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    Plenarprotokoll 10/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . 2460B, 2567 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Doppelbeschluß der NATO und Stand der Genfer INF-Verhandlungen in Verbindung mit Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Doppelbeschluß der NATO und Stand der . Genfer INF-Verhandlungen — Drucksache 10/617 — in Verbindung mit Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 in seinen beiden Teilen — Drucksache 10/620 — in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD NATO-Doppelbeschluß und Stand der INF-Verhandlungen — Drucksache 10/621 — Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . . 2459 B Fischer (Frankfurt) GRÜNE (zur GO) . 2459C Porzner SPD (zur GO) 2459 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2460 B Horn SPD 2469 D Präsident Dr. Barzel 2585D, 2586 A Biehle CDU/CSU 2475 B Frau Nickels GRÜNE 2481 C Vizepräsident Stücklen 2482 A Schäfer (Mainz) FDP 2483 C Waltemathe SPD 2488 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 2492 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 2494 D Brandt SPD 2498 D Vizepräsident Wurbs 2503A, 2512 D Schily GRÜNE (zur GO) 2510 B Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . 2511 A Porzner SPD (zur GO) 2511 D Rühe CDU/CSU 2512 B Frau Kelly GRÜNE 2520 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2524 A Vizepräsident Westphal 2527 B, 2568 A Schröder (Hannover) SPD 2527 B Dr. Kronenberg CDU/CSU 2530A Dr. Apel SPD 2533 B Reents GRÜNE 2536 A Dr. Feldmann FDP 2539 D Klein (München) CDU/CSU 2541 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2547 B Horacek GRÜNE 2550 B Wischnewski SPD 2552 A Ertl FDP 2553 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 2556A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 2560 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . 2563 B Reents GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 2566 D Burgmann GRÜNE (zur GO) 2567 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 GO Dr. Haack SPD 2568 C Dr. Hirsch FDP 2569 B Krizsan GRÜNE 2569 D Sauermilch GRÜNE 2570 B Reents GRÜNE 2571 A Schwenninger GRÜNE 2571C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 2572 B Dr. Jannsen GRÜNE 2572 D Bastian GRÜNE 2573 B Drabiniok GRÜNE 2573 D Frau Reetz GRÜNE 2574 B Schneider (Berlin) GRÜNE 2574 D Burgmann GRÜNE 2575 D Horacek GRÜNE 2576 C Stratmann GRÜNE 2577 A Frau Potthast GRÜNE 2578A Frau Schoppe GRÜNE 2579 A Frau Dr. Bard GRÜNE 2579 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 2580 C Frau Kelly GRÜNE 2581 D Frau Dr. Hickel GRÜNE 2582 C Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2583A Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 2584A Hoss GRÜNE 2584 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 2585A Schily GRÜNE 2585 C Namentliche Abstimmungen 2586 B, 2588 B, 2590 B Einspruch des Abg. Vogt (Kaiserslautern) gegen den am 21. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 A Einspruch des Abg. Schily gegen den am 22. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 B Nächste Sitzung 2592 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2593* A Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abg. Dr. Dieter Haack . . . . 2593* A Anlage 3 Erklärung des Abg. Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2593* B Anlage 4 Erklärung der Abg. Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO . 2594* A Anlage 5 Erklärung des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2594* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2459 36. Sitzung Bonn, den 22. November 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 35. Sitzung, Seite 2448 B, 7. Zeile von unten: Statt „Allergie" ist „Allegorie" zu lesen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2593* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Haehser 25. 11. Immer (Altenkirchen) 25. 11. Kastning 25. 11. Dr. h. c. Lorenz 25. 11. Offergeld 25. 11. Petersen 25. 11. Frau Dr. Wex 25. 11. Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abgeordneten Dr. Dieter Haack gez. Dr. Dieter Haack gez. Horst Grunenberg gez. Dr. Hans de With ) gez. Peter Würtz gez. Bruno Wiefel gez. Manfred Schulte (Unna) gez. Engelbert Sander gez. Horst Haase (Fürth) gez. Erwin Stahl gez. Dr. Axel Wernitz gez. Egon Franke (Hannover) gez. Lothar Löffler gez. Rudolf Purps gez. Kurt Vogelsang gez. Fritz Gerstl gez. Annemarie Renger gez. Dr. Müller-Emmert gez. Günter Herterich gez. Hans Matthöfer gez. Dr. Karl Ahrens gez. Erich Berschkeit Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 Geschäftsordnung: Vor mehr als 20 Jahren formulierten die Heidelberger Thesen der Evangelischen Kirche: Das System der atomaren Abschreckung müsse für eine Anlagen zum Stenographischen Bericht gewisse Zeit hingenommen werden. Es verschaffe den politisch Verantwortlichen aber nur eine Gnadenfrist, um durch atomare Abrüstung das System der atomaren Abschreckung überwinden zu können. Diese Gnadenfrist ist in keiner Weise zu atomarer Abrüstung genutzt worden — im Gegenteil. Diese Gnadenfrist geht zu Ende. „Abschreckung" soll jetzt erreicht werden, indem man sich auf