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    Plenarprotokoll 10/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . 2460B, 2567 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Doppelbeschluß der NATO und Stand der Genfer INF-Verhandlungen in Verbindung mit Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Doppelbeschluß der NATO und Stand der . Genfer INF-Verhandlungen — Drucksache 10/617 — in Verbindung mit Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 in seinen beiden Teilen — Drucksache 10/620 — in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD NATO-Doppelbeschluß und Stand der INF-Verhandlungen — Drucksache 10/621 — Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . . 2459 B Fischer (Frankfurt) GRÜNE (zur GO) . 2459C Porzner SPD (zur GO) 2459 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2460 B Horn SPD 2469 D Präsident Dr. Barzel 2585D, 2586 A Biehle CDU/CSU 2475 B Frau Nickels GRÜNE 2481 C Vizepräsident Stücklen 2482 A Schäfer (Mainz) FDP 2483 C Waltemathe SPD 2488 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 2492 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 2494 D Brandt SPD 2498 D Vizepräsident Wurbs 2503A, 2512 D Schily GRÜNE (zur GO) 2510 B Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . 2511 A Porzner SPD (zur GO) 2511 D Rühe CDU/CSU 2512 B Frau Kelly GRÜNE 2520 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2524 A Vizepräsident Westphal 2527 B, 2568 A Schröder (Hannover) SPD 2527 B Dr. Kronenberg CDU/CSU 2530A Dr. Apel SPD 2533 B Reents GRÜNE 2536 A Dr. Feldmann FDP 2539 D Klein (München) CDU/CSU 2541 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2547 B Horacek GRÜNE 2550 B Wischnewski SPD 2552 A Ertl FDP 2553 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 2556A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 2560 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . 2563 B Reents GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 2566 D Burgmann GRÜNE (zur GO) 2567 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 GO Dr. Haack SPD 2568 C Dr. Hirsch FDP 2569 B Krizsan GRÜNE 2569 D Sauermilch GRÜNE 2570 B Reents GRÜNE 2571 A Schwenninger GRÜNE 2571C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 2572 B Dr. Jannsen GRÜNE 2572 D Bastian GRÜNE 2573 B Drabiniok GRÜNE 2573 D Frau Reetz GRÜNE 2574 B Schneider (Berlin) GRÜNE 2574 D Burgmann GRÜNE 2575 D Horacek GRÜNE 2576 C Stratmann GRÜNE 2577 A Frau Potthast GRÜNE 2578A Frau Schoppe GRÜNE 2579 A Frau Dr. Bard GRÜNE 2579 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 2580 C Frau Kelly GRÜNE 2581 D Frau Dr. Hickel GRÜNE 2582 C Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2583A Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 2584A Hoss GRÜNE 2584 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 2585A Schily GRÜNE 2585 C Namentliche Abstimmungen 2586 B, 2588 B, 2590 B Einspruch des Abg. Vogt (Kaiserslautern) gegen den am 21. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 A Einspruch des Abg. Schily gegen den am 22. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 B Nächste Sitzung 2592 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2593* A Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abg. Dr. Dieter Haack . . . . 2593* A Anlage 3 Erklärung des Abg. Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2593* B Anlage 4 Erklärung der Abg. Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO . 2594* A Anlage 5 Erklärung des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2594* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2459 36. Sitzung Bonn, den 22. November 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 35. Sitzung, Seite 2448 B, 7. Zeile von unten: Statt „Allergie" ist „Allegorie" zu lesen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2593* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Haehser 25. 11. Immer (Altenkirchen) 25. 11. Kastning 25. 11. Dr. h. c. Lorenz 25. 11. Offergeld 25. 11. Petersen 25. 11. Frau Dr. Wex 25. 11. Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abgeordneten Dr. Dieter Haack gez. Dr. Dieter Haack gez. Horst Grunenberg gez. Dr. Hans de With ) gez. Peter Würtz gez. Bruno Wiefel gez. Manfred Schulte (Unna) gez. Engelbert Sander gez. Horst Haase (Fürth) gez. Erwin Stahl gez. Dr. Axel Wernitz gez. Egon Franke (Hannover) gez. Lothar Löffler gez. Rudolf Purps gez. Kurt Vogelsang gez. Fritz Gerstl gez. Annemarie Renger gez. Dr. Müller-Emmert gez. Günter Herterich gez. Hans Matthöfer gez. Dr. Karl Ahrens gez. Erich Berschkeit Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 Geschäftsordnung: Vor mehr als 20 Jahren formulierten die Heidelberger Thesen der Evangelischen Kirche: Das System der atomaren Abschreckung müsse für eine Anlagen zum Stenographischen Bericht gewisse Zeit hingenommen werden. Es verschaffe den politisch Verantwortlichen aber nur eine Gnadenfrist, um durch atomare Abrüstung das System der atomaren Abschreckung überwinden zu können. Diese Gnadenfrist ist in keiner Weise zu atomarer Abrüstung genutzt worden — im Gegenteil. Diese Gnadenfrist geht zu Ende. „Abschreckung" soll jetzt erreicht werden, indem man sich auf das lange Undenkbare — den Atomkrieg - vorbereitet, durch Strategien des Sieges im Atomkrieg ebenso wie durch die Entwicklung von Atomwaffen, die nicht mehr der politischen Abschreckung dienen, sondern zum Einsatz im Atomkrieg vorgesehen sind. Auch die Pershing-Il-Raketen dienen nicht mehr der politischen Abschreckung, sondern dem Einsatz im erwogenen Atomkrieg. Nicht nur ihr Einsatz, sondern schon ihre Produktion und ihre Stationierung sind für mich unverantwortbar. Wir haben kein Recht, die Vernichtung der Welt, der Schöpfung Gottes, planmäßig vorzubereiten. Ein Zweites bestärkt mich in meinem entschiedenen Nein zu weiterer atomarer Aufrüstung: Diplomatie, Rüstungskontrollverhandlungen sind für mich bislang letztendlich nur die Kulisse, hinter denen Entscheidungen über neue Rüstungstechnologien, neue Kernwaffensysteme getroffen werden. Dabei dominieren wirtschaftliche und militärische Interessen, politische Kontrolle findet weitgehend nicht statt. 15 Minuten, so berichtete Valentin Falin, habe das ZK der KPdSU dazu gebraucht, der Umwandlung einer geplanten neuen dreistufigen Langstreckenrakete in die zweistufige SS 20 zuzustimmen. Im Jahre 1978 erhielt die amerikanische Rüstungsfirma Marietta Martin den Auftrag, bis 1986 Pershing II herzustellen. Die Raketen sollten von vornherein in Europa stationiert werden. Eine politische Diskussion fand darüber weder in den USA noch in Europa statt. Der NATO-Doppelbeschluß beschleunigte lediglich den Fertigstellungstermin für die ersten Raketen um zwei Jahre. Mein Nein zur Raketenstationierung ist der Versuch, der Politik wenigstens die Chance zu geben, endlich auf den atomaren Aufrüstungsprozeß Einfluß nehmen zu können. Planspiele in Ost und West malen das Bild eines „fährbaren und gewinnbaren Atomkrieges". Uns wird versichert, kein vernünftiger Mensch könne jemals einen derartigen Versuch wagen. Aber wäre der Erste oder der Zweite Weltkrieg je zustande gekommen, wenn nicht auch deutsche Politiker und Militärs versucht hätten, das Unmögliche möglich zu machen? „Schlieffen-Plan" und „Blitzkriegstrategie" wollten doch das Unmögliche, einen Sieg Deutschlands über ganz Europa, möglich machen. Ich fürchte, daß erneut — auch im atomaren Zeitalter - Menschen der Versuchung erliegen könnten, das Undenkbare — den Sieg im Atomkrieg — denkbar und umsetzbar zu machen. Deshalb stimme ich gegen den Antrag der Regierungsfraktionen, mit der Aufstellung von Pershing II und Cruise Missiles auf deutschem Boden zu beginnen, und unterstütze das Nein meiner Fraktion. 