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ID1003606900

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    Plenarprotokoll 10/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . 2460B, 2567 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Doppelbeschluß der NATO und Stand der Genfer INF-Verhandlungen in Verbindung mit Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Doppelbeschluß der NATO und Stand der . Genfer INF-Verhandlungen — Drucksache 10/617 — in Verbindung mit Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 in seinen beiden Teilen — Drucksache 10/620 — in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD NATO-Doppelbeschluß und Stand der INF-Verhandlungen — Drucksache 10/621 — Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . . 2459 B Fischer (Frankfurt) GRÜNE (zur GO) . 2459C Porzner SPD (zur GO) 2459 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2460 B Horn SPD 2469 D Präsident Dr. Barzel 2585D, 2586 A Biehle CDU/CSU 2475 B Frau Nickels GRÜNE 2481 C Vizepräsident Stücklen 2482 A Schäfer (Mainz) FDP 2483 C Waltemathe SPD 2488 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 2492 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 2494 D Brandt SPD 2498 D Vizepräsident Wurbs 2503A, 2512 D Schily GRÜNE (zur GO) 2510 B Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . 2511 A Porzner SPD (zur GO) 2511 D Rühe CDU/CSU 2512 B Frau Kelly GRÜNE 2520 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2524 A Vizepräsident Westphal 2527 B, 2568 A Schröder (Hannover) SPD 2527 B Dr. Kronenberg CDU/CSU 2530A Dr. Apel SPD 2533 B Reents GRÜNE 2536 A Dr. Feldmann FDP 2539 D Klein (München) CDU/CSU 2541 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2547 B Horacek GRÜNE 2550 B Wischnewski SPD 2552 A Ertl FDP 2553 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 2556A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 2560 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . 2563 B Reents GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 2566 D Burgmann GRÜNE (zur GO) 2567 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 GO Dr. Haack SPD 2568 C Dr. Hirsch FDP 2569 B Krizsan GRÜNE 2569 D Sauermilch GRÜNE 2570 B Reents GRÜNE 2571 A Schwenninger GRÜNE 2571C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 2572 B Dr. Jannsen GRÜNE 2572 D Bastian GRÜNE 2573 B Drabiniok GRÜNE 2573 D Frau Reetz GRÜNE 2574 B Schneider (Berlin) GRÜNE 2574 D Burgmann GRÜNE 2575 D Horacek GRÜNE 2576 C Stratmann GRÜNE 2577 A Frau Potthast GRÜNE 2578A Frau Schoppe GRÜNE 2579 A Frau Dr. Bard GRÜNE 2579 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 2580 C Frau Kelly GRÜNE 2581 D Frau Dr. Hickel GRÜNE 2582 C Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2583A Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 2584A Hoss GRÜNE 2584 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 2585A Schily GRÜNE 2585 C Namentliche Abstimmungen 2586 B, 2588 B, 2590 B Einspruch des Abg. Vogt (Kaiserslautern) gegen den am 21. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 A Einspruch des Abg. Schily gegen den am 22. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 B Nächste Sitzung 2592 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2593* A Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abg. Dr. Dieter Haack . . . . 2593* A Anlage 3 Erklärung des Abg. Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2593* B Anlage 4 Erklärung der Abg. Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO . 2594* A Anlage 5 Erklärung des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2594* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2459 36. Sitzung Bonn, den 22. November 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 35. Sitzung, Seite 2448 B, 7. Zeile von unten: Statt „Allergie" ist „Allegorie" zu lesen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2593* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Haehser 25. 11. Immer (Altenkirchen) 25. 11. Kastning 25. 11. Dr. h. c. Lorenz 25. 11. Offergeld 25. 11. Petersen 25. 11. Frau Dr. Wex 25. 11. Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abgeordneten Dr. Dieter Haack gez. Dr. Dieter Haack gez. Horst Grunenberg gez. Dr. Hans de With ) gez. Peter Würtz gez. Bruno Wiefel gez. Manfred Schulte (Unna) gez. Engelbert Sander gez. Horst Haase (Fürth) gez. Erwin Stahl gez. Dr. Axel Wernitz gez. Egon Franke (Hannover) gez. Lothar Löffler gez. Rudolf Purps gez. Kurt Vogelsang gez. Fritz Gerstl gez. Annemarie Renger gez. Dr. Müller-Emmert gez. Günter Herterich gez. Hans Matthöfer gez. Dr. Karl Ahrens gez. Erich Berschkeit Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 Geschäftsordnung: Vor mehr als 20 Jahren formulierten die Heidelberger Thesen der Evangelischen Kirche: Das System der atomaren Abschreckung müsse für eine Anlagen zum Stenographischen Bericht gewisse Zeit hingenommen werden. Es verschaffe den politisch Verantwortlichen aber nur eine Gnadenfrist, um durch atomare Abrüstung das System der atomaren Abschreckung überwinden zu können. Diese Gnadenfrist ist in keiner Weise zu atomarer Abrüstung genutzt worden — im Gegenteil. Diese Gnadenfrist geht zu Ende. „Abschreckung" soll jetzt erreicht werden, indem man sich auf das lange Undenkbare — den Atomkrieg - vorbereitet, durch Strategien des Sieges im Atomkrieg