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ID1003602600

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    Plenarprotokoll 10/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . 2460B, 2567 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Doppelbeschluß der NATO und Stand der Genfer INF-Verhandlungen in Verbindung mit Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Doppelbeschluß der NATO und Stand der . Genfer INF-Verhandlungen — Drucksache 10/617 — in Verbindung mit Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Durchführung des NATO-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 in seinen beiden Teilen — Drucksache 10/620 — in Verbindung mit Antrag der Fraktion der SPD NATO-Doppelbeschluß und Stand der INF-Verhandlungen — Drucksache 10/621 — Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . . 2459 B Fischer (Frankfurt) GRÜNE (zur GO) . 2459C Porzner SPD (zur GO) 2459 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 2460 B Horn SPD 2469 D Präsident Dr. Barzel 2585D, 2586 A Biehle CDU/CSU 2475 B Frau Nickels GRÜNE 2481 C Vizepräsident Stücklen 2482 A Schäfer (Mainz) FDP 2483 C Waltemathe SPD 2488 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 2492 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 2494 D Brandt SPD 2498 D Vizepräsident Wurbs 2503A, 2512 D Schily GRÜNE (zur GO) 2510 B Dr. Schäuble CDU/CSU (zur GO) . . . 2511 A Porzner SPD (zur GO) 2511 D Rühe CDU/CSU 2512 B Frau Kelly GRÜNE 2520 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 2524 A Vizepräsident Westphal 2527 B, 2568 A Schröder (Hannover) SPD 2527 B Dr. Kronenberg CDU/CSU 2530A Dr. Apel SPD 2533 B Reents GRÜNE 2536 A Dr. Feldmann FDP 2539 D Klein (München) CDU/CSU 2541 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 2547 B Horacek GRÜNE 2550 B Wischnewski SPD 2552 A Ertl FDP 2553 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 2556A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 2560 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . 2563 B Reents GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 2566 D Burgmann GRÜNE (zur GO) 2567 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 GO Dr. Haack SPD 2568 C Dr. Hirsch FDP 2569 B Krizsan GRÜNE 2569 D Sauermilch GRÜNE 2570 B Reents GRÜNE 2571 A Schwenninger GRÜNE 2571C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 2572 B Dr. Jannsen GRÜNE 2572 D Bastian GRÜNE 2573 B Drabiniok GRÜNE 2573 D Frau Reetz GRÜNE 2574 B Schneider (Berlin) GRÜNE 2574 D Burgmann GRÜNE 2575 D Horacek GRÜNE 2576 C Stratmann GRÜNE 2577 A Frau Potthast GRÜNE 2578A Frau Schoppe GRÜNE 2579 A Frau Dr. Bard GRÜNE 2579 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 2580 C Frau Kelly GRÜNE 2581 D Frau Dr. Hickel GRÜNE 2582 C Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2583A Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 2584A Hoss GRÜNE 2584 C Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 2585A Schily GRÜNE 2585 C Namentliche Abstimmungen 2586 B, 2588 B, 2590 B Einspruch des Abg. Vogt (Kaiserslautern) gegen den am 21. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 A Einspruch des Abg. Schily gegen den am 22. November 1983 erteilten Ordnungsruf 2567 B Nächste Sitzung 2592 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2593* A Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abg. Dr. Dieter Haack . . . . 2593* A Anlage 3 Erklärung des Abg. Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2593* B Anlage 4 Erklärung der Abg. Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO . 2594* A Anlage 5 Erklärung des Abg. Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO 2594* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2459 36. Sitzung Bonn, den 22. November 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 35. Sitzung, Seite 2448 B, 7. Zeile von unten: Statt „Allergie" ist „Allegorie" zu lesen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode —36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 2593* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Haehser 25. 11. Immer (Altenkirchen) 25. 11. Kastning 25. 11. Dr. h. c. Lorenz 25. 11. Offergeld 25. 11. Petersen 25. 11. Frau Dr. Wex 25. 