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    Plenarprotokoll 10/29 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 29. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Oktober 1983 Inhalt: Glückwünsche zur 30jährigen Mitgliedschaft der Abgeordneten Frau Renger, Dr. Czaja und Dr. Dollinger im Deutschen Bundestag 1925 A Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Schily und der Fraktion DIE GRÜNEN Kriegsvölkerrechtliche Grundsätze — Drucksachen 10/163, 10/445 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Schily und der Fraktion DIE GRÜNEN Kriegsvölkerrechtliche Verträge — Drucksachen 10/164, 10/445 — Dr. Mertes, Staatsminister AA 1925 B Voigt (Frankfurt) SPD 1932 C Schily GRÜNE 1934 C Schäfer (Mainz) FDP 1937 D Kolbow SPD 1941 A Klein (München) CDU/CSU 1943 C Fischer (Osthofen) SPD 1948 A Ronneburger FDP 1950 B Dr. Todenhöfer CDU/CSU 1951 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordnetengesetzes — Drucksache 10/470 — Dr. Barzel, Präsident 1954 B Dr. Schäuble CDU/CSU 1955 C Hoss GRÜNE 1957 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 1960 A Becker (Nienberge) SPD 1962 B Nächste Sitzung 1964 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1965* A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 1965* C Anlage 3 Aufwendungen für die Aufklärung der deutschen Bevölkerung über das Wettrüsten und die Gefahren eines Atomkriegs sowie über die „in der Friedensbewegung lauernden Gefahren" MdlAnfr 24 07.10.83 Drs 10/457 Dr. Schöfberger SPD SchrAntw StSekr Boenisch BPA . . . . 1965* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Oktober 1983 1925 29. Sitzung Bonn, den 14. Oktober 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 14. 10. Frau Dr. Bard 14. 10. Biehle 14. 10. Bindig 14. 10. Conradi 14. 10. Duve 14. 10. Engelsberger 14. 10. Ertl 14. 10. Frau Fuchs (Köln) 14. 10. Frau Geiger 14. 10. Gobrecht ** 14. 10. Dr. Hackel 14. 10. Frau Dr. Hamm-Brücher 14. 10. Handlos 14. 10. Herterich 14. 10. Heyenn 14. 10. Frau Dr. Hickel 14. 10. Frau Huber 14. 10. Huonker 14. 10. Ibrügger 14. 10. Jansen 14. 10. Jung (Düsseldorf) 14. 10. Dr. Klein (Göttingen) 14. 10. Klein (München) ** 14. 10. Dr. Köhler (Duisburg) 14. 10. Kroll-Schlüter 14. 10. Lennartz 14. 10. Menzel 14. 10. Dr. Meyer zu Bentrup 14. 10. Milz 14. 10. Möllemann 14. 10. Dr. Müller * 14. 10. Müller (Wadern) 14. 10. Frau Dr. Neumeister 14. 10. Offergeld 14. 10. Dr. Pinger 14. 10. Poß 14. 10. Reents 14. 10. Reuschenbach 14. 10. Roth (Gießen) 14. 10. Dr. Scheer 14. 10. Schemken 14. 10. Schmidt (Hamburg) 14. 10. Frau Schmidt (Nürnberg) 14. 10. Schröer (Mülheim) 14. 10. Dr. Soell ** 14. 10. Spranger 14. 10. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 10. Dr. Stercken ** 14. 10. Dr. Stoltenberg 14. 10. Stücklen 14. 10. Tietjen 14. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 70. Konferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Traupe 14. 10. Verheugen 14. 10. Voigt (Sonthofen) 14. 10. Frau Dr. Wex 14. 10. Dr. Wittmann 14. 10. Wissmann 14. 10. Dr. Zimmermann 14. 10. Zink 14. 10. Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat dem Bundestagspräsidenten mit Schreiben vom 27. September 1983 eine Vorlage betreffend Unterrichtung des Deutschen Bundestages über den Stand der Arbeiten zur Lösung der Zweitanmelderproblematik übermittelt. Der Ältestenrat hat in seiner Sitzung am 13. Oktober 1983 beschlossen, diese Vorlage dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zuzuleiten. Sie wird nicht als Bundestagsdrucksache gedruckt und verteilt. Anlage 3 Antwort des Staatssekretärs Boenisch auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 10/ 457 Frage 24): Wieviel Geld hat die Bundesregierung bislang ausgegeben, um im Anschluß an die UN-Resolution vom 30. Juni 1978 die deutsche Bevölkerung über das weltweite Wettrüsten und die damit verbundenen Gefahren eines Atomkrieges aufzuklären, und wieviel will die Bundesregierung demgegenüber aufwenden, um die deutsche Bevölkerung vor den „in der Friedensbewegung lauernden Gefahren" aufzuklären und zu warnen? Im Haushaltsplan und damit auch in den Planungen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung sind Mittel für eine Aufklärung der deutschen Bevölkerung über das weltweite Wettrüsten und die damit verbundenen Gefahren eines Atomkrieges nicht ausgewiesen. Die Bundesregierung erfüllt vielmehr laufend ihre Pflicht, über alle Probleme der äußeren Sicherheit zu unterrichten. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: In der Planung der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung sind ebenfalls keine Aufwendungen vorgesehen, um die deutsche Bevölkerung vor den - ich zitiere Ihre Worte - „in der Friedensbewegung lauernden Gefahren" aufzuklären und zu warnen. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, über Sicherheitspolitik zu informieren. Insgesamt wurden für sicherheitspolitische Öffentlichkeitsarbeit seit Mai 1983 rd. 1,6 Millionen DM aus dem Ansatz 1983 von den Ressorts ausgegeben.
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    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchte ich zunächst Ihnen, Herr Bundestagspräsident, unseren Dank aussprechen für den Bericht, den Sie gemäß § 30 des Abgeordnetengesetzes gegeben haben. Ihr Bericht bildet eine gute Grundlage für eine sachbezogene Erörterung der mit der Entschädigung für die Bundestagsabgeordneten verbundenen Probleme auch in der Öffentlichkeit. Er enthält auch in der Anlage viele Argumente, Materialien und Gesichtspunkte, die uns helfen, eine angemessene Entscheidung zu treffen.
    Ich bitte alle Bürgerinnen und Bürger, diesen Bericht unvoreingenommen und kritisch zur Kenntnis zu nehmen. Ihr Bericht, Herr Präsident, weist nach, daß die Entschädigung für die Bundestagsabgeordneten nach den Maßstäben des Grundgesetzes und nach den Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 5. November 1975 aufgestellt hat, nicht mehr angemessen ist. Die Tatsache, daß seit der Neuregelung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1976 die Entschädigung für die Bundestagsabgeordneten nicht mehr angepaßt worden ist, hat zu einer erheblichen Verschlechterung der Einkommen der Abgeordneten geführt.
    Ich will noch einmal unterstreichen, daß für diesen Zeitraum die durchschnittliche Preissteigerungsrate bei 30 % liegt. Ich will noch einmal unterstreichen, was auch in dem Bericht des Präsidenten nachzulesen ist, daß in diesem Zeitraum etwa die Bruttoverdienste der Arbeiter und Angestellten um 45 % gestiegen sind, daß im öffentlichen Dienst die Bezüge um 34 % gestiegen sind, daß die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung in diesem Zeitraum um 38 % gestiegen sind