das lange Undenkbare — den Atomkrieg - vorbereitet, durch Strategien des Sieges im Atomkrieg ebenso wie durch die Entwicklung von Atomwaffen, die nicht mehr der politischen Abschreckung dienen, sondern zum Einsatz im Atomkrieg vorgesehen sind. Auch die Pershing-Il-Raketen dienen nicht mehr der politischen Abschreckung, sondern dem Einsatz im erwogenen Atomkrieg. Nicht nur ihr Einsatz, sondern schon ihre Produktion und ihre Stationierung sind für mich unverantwortbar. Wir haben kein Recht, die Vernichtung der Welt, der Schöpfung Gottes, planmäßig vorzubereiten. Ein Zweites bestärkt mich in meinem entschiedenen Nein zu weiterer atomarer Aufrüstung: Diplomatie, Rüstungskontrollverhandlungen sind für mich bislang letztendlich nur die Kulisse, hinter denen Entscheidungen über neue Rüstungstechnologien, neue Kernwaffensysteme getroffen werden. Dabei dominieren wirtschaftliche und militärische Interessen, politische Kontrolle findet weitgehend nicht statt. 15 Minuten, so berichtete Valentin Falin, habe das ZK der KPdSU dazu gebraucht, der Umwandlung einer geplanten neuen dreistufigen Langstreckenrakete in die zweistufige SS 20 zuzustimmen. Im Jahre 1978 erhielt die amerikanische Rüstungsfirma Marietta Martin den Auftrag, bis 1986 Pershing II herzustellen. Die Raketen sollten von vornherein in Europa stationiert werden. Eine politische Diskussion fand darüber weder in den USA noch in Europa statt. Der NATO-Doppelbeschluß beschleunigte lediglich den Fertigstellungstermin für die ersten Raketen um zwei Jahre. Mein Nein zur Raketenstationierung ist der Versuch, der Politik wenigstens die Chance zu geben, endlich auf den atomaren Aufrüstungsprozeß Einfluß nehmen zu können. Planspiele in Ost und West malen das Bild eines „fährbaren und gewinnbaren Atomkrieges". Uns wird versichert, kein vernünftiger Mensch könne jemals einen derartigen Versuch wagen. Aber wäre der Erste oder der Zweite Weltkrieg je zustande gekommen, wenn nicht auch deutsche Politiker und Militärs versucht hätten, das Unmögliche möglich zu machen? „Schlieffen-Plan" und „Blitzkriegstrategie" wollten doch das Unmögliche, einen Sieg Deutschlands über ganz Europa, möglich machen. Ich fürchte, daß erneut — auch im atomaren Zeitalter - Menschen der Versuchung erliegen könnten, das Undenkbare — den Sieg im Atomkrieg — denkbar und umsetzbar zu machen. Deshalb stimme ich gegen den Antrag der Regierungsfraktionen, mit der Aufstellung von Pershing II und Cruise Missiles auf deutschem Boden zu beginnen, und unterstütze das Nein meiner Fraktion. 2594* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Anlage 4 Erklärung der Abgeordneten Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO: Die Vollversammlung des Ökumenischen Weltrates der Kirchen ist im Sommer dieses Jahres aus christlicher Überzeugung zu einer Erklärung gekommen, in der es u. a. heißt: Ein Atomkrieg ist unter keinen Umständen, in keiner Region und durch kein Gesellschaftssystem zu rechtfertigen oder als gerecht zu erklären, denn das Ausmaß der daraus folgenden Zerstörung steht in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, den man sich davon verspricht. Das Konzept der Abschreckung, dessen Glaubwürdigkeit von der Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen abhängt, ist aus moralischen Gründen abzulehnen und ungeeignet, Frieden und Sicherheit langfristig zu wahren. Die Herstellung und Stationierung von Kernwaffen sowie deren Einsatz sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Dieses sind keine Aussagen für das Leben in einem paradiesischen Jenseits, sondern für unser Handeln heute. Wir kommen als Christen zum gleichen Ergebnis und werden uns auch in unserem politischen Handeln danach richten. Der Antrag der SPD entspricht in den wichtigsten Passagen dieser Zielsetzung. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zu. Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO Zur Abstimmung über die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik gebe ich folgende Erklärung ab: Bereits am 26. Mai 1981 habe ich zusammen mit vier weiteren sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gegen eine Stationierung gestimmt. Die Vorgänge in den letzten zweieinhalb Jahren, insbesondere der mangelnde Verhandlungswille der beiden Supermächte in Genf, aber auch der deutliche Mehrheitswille unserer Bürger wie die Argumente der Friedensbewegung haben mich in meinem Abstimmungsverhalten noch bestärkt. Ich bin sehr froh, daß mein NEIN heute im Einklang mit dem NEIN meiner Partei, der SPD, und im Einklang mit dem Mehrheitswillen meiner Fraktion steht. Mein NEIN ist weder zeit- noch situationsbedingt, sondern ein kategorisches NEIN, weil ich die denkbaren, die möglichen und die wahrscheinlichen Folgen dieser Stationierung vor meinem Gewissen nicht verantworten kann. Die Gründe für mein NEIN fasse ich wie folgt zusammen: 1. Die neuen Nuklearwaffen sind, wie im übrigen auch die sowjetischen SS 20, geeignet, Millionen friedlicher Menschen auf Knopfdruck in wenigen Minuten auszurotten und weite Teile Europas auf Jahrtausende hinaus zu verwüsten. Kein wie immer gearteter Zweck kann ihren Einsatz rechtferigen. Wer diese Waffen annimmt, nimmt, auch wenn er ihn nicht will, den Völkermord billigend in Kauf. 2. Mit den neuen Nuklearwaffen soll erneuter Schrecken über die osteuropäischen Völker verbreitet werden. Damit läßt sich vielleicht vorübergehend Krieg abschrecken, aber niemals ein dauerhafter Friede zwischen den Völkern begründen. Der Friede wächst nicht auf Raketen, sondern nur auf Entspannung, Aussöhnung, Verständigung und Sicherheitspartnerschaft über alle unverwischbaren ideologischen Grenzen hinweg. 