11. Anlage 2 Unterschriften zur Erklärung nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung, vorgetragen von dem Abgeordneten Dr. Dieter Haack gez. Dr. Dieter Haack gez. Horst Grunenberg gez. Dr. Hans de With ) gez. Peter Würtz gez. Bruno Wiefel gez. Manfred Schulte (Unna) gez. Engelbert Sander gez. Horst Haase (Fürth) gez. Erwin Stahl gez. Dr. Axel Wernitz gez. Egon Franke (Hannover) gez. Lothar Löffler gez. Rudolf Purps gez. Kurt Vogelsang gez. Fritz Gerstl gez. Annemarie Renger gez. Dr. Müller-Emmert gez. Günter Herterich gez. Hans Matthöfer gez. Dr. Karl Ahrens gez. Erich Berschkeit Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Catenhusen (SPD) nach § 31 Abs. 1 Geschäftsordnung: Vor mehr als 20 Jahren formulierten die Heidelberger Thesen der Evangelischen Kirche: Das System der atomaren Abschreckung müsse für eine Anlagen zum Stenographischen Bericht gewisse Zeit hingenommen werden. Es verschaffe den politisch Verantwortlichen aber nur eine Gnadenfrist, um durch atomare Abrüstung das System der atomaren Abschreckung überwinden zu können. Diese Gnadenfrist ist in keiner Weise zu atomarer Abrüstung genutzt worden — im Gegenteil. Diese Gnadenfrist geht zu Ende. „Abschreckung" soll jetzt erreicht werden, indem man sich auf das lange Undenkbare — den Atomkrieg - vorbereitet, durch Strategien des Sieges im Atomkrieg ebenso wie durch die Entwicklung von Atomwaffen, die nicht mehr der politischen Abschreckung dienen, sondern zum Einsatz im Atomkrieg vorgesehen sind. Auch die Pershing-Il-Raketen dienen nicht mehr der politischen Abschreckung, sondern dem Einsatz im erwogenen Atomkrieg. Nicht nur ihr Einsatz, sondern schon ihre Produktion und ihre Stationierung sind für mich unverantwortbar. Wir haben kein Recht, die Vernichtung der Welt, der Schöpfung Gottes, planmäßig vorzubereiten. Ein Zweites bestärkt mich in meinem entschiedenen Nein zu weiterer atomarer Aufrüstung: Diplomatie, Rüstungskontrollverhandlungen sind für mich bislang letztendlich nur die Kulisse, hinter denen Entscheidungen über neue Rüstungstechnologien, neue Kernwaffensysteme getroffen werden. Dabei dominieren wirtschaftliche und militärische Interessen, politische Kontrolle findet weitgehend nicht statt. 15 Minuten, so berichtete Valentin Falin, habe das ZK der KPdSU dazu gebraucht, der Umwandlung einer geplanten neuen dreistufigen Langstreckenrakete in die zweistufige SS 20 zuzustimmen. Im Jahre 1978 erhielt die amerikanische Rüstungsfirma Marietta Martin den Auftrag, bis 1986 Pershing II herzustellen. Die Raketen sollten von vornherein in Europa stationiert werden. Eine politische Diskussion fand darüber weder in den USA noch in Europa statt. Der NATO-Doppelbeschluß beschleunigte lediglich den Fertigstellungstermin für die ersten Raketen um zwei Jahre. Mein Nein zur Raketenstationierung ist der Versuch, der Politik wenigstens die Chance zu geben, endlich auf den atomaren Aufrüstungsprozeß Einfluß nehmen zu können. Planspiele in Ost und West malen das Bild eines „fährbaren und gewinnbaren Atomkrieges". Uns wird versichert, kein vernünftiger Mensch könne jemals einen derartigen Versuch wagen. Aber wäre der Erste oder der Zweite Weltkrieg je zustande gekommen, wenn nicht auch deutsche Politiker und Militärs versucht hätten, das Unmögliche möglich zu machen? „Schlieffen-Plan" und „Blitzkriegstrategie" wollten doch das Unmögliche, einen Sieg Deutschlands über ganz Europa, möglich machen. Ich fürchte, daß erneut — auch im atomaren Zeitalter - Menschen der Versuchung erliegen könnten, das Undenkbare — den Sieg im Atomkrieg — denkbar und umsetzbar zu machen. Deshalb stimme ich gegen den Antrag der Regierungsfraktionen, mit der Aufstellung von Pershing II und Cruise Missiles auf deutschem Boden zu beginnen, und unterstütze das Nein meiner Fraktion. 2594* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 22. November 1983 Anlage 4 Erklärung der Abgeordneten Sielaff, Immer (Altenkirchen), Frau Blunck, Oostergetelo und Heyenn (alle SPD) nach § 31 Abs. 1 GO: Die Vollversammlung des Ökumenischen Weltrates der Kirchen ist im Sommer dieses Jahres aus christlicher Überzeugung zu einer Erklärung gekommen, in der es u. a. heißt: Ein Atomkrieg ist unter keinen Umständen, in keiner Region und durch kein Gesellschaftssystem zu rechtfertigen oder als gerecht zu erklären, denn das Ausmaß der daraus folgenden Zerstörung steht in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, den man sich davon verspricht. Das Konzept der Abschreckung, dessen Glaubwürdigkeit von der Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen abhängt, ist aus moralischen Gründen abzulehnen und ungeeignet, Frieden und Sicherheit langfristig zu wahren. Die Herstellung und Stationierung von Kernwaffen sowie deren Einsatz sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Dieses sind keine Aussagen für das Leben in einem paradiesischen Jenseits, sondern für unser Handeln heute. Wir kommen als Christen zum gleichen Ergebnis und werden uns auch in unserem politischen Handeln danach richten. Der Antrag der SPD entspricht in den wichtigsten Passagen dieser Zielsetzung. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zu. Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) nach § 31 Abs. 1 GO Zur Abstimmung über die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik gebe ich folgende Erklärung ab: Bereits am 26. Mai 1981 habe ich zusammen mit vier weiteren sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten gegen eine Stationierung gestimmt. Die Vorgänge in den letzten zweieinhalb Jahren, insbesondere der mangelnde Verhandlungswille der beiden Supermächte in Genf, aber auch der deutliche Mehrheitswille unserer Bürger wie die Argumente der Friedensbewegung haben mich in meinem Abstimmungsverhalten noch bestärkt. Ich bin sehr froh, daß mein NEIN heute im Einklang mit dem NEIN meiner Partei, der SPD, und im Einklang mit dem Mehrheitswillen meiner Fraktion steht. Mein NEIN ist weder zeit- noch situationsbedingt, sondern ein kategorisches NEIN, weil ich die denkbaren, die möglichen und die wahrscheinlichen Folgen dieser Stationierung vor meinem Gewissen nicht verantworten kann. Die Gründe für mein NEIN fasse ich wie folgt zusammen: 1. Die neuen Nuklearwaffen sind, wie im übrigen auch die sowjetischen SS 20, geeignet, Millionen friedlicher Menschen auf Knopfdruck in wenigen Minuten auszurotten und weite Teile Europas auf Jahrtausende hinaus zu verwüsten. Kein wie immer gearteter Zweck kann ihren Einsatz rechtferigen. Wer diese Waffen annimmt, nimmt, auch wenn er ihn nicht will, den Völkermord billigend in Kauf. 2. Mit den neuen Nuklearwaffen soll erneuter Schrecken über die osteuropäischen Völker verbreitet werden. Damit läßt sich vielleicht vorübergehend Krieg abschrecken, aber niemals ein dauerhafter Friede zwischen den Völkern begründen. Der Friede wächst nicht auf Raketen, sondern nur auf Entspannung, Aussöhnung, Verständigung und Sicherheitspartnerschaft über alle unverwischbaren ideologischen Grenzen hinweg. 3. Die Sicherheit unseres Volkes ist vielfach gewährleistet. Sie bedarf dieser neuen Nuklearwaffen nicht. Diese Waffen machen unser Volk nicht mehr sicherer, sondern unermeßlich bedrohter, weil sie gegnerische Atomschläge letzten Endes nicht abschrecken, sondern im Konfliktfall auf sich ziehen. 4. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion nicht zur Abrüstung veranlassen. Der Versuch, mit mehr und immer mehr Waffen zu weniger Waffen auf der Welt zu kommen, ist ein durch die jüngere Geschichte längst widerlegter Wahnsinn. Die neuen Nuklearwaffen werden die Sowjetunion zu weiterer Aufrüstung mit Kurzstreckenraketen veranlassen. Diese wiederum wird den Grund oder Vorwand für erneute „Nach"rüstung im Westen abgeben. Auf diese Weise kommt es mit zwangsläufiger Sicherheit zu einer neuen mörderischen Dynamik im weltweiten Wettrüsten. Wie die Menschheitsgeschichte in Hunderten von Fällen lehrt, steht am Ende einer solchen Hochrüstung nicht der Friede, sondern der Krieg. Der nächste Krieg ist aber nicht irgendeiner, den man schlecht oder recht überleben könnte. Er kann in der Vernichtung der Menschheit enden. 5. Die Stationierung neuer Nuklearwaffen und die damit verbundene ausschließliche Einsatzgewalt des Präsidenten der Vereinigten Staaten, zerstört die sowieso schon eingeschränkte Souveränität der Bundesrepublik im Wesensgehalt. Wie kann im übrigen die uns allen gemeinsame Lehre des 2. Weltkriegs beherzigt werden, wonach von deutschem Boden nie mehr wieder ein Krieg ausgehen darf, wenn in unserem Vaterland nukleare Vernichtungswaffen als Angriffswaffen stationiert werden und ein einziger Amerikaner über den Einsatz dieser Waffen entscheiden darf oder binnen weniger Minuten Warnzeit entscheiden muß?
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, Herr Präsident, ich sagte, ich will jetzt zu Ende reden.
    Im übrigen haben die auf uns gerichteten sowjetischen Raketen ebenso kurze Vorwarnzeiten. Was ich nicht nur mich frage, was ich vor allen Dingen Sie frage: Warum hat eigentlich niemand in den vergangenen Jahren behauptet, daß deshalb ein Nuklearkrieg als Folge eines technischen Fehlers oder eines Irrtums drohe?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: Reine Panikmache!)