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Die neue soziale Frage!)

    und daß auch die Regelsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz in diesem Zeitraum um fast 30 % gestiegen sind.
    Meine Damen und Herren, wir wissen alle, daß wir diese Diskussion heute in einer Zeit führen müssen, in der wir unseren Mitbürgern als Folge der Krise von Wirtschaft und Staatsfinanzen Einsparungen und Einschränkungen zumuten müssen.
    Aber ich will zu dieser Spardiskussion, auf die auch der Präsident eben hingewiesen hat, sagen: Es



    Dr. Schäuble
    geht da in aller Regel um die Frage, daß in den kommenden Jahren Einkommenszuwächse niedriger ausfallen müssen oder im Extremfall auch einmal ein Jahr lang nicht stattfinden. Aber daß es einen absoluten Stillstand der Einkommen während sieben Jahren gegeben hat, ist einmalig. Der Bericht des Präsidenten weist aus, daß keine andere Gruppe von Einkommensbeziehern von einem solchen absoluten Stillstand über sieben Jahre betroffen ist.
    Aus alledem, meine Damen und Herren, folgt die Notwendigkeit, daß die Entschädigung auch für die Bundestagsabgeordneten in regelmäßigen Abständen angepaßt werden muß. Deswegen legt Ihnen meine Fraktion zusammen mit den Fraktionen von SPD und FDP den Gesetzentwurf in der Drucksache 10/470 vor, mit dem wir die Konsequenzen aus dem Bericht des Bundestagspräsidenten ziehen wollen.
    Ich habe darauf hingewiesen, in welcher wirtschaftlichen Lage wir dies tun müssen. Wir müssen sparen, um die Wirtschaftskrise zu überwinden und um die Staatsfinanzen zu konsolidieren. Wir Bundestagsabgeordneten können und wollen uns nicht von der Notwendigkeit, Maß zu halten, bescheiden zu bleiben, die notwendigen Einsparungen nicht nur bei anderen zu suchen, sondern selbst mitzutragen, nicht abkoppeln.
    Deswegen, meine Damen und Herren, ist es nicht möglich, an Einkommensanpassungen nachzuholen, was in diesen sieben Jahren versäumt worden ist. Aber es ist notwendig, daß wir für die Zukunft wieder zu einer maßvollen Anpassung kommen. Wir müssen den sieben Jahre währenden Stillstand beenden.

    (Frau Beck-Oberdorf [GRÜNE]: Jetzt kommen die sieben fetten Jahre für die Abgeordneten!)

    — Wenn Sie mich noch ein bißchen reizen, sage ich etwas zu Ihrem Parlamentsverständnis, Frau Kollegin, und vielleicht auch dazu, daß die Demokratie immer dann Schaden genommen hat, wenn man versucht hat, Parlamente und Abgeordnete verächtlich zu machen, und daß diejenigen, die darauf achten, daß das Parlament seinen Rang bewahrt und daß die Abgeordneten ihre Selbstachtung bewahren, für die Stärkung der Demokratie etwas tun, was Sie vielleicht erst noch lernen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das hätten Sie im Fall Flick sagen sollen!)

    Das Wichtigste in dem Gesetzentwurf, den wir Ihnen vorschlagen

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Parteienfinanzierung und Flick — dazu sollten Sie einmal etwas sagen!)

    — ich verstehe gar nicht, warum Sie schreien, ehe wir sachlich darüber debattieren; daran liegt Ihnen nichts —, ist, daß wir die Formel der Berichtspflicht des Präsidenten im Abgeordnetengesetz so aktualisieren wollen, daß wir wieder zu einer regelmäßigen Anpassung kommen. Wir wollen aber zugleich
    daran festhalten, was das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, daß es nämlich dieser Bundestag selbst ist, der bei jeder Anpassung der Diäten entscheiden muß. Es gibt keine Automatik in der Anpassung der Diäten, sondern es ist die freie und souveräne Entscheidung des Bundestags, die Diäten anzupassen.
    Wir müssen dabei in Kauf nehmen, meine Damen und Herren, daß wir quasi in eigener Sache entscheiden. Niemandem fällt das leicht. Aber nach Recht und Verfassung kann uns niemand die Pflicht abnehmen, in eigener Sache zu entscheiden. Diese Pflicht nach der Verfassung bedeutet eben auch, meine Damen und Herren, daß wir entscheiden müssen.
    Wir haben bei der Entscheidung über die Angemessenheit der Abgeordnetenentschädigung auch an den Rang des Verfassungsorgans Bundestag zu denken. Der Bericht des Bundestagspräsidenten sagt — er sagt dies zu Recht —, daß der Bundestag das Herz unseres freiheitlichen und sozialen Rechtsstaates ist. Meine Damen und Herren, dies muß sich auch bei der jetzt zu treffenden Entscheidung wiederfinden. Wir müssen bei dieser Entscheidung auch unserer Verantwortung für die Qualität der Arbeit des Bundestages und auch für die Qualität seiner Abgeordneten gerecht werden. Meine Damen und Herren, es muß auch in Zukunft nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich für qualifizierte Angehörige aller Berufsgruppen zumutbar erscheinen, sich für die Arbeit als Bundestagsabgeordnete zur Verfügung zu stellen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Wenn man die Medien — Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen — in den letzten Tagen verfolgt hat, könnte man meinen, die Frage der Entschädigung der Abgeordneten sei die wichtigste Frage der Nation. Davon kann überhaupt nicht die Rede sein.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das ist die Rache der Journalisten!)