2594* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Anlage 4 Erklärung der Abgeordneten Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO: Die Vollversammlung des Ökumenischen Weltrates der Kirchen ist im Sommer dieses Jahres aus christlicher Überzeugung zu einer Erklärung gekommen, in der es u. a. heißt: Ein Atomkrieg ist unter keinen Umständen, in keiner Region und durch kein Gesellschaftssystem zu rechtfertigen oder als gerecht zu erklären, denn das Ausmaß der daraus folgenden Zerstörung steht in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, den man sich davon verspricht. Das Konzept der Abschreckung, dessen Glaubwürdigkeit von der Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen abhängt, ist aus moralischen Gründen abzulehnen und ungeeignet, Frieden und Sicherheit langfristig zu wahren. Die Herstellung und Stationierung von Kernwaffen sowie deren Einsatz sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Dieses sind keine Aussagen für das Leben in einem paradiesischen Jenseits, sondern für unser Handeln heute. Wir kommen als Christen zum gleichen Ergebnis und werden uns auch in unserem politischen Handeln danach richten. Der Antrag der SPD entspricht in den wichtigsten Passagen dieser Zielsetzung. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zu. Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO Zur Abstimmung über die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik gebe ich folgende Erklärung ab: Bereits am 26. Mai 1981 habe ich zusammen mit vier weiteren sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gegen eine Stationierung gestimmt. Die Vorgänge in den letzten zweieinhalb Jahren, insbesondere der mangelnde Verhandlungswille der beiden Supermächte in Genf, aber auch der deutliche Mehrheitswille unserer Bürger wie die Argumente der Friedensbewegung haben mich in meinem Abstimmungsverhalten noch bestärkt. Ich bin sehr froh, daß mein NEIN heute im Einklang mit dem NEIN meiner Partei, der SPD, und im Einklang mit dem Mehrheitswillen meiner Fraktion steht. Mein NEIN ist weder zeit- noch situationsbedingt, sondern ein kategorisches NEIN, weil ich die denkbaren, die möglichen und die wahrscheinlichen Folgen dieser Stationierung vor meinem Gewissen nicht verantworten kann. Die Gründe für mein NEIN fasse ich wie folgt zusammen: 1. Die neuen Nuklearwaffen sind, wie im übrigen auch die sowjetischen SS 20, geeignet, Millionen friedlicher Menschen auf Knopfdruck in wenigen Minuten auszurotten und weite Teile Europas auf Jahrtausende hinaus zu verwüsten. Kein wie immer gearteter Zweck kann ihren Einsatz rechtferigen. Wer diese Waffen annimmt, nimmt, auch wenn er ihn nicht will, den Völkermord billigend in Kauf. 2. Mit den neuen Nuklearwaffen soll erneuter Schrecken über die osteuropäischen Völker verbreitet werden. Damit läßt sich vielleicht vorübergehend Krieg abschrecken, aber niemals ein dauerhafter Friede zwischen den Völkern begründen. Der Friede wächst nicht auf Raketen, sondern nur auf Entspannung, Aussöhnung, Verständigung und Sicherheitspartnerschaft über alle unverwischbaren ideologischen Grenzen hinweg. 3. Die Sicherheit unseres Volkes ist vielfach gewährleistet. Sie bedarf dieser neuen Nuklearwaffen nicht. Diese Waffen machen unser Volk nicht mehr sicherer, sondern unermeßlich bedrohter, weil sie gegnerische Atomschläge letzten Endes nicht abschrecken, sondern im Konfliktfall auf sich ziehen. 4. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion nicht zur Abrüstung veranlassen. Der Versuch, mit mehr und immer mehr Waffen zu weniger Waffen auf der Welt zu kommen, ist ein durch die jüngere Geschichte längst widerlegter Wahnsinn. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion zu weiterer Aufrüstung mit Kurzstreckenraketen veranlassen. Diese wiederum wird den Grund oder Vorwand für erneute „Nach"rüstung im Westen abgeben. Auf diese Weise kommt es mit zwangsläufiger Sicherheit zu einer neuen mörderischen Dynamik im weltweiten Wettrüsten. Wie die Menschheitsgeschichte in Hunderten von Fällen lehrt, steht am Ende einer solchen Hochrüstung nicht der Friede, sondern der Krieg. Der nächste Krieg ist aber nicht irgendeiner, den man schlecht oder recht überleben könnte. Er kann in der Vernichtung der Menschheit enden. 5. Die Stationierung neuer Nuklearwaffen und die damit verbundene ausschließliche Einsatzgewalt des Präsidenten der Vereinigten Staaten, zerstört die sowieso schon eingeschränkte Souveränität der Bundesrepublik im Wesensgehalt. Wie kann im übrigen die uns allen gemeinsame Lehre des 2. Weltkriegs beherzigt werden, wonach von deutschem Boden nie mehr wieder ein Krieg ausgehen darf, wenn in unserem Vaterland nukleare Vernichtungswaffen als Angriffswaffen stationiert werden und ein einziger Amerikaner über den Einsatz dieser Waffen entscheiden darf oder binnen weniger Minuten Warnzeit entscheiden muß?
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß wir heute hier eine sehr wichtige Entscheidung zu treffen haben, liebe Frau Nickels, ist uns sehr bewußt. Die vielen Briefe und sonstigen Mahnungen, die wir j a alle erhalten haben, machen auch mir deutlich, daß sehr viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland auf dieses Parlament hier sehen und diese Entscheidung für eine der wichtigsten in der Geschichte unseres Landes halten. Ich habe einen Brief bekommen, in dem diese Entscheidung heute abend sogar mit dem Ermächtigungsgesetz 1933 verglichen wird. Meine Damen und Herren, ich glaube, dieser Vergleich geht — wie einige andere Vergleiche — entschieden zu weit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Es ist auch sicher nicht richtig, daß wir hier heute über Krieg und Frieden entscheiden. Zwar haben wir eine verantwortliche Entscheidung zu treffen, die sicher auch mit Krieg und Frieden zu tun hat, aber ich muß doch sehr darum bitten, meine Damen und Herren, daß diejenigen, die sich bei der Entscheidung dieses Parlaments heute abend konsequent verhalten, hier nicht als Freunde der Rüstung oder gar des Krieges oder als solche abqualifiziert werden, die nicht wissen, was sie tun.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber Sie müssen entscheiden als solche, die über Krieg und Frieden zu entscheiden haben!)