ebenso wie durch die Entwicklung von Atomwaffen, die nicht mehr der politischen Abschreckung dienen, sondern zum Einsatz im Atomkrieg vorgesehen sind. Auch die Pershing-Il-Raketen dienen nicht mehr der politischen Abschreckung, sondern dem Einsatz im erwogenen Atomkrieg. Nicht nur ihr Einsatz, sondern schon ihre Produktion und ihre Stationierung sind für mich unverantwortbar. Wir haben kein Recht, die Vernichtung der Welt, der Schöpfung Gottes, planmäßig vorzubereiten. Ein Zweites bestärkt mich in meinem entschiedenen Nein zu weiterer atomarer Aufrüstung: Diplomatie, Rüstungskontrollverhandlungen sind für mich bislang letztendlich nur die Kulisse, hinter denen Entscheidungen über neue Rüstungstechnologien, neue Kernwaffensysteme getroffen werden. Dabei dominieren wirtschaftliche und militärische Interessen, politische Kontrolle findet weitgehend nicht statt. 15 Minuten, so berichtete Valentin Falin, habe das ZK der KPdSU dazu gebraucht, der Umwandlung einer geplanten neuen dreistufigen Langstreckenrakete in die zweistufige SS 20 zuzustimmen. Im Jahre 1978 erhielt die amerikanische Rüstungsfirma Marietta Martin den Auftrag, bis 1986 Pershing II herzustellen. Die Raketen sollten von vornherein in Europa stationiert werden. Eine politische Diskussion fand darüber weder in den USA noch in Europa statt. Der NATO-Doppelbeschluß beschleunigte lediglich den Fertigstellungstermin für die ersten Raketen um zwei Jahre. Mein Nein zur Raketenstationierung ist der Versuch, der Politik wenigstens die Chance zu geben, endlich auf den atomaren Aufrüstungsprozeß Einfluß nehmen zu können. Planspiele in Ost und West malen das Bild eines „fährbaren und gewinnbaren Atomkrieges". Uns wird versichert, kein vernünftiger Mensch könne jemals einen derartigen Versuch wagen. Aber wäre der Erste oder der Zweite Weltkrieg je zustande gekommen, wenn nicht auch deutsche Politiker und Militärs versucht hätten, das Unmögliche möglich zu machen? „Schlieffen-Plan" und „Blitzkriegstrategie" wollten doch das Unmögliche, einen Sieg Deutschlands über ganz Europa, möglich machen. Ich fürchte, daß erneut — auch im atomaren Zeitalter - Menschen der Versuchung erliegen könnten, das Undenkbare — den Sieg im Atomkrieg — denkbar und umsetzbar zu machen. Deshalb stimme ich gegen den Antrag der Regierungsfraktionen, mit der Aufstellung von Pershing II und Cruise Missiles auf deutschem Boden zu beginnen, und unterstütze das Nein meiner Fraktion. 2594* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Anlage 4 Erklärung der Abgeordneten Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO: Die Vollversammlung des Ökumenischen Weltrates der Kirchen ist im Sommer dieses Jahres aus christlicher Überzeugung zu einer Erklärung gekommen, in der es u. a. heißt: Ein Atomkrieg ist unter keinen Umständen, in keiner Region und durch kein Gesellschaftssystem zu rechtfertigen oder als gerecht zu erklären, denn das Ausmaß der daraus folgenden Zerstörung steht in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, den man sich davon verspricht. Das Konzept der Abschreckung, dessen Glaubwürdigkeit von der Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen abhängt, ist aus moralischen Gründen abzulehnen und ungeeignet, Frieden und Sicherheit langfristig zu wahren. Die Herstellung und Stationierung von Kernwaffen sowie deren Einsatz sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Dieses sind keine Aussagen für das Leben in einem paradiesischen Jenseits, sondern für unser Handeln heute. Wir kommen als Christen zum gleichen Ergebnis und werden uns auch in unserem politischen Handeln danach richten. Der Antrag der SPD entspricht in den wichtigsten Passagen dieser Zielsetzung. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zu. Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO Zur Abstimmung über die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik gebe ich folgende Erklärung ab: Bereits am 26. Mai 1981 habe ich zusammen mit vier weiteren sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gegen eine Stationierung gestimmt. Die Vorgänge in den letzten zweieinhalb Jahren, insbesondere der mangelnde Verhandlungswille der beiden Supermächte in Genf, aber auch der deutliche Mehrheitswille unserer Bürger wie die Argumente der Friedensbewegung haben mich in meinem Abstimmungsverhalten noch bestärkt. Ich bin sehr froh, daß mein NEIN heute im Einklang mit dem NEIN meiner Partei, der SPD, und im Einklang mit dem Mehrheitswillen meiner Fraktion steht. Mein NEIN ist weder zeit- noch situationsbedingt, sondern ein kategorisches NEIN, weil ich die denkbaren, die möglichen und die wahrscheinlichen Folgen dieser Stationierung vor meinem Gewissen nicht verantworten kann. Die Gründe für mein NEIN fasse ich wie folgt zusammen: 1. Die neuen Nuklearwaffen sind, wie im übrigen auch die sowjetischen SS 20, geeignet, Millionen friedlicher Menschen auf Knopfdruck in wenigen Minuten auszurotten und weite Teile Europas auf Jahrtausende hinaus zu verwüsten. Kein wie immer gearteter Zweck kann ihren Einsatz rechtferigen. Wer diese Waffen annimmt, nimmt, auch wenn er ihn nicht will, den Völkermord billigend in Kauf. 2. Mit den neuen Nuklearwaffen soll erneuter Schrecken über die osteuropäischen Völker verbreitet werden. Damit läßt sich vielleicht vorübergehend Krieg abschrecken, aber niemals ein dauerhafter Friede zwischen den Völkern begründen. Der Friede wächst nicht auf Raketen, sondern nur auf Entspannung, Aussöhnung, Verständigung und Sicherheitspartnerschaft über alle unverwischbaren ideologischen Grenzen hinweg. 