    Keiner von uns hält die Frage der Diäten für eine Frage von besonderer Bedeutung. Wir haben viel wichtigere Fragen zu entscheiden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir haben viel wichtigere Entscheidungen zu treffen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Wenn dies so ist, dann heißt es aber auch, daß wir bei der Frage der Angemessenheit der Entschädigung dem Rechnung tragen müssen, daß die Abgeordneten unabhängig bleiben, nicht nur äußerlich in dem Sinne, daß sie nicht von anderen Einkünften abhängig werden,

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Flick!)

    sondern auch im Sinne der inneren Freiheit und Unabhängigkeit, daß die Abgeordneten frei bleiben von Sorgen für ihre Familie, daß sie die schwere Arbeit und die Belastungen einer Achtzig- und Neunzig-Stunden-Woche, wie das auch im Urteil des



    Dr. Schäuble
    Bundesverfassungsgerichts nachgewiesen ist, auch gegenüber ihren Familien verantworten können.

    (Burgmann [GRÜNE]: Das kann man nicht mit Geld machen!)

    Das gehört zur Frage der Angemessenheit der Entschädigung für Abgeordnete.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Meine verehrten Damen und Herren von den GRÜNEN, wenn Sie Ihre Aufgabe als gewählte Abgeordnete dieses Deutschen Bundestages endlich einmal ernst nehmen würden, dann würden Sie bei so sachlich vorgetragenen Überlegungen nicht einfach schreien, sondern Sie würden sich vielleicht wirklich einmal darum kümmern, welch schwere Arbeitsbelastung mit dem Auftrag der Bürger an jeden einzelnen von uns verbunden ist. Wir stellen uns diesem Auftrag, aber wir haben dabei auch die Verantwortung gegenüber den Kollegen, gegenüber den Familien der Kollegen in Rechnung zu stellen.

    (Stratmann [GRÜNE]: Und gegenüber Ihren Kassen!)

    Meine Damen und Herren, unter Würdigung all dieser Umstände bleibt der von den Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP vorgelegte Gesetzentwurf an der unteren Grenze dessen, was im Sinne einer angemessenen Entschädigung jetzt an Anpassung notwendig ist. Niemand, der sich in diesem Hause ein bißchen umhört, kann darüber hinwegsehen, daß viele Kollegen mit guten Gründen mit dem, was hier vorgeschlagen wird, nicht zufrieden sind, daß sie sagen: Das ist eigentlich vor all dem Hintergrund, der im Bericht des Präsidenten dargelegt ist, zu wenig.
    Wir werden in den Ausschußberatungen alle Anregungen sorgfältig zu prüfen haben. Wir werden abzuwägen haben, ob es möglich ist, einen besseren Weg zu finden, aber wir müssen diese Abwägungen natürlich auch vor dem Hintergund der wirtschaftlichen und finanziellen Gesamtsituation treffen, in der sich unser Land befindet und von der unsere Bürger betroffen sind.
    Wir müssen und wir werden all unsere Gesichtspunkte und Argumente vor unseren Mitbürgern offen vertreten. Wir werden uns nicht verstecken. Wir werden nicht in Hinterzimmern entscheiden und beraten,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    sondern wir werden in aller Öffentlichkeit und in aller Offenheit unsere Argumente darlegen.
    Meine Damen und Herren, ich bin zuversichtlich — Herr Präsident, Ihr Bericht hat dazu sehr viel beigetragen —, daß wir bei einer angemessenen Entscheidung, die wir jetzt zu treffen haben, das Verständnis einer zu Recht kritischen und sensiblen Öffentlichkeit finden werden. Ich glaube, die große Mehrzahl unserer Bürger weiß, daß eine freiheitliche Demokratie ein funktionsfähiges Parlament erfordert, daß ein funktionsfähiges Parlament unabhängige Abgeordnete voraussetzt und daß dies im Interesse der Freiheit unserer Bürger notwendig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoss.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ich möchte zunächst Herrn Schäuble sagen, daß es kein besonderes Verdienst ist, hier zu sagen, daß in aller Offenheit über die Frage der Diäten gesprochen wird. Es ist im Gesetz festgelegt, daß hier in aller Offenheit darüber gesprochen wird. Das ist geradezu Ihre Pflicht, und damit können Sie sich nicht schmücken.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Es gibt auch viele, die ihre Pflicht nicht tun!)

