februar 1979 in der Phase der Vorbereitung des NATO-Doppelbeschlusses in einem Interview der „Saarbrücker Zeitung" wörtlich folgendes ausgeführt:
    Aussicht auf Erfolg haben solche Verhandlungen erst dann, wenn der Westen in diesem Bereich etwas anzubieten hat. Daraus folgt: Auch wer an erfolgreicher Abrüstung interessiert ist, muß zunächst daran interessiert sein, nicht nur Blaupausen, sondern Waffensysteme in diesem Bereich bereits zu haben.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das hat sich leider bestätigt!)

    Franz Josef Strauß hat das am 18. Juli 1981 im „Bayernkurier" fortgeführt, indem er vom Geburtsfehler des NATO-Doppelbeschlusses gesprochen hat. Ich gebe zu, Herr Kollege Wörner, Sie haben dann später Ihre Meinung geändert. Aber als Reserveoffizier verstehen Sie natürlich etwas von Täuschen und Tarnen.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Aber die Grundposition damals haben Sie durchgehalten, und Sie haben Ihr Ziel j a auch erreicht: Die Verhandlungen sind gescheitert.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU — Abg. Dr. Todenhöfer [CDU/ CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Der Verhandlungsteil des NATO-Doppelbeschlusses ist nach dem Regierungswechsel in der Tat verkommen. — Lassen Sie mich den Gedanken zu Ende führen. Ich nehme dann gerne eine Frage entgegen.
    Ich finde auch, wir sollten uns — auch als Sozialdemokraten — nicht darüber aufregen, daß Helmut Kohl den sogenannten Waldspaziergang, die in Genf gefundene Kompromißvorformel, nicht eingebracht hat. Denn Alfred Dregger hat ihm doch in



    Dr. Apel
    einem „Spiegel"-Interview klipp und klar gesagt, daß für die CDU/CSU „die amerikanischen Pershing-Raketen auf deutschen Boden unabdingbar sind,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    wenn nicht alle SS 20 verschwinden". Auch dies ist ein wörtliches Zitat aus dem „Spiegel".