    Auch wir können sicher zumindest das Maß an Toleranz beanspruchen, das wir Ihnen entgegenbringen. Ich jedenfalls habe solche Toleranz Ihrem Abgeordneten Voigt bei jeder Reise, die ich gemeinsam mit ihm hinter mich gebracht habe — vielleicht habe ich solche Reisen mit ihm auch noch vor mir —, entgegengebracht. Das müssen wir von Ihnen erwarten. Wenn Sie uns diese Toleranz nicht mehr entgegenbringen, dann wird, fürchte ich, die innenpolitische Auseinandersetzung allerdings härter werden.

    (Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

    Und die Folgen werden mit Sicherheit nicht Frieden im Inneren dieses Landes sein. Glauben Sie mir das!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ihre Tonart trägt nicht zu diesem Frieden bei.


    (Abg. Voigt [Frankfurt] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Voigt, ich bitte um Verständnis, daß ich heute keine Zwischenfrage beantworten kann und will. Ich bin leider nicht in der Lage, so lange Reden halten zu dürfen wie einige Redner Ihrer Fraktion oder auch der anderen großen Fraktion in diesem Hause. Ich darf also um Verständnis dafür bitten.



    Schüler (Mainz)

    Ich setze mich aber auch mit Ihnen noch auseinander.

    (Duve [SPD]: Der reißt sich aber wieder zusammen!)

    Es mag vielleicht an unseren historischen Erfahrungen liegen, vielleicht auch an unserer geographischen Lage, mit Sicherheit aber auch an unserer Mentalität in der Bundesrepublik Deutschland, daß der Debatte, die wir hier führen, ein Ausmaß an Erregung und, ich möchte sagen, auch ein Ausmaß an Übersteigerung der Bedeutung entgegengebracht wird,

    (Zustimmung bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

    die sie in diesem Sinn nicht verdient. Ich sage das deshalb, weil in der vergangenen Woche beispielsweise in Italien die Debatte um genau die gleiche Frage gelaufen ist. Nun kann man ja sagen, Italien habe all das nicht erfahren und sei nicht in unserer Lage. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir waren bei dieser Debatte dabei, und ich habe mit italienischen Politikern gesprochen. Und ich weiß auch, daß es keine Demonstration gegeben hat und daß sich auch die Kommunistische Partei Italiens und ihr Vorsitzender sehr viel gemäßigter geäußert haben, als es einige Leute in diesem Lande tun, die glauben, diese Entscheidung zum NATO-Doppelbeschluß

    (Duve [SPD]: Was ist das für eine Entscheidung?)

    sei nun wieder eine Entscheidung auf Tod und Leben. Das wird in einigen Ländern, die mit dem Tod nicht so — —

    (Zurufe der Abg. Voigt [Frankfurt] [SPD] und Duve [SPD])