3. Die Sicherheit unseres Volkes ist vielfach gewährleistet. Sie bedarf dieser neuen Nuklearwaffen nicht. Diese Waffen machen unser Volk nicht mehr sicherer, sondern unermeßlich bedrohter, weil sie gegnerische Atomschläge letzten Endes nicht abschrecken, sondern im Konfliktfall auf sich ziehen. 4. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion nicht zur Abrüstung veranlassen. Der Versuch, mit mehr und immer mehr Waffen zu weniger Waffen auf der Welt zu kommen, ist ein durch die jüngere Geschichte längst widerlegter Wahnsinn. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion zu weiterer Aufrüstung mit Kurzstreckenraketen veranlassen. Diese wiederum wird den Grund oder Vorwand für erneute „Nach"rüstung im Westen abgeben. Auf diese Weise kommt es mit zwangsläufiger Sicherheit zu einer neuen mörderischen Dynamik im weltweiten Wettrüsten. Wie die Menschheitsgeschichte in Hunderten von Fällen lehrt, steht am Ende einer solchen Hochrüstung nicht der Friede, sondern der Krieg. Der nächste Krieg ist aber nicht irgendeiner, den man schlecht oder recht überleben könnte. Er kann in der Vernichtung der Menschheit enden. 5. Die Stationierung neuer Nuklearwaffen und die damit verbundene ausschließliche Einsatzgewalt des Präsidenten der Vereinigten Staaten, zerstört die sowieso schon eingeschränkte Souveränität der Bundesrepublik im Wesensgehalt. Wie kann im übrigen die uns allen gemeinsame Lehre des 2. Weltkriegs beherzigt werden, wonach von deutschem Boden nie mehr wieder ein Krieg ausgehen darf, wenn in unserem Vaterland nukleare Vernichtungswaffen als Angriffswaffen stationiert werden und ein einziger Amerikaner über den Einsatz dieser Waffen entscheiden darf oder binnen weniger Minuten Warnzeit entscheiden muß?
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Roswitha Verhülsdonk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst an die Kollegin Frau Nickels wenden. Frau Nickels, Ihre Betroffenheit über die Folgen der Hiroshima-Katastrophe ist bewegend. Ich teile diese Betroffenheit; denn ich habe als Kind in meiner schwer zerstörten Vaterstadt Koblenz die Bombennächte erlebt. Ich war zweimal verschüttet. Ich weiß, wie schrecklich Krieg schon damals war.
    Ich weiß auch aus seinen Erzählungen, daß unser Bundeskanzler Helmut Kohl den Krieg sehr persönlich erlitten hat. Mit 13 Jahren war er in einem Schülerlöschzug im Bombenkrieg in Ludwigshafen eingesetzt, und er hat seinen Bruder durch den Soldatentod verloren.
    Wir, die Union, wollen ja gerade durch unseren Beitrag zur Stärkung des westlichen Verteidigungsbündnisses erreichen, daß unserem Volk und der Welt ein Atomkrieg, ja jedweder Krieg erspart bleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Waltemathe, Sie waren immer ein konsequenter Pazifist. Ich habe Ihre persönliche Haltung stets respektiert. Sie haben es leichter, persönlich glaubwürdig zu sein, als viele Ihrer politischen Freunde nach dem SPD-Parteitag.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich will in meinem Beitrag versuchen darzustellen, was mich persönlich in dieser wichtigen Stunde bewegt. Ich will damit deutlich machen, daß ich die Entscheidung, die wir treffen müssen, nicht leichtnehme und schon gar nicht leichtfertig, etwa aus Parteiräson, für ein Ja zur Nachrüstung stimmen werde.
    Nicht die Richtigkeit der Sachentscheidung macht mir Probleme; diese ist lange diskutiert und oft und oft bedacht worden. Die Rede Helmut Schmidts auf dem SPD-Parteitag war für mich eine letzte Bestätigung.
    Was mich bedrückt, das ist die blanke Angst vieler Menschen in unserem Land, die ganz spontan und emotional glauben, die Aufstellung der neuen amerikanischen Mittelstreckenraketen in Europa verändere schlagartig die Welt. Sie glauben, diese Raketen lösten unaufhaltsam eine atomare Katastrophe aus, ob durch Krieg, ob durch Computerfehler.
    Wir alle haben Briefe bekommen, die diese Angst ausdrücken: Briefe von Gruppen, die hier ankamen, in denen geradezu professionell die bekannten Argumente der Friedensbewegung lückenlos aufgelistet und abgeschrieben sind; Briefe von einzelnen. Auch hinter den Briefen dieser Gruppe — das will ich gar nicht bezweifeln — mag viel menschliche und persönliche Sorge verborgen sein und sicherlich viel echtes Engagement für den Frieden.
    Viel mehr berühren mich persönlich die Zeugnisse der Angst von einzelnen. Oft sind es Frauen, die den Krieg wie ich noch persönlich erlebt und erlitten haben, die vielleicht Söhne, Männer und Väter an der Front oder Angehörige im Bombenkrieg verloren haben. Meist haben diese Personen gar keine Argumente zusammengetragen. Sie sagen einfach: Es gibt schon zuviel schreckliche Waffen in der Welt, soll denn immer noch mehr gerüstet werden?