3. Die Sicherheit unseres Volkes ist vielfach gewährleistet. Sie bedarf dieser neuen Nuklearwaffen nicht. Diese Waffen machen unser Volk nicht mehr sicherer, sondern unermeßlich bedrohter, weil sie gegnerische Atomschläge letzten Endes nicht abschrecken, sondern im Konfliktfall auf sich ziehen. 4. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion nicht zur Abrüstung veranlassen. Der Versuch, mit mehr und immer mehr Waffen zu weniger Waffen auf der Welt zu kommen, ist ein durch die jüngere Geschichte längst widerlegter Wahnsinn. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion zu weiterer Aufrüstung mit Kurzstreckenraketen veranlassen. Diese wiederum wird den Grund oder Vorwand für erneute „Nach"rüstung im Westen abgeben. Auf diese Weise kommt es mit zwangsläufiger Sicherheit zu einer neuen mörderischen Dynamik im weltweiten Wettrüsten. Wie die Menschheitsgeschichte in Hunderten von Fällen lehrt, steht am Ende einer solchen Hochrüstung nicht der Friede, sondern der Krieg. Der nächste Krieg ist aber nicht irgendeiner, den man schlecht oder recht überleben könnte. Er kann in der Vernichtung der Menschheit enden. 5. Die Stationierung neuer Nuklearwaffen und die damit verbundene ausschließliche Einsatzgewalt des Präsidenten der Vereinigten Staaten, zerstört die sowieso schon eingeschränkte Souveränität der Bundesrepublik im Wesensgehalt. Wie kann im übrigen die uns allen gemeinsame Lehre des 2. Weltkriegs beherzigt werden, wonach von deutschem Boden nie mehr wieder ein Krieg ausgehen darf, wenn in unserem Vaterland nukleare Vernichtungswaffen als Angriffswaffen stationiert werden und ein einziger Amerikaner über den Einsatz dieser Waffen entscheiden darf oder binnen weniger Minuten Warnzeit entscheiden muß?
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Hoffmann, ich habe bisher noch niemanden in der Welt gesehen und ganz gewiß niemanden, weil Sie danach fragen, aus Algerien, der auch nur entfernt auf die Idee gekommen wäre, die hier zu stationierenden amerikanischen Raketen würden auf algerische Ziele ausgerichtet.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung wird diese Politik mit Geduld, Augenmaß und Festigkeit fortsetzen. Aber wenn ich hier sage ,,fortsetzen", dann füge ich hinzu, daß wir immer gesagt haben, und zwar mit Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, gemeinsam: Entspannung und Entspannungspolitik sind nur dann kein leichtsinniges Wagnis, wenn man sie auf dem Hintergrund der festen und gesicherten atlantischen Partnerschaft und der Europäischen Gemeinschaft betreibt. Dies ist die Voraussetzung, um überhaupt Manövrierspielraum und Operationsmöglichkeiten in die andere Richtung zu haben. Das ist immer so gewesen. Ich habe es jedenfalls nie anders gesehen. Es war auch unsere gemeinsame Überzeugung.
    Diese atlantische Partnerschaft, meine Damen und Herren, gefährdet die politische Haltung der Sozialdemokratischen Partei. Teile wollen das Bündnis längst verlassen. Wichtig ist in meinen Augen nicht so sehr die Frage, wie sich das Übergewicht der Sowjetunion im militärischen Bereich ausdrückt und auswirkt. Das hat sicher seine große Bedeutung. Es steht für mich aber nicht im Vordergrund. Für mich steht die Frage im Vordergrund, wie sich ein solches Übergewicht politisch auf die Bundesrepublik Deutschland, auf ihre Entscheidungsfreiheit, auf ihre Unabhängigkeit auswirkt. Die Frau Kollegin Frau Verhülsdonk hat gesagt, die Freiheit und die Selbstbestimmung der Bundesrepublik Deutschland wolle sie erhalten. Hier liegt die Kernfrage.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wegen dieses politischen Drucks, den ich so befürchte und den ich bei der unziemlichen Aktion des sowjetischen Botschafters in Bonn glaube verspürt zu haben, habe ich eine Rüge gegenüber dem Botschafter in Moskau ausgesprochen. Wehrt den Anfängen, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Mit Recht ist von Helmut Schmidt in Köln auf die politische Bedeutung unserer heutigen Entscheidung verwiesen worden. Es ist sehr knapp und klar formuliert worden: Die Bundesrepublik Deutschland muß ihr Wort halten. Sie muß zuverlässig und berechenbar sein und bleiben. Alles das gefährdet Ihr Nein, meine Damen und Herren von der SPD.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie werden es keinem Bürger klarmachen können — mir jedenfalls nicht —, daß das Nein zum Doppelbeschluß der NATO nicht auch ein Nein zur NATO ist. Das ist die logische Konsequenz.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Viele von Ihnen wissen das, viele von Ihnen wollen das, und die anderen nehmen es in Kauf.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie werden, meine Damen und Herren, auch der Bundeswehr, gegen die ich in meinem Wahlkreis die unglaublichsten Stellungnahmen aus Ihrer Partei höre, ja, Sie werden allen Bürgern erklären müssen, warum Sie den Rat aller drei Verteidigungsminister, die die Sozialdemokratische Partei je gestellt hat, in den Wind schlagen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Dies, Herr Kollege Vogel, ist Ihnen jedenfalls mit Ihrer gestrigen Rede nicht gelungen. Sie konnten auch nicht überzeugen,