    — Ihre Unterbrechung, lieber Herr Voigt, in Ehren. Ich komme gleich auf Ihre Haltung zurück. Ich glaube, Sie haben dann viel mehr Grund, mich vielleicht zu attackieren, als es jetzt schon der Fall ist, wo ich ja noch verhältnismäßig glimpflich rede.
    Es muß auch hier klar sein, daß wir uns in der Zielsetzung einig sind, daß alle, die wir hier sitzen, eben nicht wollen, daß es mehr Raketen gibt, nicht wollen, daß die Aufrüstung fortgesetzt wird,

    (Zuruf des Abg. Duve [SPD])

    und erst recht nicht wollen können, daß es ein neues Wettrüsten gibt; daß aber die Frage nach der Erreichung dieses Ziels verschieden beantwortet wird. Und das muß man doch wohl noch hinnehmen: Sie wird verschieden beantwortet. Sie wird von Ihnen heute anders beantwortet als vor einem Jahr, und von uns genauso wie vor einem Jahr. Darin liegt ein Unterschied. Das gebe ich Ihnen zu.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich warne vor dem Mißverständnis, daß die Entscheidungen in Genf und die Diskussionen in Genf allein von militärischen Fragen geprägt gewesen sind. Sie sind — das hat uns Herr Nitze bei unserem letzten Gespräch des Unterausschusses, daß wir vor drei Wochen geführt haben, sehr deutlich gemacht — zunehmend von einer politischen Zielsetzung geprägt worden, die die Sowjetunion immer mehr in diese Verhandlungen hineingebracht hat. Und diese politische Fragestellung ist eben, ob es der Sowjetunion gelingen kann, im Gegensatz zu allem, was in diesem westlichen Bündnis früher gegolten hat, zum erstenmal zu erreichen, daß sie Waffen aufstellt und den Amerikanern verweigert wird, vergleichbare Waffen auf unserem Territorium zu unserem Schutz aufzustellen.
    Ich verstehe eines nicht, meine Damen und Herren von der SPD: daß Sie heute sagen, es genüge eigentlich, wenn man auf die Vorschläge der Sowjetunion eingehe, beispielsweise eine Zahl von Raketen bejahe, die etwa mit der der DrittstaatenSysteme vergleichbar ist. Noch vor einiger Zeit — ich erinnere mich an Worte von Herrn Bahr in Washington — war das für Sie unannehmbar. Es ist überraschend für Sie annehmbar geworden. Ich meine, das ist sicher nicht ganz konsequent.
    Wenn Helmut Schmidt davon gesprochen hat, daß es bei dieser schwierigen Entscheidung, vor der wir stehen, darauf ankommen muß, daß die Bundesrepublik ihr Wort hält, und daß das politische Gleichgewicht nachhaltig gestört würde, wenn wir von dem abweichen, was wir hier jahrelang gemeinsam vertreten haben, dann hat er es bestimmt nicht aus Gründen getan, die hier von meiner Vorrednerin herausgestellt worden sind, sondern weil wir wissen, daß unsere Verantwortung in diesem Bundestag für den Frieden in diesem Land im wesentlichen davon abhängt, ob wir in der Welt noch berechenbar bleiben, ob wir in Zukunft gegenüber unseren westlichen Verbündeten noch die Rolle spielen können, die wir bisher gespielt haben. Ich halte das für eine sehr wesentliche Entscheidung.
    Die Kritik, wie man- sie von den Gegnern des Doppelbeschlusses hört, bezieht sich insbesondere auf die Vereinigten Staaten von Amerika, und auch bei den Demonstrationen vor der Tür dieses Hauses werden immer wieder Parolen laut, die sich gegen die Vereinigten Staaten von Amerika richten. Angesichts dessen sollten wir uns heute, am 20. Todestag des Präsidenten Kennedy, daran erinnern, daß wir sehr viele verschiedene amerikanische Präsidenten erlebt haben und daß wir — ich gebe das zu — einen wesentlichen Unterschied zwischen der Rhetorik eines Kennedy und der des heutigen Präsidenten feststellen können. Ich gebe zu, daß mir in den vergangenen Jahren die Rhetorik mancher amerikanischer Politiker nicht gefallen hat. Diese Rhetorik hat mit dazu beigetragen, daß es hier ein Mißtrauen gegenüber den Vereinigten Staaten gibt. Das kann man nicht wegleugnen. Man darf sich in Washington auch nicht darüber wundern, wie heftig einige Reaktionen in Europa gewesen sind und wie sehr amerikanische Politiker auch im eigenen Land die Folgen solcher Reden spüren, etwa wenn der amerikanische Verteidigungsminister Weinberger dieser Tage an der renomiertesten Universität der Vereinigten Staaten, in Harvard, sehr heftige Proteste miterlebt hat. Wir wissen das, und wir geben auch zu, daß das nicht immer hilfreich gewesen ist. Ich bin auch nicht der Auffassung, daß wir lediglich



    Schäfer (Mainz)

    aus dem Bündnis heraus, das wir mit den Vereinigten Staaten haben, alles gutheißen sollten, was in den Vereinigten Staaten geschieht oder was dort gesprochen wird. Aber das darf uns doch nicht von der klaren Erkenntnis abbringen, daß wir ohne die Vereinigten Staaten eben nicht in der Lage sind, die Sicherheit dieses Landes zu garantieren

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    und daß wir die Vereinigten Staaten zu diesem Doppelbeschluß gebracht haben, den sie ursprünglich
    — zumindest die Vorgängerregierung des heutigen Präsidenten — nicht wollten.
    Die Amerikaner verstehen eben nicht, wenn ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschland — —

    (Zuruf des Abg. Voigt [Frankfurt] [SPD])