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    Es muß doch politische Mittel geben — so meinen sie —, die Rüstungsspirale anzuhalten. Sie meinen, wie Nachbarn im vernünftigen Gespräch mit gutem Willen auch schwierige Konflikte bewältigen können, so müsse das doch auch zwischen Völkern möglich sein.
    Ebenso empfinden viele junge Menschen, die von den schwierigen Zusammenhängen der großen Politik nicht viel verstehen und glauben, es dürfe doch nicht ohne politische Wirkung bleiben, wenn sie gemeinsam mit vielen anderen für den Frieden demonstrieren, beten, wallfahrten.
    Für diese Menschen möchte ich reden. Ihnen fühle ich mich verbunden, ja verpflichtet. Ihnen will ich die Gründe für mein Ja zur Nachrüstung verständlich machen.
    Ich bin engagierte katholische Christin, und ich stamme aus einer Familie, die die Verfolgung und Unterdrückung des Dritten Reiches hart erlebt hat. Die Angst vor der Gestapo Hitlers war tägliches Bewußtsein. Die frühe Erfahrung der Unfreiheit in einem totalitären Regime war nicht zuletzt der Motor, der mich in die Politik getrieben hat, um in unserer demokratischen Ordnung Mitverantwortung zu übernehmen. Aus dieser Verantwortung und aus dieser politischen Erfahrung heraus kann ich es mir nicht leisten, mich von einer emotionalen Grundstimmung anstecken zu lassen, die in vielen Gruppen längst den Charakter einer Psychose angenommen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Auch ich will keine Raketen. Auch ich will unserem Volk den Frieden erhalten. Aber ich will unserem Volk auch Freiheit und Selbstbestimmung erhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Frau Verhülsdonk
    Politische Verantwortung kann Wissen und Verstand nicht ausklammern. Angst ist ein schlechter Ratgeber.
    Einer Sorge möchte ich zuerst begegnen. Auch nach einem Abbruch der Genfer Abrüstungsverhandlungen ist eine politische Eiszeit nicht zu befürchten.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    Die politischen Entwicklungen bis in die letzten Tage hinein — ich denke an das Postabkommen mit der DDR, an die Wirtschaftsverhandlungen in Moskau — lassen dies doch unschwer erkennen. Auch dann, wenn zunächst die ersten Pershings und Cruise Missiles stationiert worden sind, ist die Welt ja nicht am Ende. Diese können jederzeit wieder abgebaut werden, wenn die Sowjets entsprechende Verhandlungsergebnisse akzeptieren.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber es sind keine Spielzeuge!)