    Die Argumente für die Erhöhung sind vorgetragen. Es mutet seltsam an und ist nahezu unbegreiflich, daß Parteien, die sich über Haushaltsfragen, über andere politische Fragen heftigste Auseinandersetzungen liefern und auch über die Frage streiten, ob es angebracht ist, den Sozialabbau voranzutreiben oder nicht, sich plötzlich zu einer gemeinsamen Aktion zusammenfinden. Wir GRÜNEN können nur feststellen: Wir haben es im Moment mit einer großen Koalition für die Diätenerhöhung zu tun.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die GRÜNEN widersprechen mit aller Entschiedenheit einer Erhöhung der Diäten, nicht nur weil wir sie für völlig unnötig halten, sondern auch weil das Ansehen der parlamentarischen Demokratie, weil das Ansehen der Abgeordneten in der Bevölkerung gemindert wird

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Sie brauchen gar nicht so zu schreien, Sie können ruhig auch mal anhören, was die GRÜNEN hier zu sagen haben —,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    weil sie eine Tendenz verstärkt, die bei den Bürgern ohnehin vorhanden ist, daß die da oben doch machen, was sie wollen, sie machen sowieso alles so, und weil teilweise die Bürger anfangen zu resignieren. Vielleicht wollen Sie das so, und vielleicht fühlen Sie sich so sicher, daß Sie in einer Zeit strengen Sozialabbaus diese Frage hier aufwerfen, weil Ihnen die 5%, die die GRÜNEN hier in den Bundestag hineingebracht haben, zu gering sind, und weil Sie meinen, Sie können Ihre Politik so, wie Sie es sehen, durchführen.
    Die Hauptargumente, die für die Diätenerhöhung vorgetragen wurden, sind, daß seit 1976 nicht mehr erhöht wurde, obwohl alles teurer geworden ist, zweitens daß die Bezahlung der Abgeordneten gegenüber der Besoldung vergleichbarer Beamter zurückgefallen ist.
    Der Herr Präsident hat schon darauf hingewiesen, mit wem er die Abgeordneten vergleicht. Ich möchte nur noch die Zahlen hinzufügen, die er auf-



    Hoss
    zuführen vergessen hat. Z. B. wird der Status der Abgeordneten mit demjenigen von Bürgermeistern, Oberstadtdirektoren oder Landräten verglichen, die heute schon 9 000 bis 13 000 DM verdienen.

    (Stratmann [GRÜNE]: Pfui!)

    Die Bezahlung von Abgeordneten wird mit dem Gehalt eines Ministers verglichen, das heute 18 000 DM beträgt, was umgerechnet etwa 200 000 DM im Jahr ausmacht.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das hat die Unabhängigkeit von Herrn Lambsdorff nicht gesichert!)

    Es wird geklagt, die Entschädigung der Abgeordneten sei seit 1976, gemessen an einem Ministergehalt, von 53 auf 42 % gefallen. Wenn man das hört, schreit es geradezu nach Beseitigung dieser Ungerechtigkeit, und dementsprechend wird hier der Antrag vorgetragen.

    (Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Empörend ist das!)

