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    Plenarprotokoll 10/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . 2460B, 2567 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Doppelbeschluß der NATO und Stand der Genfer INF-Verhandlungen in Verbindung mit Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Doppelbeschluß der NATO und Stand der . Genfer INF-Verhandlungen — Drucksache 10/617 — in Verbindung mit Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 in seinen beiden Teilen — Drucksache 10/620 — in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD NATO-Doppelbeschluß und Stand der INF-Verhandlungen — Drucksache 10/621 — Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . . 2459 B Fischer (Frankfurt) GRÜNE (zur GO) . 2459C Porzner SPD (zur GO) 2459 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2460 B Horn SPD 2469 D Präsident Dr. Barzel 2585D, 2586 A Biehle CDU/CSU 2475 B Frau Nickels GRÜNE 2481 C Vizepräsident Stücklen 2482 A Schäfer (Mainz) FDP 2483 C Waltemathe SPD 2488 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 2492 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 2494 D Brandt SPD 2498 D Vizepräsident Wurbs 2503A, 2512 D Schily GRÜNE (zur GO) 2510 B Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . 2511 A Porzner SPD (zur GO) 2511 D Rühe CDU/CSU 2512 B Frau Kelly GRÜNE 2520 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2524 A Vizepräsident Westphal 2527 B, 2568 A Schröder (Hannover) SPD 2527 B Dr. Kronenberg CDU/CSU 2530A Dr. Apel SPD 2533 B Reents GRÜNE 2536 A Dr. Feldmann FDP 2539 D Klein (München) CDU/CSU 2541 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2547 B Horacek GRÜNE 2550 B Wischnewski SPD 2552 A Ertl FDP 2553 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 2556A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 2560 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . 2563 B Reents GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 2566 D Burgmann GRÜNE (zur GO) 2567 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 GO Dr. Haack SPD 2568 C Dr. Hirsch FDP 2569 B Krizsan GRÜNE 2569 D Sauermilch GRÜNE 2570 B Reents GRÜNE 2571 A Schwenninger GRÜNE 2571C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 2572 B Dr. Jannsen GRÜNE 2572 D Bastian GRÜNE 2573 B Drabiniok GRÜNE 2573 D Frau Reetz GRÜNE 2574 B Schneider (Berlin) GRÜNE 2574 D Burgmann GRÜNE 2575 D Horacek GRÜNE 2576 C Stratmann GRÜNE 2577 A Frau Potthast GRÜNE 2578A Frau Schoppe GRÜNE 2579 A Frau Dr. Bard GRÜNE 2579 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 2580 C Frau Kelly GRÜNE 2581 D Frau Dr. Hickel GRÜNE 2582 C Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2583A Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 2584A Hoss GRÜNE 2584 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 2585A Schily GRÜNE 2585 C Namentliche Abstimmungen 2586 B, 2588 B, 2590 B Einspruch des Abg. Vogt (Kaiserslautern) gegen den am 21. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 A Einspruch des Abg. Schily gegen den am 22. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 B Nächste Sitzung 2592 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2593* A Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abg. Dr. Dieter Haack . . . . 2593* A Anlage 3 Erklärung des Abg. Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2593* B Anlage 4 Erklärung der Abg. Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO . 2594* A Anlage 5 Erklärung des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2594* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2459 36. Sitzung Bonn, den 22. November 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 35. Sitzung, Seite 2448 B, 7. Zeile von unten: Statt „Allergie" ist „Allegorie" zu lesen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2593* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Haehser 25. 11. Immer (Altenkirchen) 25. 11. Kastning 25. 11. Dr. h. c. Lorenz 25. 11. Offergeld 25. 11. Petersen 25. 11. Frau Dr. Wex 25. 11. Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abgeordneten Dr. Dieter Haack gez. Dr. Dieter Haack gez. Horst Grunenberg gez. Dr. Hans de With ) gez. Peter Würtz gez. Bruno Wiefel gez. Manfred Schulte (Unna) gez. Engelbert Sander gez. Horst Haase (Fürth) gez. Erwin Stahl gez. Dr. Axel Wernitz gez. Egon Franke (Hannover) gez. Lothar Löffler gez. Rudolf Purps gez. Kurt Vogelsang gez. Fritz Gerstl gez. Annemarie Renger gez. Dr. Müller-Emmert gez. Günter Herterich gez. Hans Matthöfer gez. Dr. Karl Ahrens gez. Erich Berschkeit Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 Geschäftsordnung: Vor mehr als 20 Jahren formulierten die Heidelberger Thesen der Evangelischen Kirche: Das System der atomaren Abschreckung müsse für eine Anlagen zum Stenographischen Bericht gewisse Zeit hingenommen werden. Es verschaffe den politisch Verantwortlichen aber nur eine Gnadenfrist, um durch atomare Abrüstung das System der atomaren Abschreckung überwinden zu können. Diese Gnadenfrist ist in keiner Weise zu atomarer Abrüstung genutzt worden — im Gegenteil. Diese Gnadenfrist geht zu Ende. „Abschreckung" soll jetzt erreicht werden, indem man sich auf das lange Undenkbare — den Atomkrieg - vorbereitet, durch Strategien des Sieges im Atomkrieg ebenso wie durch die Entwicklung von Atomwaffen, die nicht mehr der politischen Abschreckung dienen, sondern zum Einsatz im Atomkrieg vorgesehen sind. Auch die Pershing-Il-Raketen dienen nicht mehr der politischen Abschreckung, sondern dem Einsatz im erwogenen Atomkrieg. Nicht nur ihr Einsatz, sondern schon ihre Produktion und ihre Stationierung sind für mich unverantwortbar. Wir haben kein Recht, die Vernichtung der Welt, der Schöpfung Gottes, planmäßig vorzubereiten. Ein Zweites bestärkt mich in meinem entschiedenen Nein zu weiterer atomarer Aufrüstung: Diplomatie, Rüstungskontrollverhandlungen sind für mich bislang letztendlich nur die Kulisse, hinter denen Entscheidungen über neue Rüstungstechnologien, neue Kernwaffensysteme getroffen werden. Dabei dominieren wirtschaftliche und militärische Interessen, politische Kontrolle findet weitgehend nicht statt. 15 Minuten, so berichtete Valentin Falin, habe das ZK der KPdSU dazu gebraucht, der Umwandlung einer geplanten neuen dreistufigen Langstreckenrakete in die zweistufige SS 20 zuzustimmen. Im Jahre 1978 erhielt die amerikanische Rüstungsfirma Marietta Martin den Auftrag, bis 1986 Pershing II herzustellen. Die Raketen sollten von vornherein in Europa stationiert werden. Eine politische Diskussion fand darüber weder in den USA noch in Europa statt. Der NATO-Doppelbeschluß beschleunigte lediglich den Fertigstellungstermin für die ersten Raketen um zwei Jahre. Mein Nein zur Raketenstationierung ist der Versuch, der Politik wenigstens die Chance zu geben, endlich auf den atomaren Aufrüstungsprozeß Einfluß nehmen zu können. Planspiele in Ost und West malen das Bild eines „fährbaren und gewinnbaren Atomkrieges". Uns wird versichert, kein vernünftiger Mensch könne jemals einen derartigen Versuch wagen. Aber wäre der Erste oder der Zweite Weltkrieg je zustande gekommen, wenn nicht auch deutsche Politiker und Militärs versucht hätten, das Unmögliche möglich zu machen? „Schlieffen-Plan" und „Blitzkriegstrategie" wollten doch das Unmögliche, einen Sieg Deutschlands über ganz Europa, möglich machen. Ich fürchte, daß erneut — auch im atomaren Zeitalter - Menschen der Versuchung erliegen könnten, das Undenkbare — den Sieg im Atomkrieg — denkbar und umsetzbar zu machen. Deshalb stimme ich gegen den Antrag der Regierungsfraktionen, mit der Aufstellung von Pershing II und Cruise Missiles auf deutschem Boden zu beginnen, und unterstütze das Nein meiner Fraktion. 2594* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Anlage 4 Erklärung der Abgeordneten Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO: Die Vollversammlung des Ökumenischen Weltrates der Kirchen ist im Sommer dieses Jahres aus christlicher Überzeugung zu einer Erklärung gekommen, in der es u. a. heißt: Ein Atomkrieg ist unter keinen Umständen, in keiner Region und durch kein Gesellschaftssystem zu rechtfertigen oder als gerecht zu erklären, denn das Ausmaß der daraus folgenden Zerstörung steht in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, den man sich davon verspricht. Das Konzept der Abschreckung, dessen Glaubwürdigkeit von der Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen abhängt, ist aus moralischen Gründen abzulehnen und ungeeignet, Frieden und Sicherheit langfristig zu wahren. Die Herstellung und Stationierung von Kernwaffen sowie deren Einsatz sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Dieses sind keine Aussagen für das Leben in einem paradiesischen Jenseits, sondern für unser Handeln heute. Wir kommen als Christen zum gleichen Ergebnis und werden uns auch in unserem politischen Handeln danach richten. Der Antrag der SPD entspricht in den wichtigsten Passagen dieser Zielsetzung. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zu. Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO Zur Abstimmung über die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik gebe ich folgende Erklärung ab: Bereits am 26. Mai 1981 habe ich zusammen mit vier weiteren sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gegen eine Stationierung gestimmt. Die Vorgänge in den letzten zweieinhalb Jahren, insbesondere der mangelnde Verhandlungswille der beiden Supermächte in Genf, aber auch der deutliche Mehrheitswille unserer Bürger wie die Argumente der Friedensbewegung haben mich in meinem Abstimmungsverhalten noch bestärkt. Ich bin sehr froh, daß mein NEIN heute im Einklang mit dem NEIN meiner Partei, der SPD, und im Einklang mit dem Mehrheitswillen meiner Fraktion steht. Mein NEIN ist weder zeit- noch situationsbedingt, sondern ein kategorisches NEIN, weil ich die denkbaren, die möglichen und die wahrscheinlichen Folgen dieser Stationierung vor meinem Gewissen nicht verantworten kann. Die Gründe für mein NEIN fasse ich wie folgt zusammen: 1. Die neuen Nuklearwaffen sind, wie im übrigen auch die sowjetischen SS 20, geeignet, Millionen friedlicher Menschen auf Knopfdruck in wenigen Minuten auszurotten und weite Teile Europas auf Jahrtausende hinaus zu verwüsten. Kein wie immer gearteter Zweck kann ihren Einsatz rechtferigen. Wer diese Waffen annimmt, nimmt, auch wenn er ihn nicht will, den Völkermord billigend in Kauf. 2. Mit den neuen Nuklearwaffen soll erneuter Schrecken über die osteuropäischen Völker verbreitet werden. Damit läßt sich vielleicht vorübergehend Krieg abschrecken, aber niemals ein dauerhafter Friede zwischen den Völkern begründen. Der Friede wächst nicht auf Raketen, sondern nur auf Entspannung, Aussöhnung, Verständigung und Sicherheitspartnerschaft über alle unverwischbaren ideologischen Grenzen hinweg. 3. Die Sicherheit unseres Volkes ist vielfach gewährleistet. Sie bedarf dieser neuen Nuklearwaffen nicht. Diese Waffen machen unser Volk nicht mehr sicherer, sondern unermeßlich bedrohter, weil sie gegnerische Atomschläge letzten Endes nicht abschrecken, sondern im Konfliktfall auf sich ziehen. 4. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion nicht zur Abrüstung veranlassen. Der Versuch, mit mehr und immer mehr Waffen zu weniger Waffen auf der Welt zu kommen, ist ein durch die jüngere Geschichte längst widerlegter Wahnsinn. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion zu weiterer Aufrüstung mit Kurzstreckenraketen veranlassen. Diese wiederum wird den Grund oder Vorwand für erneute „Nach"rüstung im Westen abgeben. Auf diese Weise kommt es mit zwangsläufiger Sicherheit zu einer neuen mörderischen Dynamik im weltweiten Wettrüsten. Wie die Menschheitsgeschichte in Hunderten von Fällen lehrt, steht am Ende einer solchen Hochrüstung nicht der Friede, sondern der Krieg. Der nächste Krieg ist aber nicht irgendeiner, den man schlecht oder recht überleben könnte. Er kann in der Vernichtung der Menschheit enden. 5. Die Stationierung neuer Nuklearwaffen und die damit verbundene ausschließliche Einsatzgewalt des Präsidenten der Vereinigten Staaten, zerstört die sowieso schon eingeschränkte Souveränität der Bundesrepublik im Wesensgehalt. Wie kann im übrigen die uns allen gemeinsame Lehre des 2. Weltkriegs beherzigt werden, wonach von deutschem Boden nie mehr wieder ein Krieg ausgehen darf, wenn in unserem Vaterland nukleare Vernichtungswaffen als Angriffswaffen stationiert werden und ein einziger Amerikaner über den Einsatz dieser Waffen entscheiden darf oder binnen weniger Minuten Warnzeit entscheiden muß?
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    Rede von Alfred Biehle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich lasse aus Zeitgründen keine Zwischenfragen zu.