    — Es sind keine Spielzeuge. Schon die vorhandenen Waffen sind keine Spielzeuge, Frau Kollegin.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Keine Waffe ist ein Spielzeug. Ich möchte Ihnen antworten: Gerade weil wir der sowjetischen Drohung widerstehen, haben wir bessere Chancen, in absehbarer Zeit zu erfolgreicheren Abrüstungsverhandlungen zu kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Ihr Wort in Gottes Ohr!)

    Solange die Sowjets noch hoffen konnten, daß innenpolitische Schwierigkeiten in unserem Lande — durch die Friedensbewegung und auch durch die SPD erzeugt — den Vollzug des zweiten Teils des NATO-Doppelbeschlusses noch verhindern könnten, so lange hatten die Russen doch gar keinen Grund, bei den Genfer Verhandlungen auch nur einen einzigen Schritt entgegenzukommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

    Alle sowjetischen Vorschläge hatten doch nur ein einziges Ziel, nämlich das Raketenmonopol mit den SS 20 zu erhalten und jedwede Nachrüstung des Westens zu verhindern. Bis zuletzt haben die Russen mit viel falschem Propagandaaufwand hoch gepokert. Sie haben damit manchem Bundesbürger Sand in die Augen gestreut. Die sachkundigen und einsichtigen Politiker der alten SPD-Führungsmannschaft um Helmut Schmidt wußten das immer, und sie wissen es heute genausogut wie wir Politiker der Union.
    Es ist eine böse und durch nichts gerechtfertigte Erfindung, den Amerikanern ernsthaften Verhandlungswillen abzustreiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es war vor allem die SPD, die schon zu Regierungszeiten von Helmut Schmidt begonnen hat, dieses
    Gift des Mißtrauens gegen unseren wichtigsten Bündnispartner auszustreuen.

    (Zuruf von der SPD)

    Die Wahrheit ist aber doch, daß wir hier in Europa keine Zone minderer Sicherheit entstehen lassen wollten. Wir können den Amerikanern doch nur dankbar sein für ihre Entschlossenheit zur Verteidigung Westeuropas.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zum Beweis ihrer Friedensbereitschaft haben die Amerikaner drei substantielle Verhandlungsangebote in Genf gemacht, Angebote, die bis an die Grenze des Vertretbaren gingen. Die USA und die NATO haben den Abrüstungsdialog von Genf als einen Beitrag zum Frieden verstanden. Während der Westen vier Jahre lang verhandelt und die Zeichen auf Kooperation und Entspannung gesetzt hat, wurde von den Sowjets die SS 20 geplant, entwikkelt und stationiert, und zwar mit Zielrichtung auf deutsche, auf europäische Städte. In den letzten Wochen sind die ersten weiterentwickelten sowjetischen Mittelstreckensysteme SS 21, SS 22 und SS 23 in der DDR bereits forciert in Stellung gebracht worden — und das, während in Genf noch verhandelt wird. Wer dies nicht als eine neue politische Drohung versteht, dem kann man nur Naivität bescheinigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Berger [CDU/CSU]: Die Friedensbewegung hat dazu geschwiegen!)

    Meine Damen und Herren, es ist sicher nicht zu bestreiten — und es ist auch ein Verdienst —, daß die breite Öffentlichkeit auf die Gefahr der atomaren Vernichtung durch die Friedensdiskussion aufmerksam wurde. Allerdings: Die atomare Gefahr ist seit Hiroshima bekannt. Unbegreiflich für mich bleibt eins: daß nicht etwa die Aufstellung der russischen SS-20-Raketen als Gefährdung des Friedens gesehen wurde,

    (Beifall der Abg. Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU])

    sondern daß erst jetzt, wo es um die Wiederherstellung des militärischen Gleichgewichts geht, also um friedenssichernde Abschreckung, diese Angst umzugehen beginnt. Erst jetzt werden diese Ängste hochgeputscht. Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, daß Friede mehr ist als Nicht-Rüstung.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Was aber zur Rüstung führt, ist das Fehlen von Friedensbereitschaft. Die Rüstung selbst ist doch nicht die eigentliche Ursache von Spannungen. Der ideologische Herrschaftsanspruch der Sowjets und die offensive Machtpolitik sind doch die eigentliche Ursache der Spannungen zwischen Ost und West.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese sowjetische Politik drückt sich in einem ständig steigenden militärischen Übergewicht auf allen Waffenebenen und vor allem in der einseitigen Vorrüstung mit nuklearen Mittelstreckenraketen aus. Dagegen müssen wir uns im westlichen Bündnis gemeinsam verteidigen.



    Frau Verhülsdonk
    Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung den bekannten Sozialdemokraten Professor Dr. Karl Kaiser zitiert. Ich wiederhole den Kernsatz von dessen Ausführungen. Kaiser sagt:
    Das sowjetische Ziel ist ein neues politisches System in Europa, das durch die Erosion der amerikanisch-europäischen Kooperation und wachsende Abhängigkeit von der Sowjetunion entsteht. Dies ist eine entscheidende Frage nationalen Interesses, nämlich der Selbstbestimmung der Bundesrepublik Deutschland, bei der man nicht kampflos sowjetische Positionen übernehmen oder dagegen gerichtete Bemühungen innenpolitisch untergraben darf.
    Genau das, meine Damen und Herren, ist der Punkt, der mich in dieser Situation bewegt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb kann die Bundesrepublik Deutschland in ihrem ureigensten Interesse derzeit nicht auf wirksame Abschreckung verzichten. Nur politische Standfestigkeit des ganzen westlichen Bündnisses kann die Sowjets, die ja bekanntlich Realisten sind, wieder zu — dann eher erfolgreichen — Verhandlungen an den Tisch zurückholen