    — Herr Voigt, ich habe gerade vor wenigen Tagen mit einigen Ihrer Kollegen und ehemaligen Kollegen zusammengesessen. Ich muß Ihnen sagen: Eine so erbitterte Kritik wie die in Ihren Reihen an der Führung Ihrer Partei ist bei uns mit Sicherheit noch nicht zu hören gewesen. Versuchen Sie bitte nicht, die Probleme, die Sie haben, jetzt ständig auf andere zu übertragen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Helmut Schmidt hat recht, wenn er sagt: Es entstünde eine Vertrauenskrise im westlichen Bündnis, wenn wir Ihnen heute abend folgen würden. Machen wir uns doch bitte nichts vor! Willy Brandt und Horst Ehmke und auch Karsten Voigt ist doch bekannt, wie in Amerika gedacht wird. Glauben Sie doch nicht, daß das Wackeln eines der entscheidenden Bündnispartner ohne jede Wirkung in den Vereinigten Staaten wäre oder daß Ihre Umkehr oder
    — ich will das Wort, das ich bisher sehr selten ausgesprochen habe, jetzt einmal verwenden — Ihre Wende weg von dieser Politik in den Vereinigten Staaten etwa zu einer Verbesserung unserer politischen Situation führen würde. Machen Sie sich doch bitte nichts vor! Letzten Endes war Herr Bahr bei den Gesprächen in Washington bei fast allen wesentlichen Leuten der amerikanischen Regierung und auch mit dem amerikanischen Generalstab dabei, und ich habe dort bei Herrn Bahr leider die deutliche Abkehr, die Argumentation, die er seiner gestrigen Rede zugrunde gelegt hat, vermißt. Er hat sie in den Vereinigten Staaten nicht gebracht, hat sich im Dialog mit den Vereinigten Staaten nicht bemüht, Ihre schwerwiegenden Bedenken vorzubringen.

    (Hört! Hört! bei der FDP und der CDU/CSU — Bohl [CDU/CSU]: Sonderbar!)

    Er hat damals gesagt, daß die Vorschläge der Sowjetunion eben nicht ausreichend seien und daß er sich vom Beschluß des Landesparteitags Baden-Württemberg distanzieren müsse. Und eine Woche später hat er auf einem Landesparteitag in Rheinland-Pfalz das genaue Gegenteil getan! Sie können uns dann nicht vorwerfen, wir machten eine falsche Politik, sondern Sie müssen sich fragen, ob ein solcher Slalomkurs unser Vertrauen in der Welt stärkt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, Herr Kwizinski hat bei den Gesprächen des Unterausschusses in Genf
    — Herr Rühe wird noch sprechen, er wird das bestätigen können — in kühler Arroganz gesagt, daß die Bundesrepublik Deutschland keinen Anspruch auf besondere Waffen zur Abschreckung habe. Das sei gar nicht der Sinn dieser Verhandlungen. Wir müssen ganz klar erkennen, daß unsere Sicherheitsanforderungen mit solchen Äußerungen deklassiert werden, daß das, was für die Vereinigten Staaten gilt, für die Bundesrepublik russischerseits nicht zu gelten scheint. Kwizinski sagt, die Aufstellung von Pershing II sei unbegründet, wir hätten mit Pershing I schon die richtigen Waffen gehabt, um nach Osteuropa zu zielen, und die Aufstellung der SS 20 habe nur dazu geführt, das wettzumachen, was die Pershing I bedeutet habe. So wurde das bei den Gesprächen in Genf wörtlich gesagt. Ich frage mich, welche Art von Verhandlungspolitik das ist.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist Quatsch!)

    — So war es, Herr Voigt, Sie waren nicht dabei.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Was Kwizinski sagt, ist Quatsch!)

    Was Kwizinski sagt, ist Quatsch. Ich bin dankbar, daß zumindest Kritik auch an der Sowjetunion aus Ihren Reihen noch mit aller Kraft erfolgt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Duve [SPD]: Was soll das denn, Herr Schäfer? Das war unter Ihrem Niveau!)

    — Nein, es war gar nicht so gemeint. Entschuldigung, ich wollte hier nur sagen: Es tut gut, daß Sie gelegentlich auch einmal einen sowjetischen Politiker mit dem Attribut „Quatsch" versehen. Das ist für mich zumindest eine gewisse Befriedigung.
    Meine Damen und Herren, die, die jetzt für eine Fortsetzung der Verhandlungen plädieren, die jetzt sagen, der Durchbruch sei zwar bisher nicht geschafft worden, könne aber geschafft werden, wenn wir Verhandlungen verlängern, die aber gleichzeitig sehr deutlich machen, daß eine Stationierung dieser Waffen nicht in Frage kommt, muß ich fragen, mit welchen Trumpfkarten wir in Genf eigentlich noch spielen wollen,

    (Schily [GRÜNE]: Fragen Sie doch mal Senator Kennedy, was er meint!)

    und wie sie die Erfolgschancen dieser Verhandlungen sehen, wenn sie jetzt erkennen können, daß die Sowjetunion bis zur Stunde nicht bereit gewesen ist, die entscheidende Forderung zurückzustellen, es dürfe hier keine einzige amerikanische Waffe aufgestellt werden, alles sei nur mit Drittstaatensystemen vergleichbar. Noch ein Zitat von Herrn Kwizinski: Auf die Frage, ob wenigstens die Produktion der SS 20 gestoppt werden würde, hat er uns geantwortet: Nein, das können wir nicht. Die Aufstellung wird gestoppt, die Produktion nicht.

    (Schily [GRÜNE]: Ist die Produktion von Pershing II gestoppt?)

    Angesichts dieser Situation frage ich mich, woher Ihr Optimismus zu nehmen ist, Verhandlungen fort-



    Schäfer (Mainz)

    zusetzen und mit dem Beginn der Stationierung noch länger zu zögern. Ich sehe kein befriedigendes Zeichen; aber ich erinnere mich auch, daß wir alle in Washington den Eindruck hatten, daß es einen berechtigten Optimismus gibt, 1984 zu Ergebnissen zu kommen, nämlich dann, wenn die Sowjetunion weiß: es wird Ernst gemacht.