    Warum kommt Ihnen dieser Gedanke erst dann, wenn wir versuchen, ein Gegengewicht zu schaffen, und nicht dann, wenn die Sowjets solche Raketen in Stellung bringen?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage noch ein weiteres: Über diese Sicherheitsvorkehrungen hinaus haben alle drei westlichen Nuklearmächte schon in den 60er Jahren Abkommen mit der Sowjetunion getroffen,

    (Schily [GRÜNE]: Jetzt kommt die Fernschreibleitung!)

    die ununterbrochen direkte Nachrichtenverbindungen zwischen den nationalen Kommandozentralen sicherstellen. In den 70er Jahren haben die Nuklearwaffenstaaten jeweils Abkommen zur Verhinderung von Atomkriegen geschlossen, die sie zu Konsultationen in Krisenlagen verpflichten. Zusätzlich haben jetzt die Vereinigten Staaten der Sowjetunion in Genf 1982 und 1983 sowohl in den START- Verhandlungen wie in den INF-Verhandlungen, also an beiden Tischen in Genf — es wäre schön, wenn Sie das zur Kenntnis nehmen könnten — besondere vertrauensbildende Maßnahmen vorgeschlagen. Diese amerikanischen Angebote sehen vor, daß beide Mächte alle beabsichtigten Flugversuche und Probestarts mit strategischen und Mittelstreckenraketen und alle größeren militärischen Übungen mit strategischen Nuklearstreitkräften ankündigen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Würde die Sowjetunion dieses amerikanische Angebot annehmen, dann wäre auch schon die Möglichkeit irrtümlicher Wahrnehmungen in den technischen Systemen durch Frühwarnanlagen von vornherein vollkommen ausgeschlossen. Üben Sie jetzt einmal Druck auf die Sowjets aus, daß sie diesem vernünftigen Vorschlag folgen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, der Beginn der Stationierung bedeutet weder das Ende der politischen



    Bundesminister Dr. Wörner
    Ost-West-Beziehungen noch die Eröffnung einer neuen Runde des Wettrüstens.

