Rede:
ID1003612100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter,: 1
    3. gestatten: 1
    4. Sie: 1
    5. eine: 1
    6. Zwischenfrage: 1
    7. des: 1
    8. Abgeordneten: 1
    9. Dr.: 1
    10. Hauff?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . 2460B, 2567 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Doppelbeschluß der NATO und Stand der Genfer INF-Verhandlungen in Verbindung mit Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Doppelbeschluß der NATO und Stand der . Genfer INF-Verhandlungen — Drucksache 10/617 — in Verbindung mit Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 in seinen beiden Teilen — Drucksache 10/620 — in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD NATO-Doppelbeschluß und Stand der INF-Verhandlungen — Drucksache 10/621 — Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . . 2459 B Fischer (Frankfurt) GRÜNE (zur GO) . 2459C Porzner SPD (zur GO) 2459 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2460 B Horn SPD 2469 D Präsident Dr. Barzel 2585D, 2586 A Biehle CDU/CSU 2475 B Frau Nickels GRÜNE 2481 C Vizepräsident Stücklen 2482 A Schäfer (Mainz) FDP 2483 C Waltemathe SPD 2488 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 2492 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 2494 D Brandt SPD 2498 D Vizepräsident Wurbs 2503A, 2512 D Schily GRÜNE (zur GO) 2510 B Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . 2511 A Porzner SPD (zur GO) 2511 D Rühe CDU/CSU 2512 B Frau Kelly GRÜNE 2520 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2524 A Vizepräsident Westphal 2527 B, 2568 A Schröder (Hannover) SPD 2527 B Dr. Kronenberg CDU/CSU 2530A Dr. Apel SPD 2533 B Reents GRÜNE 2536 A Dr. Feldmann FDP 2539 D Klein (München) CDU/CSU 2541 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2547 B Horacek GRÜNE 2550 B Wischnewski SPD 2552 A Ertl FDP 2553 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 2556A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 2560 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . 2563 B Reents GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 2566 D Burgmann GRÜNE (zur GO) 2567 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 GO Dr. Haack SPD 2568 C Dr. Hirsch FDP 2569 B Krizsan GRÜNE 2569 D Sauermilch GRÜNE 2570 B Reents GRÜNE 2571 A Schwenninger GRÜNE 2571C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 2572 B Dr. Jannsen GRÜNE 2572 D Bastian GRÜNE 2573 B Drabiniok GRÜNE 2573 D Frau Reetz GRÜNE 2574 B Schneider (Berlin) GRÜNE 2574 D Burgmann GRÜNE 2575 D Horacek GRÜNE 2576 C Stratmann GRÜNE 2577 A Frau Potthast GRÜNE 2578A Frau Schoppe GRÜNE 2579 A Frau Dr. Bard GRÜNE 2579 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 2580 C Frau Kelly GRÜNE 2581 D Frau Dr. Hickel GRÜNE 2582 C Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2583A Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 2584A Hoss GRÜNE 2584 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 2585A Schily GRÜNE 2585 C Namentliche Abstimmungen 2586 B, 2588 B, 2590 B Einspruch des Abg. Vogt (Kaiserslautern) gegen den am 21. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 A Einspruch des Abg. Schily gegen den am 22. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 B Nächste Sitzung 2592 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2593* A Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abg. Dr. Dieter Haack . . . . 2593* A Anlage 3 Erklärung des Abg. Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2593* B Anlage 4 Erklärung der Abg. Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO . 2594* A Anlage 5 Erklärung des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2594* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2459 36. Sitzung Bonn, den 22. November 1983 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 35. Sitzung, Seite 2448 B, 7. Zeile von unten: Statt „Allergie" ist „Allegorie" zu lesen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2593* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Haehser 25. 11. Immer (Altenkirchen) 25. 11. Kastning 25. 11. Dr. h. c. Lorenz 25. 11. Offergeld 25. 11. Petersen 25. 11. Frau Dr. Wex 25. 11. Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abgeordneten Dr. Dieter Haack gez. Dr. Dieter Haack gez. Horst Grunenberg gez. Dr. Hans de With ) gez. Peter Würtz gez. Bruno Wiefel gez. Manfred Schulte (Unna) gez. Engelbert Sander gez. Horst Haase (Fürth) gez. Erwin Stahl gez. Dr. Axel Wernitz gez. Egon Franke (Hannover) gez. Lothar Löffler gez. Rudolf Purps gez. Kurt Vogelsang gez. Fritz Gerstl gez. Annemarie Renger gez. Dr. Müller-Emmert gez. Günter Herterich gez. Hans Matthöfer gez. Dr. Karl Ahrens gez. Erich Berschkeit Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 Geschäftsordnung: Vor mehr als 20 Jahren formulierten die Heidelberger Thesen der Evangelischen Kirche: Das System der atomaren Abschreckung müsse für eine Anlagen zum Stenographischen Bericht gewisse Zeit hingenommen werden. Es verschaffe den politisch Verantwortlichen aber nur eine Gnadenfrist, um durch atomare Abrüstung das System der atomaren Abschreckung überwinden zu können. Diese Gnadenfrist ist in keiner Weise zu atomarer Abrüstung genutzt worden — im Gegenteil. Diese Gnadenfrist geht zu Ende. „Abschreckung" soll jetzt erreicht werden, indem man sich auf das lange Undenkbare — den Atomkrieg - vorbereitet, durch Strategien des Sieges im Atomkrieg ebenso wie durch die Entwicklung von Atomwaffen, die nicht mehr der politischen Abschreckung dienen, sondern zum Einsatz im Atomkrieg vorgesehen sind. Auch die Pershing-Il-Raketen dienen nicht mehr der politischen Abschreckung, sondern dem Einsatz im erwogenen Atomkrieg. Nicht nur ihr Einsatz, sondern schon ihre Produktion und ihre Stationierung sind für mich unverantwortbar. Wir haben kein Recht, die Vernichtung der Welt, der Schöpfung Gottes, planmäßig vorzubereiten. Ein Zweites bestärkt mich in meinem entschiedenen Nein zu weiterer atomarer Aufrüstung: Diplomatie, Rüstungskontrollverhandlungen sind für mich bislang letztendlich nur die Kulisse, hinter denen Entscheidungen über neue Rüstungstechnologien, neue Kernwaffensysteme getroffen werden. Dabei dominieren wirtschaftliche und militärische Interessen, politische Kontrolle findet weitgehend nicht statt. 15 Minuten, so berichtete Valentin Falin, habe das ZK der KPdSU dazu gebraucht, der Umwandlung einer geplanten neuen dreistufigen Langstreckenrakete in die zweistufige SS 20 zuzustimmen. Im Jahre 1978 erhielt die amerikanische Rüstungsfirma Marietta Martin den Auftrag, bis 1986 Pershing II herzustellen. Die Raketen sollten von vornherein in Europa stationiert werden. Eine politische Diskussion fand darüber weder in den USA noch in Europa statt. Der NATO-Doppelbeschluß beschleunigte lediglich den Fertigstellungstermin für die ersten Raketen um zwei Jahre. Mein Nein zur Raketenstationierung ist der Versuch, der Politik wenigstens die Chance zu geben, endlich auf den atomaren Aufrüstungsprozeß Einfluß nehmen zu können. Planspiele in Ost und West malen das Bild eines „fährbaren und gewinnbaren Atomkrieges". Uns wird versichert, kein vernünftiger Mensch könne jemals einen derartigen Versuch wagen. Aber wäre der Erste oder der Zweite Weltkrieg je zustande gekommen, wenn nicht auch deutsche Politiker und Militärs versucht hätten, das Unmögliche möglich zu machen? „Schlieffen-Plan" und „Blitzkriegstrategie" wollten doch das Unmögliche, einen Sieg Deutschlands über ganz Europa, möglich machen. Ich fürchte, daß erneut — auch im atomaren Zeitalter - Menschen der Versuchung erliegen könnten, das Undenkbare — den Sieg im Atomkrieg — denkbar und umsetzbar zu machen. Deshalb stimme ich gegen den Antrag der Regierungsfraktionen, mit der Aufstellung von Pershing II und Cruise Missiles auf deutschem Boden zu beginnen, und unterstütze das Nein meiner Fraktion. 2594* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Anlage 4 Erklärung der Abgeordneten Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO: Die Vollversammlung des Ökumenischen Weltrates der Kirchen ist im Sommer dieses Jahres aus christlicher Überzeugung zu einer Erklärung gekommen, in der es u. a. heißt: Ein Atomkrieg ist unter keinen Umständen, in keiner Region und durch kein Gesellschaftssystem zu rechtfertigen oder als gerecht zu erklären, denn das Ausmaß der daraus folgenden Zerstörung steht in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, den man sich davon verspricht. Das Konzept der Abschreckung, dessen Glaubwürdigkeit von der Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen abhängt, ist aus moralischen Gründen abzulehnen und ungeeignet, Frieden und Sicherheit langfristig zu wahren. Die Herstellung und Stationierung von Kernwaffen sowie deren Einsatz sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Dieses sind keine Aussagen für das Leben in einem paradiesischen Jenseits, sondern für unser Handeln heute. Wir kommen als Christen zum gleichen Ergebnis und werden uns auch in unserem politischen Handeln danach richten. Der Antrag der SPD entspricht in den wichtigsten Passagen dieser Zielsetzung. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zu. Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO Zur Abstimmung über die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik gebe ich folgende Erklärung ab: Bereits am 26. Mai 1981 habe ich zusammen mit vier weiteren sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gegen eine Stationierung gestimmt. Die Vorgänge in den letzten zweieinhalb Jahren, insbesondere der mangelnde Verhandlungswille der beiden Supermächte in Genf, aber auch der deutliche Mehrheitswille unserer Bürger wie die Argumente der Friedensbewegung haben mich in meinem Abstimmungsverhalten noch bestärkt. Ich bin sehr froh, daß mein NEIN heute im Einklang mit dem NEIN meiner Partei, der SPD, und im Einklang mit dem Mehrheitswillen meiner Fraktion steht. Mein NEIN ist weder zeit- noch situationsbedingt, sondern ein kategorisches NEIN, weil ich die denkbaren, die möglichen und die wahrscheinlichen Folgen dieser Stationierung vor meinem Gewissen nicht verantworten kann. Die Gründe für mein NEIN fasse ich wie folgt zusammen: 1. Die neuen Nuklearwaffen sind, wie im übrigen auch die sowjetischen SS 20, geeignet, Millionen friedlicher Menschen auf Knopfdruck in wenigen Minuten auszurotten und weite Teile Europas auf Jahrtausende hinaus zu verwüsten. Kein wie immer gearteter Zweck kann ihren Einsatz rechtferigen. Wer diese Waffen annimmt, nimmt, auch wenn er ihn nicht will, den Völkermord billigend in Kauf. 2. Mit den neuen Nuklearwaffen soll erneuter Schrecken über die osteuropäischen Völker verbreitet werden. Damit läßt sich vielleicht vorübergehend Krieg abschrecken, aber niemals ein dauerhafter Friede zwischen den Völkern begründen. Der Friede wächst nicht auf Raketen, sondern nur auf Entspannung, Aussöhnung, Verständigung und Sicherheitspartnerschaft über alle unverwischbaren ideologischen Grenzen hinweg. 3. Die Sicherheit unseres Volkes ist vielfach gewährleistet. Sie bedarf dieser neuen Nuklearwaffen nicht. Diese Waffen machen unser Volk nicht mehr sicherer, sondern unermeßlich bedrohter, weil sie gegnerische Atomschläge letzten Endes nicht abschrecken, sondern im Konfliktfall auf sich ziehen. 4. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion nicht zur Abrüstung veranlassen. Der Versuch, mit mehr und immer mehr Waffen zu weniger Waffen auf der Welt zu kommen, ist ein durch die jüngere Geschichte längst widerlegter Wahnsinn. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion zu weiterer Aufrüstung mit Kurzstreckenraketen veranlassen. Diese wiederum wird den Grund oder Vorwand für erneute „Nach"rüstung im Westen abgeben. Auf diese Weise kommt es mit zwangsläufiger Sicherheit zu einer neuen mörderischen Dynamik im weltweiten Wettrüsten. Wie die Menschheitsgeschichte in Hunderten von Fällen lehrt, steht am Ende einer solchen Hochrüstung nicht der Friede, sondern der Krieg. Der nächste Krieg ist aber nicht irgendeiner, den man schlecht oder recht überleben könnte. Er kann in der Vernichtung der Menschheit enden. 5. Die Stationierung neuer Nuklearwaffen und die damit verbundene ausschließliche Einsatzgewalt des Präsidenten der Vereinigten Staaten, zerstört die sowieso schon eingeschränkte Souveränität der Bundesrepublik im Wesensgehalt. Wie kann im übrigen die uns allen gemeinsame Lehre des 2. Weltkriegs beherzigt werden, wonach von deutschem Boden nie mehr wieder ein Krieg ausgehen darf, wenn in unserem Vaterland nukleare Vernichtungswaffen als Angriffswaffen stationiert werden und ein einziger Amerikaner über den Einsatz dieser Waffen entscheiden darf oder binnen weniger Minuten Warnzeit entscheiden muß?
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein. — Herr Brandt, überhaupt, was moralische Positionen angeht: Wer den Doppelbeschluß in seinen beiden Teilen und damit auch Raketen über Jahre hinweg offensichtlich gegen die wirkliche Einsicht verteidigt hat, wer die Aufstellung von Raketen unterstützt, um Posten zu behalten, vertritt doch eine erbärmliche moralische Position.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    — Sie winken ab, Herr Brandt, aber Sie haben doch selbst gesagt, Sie hätten diesen Doppelbeschluß gegen Ihre eigentliche Meinung über Jahre nur deswegen unterstützt, damit Helmut Schmidt Bundeskanzler und Hans Apel Verteidigungsminister bleiben kann.