    (Berger [CDU/CSU]: So ist das!)

    Es ist auch niemals vom Abbruch der Verhandlungen gesprochen worden. Herr Sagladin hat uns in Moskau klargemacht, daß er eine Unterbrechung voraussieht, und Herr Falin hat noch vorgestern abend im Fernsehen in einer Diskussion, der Sie alle folgen konnten, an der auch Herr Sonnenfeld und Herr Schmidt teilgenommen haben, gesagt: Dann wird es neue Verhandlungen geben.
    Nun gibt es aus Ihren Reihen die Kritik, diese neuen Verhandlungen könnten auf dem Rücken der Bundesrepublik Deutschland zu Ergebnissen führen, die wir nicht wollen könnten. Ich sage Ihnen: Wenn wir Ihren Weg beschreiten, dann haben wir allerdings kaum Gelegenheit, auf die Vereinigten Staaten noch einmal Einfluß auszuüben oder unseren Einfluß geltend zu machen, daß Ergebnisse zustande kommen, wie wir sie wollen; denn ein derart unglaubwürdig gewordener Verbündeter hat nicht mehr die Möglichkeiten, die sich diese Bundesregierung erhalten will.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Ich meine, wir sollten uns vielleicht in der Bundesrepublik Deutschland über eine weitere Illusion langsam klarwerden, nämlich die Vorstellung, die man in vielen Gesprächen mit jungen Leuten hört, den Vereinigten Staaten sei das eigentlich ganz egal, sie seien so an uns interessiert, daß sie in jedem Fall alle Entscheidungen, die wir hier fällen, zur Kenntnis nähmen und ihre Haltung uns gegenüber nicht veränderten. Ich sage Ihnen: Ein Freund dieses Landes und ein sicher unverdächtiger Zeuge, mit dem wir in Washington gesprochen haben, nämlich Herr Eagleburger, hat uns nachdrücklich davor gewarnt, die Gefahren des sogenannten Unilateralismus in den Vereinigten Staaten zu unterschätzen. Es ist nicht Isolationismus, aber es ist eine zunehmende Gefahr — ich bin Ihnen dankbar, Herr Stobbe, daß Sie mir zunicken, der Sie lange in New York gelebt haben —, daß einfache Kongreßabgeordnete, aber auch der Mann auf der Straße, von dem hier in diesen Debatten soviel gesprochen wird, nicht mehr versteht, weshalb eigentlich soviel Aufhebens um dieses Europa gemacht wird, wo nacheinander jeder Verbündete seine eigenen Vorstellungen entwickelt und am nächsten Tag nicht mehr dazu steht. Glauben Sie doch bitte nicht, daß das nicht Wirkungen auf die Außenpolitik der Vereinigten Staaten hätte!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Es hat auch Wirkungen auf die Vereinigten Staaten, wenn z. B. im Fernsehen der Vereinigten Staaten immer wieder Bilder gezeigt werden, die dort fälschlich den Eindruck erwecken, als sei die von
    Ihnen behauptete Mehrheit, von der ich meine, daß es keine Mehrheit ist — —

    (Schily [GRÜNE]: Prüfen Sie doch mal! Sie können ja mal fragen!)

    — Eine Mehrheit für den Frieden j a, nicht aber eine Mehrheit, wie Sie sie hier dauernd unterstellen, eine Mehrheit gegen die Nachrüstung! Die haben Sie nicht, weil den Leuten die Folgen zu sehr bewußt sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Schily [GRÜNE]: Machen Sie doch mal die konsultative Volksbefragung!)

    — Eine Volksbefragung haben wir auch abgelehnt, als von bestimmten rechten Politikern nach Taxi-Morden verlangt worden ist, die Todesstrafe wieder einzuführen.

    (Schily [GRÜNE]: Das können Sie nicht vergleichen!)

    Wir sind eine repräsentative Demokratie,

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Die will er ja gerade kaputt machen, der Herr Schily!)

    Wir machen nicht Volksabstimmungen gerade nach Wunsch und Willen der verschiedensten Leute.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich kann Ihnen nur sagen: Die Wirkungen der Dinge, die im amerikanischen Fernsehen dargestellt worden sind, — —

    (Duve [SPD]: Sind das wirklich die Kriterien, nach denen wir entscheiden sollen: die Wirkungen des amerikanischen Fernsehens?)

    — Ich kann Ihnen nur sagen: Es geht mir darum, daß Sie Ihre Illusionen verlieren, Sie könnten Ihre politischen Bocksprünge ohne jede Wirkung in den Vereinigten Staaten in Zukunft so fortführen. Das ist der Punkt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Duve [SPD]: Sprechen Sie von Bocksprüngen auch bei McNamara und anderen Amerikanern? — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Doch, doch, das ist eine Wende gewesen. Das können Sie mir nicht bestreiten. Mir hat ein Abgeordneter Ihrer Fraktion in diesen Tagen gesagt: „Ich habe damals den Genscher bei dieser Wende nicht verstanden, und wir haben Haßgefühle gegen ihn gehabt; aber heute muß ich sagen: der hat richtig gehandelt." — Aus Ihrer Fraktion! Da müssen Sie doch sehen, was hier inzwischen eigentlich passiert ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie wissen, daß ich mir das damals auch nicht leicht gemacht habe.

    (Duve [SPD]: Herr Schäfer, das ist doch eine verspätete Rechtfertigung, die Sie jetzt suchen!)

    — Das ist keine Rechtfertigung, die ich jetzt suche, sondern Sie liefern nachträglich den Beweis, daß es



    Schäfer (Mainz)

    richtig war, außenpolitisch mit Ihnen nicht mehr zu koalieren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Berger [CDU/CSU]: Daß es dringend notwendig war!)