    Es gibt dabei einige Probleme. Das Hauptproblem ist, mit wem sich Abgeordnete vergleichen lassen müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Mit Ministerialdirektoren, mit Ministern oder, wie wir meinen, mit dem durchschnittlichen Einkommen der Bürger der Bundesrepublik Deutschland?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wie sollen Abgeordnete ihre Funktion wahrnehmen und die Regierung kontrollieren, wenn sie mit den Oberen auf- und davonziehen, was die Gelder anlangt, und wenn sie sich materiell an die Gehälter der Minister binden und sich immer mehr von der Masse der Wähler, von der Bevölkerung, vom Volk abtrennen und entfernen?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich habe verschiedene Briefe bekommen. Da beklagt sich z. B. ein Herr Georg Schöneich und fragt, ob diese Herren überhaupt wüßten, daß die 320 DM, die sie sich zubilligen wollten, die Summe sei, die dem Regelsatz der Sozialhilfe von 338 DM entspreche, ob sie überhaupt wüßten, wovon sie redeten und was sie täten.
    Nach all meinen Erfahrungen ist es so wie auch im Bereich der Gewerkschaft. Dort vergleichen sich die Spitzenfunktionäre, die 8 000 bis 10 000 DM verdienen, nicht mehr mit den Arbeitern und Angestellten, sondern mit den Managern der Industrie, mit denen sie am Verhandlungstisch sitzen.

    (Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

    Das erklärt auch, warum sich bei der SPD eine Mentalität breitmacht, bei der sich nur einige wenige innerhalb der SPD-Fraktion gegen eine Diätenerhöhung gewehrt haben. Das erklärt mir auch, weshalb die SPD in diesem Fall in trauter Koalition mit CDU/CSU und FDP für die Diätenerhöhung eintritt.
    Darin kommt zum Ausdruck, daß sich in unserer Gesellschaft eine „HABEN"-Mentalität breitmacht.
    Es gilt nur der etwas, der viel Geld und Besitz hat. Geld und Besitz sind zum Statussymbol geworden. Es ist die Frage, ob es nicht Aufgabe des Parlaments und der Abgeordneten ist, in einer Zeit äußerster Bedrohung unserer Gesellschaft, sowohl was die Frage anlangt, die heute morgen hier diskutiert worden ist, als auch das Problem des Geldes im allgemeinen, dieser Geld- und Besitzmentalität durch eigenes anderes Verhalten entgegenzuwirken.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich habe einen Satz gefunden, der von den Greenpeace-Leuten öfter gezeigt wird. Er heißt:
    Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluß vergiftet, der letzte Fisch gefangen, werdet ihr feststellen, daß man Geld nicht essen kann.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Damit soll nicht gesagt sein, daß die Abgeordneten kein Einkommen haben sollten, mit dem sie leben können, mit dem sie ihre Aufwendungen ausgleichen können. Dem rede ich nicht das Wort. Aber es ist ein Unterschied, ob der Bedarf der Abgeordneten, den auch jeder Bürger draußen gerecht findet, abgedeckt wird oder ob die Gelder dazu benutzt werden, zusätzlich Besitz anzuhäufen und eine Kapital- und Besitzmentalität zu befriedigen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie sind hier nicht mehr bei der DKP)

    Damit hängt auch die Frage der Unabhängigkeit zusammen. Der Herr Präsident hat Art. 48 des Grundgesetzes zitiert, in dem es heißt:
    Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung.
    Das wirft die Frage auf, ob die Unabhängigkeit der Abgeordneten um so größer wird, je mehr Geld diese bekommen.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Das wirft die Frage auf, ob die Selbstachtung von Abgeordneten mit der Höhe des Geldes, das sie bekommen, zusammenhängt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich glaube, daß gerade die aktuellen Beispiele, die wir gegenwärtig diskutieren — ich will sie jetzt gar nicht näher bezeichnen — und mit denen sich auch ein Untersuchungsausschuß zu beschäftigen hat, das Gegenteil aufzeigen, nämlich daß gerade diejenigen in diesem Kreise, in diesem Hause, die sozusagen nicht zu den Hinterbänklern gehören, in Finanzgeschichten, Finanzmanipulationen und Spendenangelegenheiten verwickelt sind.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Es ist schon symptomatisch, daß von den ganzen Sparmaßnahmen, die getroffen werden, keine die Mitglieder dieses Hauses trifft.