    (Brandt [SPD]: Quatsch!)

    Was ist das für eine moralische Position! Da sind mir doch Leute lieber, die so etwas aus ehrlichem Herzen und konsequent ablehnen. Aber wer dies nur unterstützt, um an der Macht zu bleiben, um die Posten zu behalten, der hat moralisch die denkbar schlechteste Position, Herr Brandt.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hauff?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Rühe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich gehe jetzt nicht auf Zwischenfragen ein. Ich setze mich mit Herrn Brandt auseinander, ja; da werden Sie sich nicht dazwischenstellen können.

    (Dr. Hauff [SPD]: Wider besseres Wissen behaupten Sie solche Dinge! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wenn Sie mir als jüngerem Parlamentarier gestatten, Herr Brandt: Ich finde, daß Sie auf Grund Ihrer Lebensgeschichte, was Ihr Auftreten hier im Parlament angeht, auch im Hinblick auf die Autorität des Parlamentspräsidenten, allen Anlaß haben, für die junge Generation draußen vorbildlich zu wirken, für eine junge Generation, der wir immer wieder vorleben müssen, was dieses Parlament für dieses demokratische Land bedeutet. Ich glaube, auch diesem Anspruch sind Sie mit Ihrer Rede nicht gerecht geworden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Alles das, was Sie gesagt haben, Herr Brandt, kann eben nicht davon ablenken, daß Ihre Partei in diesen Tagen den wohl dramatischsten und spektakulärsten politischen Kurswechsel in der deutschen Nachkriegsgeschichte vollzieht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer glaubt, dies sei eine Übertreibung, der möge doch einmal zur Kenntnis nehmen, daß der ehemalige Bundeskanzler Schmidt, die ehemaligen Minister Leber, Apel, Matthöfer und Wischnewski, die noch vor einem Jahr führende Repräsentanten der deutschen Sozialdemokratie in Staat und Partei waren, am Wochenende in Köln zu einer 3 %igen Splittergruppe der SPD gehörten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Das Gesicht einer Partei, Herr Brandt — und Sie sind j a der Vorsitzende dieser Partei —, läßt sich auch an ihren Außenseitern erkennen: gestern Coppik, Eppler und Lafontaine, heute Schmidt, Matthöfer und Apel.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dafür, daß es so weit gekommen ist, tragen Sie die entscheidende und eine schwere Verantwortung.
    Sie richten Ihre Sicherheitspolitik — zusammen mit Herrn Vogel — nach dem, was in der SPD heute möglich ist. Wir in der Union