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Denn eines, meine Damen und Herren, ist sicher: Die jetzige Lage der ständig zunehmenden Vorrüstung des Ostens und der notgedrungenen Nachrüstung des Westens darf kein Dauerzustand bleiben. Wenn die Sowjets vor den Pershings tatsächlich solche Angst haben, wie sie vorgeben, dann müßten sie logischerweise doch bereit sein, ihre SS-20-Raketen deutlich zu vermindern, um die Gegendrohung der NATO auf dem niedrigstmöglichen Niveau zu halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es müssen jetzt alle Kräfte des Verstandes und der Vernunft eingesetzt werden, um durch neue Konzepte praktischer Koexistenz auf dieser Welt zum Abbau von Spannungen zu kommen. Wir stehen nicht am Ende, sondern an einem neuen Anfang der Politik für eine dauerhafte Friedensordnung in Europa.
    Aber wir dürfen es nicht zu einem Kirchhofsfrieden kommen lassen, wie ihn die Tschechen und die freiheitsliebenden Polen erleiden müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ausgesprochen oder unausgesprochen können wir den Polen in ihrer politischen Situation doch nur raten, ihren Willen zu Freiheit und Selbstbestimmung angesichts der Übermacht der russischen Panzer in ihrem Land zu zügeln, weil sie sonst Leib und Leben vieler ihrer Landsleute aufs Spiel setzen würden.
    Die Sowjetunion fürchtet nichts mehr als die Idee der Freiheit. Sie rüstet nicht zuerst gegen die Waffen des Westens. Sie rüstet gegen freies Denken.
    Dabei steht eines fest: Kriegsbereitschaft gibt es weder in Ost noch in West. Ein atomarer Krieg ist nicht zu führen, weil beide Seiten die welt- und menschheitsvernichtende Gefahr eines Atomkrieges fürchten müssen. Aber unsere Freiheit und Selbstbestimmung sind am Ende verspielt, wenn wir das Ziel des militärischen Gleichgewichts aufgeben. Der Frieden wird nicht sicherer, wenn sich Demokratien entwaffnen, aber die sowjetische Diktatur vor Waffen starrt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und noch eines möchte ich sagen: Daß wir um den besten Weg zur Erhaltung und Sicherung des Friedens streiten, das ist in unserer Demokratie selbstverständlich und richtig. Schlimm ist, daß viele in der Friedensbewegung aus diesem Streit einen Glaubenskrieg machen, daß sie sich selbst für das öffentliche Gewissen halten und mit ihrer Intoleranz den inneren Frieden zerstören.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie erzeugen Angst, stiften emotionale Verwirrung unter vielen gutwilligen, aber politisch nicht ausreichend informierten Bürgern; sie tragen Streit in Familien und Freundeskreise und erklären ihr Verhalten dann noch zur höchsten politischen Ethik.
    Was wir Abgeordneten und unsere Familien, was die Frauen meiner Kollegen und ihre Kinder in den letzten Wochen an Psychoterror erlebt haben, erinnert mich persönlich lebhaft an eigene Erlebnisse aus meiner Kindheit im Dritten Reich.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer urteilsfähig ist, kann leicht erkennen, daß die eigentlichen politischen Ziele von manchen der Drahtzieher der Friedensbewegung darin bestehen, in unserem Land im Innern eine andere Ordnung durchzusetzen und uns aus dem westlichen Bündnis herauszulösen. Sie mißbrauchen die Gefühle der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins eines großen Teils unserer Bevölkerung, der nichts als Frieden in der Welt will.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Seien Sie vorsichtig!)

    Ich will mit meiner Stimme für eine Nachrüstung des Westens in der jetzigen Phase der Politik dazu beitragen, daß Frieden und Freiheit unter den besonderen Bedingungen unseres gespaltenen Landes an der Nahtstelle zwischen den Blöcken bewahrt bleiben und daß neue politische Wege der Friedenssicherung beschritten werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich danke dem Bundeskanzler für seinen engagierten weltweiten Einsatz für einen Frieden mit immer weniger Waffen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich erteile dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft das Wort.

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    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn Sie mir zu Beginn eine persönliche Bemerkung erlauben, dann die, daß wir



