Rede von
Michaela
Geiger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute wende ich mich ausnahmsweise nicht ausschließlich an die Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Hause, sondern auch ganz besonders an die Frauen und Männer, die mir in letzter Zeit sehr persönliche Briefe geschrieben haben, an diejenigen, die mich in Versammlungen angesprochen haben, und an die, die mit mir im Freundes- und Familienkreis diskutiert haben, sowie an die jungen Leute, die mir noch am Samstagnachmittag eine Unterschriftenliste gegen die Nachrüstung übergeben haben. Alle haben mich gebeten, mir meine Entscheidung über den NATO-Doppelbeschluß doch nochmals ganz genau zu überlegen.
In all den Briefen und Gesprächen kam die Sorge zum Ausdruck, daß die Stationierung neuer Waffen in Europa den Krieg wahrscheinlicher machen könnte; ich als Abgeordnete und Mutter hätte für die Zukunft unserer Kinder Sorge zu tragen und müsse mir dieser Verantwortung bewußt sein.
Wenn ich jetzt mein Ja zur Nachrüstung begründen werde, eben aus der Überzeugung heraus, daß damit die Zukunft unserer Kinder am besten gesichert ist,
dann hoffe ich, daß auch diejenigen, die anderer Meinung sind, meine Gründe respektieren werden.
In diesem Hause gibt es heute mit Sicherheit niemanden, der sich nicht seiner großen Verantwortung für die Zukunft unseres Landes bewußt ist. Es gibt auch sicher manche — zu diesen gehöre auch ich —, denen die Entscheidung in dieser wichtigen Frage nicht leichtgefallen ist. Wer könnte denn gleichgültig bleiben bei der Vorstellung eines nuklearen Infernos auf unserer Erde und angesichts des riesigen Waffenarsenals, das in Ost und West aufgetürmt ist? Wer könnte zufrieden sein über die Tatsache, daß auf unserer Welt Milliarden für die Rüstung ausgegeben werden, während Hunderttausende verhungern?
Diese Ängste und Befürchtungen dürfen uns jedoch nicht den Blick verstellen auf die Entscheidung, um die es hier heute eigentlich geht. Wir wollen mit unserer Entscheidung unter allen Umständen den Krieg verhindern, die Freiheit sichern und endlich Abrüstung auf beiden Seiten erreichen.
Die Schwierigkeiten, die sich auf dem Weg zur Lösung dieser drei Probleme auftürmen, sind nie treffender beschrieben worden als in den Heidelberger Thesen der Evangelischen Kirche von 1959. Dort heißt es in der These 2:
Der rational geplante Friede hat die Zweideutigkeit, die sich z. B. darin zeigt, daß er mit der rational geplanten Sklaverei Hand in Hand gehen könnte.