    Ich darf in diesem Zusammenhang auch noch folgendes sagen.

    (Duve [SPD]: Geben Sie eine Antwort: Ist das amerikanische Fernsehen eine Grundlage für eine Entscheidung im deutschen Parlament? — Gegenrufe von der CDU/ CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Schäfer!

(Duve [SPD]: Zwischenrufe sind erlaubt!)

— Ja, Herr Abgeordneter Duve, aber wenn die Zwischenrufe hier dem Redner beinahe ohne jede Pause entgegengebracht werden, ist das eine Störung. Ich bitte um etwas Zurückhaltung.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich habe auf das amerikanische Fernsehen angespielt im Zusammenhang mit den Berichten über gewalttätige Demonstrationen in der Bundesrepublik Deutschland und z. B. vor Berliner Kasernen. Da muß sich doch der normale amerikanische Bürger langsam die Frage stellen, wozu die Amerikaner Berlin eigentlich noch verteidigen sollen, wenn die Einwohner dieser Stadt vor amerikanischen Kasernen in West-Berlin demonstrieren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das können Sie Amerikanern doch einfach nicht mehr klar machen.
    Sie wissen ganz genau, daß ich mit manchem nicht einverstanden bin, was die neue Regierung der Vereinigten Staaten, insbesondere in Zentralamerika, politisch unternommen hat. Und ich bin dem Bundesaußenminister nachträglich noch sehr dankbar — ich sage das auch an die Adresse unserer Freunde bei der CSU —, daß er hier eine klare Stellungnahme zu Grenada abgegeben hat, von der es keinen Millimeter zurückzuweichen gilt, auch wenn das mancher in München nicht möchte.

    (Beifall bei der FDP)

    Aber, meine Damen und Herren, das können wir doch nur auf Grund unseres Freundschaftsverhältnisses zu den Vereinigten Staaten. Es ist doch einfach eine Illusion, zu glauben, wir könnten uns in Zukunft noch solche Möglichkeiten des Einflusses auf die Vereinigten Staaten erhalten, wenn wir hier in einer ganz entscheidenden Frage, die wir und nicht die Amerikaner letzten Endes durchgesetzt haben, diesen Schwenk vollziehen.
    Meine Damen und Herren, ich teile auch die Sorgen der Friedensbewegung — die ich nicht herunterspielen will — hinsichtlich atomarer Rüstung, Aufrüstung und Gefahren des Wettrüstens. Aber ich habe auch Sorge, daß mit der Friedensbewegung, weil in ihr so etwas wie eine neue irrationale Strömung aufgekommen ist, die ja in der deutschen Geschichte nicht zum erstenmal hochkommt,

    (Lambinus [SPD]: Nicht die Friedensbewegung ist irrational, sondern die Atomwaffen sind es!)

    aus einer tiefsitzenden romantischen Neigung, zu glauben, man könne sich aus der Verantwortung stehlen,

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    man könne sich zwischen den Weltmächten eine Insel schaffen oder eine Art politischen Schrebergarten, in dem man mit diesen weltpolitischen, ideologischen Auseinandersetzungen nichts mehr zu schaffen habe. Das ist die Situation. Craig spricht in seinem Buch „Über die Deutschen" vom „Hang zu einer gewissen Überspannung, Erregung, vom Widerwillen gegen das Einfache und Logische" — das ist sogar ein Nietzsche-Zitat. Meine Damen und Herren, das können Sie nicht leugnen. Auch hinter dem religiösen Fundamentalismus, dem dauernden Beschwören der Bergpredigt, stehen irrationale Momente, die die politischen Fragen der Gegenwart nicht lösen können, weil sie einfach unterschlagen, daß die Partner im Osten, von denen Sie die Sicherheitspartnerschaft verlangen, solche Vorstellungen moralisch nicht teilen und wir dort mit einem völlig anderen Bewußtsein zu rechnen haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Insofern sind diese Versuche zum Scheitern verurteilt.
    Meine Damen und Herren, auch die Vorstellung eines deutschen Neutralismus, die Vorstellung, wir könnten Österreich oder Finnland spielen, sind doch schlicht und einfach grotesk. Sie entsprechen nicht unserer Situation. Wir haben uns hier zu entscheiden. Aber wir können nicht die Flucht in die Irrealität antreten. Weil Atombomben schlecht sind, können wir nicht sagen, wir hören auf mit einer Sicherheitspolitik, die mit diesen Waffen weiterhin leben muß.
    Auch die, die sagen: Wir brauchen die neue, andere Strategie, wir brauchen jetzt etwas völlig anderes!, sind uns die Antwort schuldig geblieben, wie diese Strategie aussehen soll. Um eine solche Strategie zu entwickeln, braucht man sehr viel Zeit.

    (Duve [SPD]: Es gibt sehr viele Amerikaner, die das fordern!)

    Deshalb müssen wir, ob wir wollen oder nicht, vorläufig weiter mit atomaren Waffen leben, aber immer in der Bemühung, sie abzubauen. Darin sind wir uns j a einig. Es wäre Unsinn, das leugnen zu wollen und uns zu unterstellen, wir seien von einer zusätzlichen Rüstung begeistert.
    Meine Damen und Herren, ich mache mir Sorge über diese Götterdämmerungs- und Weltuntergangsstimmung, die zum Teil aufgekommen ist,

    (Duve [SPD]: Die liegt in den Geräten!)

    weil ich fürchte, daß sie uns an rationalen und vernünftigen Entscheidungen hindern wird, daß sie



    Schäfer (Mainz)

    uns nicht helfen wird. Ich mache mir auch Sorgen, daß hier ständig gegen viele Abgeordnete eine Stimmung angeheizt wird, indem man unterstellt, in ihrer Leichtfertigkeit nicht zu wissen, worüber sie zu entscheiden hätten. Ich finde das sehr bedauerlich. Herr Mischnick hat gestern eine Reihe von Bemerkungen zu diesem Punkt gemacht.