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    nach meinem Eindruck soeben zwei Redebeiträge — von Herrn Waltemathe und Frau Verhülsdonk —gehört haben, die nachdenklich stimmen und die Überzeugungskraft enthielten; Überzeugungskraft deswegen, weil ihnen Überzeugungstreue zugrunde lag und weil eine bestimmte Haltung, auch wenn sehr gegensätzliche Ergebnisse dabei herauskommen, klar und eindeutig durchgehalten wird. Das unterscheidet beide Beiträge von manchem, was sich in den letzten Wochen ereignet hat und was auch gestern und heute hier zu hören war.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, daß der Wirtschaftsminister diese Debatte auch — keineswegs nur — unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten und Überlegungen verfolgt, das werden Sie verstehen. Das ist auch gestern angesprochen worden. Ich will diesen Betrachtungen zu Beginn folgendes voranstellen.
    Die besten sicherheitspolitischen Konzeptionen, über die wir hier streiten, werden nicht oder jedenfalls kaum mehr vermittelbar, wenn wir nicht fortfahren auf einem Wege, der uns mehr wirtschaftliche Stabilität unter die Füße gibt. Darum müssen wir uns bemühen.
    Verteidigung unserer Freiheit in Frieden gemeinsam mit unseren Verbündeten — das steht jedenfalls für die Bundesregierung und für mich über allem. Wirtschaftspolitik hat nicht nur die materiellen Voraussetzungen dafür bereitzustellen, sie muß auch dazu beitragen, die moralische Akzeptanz für Sicherheitspolitik überhaupt zu schaffen. Denn die Freiheit, deren Verteidigung wir verlangen und für die wir uns heute entscheiden werden, muß eine Freiheit sein, für die es sich lohnt sich einzusetzen. Dazu gehört auch, daß die materiellen Lebensbedingungen stimmen, daß wir wieder Arbeit für alle bekommen, daß Wohlstand nicht das Privileg einiger weniger ist oder bleibt. Hier liegt die Aufgabe der Wirtschaftspolitik, hier liegt auch die Verbindung zwischen Wirtschaftspolitik und Sicherheitspolitik.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Tun Sie endlich etwas für Arbeiter!)

    Helmut Schmidt hat gestern — wie ich glaube: zu Recht — die ökonomische Strukturkrise der Welt angesprochen. Er hat gesagt, sie habe strategische Qualität erreicht; wirtschaftliche Destabilisierung könne an vielen Stellen zur sozialen Destabilisierung führen, dann zur politischen und auch zur außenpolitischen Destabilisierung. Meine Damen und Herren, genau um dies zu verhindern, um dem entgegenzuwirken, bemühen wir uns wirtschaftspolitisch. Aber auch dies war einer der Gründe, warum wir im vorigen Jahr Entscheidungen treffen mußten, die uns eine solche Politik mit Aussicht auf Erfolg überhaupt wieder ermöglichten, auch eine Politik, meine Damen und Herren, in der Sie von der sozialdemokratischen Opposition — nichts hat es deutlicher gemacht als die geradezu dramatische Rede im Juni 1982 vor Ihrer Fraktion, gehalten von Helmut Schmidt — seine Position nicht mehr mit vertreten wollten oder konnten.
    Nun ist die Frage, wie heute das Problem weltweiter Destabilisierung, ökonomischer Strukturkrisen zu beurteilen ist, ganz gewiß nicht einfach zu beantworten. Aber es gibt positive Zeichen. Nicht nur Hoffnungszeichen, es gibt auch positive Ergebnisse. Morgen wird das diesjährige Jahresgutachten des Sachverständigenrates offiziell übergeben. Ich will zwei in dem Zusammenhang wichtige Sätze aus dem Gutachten zitieren:
    1. Unsere Erwartung ist, daß die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr weiter aufwärts gerichtet bleibt. Die Sorge, es könnte zu einem Rückschlag kommen, halten wir nicht für ausreichend begründet.
    2. Die Voraussetzungen für eine Festigung der konjunkturellen Erholung in der Welt sind günstiger geworden, und die Erholung beschränkt sich nicht nur auf die großen Industrieländer, sie hat auch die meisten Schwellenländer und einen Teil der übrigen Entwicklungsländern, vor allem im südostasiatischen Raum, erfaßt.
    Meine Damen und Herren, es sei hinzugefügt, daß der Sachverständigenrat die Zuwachsrate beim realen Sozialprodukt für das Jahr 1984 auf 2 1/2 bis 3 % einschätzt, und es sei auch hinzugefügt — das ist natürlich die entscheidende Position —, daß sich dies auch auf den Arbeitsmarkt positiv auswirken wird, wenngleich nicht in dem Ausmaß, daß wir dieses Problem etwa Ende nächsten Jahres schon als gelöst betrachten könnten.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Sie kommen aber jetzt zum Thema!)

    Zu dieser Wirtschaftspolitik gehört natürlich die Außenwirtschaftspolitik, gerade und auch die Außenwirtschaftspolitik mit unseren Nachbarn in Osteuropa. Das gehört wahrlich auch zu unserem Thema; es ist ja von mehreren Rednern angesprochen worden. Daß hier die Beziehungen zur DDR eine besondere Qualität haben, daß die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der DDR besondere Sorgfalt erfordert, liegt auf der Hand. Es ist durch die Unterzeichnung des Postabkommens wohl deutlich geworden — auch der Zeitpunkt hat eine bestimmte Signifikanz —, daß die Bundesregierung diesen Weg konsequent und energisch weitergehen wird.
    Das gilt auch für die Wirtschaftskooperation mit unseren Nachbarn — ich sagte es — in Osteuropa und auch und gerade mit der Sowjetunion. Das Datum der Sitzung der gemischten Kommission zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR, nämlich in der letzten Woche in Moskau zu Verhandlungen über wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Fragen ist nicht rein zufällig zustande gekommen. Als es um die Abstimmung dieses Termins ging, habe ich Wert darauf gelegt, daß wir in dieser Zeit tagen konnten, weil das eine politische Bedeutung im Zusammenhang mit den Entscheidungen hatte, die nach dem 15. November fällig würden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das Ergebnis dieser Sitzung heißt ganz klar ablesbar und ohne jeden Zweifel, daß die sowjetische