    (Oostergetelo [SPD]: Stehen geschlossen zusammen!)

    richten unsere Sicherheitspolitik nach dem, was für unser Land nötig ist; das ist der entscheidende Unterschied.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung hat ein Beispiel für Standfestigkeit und Berechenbarkeit gesetzt

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Oh je!)

    und damit zur Berechenbarkeit unseres Landes entscheidend beigetragen: nach Westen und nach Osten, gerade auch nach Osten. Werfen wir doch einmal einen Blick zurück: Als Bundeskanzler Kohl die Verantwortung übernahm, behauptete die SPD landauf, landab, daß in der Ost- und Deutschlandpolitik jetzt nichts mehr laufen werde; das Gegenteil ist der Fall. Die damalige Angstmache der Sozialdemokraten hat sich als völlig grundlos herausgestellt. Auch die heutige Panikmache wird sich als gegenstandslos erweisen.

    (Abg. Brandt [SPD] verläßt den Plenarsaal)

    — Herr Brandt ist an der parlamentarischen Debatte offensichtlich nicht weiter interessiert. Ich



    Rühe
    glaube, das bestätigt das, was ich über seine Rolle in diesem Parlament gesagt habe.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD — Glocke des Präsidenten)

    Aber das Entscheidende ist ja, daß sich die Mitbürger draußen das anhören werden, was in diesem Parlament über die Position der heutigen Sozialdemokratie gesagt werden muß. Daran können Sie nichts ändern, wenn Sie rausgehen, Herr Brandt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung hat von Anfang an gegenüber dem anderen Staat in Deutschland wie gegenüber den anderen Nachbarn im Osten eine aktive und betont konstruktive Politik entwickelt. Sie hat es bewußt vermieden, die gegenseitigen Beziehungen auf die Raketenfrage zu verengen. Sie hat vielmehr diese Beziehungen in ihrer vollen Breite gefördert und vertieft. Sie hat damit unterstrichen, daß unserer Sicherheitspolitik keine aggressiven Motive und keine konfrontativen Zielsetzungen zugrunde liegen, sondern allein defensive Bedürfnisse unserer Verteidigung.
    Diese Politik ist im Osten verstanden worden, und sie hat Früchte getragen. Ich erinnere nur daran, was in den jüngsten Tagen im innerdeutschen Verhältnis möglich war, und auch an die Gespräche von Graf Lambsdorff in Moskau. Unsere ostpolitischen Perspektiven reichen über den Tag der Nachrüstung hinaus. Denn es ist unsinnig anzunehmen, daß das Ende des Jahres auch das Ende aller Ostpolitik bedeuten würde.
    Natürlich wissen wir, daß sich die Raketenproblematik belastend auf die Ost-West-Beziehungen auswirkt und auch auf die Beziehungen zu unseren östlichen Nachbarn. Wer wollte das bestreiten? Doch eben darum sind wir bemüht, ein Ost-West-Klima zu schaffen, das Abrüstungsverhandlungen begünstigt. Eben darum fördern wir die Verhandlungen in Genf und drängen auf einen fairen Kompromiß.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Bei solchen Reden!)