    (Zuruf von der SPD: Das bestimmen Sie allein!)

    Er kann sogar eine Chance für einen Neubeginn eröffnen, wenn die Sowjetunion begreifen lernt, daß eine europäische Friedensordnung nur auf gleiche Sicherheit gegründet werden kann. Die Sowjetunion kann in Europa nicht für sich eine Sicherheit erster Klasse, für die anderen Kernwaffenmächte eine Sicherheit zweiter Klasse

    (Zuruf von der SPD: Das gilt auch für die Vereinigten Staaten!)

    und für den Rest Europas, d. h. auch für die Bundesrepublik Deutschland, eine Sicherheit dritter Klasse fordern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Darum ist es das Ziel unserer Politik, die Sowjetunion zur Anerkennung der Gleichwertigkeit der Sicherheitsbedürfnisse beider Seiten zu bewegen. Solange die Sowjetunion als die mit Abstand stärkste und größte Macht auf dem eurasischen Kontinent, als die Macht, die allein von allen Staaten Europas die militärischen Kräfte für einen Angriffskrieg hätte, für sich ein Maß an Sicherheit beansprucht, das sie den schwächeren Ländern an ihren Grenzen verweigert, solange kann es zwischen ihr und dem Rest Europas keine Sicherheitspartnerschaft geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Partnerschaft setzt gegenseitige Anerkennung der gleichen Sicherheitsbedürfnisse voraus, setzt Rücksichtnahme aufeinander voraus, setzt Verzicht auf Drohmittel voraus.

    (Zuruf von der SPD: Genau das ist es!)

    — Ja, wir sind zu einer solchen Politik bereit. Wir suchen nicht Überlegenheit, sondern gleiche, nur gleiche Sicherheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Soll ich es noch einmal wiederholen? (Zurufe von der SPD: Nein!)

    — Genau das habe ich erwartet. Ich habe das gefragt, um Ihnen deutlich zu machen, daß ich noch nicht die Absicht habe, meine Rede nach Ihren Erwartungen einzustellen, sondern immer noch die Absicht, das zu sagen, was ich für richtig erachte.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Kein verantwortlicher Politiker des Westens, schon gar keiner in der Bundesrepublik Deutschland, denkt daran, der Sowjetunion ihren Rang als einer gleichberechtigten Supermacht streitig zu machen. Wir bauen keineswegs auf militärische Macht allein. Abschreckung genügt auch für uns nicht. Anreiz und Angebot zur Zusammenarbeit müssen dazutreten. Wir sind leidenschaftlich für gleichgewichtige, beiderseitige Abrüstung. Daher sind wir der Auffassung — wir werden auch so handeln —, daß die Abrüstungsverhandlungen zwischen Ost und West auf allen Ebenen fortzusetzen sind. Wir wissen: Der Schlüssel zum Frieden liegt im politischen Bereich, im Abbau der Spannungen, in der Bereitschaft zum Ausgleich und zum friedlichen Zusammenleben. Daher zielt unsere Politik auf nichts anderes als auf Zusammenarbeit mit allen, die guten Willens sind. Der Dialog, die politische Verbindung zwischen den Supermächten und auch zwischen uns und der Sowjetunion darf und wird nicht abreißen.

    (Zuruf von der SPD: Den guten Willen bestimmen Sie?)

