Rede von
Adolf
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein. Ich lasse keine Zwischenfragen zu.
Da wird beschönigend von „begrenzten Regelverletzungen" und „bürgerlichem Ungehorsam" dahergeredet, als ob es sich bei der strafbaren Nötigung eines Mitmenschen, bei der Beschädigung fremden Eigentums oder bei Hausfriedensbruch um harmlose Kavaliersdelikte handele.
Man maßt sich an, von „gewaltfreiem Widerstand" zu sprechen, weil man, wie man in eitlem Selbstlob verkündet, großzügig auf Körperverletzungen und vorsätzliche Sachbeschädigung verzichtet hat.
Tatsache ist jedoch, daß solche Zerrbilder friedlicher Demonstrationen die verfassungsmäßigen Rechte anderer friedlicher Bürger verletzen.
Arbeitende Menschen werden an der Ausübung ihres Berufes gehindert oder sehen sich erheblichen Belästigungen oder Gefährdungen beim Weg zur oder von der Arbeitsstätte ausgesetzt.
Es ist deprimierend, mit anzusehen, wie einzelne Repräsentanten intellektueller Schichten und meinungsbildender Berufe der drohenden Zerstörung des Rechtsbewußtseins durch Entschuldigungsgründe und Verharmlosungsversuche noch Vorschub leisten.
Menschen, die kraft ihres Intellekts und ihrer Lebenserfahrung eigentlich wissen müßten, wohin permanente Verletzungen des allgemeinen Rechtsfriedens durch die Mißachtung des staatlichen Gewaltmonopols führen müssen, laden deshalb eine schwere sozial-ethische Verantwortung auf sich.
Von Vertretern der sogenannten Friedensbewegung wird uns immer wieder der ungeheuerliche Vorwurf entgegengeschleudert, mit der Durchsetzung des Nachrüstungsteils des NATO-Doppelbeschlusses führten wir unser Volk planmäßig dem Untergang entgegen. Die Regierung Kohl handele „verbrecherisch", weil sie unser Volk einem von ihr provozierten Präventivschlag der Sowjetunion aussetze. Das unmittelbar gefährdete Recht auf Leben rechtfertige den Widerstand auch mit illegalen Mitteln.
Mit dieser auf die Erzeugung von Angstgefühlen abzielenden absurden Behauptung haben sich bereits meine für die Außen- und Sicherheitspolitik zuständigen Kollegen überzeugend auseinandergesetzt. Neben der Leichtfertigkeit und Rigorosität, mit der ein solcher Vorwurf gegen die Friedenspolitik der Bundesregierung erhoben wird, schreckt mich die geistige Verwandtschaft mit der Agitation des Nationalsozialismus.
Mit diesen Argumenten bekämpfte er schon das ihm verhaßte System der Weimarer Republik:
Wenn durch die Hilfsmittel der Regierungsmacht ein Volk dem Untergang entgegengeführt wird,
— so wörtlich Adolf Hitler in „Mein Kampf" —
ist Rebellion eines jeden Angehörigen eines solchen Volkes nicht nur Recht, sondern Pflicht. Menschenrecht bricht Staatsrecht.
Die Propagandisten des Widerstandsrechts müssen es sich gefallen lassen, daß ihnen dieses Zitat als entlarvender Spiegel vorgehalten wird.
So wie ich meinen Abscheu vor Gewalt und Rechtsbruch als Ausdruck einer extremistischen Gesinnung hier offen artikuliere, so gilt mein Respekt uneingeschränkt allen Bürgern, die sich in ernster Sorge um den Frieden friedlich, sei es unter freiem Himmel oder in geschlossenen Veranstaltungen, versammeln. Die Gewährleistung der Demonstrationsfreiheit ist ein Gütesiegel unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wenn sich friedliebende Bürger versammeln, um ihrer politischen Meinung, ihrer Besorgnis um den Frieden symbolisch Ausdruck zu verleihen, dann ist das für mich als freigewählten Abgeordneten ein dringender Appell, meine persönliche Entscheidung erst nach besonders sorgfältiger Abwägung der voraussehbaren Chancen und Risiken zu treffen.
Die pazifistische Grundhaltung mancher Bürger unseres Landes muß ich, ein dem Toleranzgebot verpflichteter Christ, als sozial-ethisch einwandfrei respektieren. Wer aber als Politiker Verantwortung für das Leben von Millionen Menschen trägt, muß die Folgen seines Tuns oder Unterlassens für andere in seine politische Entscheidung mit einbeziehen.
Als katholischer Christ orientiere ich mich an den Friedensaussagen meiner Kirche, insbesondere dem Hirtenwort der katholischen Bischöfe vom 18. April 1983. Frieden ist immer ein Werk der Gerechtigkeit. Weder Gewalt noch naive Gesinnungsethik können diesen gerechten Frieden schaffen.
Meine Damen und Herren, ich habe mir meine Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, daß ich damit dem Frieden in Freiheit und Gerechtigkeit diene, und stimme der Nachrüstung daher zu.