    (Jungmann [SPD]: Er kommt sonst aus dem Konzept! — Schily [GRÜNE]: Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung die SS 20 im Januar dieses Jahres als Erstschlagwaffe bezeichnet hat?)

    Sie sollten öfter in diesem Parlament und in den Ausschüssen tätig werden und nicht draußen diskutieren und protestieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dann hätten Sie den Informationsstand, der erforderlich ist, um hier nicht unnötigerweise die Debatte durch Zwischenfragen in die Länge zu ziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Schily [GRÜNE]: Wissen Sie, was die Bundesregierung im Januar 1983 über die SS 20 als Erstschlagwaffe geschrieben hat?)

    Computerfehler: Mit dem Verteidigungsminister kann ich dazu nur sagen: In der Vergangenheit gab es keine Computerfehler, die über der ersten Sicherheitsstufe gelegen hätten.

    (Duve [SPD]: Gott sei Dank, kann man nur sagen! Ist das ein Beweis?)

    Weil man Menschen in diesen Bereichen eingesetzt hat, in denen Verantwortung zu tragen ist und Entscheidungen zu treffen sind, ist auch die Sicherheit vor Computerfehlern gegeben.

    (Duve [SPD]: Für einen gewählten Politiker ist es eine ungeheure Leichtfertigkeit, mit der Sie diesen Gegenstand behandeln!)

    Zur Entspannung lassen Sie mich sagen: Es genügt nicht, in Europa Entspannung zu demonstrieren, aber in der übrigen Welt Stellvertreterkriege zu führen oder führen zu lassen.

    (Duve [SPD]: Etwas mehr Seriosität bei diesen Fragen! — Gegenruf des Abg. Eigen [CDU/CSU]: Sie Heldenbariton!)

    Entspannung ist genauso unteilbar wie Frieden,
    Freiheit und Menschenrechte. Man kann doch nicht
    verdrängen, daß Napalmbomben in Afghanistan geworfen werden, und mit einem Lächeln sagen, aber wir haben ja Frieden in Europa.
    Wer von Vorleistungen spricht, sollte nicht vergessen, daß das seit über zehn Jahren Vorleistungen sind, die die NATO erbringt.

    (Berger [CDU/CSU]: Immer wieder!)

    1 000 und noch einmal 1 400 Sprengköpfe sind
    2 400.

    (Duve [SPD]: Es ist das achtzigste Mal, daß Sie das wiederholen!)