    Es ist einfach unredlich, wenn die SPD ständig behauptet, die Bundesregierung habe zuwenig auf ein Genfer Verhandlungsergebnis hingewirkt. Diese Behauptung wird auch durch dauerndes Wiederholen nicht richtiger. Die Vorwürfe der SPD sind in dieser Debatte schon häufig wiederlegt worden.
    Das gleiche gilt von dem Anspruch der Sozialdemokraten, mit ihrer heutigen sicherheitspolitischen Einstellung, mit ihrem Nein zum Doppelbeschluß, in der Kontinuität ihrer früheren Politik zu stehen. Auch diese Behauptung steht im Widerspruch zu den Tatsachen. Die ständige Beschwörung ihrer angeblichen politischen Kontinuität ist zur Lebenslüge der deutschen Sozialdemokraten geworden.

    (Dr. Scheer [SPD]: Dafür gibt es keinen Ordnungsruf! — Dr. Apel [SPD]: Er hat eben eine Lüge ausgesprochen! — Dr. Hauff [SPD]: „Lebenslügner!")

    Das, was die SPD heute als ihre Sicherheitspolitik ausgibt, gleicht einem unmöglichen politischen Spagat; denn die SPD sagt zugleich ja zum Bündnis und nein zur Bündnispolitik. Aber ihr heutiges Ja zum Bündnis ist nicht mehr wert als ihr früheres Ja zum Doppelbeschluß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Denn was wird der, der gestern für den Doppelbeschluß war und heute dagegen ist, morgen sagen?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Bekenntnis zu atlantischen Allianz klingt hohl bei Ihnen, wenn gleichzeitig die von der Allianz beschlossene Politik aufgekündigt wird.

    (Dr. Scheer [SPD]: Erst einmal einen Rednerkurs besuchen!)

    Denn das NATO-Bündnis ist keine leere Hülle, die sich mit beliebigen Inhalten füllen ließe. Das Bündnis wird zusammengehalten durch die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder und durch den Konsens über die dafür notwendige Politik. Wer diesen Konsens aufkündigt, begibt sich aus der Bündnissolidarität heraus, er kündigt der Sache nach seine Mitgliedschaft, auch wenn er formal im Bündnis bleibt. Ja zum Bündnis und nein zur Bündnispolitik, das geht nicht auf. Das ist der vorprogrammierte Ausstieg der SPD aus dem Bündnis.

    (Dr. Apel [SPD]: Das hättet ihr wohl gern!)

    Mit ihrem Wortbruch, mit ihrem Nein zum NATO- Doppelbeschluß zeigt die SPD, daß sie nicht mehr NATO-fähig ist, daß sie nicht mehr bündnisfähig ist. Denn auf Wortbruch läßt sich kein Bündnis gründen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Scheer [SPD]: Dummes Geschwätz!)

    Ich darf Helmut Schmidt zitieren, gestern gegenüber dem „Allgemeen Dagblad" in den Niederlanden:
    Die Partei — die SPD —
    wird sich an den vergangenen Sonnabend noch lange erinnern. Mit der heutigen Politik wird es ihr nicht gelingen, wieder an die Regierung zu kommen.

    (Dr. Scheer [SPD]: Das könnte Ihnen so passen! — Zuruf von der CDU/CSU: Da hat er recht!)