    Praktische Koexistenzregelungen müssen gefunden werden. Nur so können politische Konflikte begrenzt und kontrolliert werden. Wir wollen mehr Begegnungen zwischen den Menschen, auch und gerade zwischen Russen und Deutschen. Das russische Volk will genauso wie das deutsche, wie das britische, wie das italienische, wie irgendein anderes Volk auf dieser Welt den Frieden. Die Russen wollen in Frieden leben und arbeiten. Der Friede wird dort gefährdet, wo man die Begegnung der Menschen, auch der Russen und Deutschen, behindet, wo man Mauern zieht, anstatt die Menschen zueinander zu lassen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und darum: Wer von Friedenspolitik redet, darf nicht nur von Waffen reden, der muß von diesem Stück des Friedens reden,

    (Schwenninger [GRÜNE]: Tun wir doch!)

    von den Menschenrechten und von der Begegnung der Menschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir streben nach einer politischen Ordnung in Europa und in der Welt, die auf Zurückhaltung, auf Mäßigung, auf Respekt und friedlichen Wettbewerb gründet. Wir finden uns nicht mit Rüstung, nicht mit Haß und nicht mit Krieg ab. Unsere Absichten und unsere Politik sind und bleiben friedlich. Wir wollen nur eines: daß immer mehr Menschen auf dieser Welt friedlich und frei leben und ihre Menschenrechte genießen können wie wir.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Paterna [SPD]: Aufstehen! — Schily [GRÜNE]: Rührt euch!)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Horn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann sehr wohl verstehen, daß der Bundesverteidigungsminister in einer so entschiedenen Weise, wie heute geschehen, hinsichtlich seiner Politik, Rechtfertigung betreibt. Aber ich muß dazu zwei Anmerkungen machen, auf andere Punkte gehe ich noch ein.
    Punkt 1: Die Sicherheit des Herrn Bundesverteidigungsministers, die er zur Schau stellte, im Zusammenhang mit möglichen Computerfehlsteuerungen ist mir völlig unerklärlich angesichts der Tatsache, daß wir tagtäglich von Hunderten sehr



    Horn
    versierter Computerfachleute Eingaben bekommen. Diese Fachleute, die ihre Besorgnis zum Ausdruck bringen, verstehen von der Sache mehr als Herr Dr. Wörner und auch ich.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    Punkt 2, Herr Dr. Wörner: Sie sagten heute morgen: Wir standen schon immer — Sie meinten damit die CDU/CSU — zum Doppelbeschluß. Das genau stimmt nicht. Sie standen nicht zum Doppelbeschluß, Sie standen zu der Nachrüstung. Das ist ein Unterschied.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich kann Ihnen das auch an Hand einiger Zitate belegen, die handfest sind. Gerade in der Frage des Doppelbeschlusses zeigten Sie ja eine bemerkenswerte Diskontinuität. Herr Kohl am 27. März 1981 in der „Augburger Allgemeinen":
    Die Vorstellung, die Nachrüstung könne durch erfolgreiche Verhandlungen am Ende ganz hinfällig werden, war von Anfang an nicht richtig gewesen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Diese Illusion hat auch der Bundeskanzler — damit war Helmut Schmidt gemeint — leichtfertigerweise immer genährt.
    So damals Herr Kohl über Helmut Schmidt. Die Verhandlungen
    — so Herr Kohl weiter —
    sind kein Ersatz für eine angemessene nukleare Abschreckung.
    Wie will dieser Kanzler eigentlich die Bürger unseres Landes von der Seriosität seines Verhandlungswillens überzeugen, wenn er als Vertreter der Bundesrepublik mit dieser politischen Haltung für ein Verhandlungsergebnis wirbt?

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Dr. Wörner, Sie selber haben am 4. Februar 1981 gesagt:
    Für uns muß Vorrang haben die Verwirklichung des sogenannten Nachrüstungsbeschlusses, also die Modernisierung der Mittelstrekkenwaffen.
    So Dr. Manfred Wörner am 4. Februar 1981.

    (Zuruf von der SPD: Er hört gar nicht zu!)

    Ihm folgt Walther Leisler Kiep am 2. Mai 1981 im „Süddeutschen Rundfunk":
    Wir müssen zuerst rüsten, um dann wieder abrüsten zu können.
    Das ist der Geist, in dem diese Regierung auf die Verhandlungen einwirkte. Die SPD ist nicht bereit, Verantwortung für diese mutwillige Fehlhaltung der deutschen Bundesregierung zu übernehmen.

    (Beifall bei der SPD)