    B-1-Bomber, Neutronenwaffe — man könnte die Liste endlos fortsetzen. Jetzt muß endlich Schluß sein und kundgetan werden, daß wir nicht mehr bereit sind, uns in diesem Lande militärisch und politisch erpressen zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn wir Amerika und die Sowjetunion mit derselben Elle messen, wenn wir selbst nicht mehr artikulieren, wer sich für unsere Interessen einsetzt und wer unsere Interessen bedroht, sollten wir uns nicht wundern, wenn das eines Tages zu tiefgreifenden Veränderungen im Verhältnis der Vereinigten Staaten zu Europa und insbesondere auch zu unserem Lande führt.

    (Berger [CDU/CSU]: Das wollen die ja!)

    Übersehen wir nicht und geben wir uns keiner Täuschung hin: Die amerikanische Öffentlichkeit betrachtet sehr wohl das, was in unserem Lande vorgeht, mit ganz kritischem Interesse. Man wird zum gegebenen Zeitpunkt die Konsequenzen ziehen. Hüten wir uns davor, den Kräften jenseits des Ozeans zuzuspielen und Auftrieb zu geben, die ohnehin die Auffassung vertreten, daß der Isolationismus und nicht das Engagement für und in Europa im ausschließlichen Interesse Amerikas liegt.
    Es gibt auch in der Union keinen Politiker, der Genugtuung darüber empfindet, daß nunmehr neue Raketen in unserem Lande aufgestellt werden. Im übrigen warne ich vor einer Selbstüberschätzung. Wir sind zwar gleichberechtigte Bündnispartner, aber wir sind nicht der Nabel der Welt. Aber wir sind in diesem Lande gefährdet, wir sind an vorderster Stelle. Das ist der entscheidende Punkt, den wir bei dieser Diskussion sehen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Duve [SPD]: Warum betreiben Sie denn immer Nabelschau, wenn wir nicht der Nabel der Welt sind?)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen:
    Erstens. Die nunmehr erfolgende Nachrüstung ist erforderlich, um Frieden und Sicherheit für unser Land auch weiterhin zu bewahren, wie dies in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war.
    Zweitens. Für das Scheitern in Genf trägt allein die Sowjetunion die Schuld, die selbst nicht bereit war, auf Kompromißvorschläge der Vereinigten Staaten in gebührender Weise einzugehen, um veri-



    Biehle
    fizierbare Gleichgewichtigkeit zu erzielen. Dies ist ganz entscheidend.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Drittens. Wir treten auch in Zukunft für jegliche Verhandlungen ein, die geführt werden, um den Frieden sicherer zu machen.

    (Duve [SPD]: Mit dem Knüppel in der Hand!)

    Viertens. Wir bekennen uns zur Atlantischen Allianz und zu den daraus für uns erwachsenden Verpflichtungen. Unsere unverbrüchliche Freundschaft zu den Vereinigten Staaten lassen wir nicht in Zweifel ziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Auch nicht durch Grenada?)

    Fünftens. Wir bekennen uns auch voller Überzeugung zu der gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs unseres Bündnisses, die diese am 10. Juni 1982 abgegeben haben. Darin stellen sie feierlich fest: „Keine unserer Waffen wird jemals eingesetzt werden, es sei denn als Antwort auf einen Angriff."

    (Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE])

    Sechstens. Für Frieden und Freiheit setzen sich unsere Soldaten durch ihren Dienst Tag für Tag ein. Dafür gebührt ihnen Dank. Dank wollen wir aber auch den Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte sagen, die 6 000 km von ihrer Heimat entfernt bei uns stationiert sind und die durch ihre Anwesenheit zeigen, daß unsere Freiheit auch die Freiheit Amerikas ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Freiheit gilt es heute und in aller Zukunft zu bewahren.
    Brecht hat gesagt: Stell dir vor, es kommt Krieg, und keiner geht hin. Aber man vergißt dabei die weiteren Passagen, in denen es heißt:
    Dann kommt der Krieg zu euch. Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt, und läßt andere kämpfen für seine Sache, der muß sich vorsehen; denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage. Nicht einmal den Kampf vermeidet, wer den Kampf vermeiden will.