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Sie auch nicht, Herr Lambsdorff!)

    weil ja jedermann weiß — ich aus vielen gemeinsamen Kabinettsitzungen —, daß Sie einer der entschlossensten Befürworter der Sicherheitspolitik der früheren Regierung gewesen sind.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Ähnlich wie der Herr Brandt!)

    Sie konnten auch nicht überzeugen, weil jeder weiß und merkt, daß Sie nicht um Mehrheiten für Ihre Meinung gekämpft haben, sondern Mehrheitsbildungen abgewartet und sorgfältig beobachtet haben, um ihnen nun hinterherzulaufen.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie können auch nicht überzeugen, weil Ihr Parteivorsitzender, weil Sie, Herr Brandt, Ihre frühere positive Haltung zum NATO-Doppelbeschluß jetzt damit erklären, Sie hätten das nur zur Unterstützung des früheren Bundeskanzlers getan;

    (Zurufe von der CDU/CSU: Peinlich! — Schlimm!)




    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    so recht überzeugt gewesen seien Sie nie.

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Schließlich, Herr Vogel: Sie können auch deswegen nicht überzeugen,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ausgerechnet Herr Lambsdorff!)

    weil es wohl einmalig in der Geschichte der deutschen Demokratie ist,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ausgerechnet Herr Lambsdorff!)

    daß sich eine große Partei in so atemberaubendem Tempo, ja, geradezu in regelloser Flucht von früheren Positionen entfernt hat.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ausgerechnet Herr Lambsdorff!)