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    Führung an der Ausweitung der wirtschaftlichen Beziehungen — sicherlich nicht nur mit uns; aber wir sind der wichtigste westliche Handelspartner der Sowjetunion — ein intensives Interesse hat. Ich sage nach meinen Erfahrungen nach nunmehr sieben Jahren solcher Tätigkeit: Das ist intensiver und drängender formuliert denn je. Es ist auch nicht zu übersehen, daß die bisherige Zusammenarbeit positive Ergebnisse gehabt hat.
    Es hat selbstverständlich, wie es gar nicht anders zu erwarten war, nicht nur wegen der Medienkulisse, sondern auch aus der Sache heraus, die Frage eine Rolle gespielt: Wie hängt das mit dem zusammen, was in Genf entschieden wird, und mit dem, was der Bundestag eine Woche später entscheiden wird? Diese Frage ist, wie Sie wissen, angesprochen worden. Ich habe in jedem einzelnen Fall eine, wie ich glaube, klare und eindeutige, aber niemals verletzende oder unhöfliche Antwort auf die Fragen gegeben.

    (Beifall bei der FDP)

    Die Behandlung dieses Themas unterschied sich von der gleichen Behandlung im Juli dieses Jahres in einem Punkt. Noch im Juli wurde eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit durch den Stationierungsbeschluß für möglich gehalten. Dieses Mal wurden beide Themen säuberlich voneinander getrennt und wurde ein solcher Zusammenhang nicht hergestellt.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr klug!)

    Ich ziehe daraus keine gewagten und leichtfertigen Folgerungen, aber ich stelle diesen Tatbestand fest, und ich glaube schon, daß jedenfalls dahinter das essentielle Interesse der Sowjetunion — auch unser Interesse, aber auch das der Sowjetunion — steht, diese Zusammenarbeit fortzusetzen und sie — das hoffe ich; ich habe dafür keine Garantie — nicht zu unterbrechen, auch nicht kurzfristig.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Der Unterschied zwischen der Behandlung dieses Themas im Juli dieses Jahres und heute ist nach meiner festen Überzeugung auch darauf zurückzuführen, daß die sowjetische Führung trotz aller Bemühungen, die man hier zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung unternommen hat, seit den Gesprächen des Bundeskanzlers in Moskau in der zweiten Hälfte Juli Klarheit über die deutsche Position gewonnen hat. Sie ist nicht im unklaren gelassen worden. Und nichts anderes hilft im Umgang mit Freunden und mit Partnern, als klar zu sprechen und ihnen zu sagen, woran sie mit uns sind. Das ist geschehen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich bin sehr einverstanden, wenn gestern angeregt wurde, man möge doch auch so etwas wie eine ökonomische Interdependenz herstellen. Wenn das eine wirkliche Interdependenz ist und nicht eine einseitige Dependenz, dann, glaube ich, liegt das voll im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, voll im Interesse unserer Wirtschaft, und zwar der Unternehmen und der Arbeitnehmer.
    Wirtschaftskooperation ist im übrigen — jeder kann es nachlesen — ein Teil des Harmel-Berichts. Der Bundeskanzler hat gestern zitiert — ich wiederhole den Satz —: „Militärische Sicherheit und eine Politik der Entspannung stellen keinen Widerspruch, sondern eine gegenseitige Ergänzung dar." Das ist der wesentliche Kern des Harmel-Berichts und damit der politische Kern der Allianz, wie er damals formuliert worden ist. In diesem Zusammenhang will ich, jedenfalls aus meiner Sicht, deutlich machen, daß nicht etwa der Doppelbeschluß ein Eingeständnis des Scheiterns der Politik der Entspannung ist, sondern die Vorrüstung der Sowjetunion im Mittelstreckenbereich hat die Entspannung beschädigt, weil sie Mißtrauen gesät und die Sowjetunion ein Angebot schmählich mißachtet hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Der Doppelbeschluß war ein erster, gänzlich neuer Ansatz bei den Diskussionen über Gleichgewicht, Gegenseitigkeit, Rüstungskontrolle. Vor dem Doppelbeschluß wäre ohne jedes Zögern und ohne jedes Reden an der Rüstungsschraube ein turn weitergedreht worden. Dieses Angebot ist von der Sowjetunion — wir alle wissen es — nicht honoriert worden. Das bringt uns zu den Entscheidungen, die wir heute mit allem Ernst und aller Verantwortung zu fällen haben.
    Die Bundesregierung wird diese Politik ganz gewiß mit Geduld, Augenmaß und Festigkeit fortsetzen.