    (Duve [SPD]: Völker, hört die Signale!)

    Denn es wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für die eigene Sache nicht gekämpft hat.
    Dem ist nichts hinzuzufügen. Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Bei Brecht steht in bezug auf Sie auch: Das arglose Wort ist töricht!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Nickels.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie zuerst bitten, nicht zu lachen. Die Kette, die ich um den Hals habe, ist kein Karnevalsartikel, sondern wird in Hiroshima und Japan höher geachtet als das Bundesverdienstkreuz hier. Ich bitte Sie, der Kette die gebührende Achtung auch hier zu erweisen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    „Ruhet in Frieden, denn wir werden das Übel nicht wiederholen" — dieses Versprechen steht auf dem Denkmal für die Opfer der Atomkatastrophe im Friedenspark von Hiroshima.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Das Versprechen war der einzige Trost für die Überlebenden der Atomkatastrophe in ihrem sinnlosen Leiden. Diesen Trost haben wir den Überlebenden genommen, das Versprechen haben wir gebrochen. Wir haben das Versprechen sogar ins Gegenteil verkehrt;

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    denn wie anders soll man eine Situation, eine Welt beschreiben, in der es den Verantwortlichen anscheinend nicht ausreicht, die Erde 30mal in die Luft zu sprengen, sondern in der man darauf besteht, die Fähigkeit zu haben, sie auch 31mal in die Luft sprengen zu können?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wie anders soll man einen Zustand erklären, bei dem die Nach-Nachrüstung der Nachrüstung schon fest eingeplant ist? Wie anders soll man einen Zustand beschreiben, wo Waffen zur Notwehr eingeplant werden, die im Notfall die Not ins Unermeßliche steigern werden und ihr nicht wehren?
    Herr Bundeskanzler, heute sind Sie dabei, ein ganz persönliches Versprechen zu brechen. Sie haben der Bevölkerung bei Ihrem Regierungsantritt ein Versprechen gegeben, das große Hoffnungen in der Bevölkerung geweckt hat. Sie haben versprochen, Frieden zu schaffen mit immer weniger Waffen.

    (Duve [SPD]: Hört! Hört!)

    Morgen werden wir hier in der Bundesrepublik Deutschland mehr Atomwaffen haben und nicht weniger Waffen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Dazu, Herr Bundeskanzler, wollen Sie sich heute das Einverständnis des Parlaments holen.
    Herr Bundeskanzler, ich bezweifle überhaupt nicht Ihre gute Absicht, den Vorsatz in die Tat umzusetzen. Ich bin davon überzeugt, daß Sie den sehr ernst meinen. Nur — und das muß hier mit dem gleichen Ernst gesagt werden — am Ende zählen nicht noble Absichten und Worte. Am Ende zählen immer nur die Taten und die Tatsachen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)




    Frau Nickels
    Aus vielen Briefen, die wir alle erhalten haben, aus vielen Mahnwachen im ganzen Bundesgebiet wissen wir, daß viele Bürger, die Mehrheit der Bevölkerung, mit großer Trauer, mit Sorge, Wut und Betroffenheit auf diese Entscheidung, die wir hier heute fällen sollen, reagieren. Diese Menschen können nicht verstehen, daß die Regierung den Mehrheitswillen der Bevölkerung mit dem Argument beiseite schiebt — ich zitiere jetzt, was ich hier gestern gehört habe —, daß der Bevölkerung die moralischen, sittlichen und materiellen Fähigkeiten fehlen, Entscheidungen von einer solchen Tragweite zu treffen.

    (Schily [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    Die Bürger sind empört, wenn ein Bundesminister sich nicht entblödet, von einer geistigen Verwirrung im Volk zu sprechen, —

    (Zurufe von der CDU/CSU)