    — Wenn die Frau Kollegin Däubler-Gmelin wiederholt „Ausgerechnet Herr Lambsdorff!" ruft, sage ich ihr: Ich habe gewußt, warum die frühere Koalition zu Ende gehen mußte, auch wegen der Sicherheitspolitik. Dieser Tag bestätigt es aufs letzte.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, Helmut Schmidt hat die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit europäischen Partnerstaaten kritisiert. Ich denke, daß der Kollege Wörner dazu heute das Nötige gesagt hat.
    Ich will nur auf einen Punkt hinweisen: Das Beispiel, das er gestern gebracht hat, ist nun wirklich völlig abwegig. Er sagte, wir hätten, wäre doch die Zusammenarbeit besser, die europäische Zinsabkopplung erreicht. Die gibt es nicht, die kann es nicht geben, auch nicht durch weitere Schritte im Europäischen Währungssystem.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Fixe Idee von Schmidt!)

    Erst recht nicht stimmt diese Kritik für unsere Beziehungen oder für die Beziehungen der Bundesregierung zu den Vereinigten Staaten. Nichts liegt mir — das wissen viele von Ihnen — außenpolitisch so sehr am Herzen wie gute Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland. Ich halte sie für das Kernstück deutscher Sicherheit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Es hat da immer wechselhafte Zeiten gegeben. Jeder, der die Vereinigten Staaten mit ihrem Verfassungssystem und ihrer politischen Wirklichkeit ein wenig kennt, weiß, in welch starkem Maße das von den persönlichen Beziehungen der führenden Männer abhängt. Das mag man beklagen, das hat seine Schwächen — wir alle haben das miterlebt —, aber es ist so. Herr Brandt, Sie kennen die USA besser als ich; wir werden darüber keine Meinungsverschiedenheiten haben. Es hat wechselhafte Zeiten gegeben.
    Ich will — mehr gegenüber den Amerikanern — höflich sein und die positiven Beispiele nennen: Konrad Adenauer und Dwight D. Eisenhower, Helmut Schmidt und Gerald Ford, Helmut Kohl und
    Ronald Reagan. Meine Damen und Herren, Sie merken genau, wen ich dabei ausgelassen habe, wen ich dabei nicht genannt habe. Niemandem brauche ich in Erinnerung zu rufen, was damals los war und zu welchen Kalamitäten und Schwierigkeiten das jeweils geführt hat.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Wir sollten froh und glücklich darüber sein, daß es enge persönliche und freundschaftliche Beziehungen zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem amerikanischen Präsidenten gibt, weil sie wichtig sind für unsere Politik, wichtig sind für das Wahrnehmen unserer Interessen gegenüber den Vereinigten Staaten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Was es bedeutet, wenn dies gewährleistet ist, habe ich bei den letzten Treffen, etwa beim Weltwirtschaftsgipfel, feststellen können. Davon wird immer behauptet, wir hätten den Amerikanern nicht die Meinung gesagt. Ich werde das, was wir gesagt haben, hier nicht wiederholen.

    (Zuruf von der SPD: Weil Sie nichts gesagt haben! — Weitere Zurufe)

    — Ich könnte es schon! Mein Gedächtnis ist nicht so schlecht wie Ihres.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich habe sehr wohl gemerkt, welche Grundlage dies schafft, um offen, kritisch, aber freundschaftlich miteinander zu sprechen. Eine solche Position, ein so gewachsenes freundschaftliches Verhältnis hilft uns politisch, es hilft der Allianz, zu deren Politik wir stehen, einer Allianz, die unsere Freiheit, unsere Unabhängigkeit, ja, unsere körperliche Existenz in diesem Teil der Welt sichert und zu der wir uns deswegen heute abend bekennen werden.

    (Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brandt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willy Brandt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, Günter Grass hatte recht, als er in seinem Brief an uns, die Mitglieder des Deutschen Bundestages, meinte, diese Debatte und die ihr folgende Abstimmung seien nicht mit dem normalen parlamentarischen Alltag zu vergleichen. Von einer Weichenstellung kann man freilich auch kaum noch sprechen, seit sich die Regierung und die sie tragende Koalition entschlossen haben, die auch in ihren Reihen vorhandenen Bedenken beiseite zu schieben, statt mit Nachdruck vitale europäische und deutsche Interessen im Bündnis wahrzunehmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Der eigentliche Gegenstand des Meinungsstreits leitet sich meiner Meinung nach daraus ab, daß viele, sehr viele in unserem Volk fragen, ob notwendig, ob unvermeidlich war, was jetzt abzurollen, nein, anzurollen unmittelbar bevorsteht: nicht zwei, sage



    Brandt
    ich Ihnen, sondern vier, vielleicht sogar sechs und acht, jeweils durch zwei dividiert, weitere Umdrehungen der Rüstungsspirale.