    Nun werden Sie sagen: Was macht der sich Sorgen darum, daß wir wieder an die Regierung kommen? — Das mag oberflächlich auch stimmen. Aber für unser Land ist es wichtig — jetzt hören Sie genau zu —, daß es eine demokratische Alternative gibt, die auch außenpolitisch zuverlässig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich habe mir noch einmal die Rede von Herbert Wehner aus der Debatte aus dem Jahre 1960 herausgesucht. Hier greife ich einen Satz von Herbert Wehner heraus. Herbert Wehner hat für die damalige Opposition, die SPD, gesagt:



    Rühe
    Die Bundesrepublik ist ein zuverlässiger Vertragspartner, gleichgültig, ob die jetzige Regierung oder die gegenwärtige Opposition als Regierung die Geschäfte führt.
    Daß ein solcher Satz heute nicht mehr glaubwürdig gesagt werden kann, das ist die Tragödie der neuen Sozialdemokraten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer wundert sich eigentlich darüber, daß sich bei unseren Freunden inzwischen Ratlosigkeit und auch Bestürzung ausbreiten, daß man sich fragt, welchen politischen Koordinaten die Deutschen künftig folgen wollen. Lassen Sie mich namens der stärksten politischen Kraft in unserem Lande, der CDU/CSU, einige klärende Worte sagen.
    Zunächst ein Wort an unsere Freunde im Westen. Sie sollen wissen, daß unsere Entscheidung für den Westen keine geographische sondern eine politischmoralische Entscheidung war, die unwiderruflich ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir gründen unsere Politik auf das gemeinsame Wertesystem von Menschenrechten, Demokratie und Freiheit, und wir sind entschlossen, diese Werte gemeinsam zu verteidigen. Unsere Freunde können sich auf uns verlassen, so wie wir uns auch auf sie verlassen. Niemand soll sich irremachen lassen. Wir bleiben verläßlich, auch in krisenhaften Zeiten. Wir haben keine Angst vor unseren Freunden, wenn ich Herrn Lafontaine, den von Herrn Brandt protegierten Lafontaine, mit seinem Buchtitel hier zitieren darf. Das ist als Anklage gemeint, „Angst vor den Freunden"; in Wirklichkeit ist das die schlüssigste Selbstentlarvung der heutigen Sozialdemokratie die man sich nur vorstellen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben keine Angst vor unseren Freunden, Wir vertrauen ihnen, und sie können uns vertrauen.
    Ein ganz spezielles Wort zu unseren amerikanischen Freunden. Sie stehen mit uns Schulter an Schulter im Bündnis. Nur die USA sind bereit und in der Lage, einen Angriff gegen uns als einen Angriff gegen sich selbst zu betrachten. Damit übernehmen sie ein Risiko, das niemand sonst übernehmen will und kann. Damit binden sie ihr eigenes Schicksal an das unsere. Diese freiwillige Schicksalsgemeinschaft garantiert unseren Frieden und unsere Freiheit. Ihnen dafür mit Antiamerikanismus zu begegnen, das ist von Manès Sperber in seiner wichtigen Rede zu Recht als „aggressive Undankbarkeit" gekennzeichnet worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Lassen Sie mich ebenso ein Wort an unsere Nachbarn im Osten richten. Wir wollen gute Nachbarn sein, wir wollen Zusammenarbeit und wir wollen einen Dialog der Verständigung. Wir übersehen nicht die ideologischen und gesellschaftlichen Gegensätze und ebensowenig die unterschiedlichen Bündnisverpflichtungen. Aber wir sind entschlossen, nicht das Trennende in den Vordergrund zu stellen sondern das Verbindende. Wir gehören gemeinsam zur europäischen Völkerfamilie. Gemeinsame geschichtliche Erfahrungen verbinden uns im Guten wie im Schlechten. Wir wollen die gegenseitigen Beziehungen weiter entwickeln und vertiefen, zum gegenseitigen Nutzen und ohne den jeweiligen Freunden damit zu schaden.
    Ein besonderes Wort gilt nicht zuletzt unseren Landsleuten in der DDR. Wir Deutschen in Ost und West sind uns einig in dem Wunsch, den Frieden zu bewahren und zu festigen. Wir sind dies um so mehr, als die beiden deutschen Teilstaaten jeweils gegnerischen Militärbündnissen angehören. Daraus ergibt sich für die beiden Regierungen eine besondere Verantwortung, nämlich die Verantwortung, gerade in einer schwierigen und angespannten Situation beruhigend auf die internationale Lage einzuwirken. Wir Deutschen werden den OstWest-Gegensatz nicht beseitigen können. Was wir aber tun können, ist, diesen Gegensatz in der Praxis unserer Beziehungen zu entschärfen. Wir können damit ein Beispiel geben, das über unsere eigenen Grenzen hinaus wirkt. Wir können und wir sollten daher ein deutsches Modell für eine wirkliche Entspannung über die trennenden Systemgrenzen hinweg entwickeln. Von unseren gegenseitigen Beziehungen müssen positive Impulse für das Ost-WestVerhältnis insgesamt ausgehen. Damit dienen wir dem Frieden in Europa, und wir dienen damit zugleich auch den Interessen der Deutschen. Denn im Vordergrund unserer Politik stehen die Interessen der Menschen im geteilten Deutschland. Deshalb wollen und werden wir die innerdeutschen Beziehungen in einer Weise gestalten, daß die Menschen davon einen unmittelbaren, einen greifbaren, einen erfahrbaren Vorteil haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)