    (Beifall des Abg. Berger [CDU/CSU])

    Er hat deutlich gemacht, daß man mit einem solchen Druck, den man auf uns ausübt, begonnen hat, die Demokratie auszuhöhlen. Das sollte man in aller Deutlichheit hier einmal sagen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Schneider [Berlin] [GRÜNE]: Sie sind gar nicht mehr zu beeindrucken!)

    Meine Damen und Herren, es darf hier kein Zweifel daran bestehen, daß wir uns in unserem Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, von dem ich gesprochen habe, die Entscheidungsmöglichkeiten erhalten wollen, daß wir aber auch in unserem Verhältnis zur Sowjetunion nicht von dem abgehen wollen, was wir in den vergangenen Jahren auch in den Jahren der sozialliberalen Koalition mit dem Osten, erreicht haben. Bei allen Gesprächen, die wir in den letzten Wochen mit den Sowjets geführt haben — ob das Graf Lambsdorff war, ob es der Unterausschuß Abrüstung war —, ist unsere Absicht deutlich geworden, auch gegen manche Kritik aus den Vereinigten Staaten, diese Politik fortzusetzen und sie zu vertiefen.
    Ich als Vorsitzender der deutsch-sowjetischen Parlamentariergesellschaft in diesem Hohen Hause habe mich sehr darüber gefreut, daß in einer Verhandlungspause, die wir in Moskau hatten, Herr Schitikow, der Vorsitzende des Obersten Sowjets, zu mir gekommen ist und gesagt hat: Herr Schäfer, wann findet die Delegationsreise statt, auf die wir warten? Wann kann unsere Delegation hierher kommen, und wann kommt ihre im nächsten Jahr dorthin? Das war in der Pause bei einem Gespräch, in dem es um Raketen ging. Herr Schitikow hat gesagt: — auch das hat mich erfreut — Lassen Sie uns jetzt endlich einen Moment aufhören, über Raketen zu diskutieren; wir wollen weiterkommen. Wir sollten hier ein bißchen Zuversicht verbreiten und nicht die Stimmung, als würde mit heute abend alles enden, was bisher an Anstrengungen nach Osten hin unternommen worden ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich finde, diese Zuversicht sollten wir insbesondere auch unseren Landsleuten in der DDR vermitteln, die ja auch glauben, unsere Entscheidung könnte in der DDR zu einer neuen Eiszeit führen. Wir sind uns sehr bewußt, was diese Entscheidung auslösen kann. Aber auch an unsere Landsleute in der DDR gerichtet glaube ich sagen zu müssen: Haben Sie Trost und Zuversicht mit uns, daß es uns gelingen wird, weiterzukommen. Das ist keine naive Unterschätzung der Weltmachtvorstellungen der Sowjetunion. Ich glaube, wir sprechen vielmehr aus der langen Erfahrung unserer Verhandlungen auch mit der Sowjetunion.
    Ich darf zum Schluß kommen. Ich glaube, daß nur auf den Fundamenten eines funktionierenden Bündnisses, eines starken Atlantischen Bündnisses, und unseres festen und freundschaftlichen Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten Abrüstungserfolge erreichbar sind. Dies geht aber nicht gegen die Vereinigten Staaten und mit Sicherheit auch nicht durch Wankelmut. Der ist sicher auch auf die Rolle zurückzuführen, die Sie als Opposition spielen. Ich bin mir nicht sicher, ob Ihre Partei, ob die Sozialdemokraten in der Regierung heute eine ähnliche Entscheidung treffen würden, wie Sie, meine Damen und Herren, sie auf Ihrem Kölner Parteitag getroffen haben. Es läßt sich in der Opposition natürlich manchmal populistischer argumentieren, als man es in der Regierung kann.

    (Zuruf von der SPD: Dummes Zeug!)

    Ein letztes Wort darf ich vielleicht noch zu der Rolle meiner eigenen Partei sagen, die ja manchmal — im Gegensatz zu einem Zitat aus „Faust" — viel gescholten und wenig geliebt ist. Meine Damen und Herren, die FDP, der man in einigen Kreisen in der Bundesrepublik die Wende sehr vorgeworfen hat, hat seinerzeit mit der CDU/CSU und gegen die nationale deutsche Linke das Atlantische Bündnis herbeigeführt sowie die Freundschaft mit dem Westen und unsere Verankerung im westlichen Bündnis begründet. Gegen den jetzigen Koalitionspartner CDU/CSU mußte sie zusammen mit den Sozialdemokraten die Ostpolitik durchsetzen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Und wenn Sie noch so lachen: Sie hatten nie die absolute Mehrheit, und Sie werden sie auch nie kriegen. Das ist Ihr Problem.

    (Zuruf von der SPD: Abwarten!) Nebenbei bemerkt, wir kriegen sie auch nicht.


    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf: Bedauerlicherweise!)

    — Ja, bedauerlicherweise. Intelligenz wird in diesem Lande häufig unterschätzt. Das haben wir schon öfter festgestellt.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich möchte nur eines sagen, meine Damen und Herren: Wir mußten gegen manchen, der heute noch hier sitzt, die Ost- und Entspannungspolitik mit Ihnen von der SPD durchsetzen. Wir bedauern, daß Sie einen Weg zurückgehen von dem, was Sie in den 13 Jahren gemeinsam mit uns bekräftigt hatten. Jetzt ist der Anfang dieses Weges gegangen worden, und ich kann nur mit meinen Freunden in Ihrer Partei, die ich immer noch habe, hoffen, daß Sie nicht noch weitere Schritte gehen, daß Sie nicht in eine Isolierung geraten, die ich Ihnen politisch nicht wünsche.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)