    In diesem Sinne haben wir unsere Politik gegenüber der DDR angelegt, und wir werden sie auch in diesem Sinne fortführen. Wir können schon erste Erfolge dieser betont konstruktiven Politik feststellen. Das ermutigt uns, auf diesem Wege weiterzugehen. Wir erwarten dabei, daß unser guter Wille von der anderen Seite ergänzt wird, denn die Qualität gegenseitiger Beziehungen hängt nun einmal von dem Verhalten beider Seiten ab.
    Wir bitten unsere Landsleute in der DDR um ihr Vertrauen zu unserer Politik, die ihren Interessen dienen will. Wir wissen, was sie von uns erwarten. Wir sind entschlossen, diesen Erwartungen gerecht zu werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, die Politik der Bundesrepublik Deutschland wird auch von ihrer geopolitischen Lage bestimmt. Wir gehören kraft freier Entscheidung zum Westen, aber wir wollen aus guten Gründen auch Brücken zum Osten bauen. Für diese Politik gibt es klare Grundsätze: Verständigung und fairer Interessenausgleich mit dem Osten, aber Freundschaft und vertrauensvolle Partnerschaft mit dem Westen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Rühe
    Zusammenarbeit mit den östlichen Nachbarn, aber solidarisches Handeln mit unseren westlichen Freunden, wirkliche Entspannung im Verhältnis zu den Staaten des Warschauer Paktes, aber Festigung des atlantischen Verteidigungsbündnisses. Mit diesen Grundsätzen sind wir berechenbar, im Osten wie im Westen. Mit unserer Berechenbarkeit schaffen wir Vertrauen, schaffen wir Frieden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des militärischen Verhaltens in der Kombination mit Maßnahmen zur Förderung der Abrüstung werden gerade auch in der Schlußakte der Konferenz in Helsinki über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa von 1975 als grundlegende Prinzipien von höchster politischer Bedeutung für die Stärkung von Vertrauen, Sicherheit und Stabilität in Europa genannt.
    Der NATO-Doppelbeschluß vom Dezember 1979 entspricht genau diesen Prinzipien. Er läßt sich damit im Sinne der Schlußakte der KSZE-Konferenz als vertrauensbildende Maßnahme bezeichnen, denn erstmals in der Geschichte der Rüstungskontrollpolitik wird hier der Versuch unternommen, die Spirale von Vorrüstung und Nachrüstung zu durchbrechen und zu einer wirklichen Abrüstung zu gelangen.