    (Berger [CDU/CSU]: Stimmt ja gar nicht!)

    Die Maßnahmen treffen nur andere Leute. Mit welcher moralischen Motivation wollen Sie denn Ihre



    Hoss
    Diätenerhöhung begründen, wenn Sie zugleich das Arbeitslosengeld um 7,35 % für Ledige und Verheiratete ohne Kinder kürzen?

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Welche Motivation haben Sie denn, wenn Sie den Zuschuß zur Rentenversicherung für in Behindertenwerkstätten tätige Menschen um 22 % kürzen? Wie wollen Sie das denn begründen?

    (Zustimmung bei den GRÜNEN — Stratmann [GRÜNE]: Das ist die Moral der Ausbeutung!)

    Wie wollen Sie die Kürzung des Mutterschaftsgeldes rechtfertigen? Diese Leistung wird von vier auf drei Monate und von einer Höhe von sage und schreibe täglich 25 DM auf 20 DM gekürzt.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Unglaublich!)

    Wissen die Abgeordneten, die die Summen, um die es jetzt geht, kassieren, eigentlich, was es bedeutet, mit so geringen Beträgen auszukommen?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Oder gehen wir an die andere Seite heran, an die Privilegien, die sich die Abgeordneten im Verlaufe der letzten Legislaturperioden geschaffen haben. Ich denke an die zusätzliche Rentenversicherung, die jeder Abgeordnete bekommt, wenn er mehr als sechs Jahre diesem Parlament angehört, ohne daß er auch nur einen Pfennig Beitrag dafür zahlt.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Oder als General!)

    Nach sechs Jahren Zugehörigkeit zu diesem Parlament ist den Abgeordneten eine Rente von 1 875 DM sicher, nach sechzehn Jahren Zugehörigkeit eine solche von 5 625 DM. Eine Summe, die hier nach sechs Jahren erreicht wird, nämlich 1 800 DM, erreichen die wenigsten Arbeiter nach einer Tätigkeit von 45 Jahren im Betrieb.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    Diese Relationen müssen hier einmal ganz deutlich angesprochen werden, damit klar wird, mit wem die Abgeordneten sich zu vergleichen haben und mit wem nicht.
    Ich kann es den Bürgern draußen nicht verübeln, sondern kann sie nur darin unterstützen, daß dann, wenn Sie diesem Antrag folgen, das Wort angebracht ist, daß wir es hier mit einem Selbstbedienungsladen zu tun haben,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    aus dem sich jeder so bedient, wie er es für richtig hält.
    Wir können das nach den acht Monaten, die wir hier sind, beurteilen.

    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Insbesondere Bastian!)

    Wir haben die Erfahrung, wie wir mit dem Geld, das uns zur Verfügung steht, auskommen.

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Höhe der Diäten

    (Unruhe bei der CDU/CSU)

    — das ist unsere Feststellung! — und der Gesamtumfang der Privilegien rechtfertigen eine Erhöhung und dazu noch eine ins Auge gefaßte jährliche Anpassung der Diäten, eine sogenannte Dynamisierung der Entschädigung, nicht.
    Die GRÜNEN haben eine eigene Diätenordnung entwickelt, und wir kommen damit gut klar. Das wollen wir den Bürgern draußen einmal sagen.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben eine eigene Diätenordnung entwickelt, weil wir uns, nachdem wir nach Bonn gekommen sind, nicht so verhalten wollen wie Sie, weil wir eine andere Mentalität, eine andere Einstellung — das sage ich auch und besonders den Kollegen der SPDFraktion — zum Besitz, zum Kapital entwickeln wollen.

    (Seiters [CDU/CSU]: Und zur Freiheit! — Weitere Zurufe)

    — Sie brauchen mich gar nicht so zu unterbrechen! Ich merke, es gefällt Ihnen nicht, daß wir eine Diätenordnung haben, bei der wir mit 1 950 DM für einen Ledigen

    (Zuruf von der CDU/CSU: Den Rest macht die Kommune!)

    plus 500 DM für jede zu versorgende Person — wir haben das acht Monate durchprobiert, und es geht sehr gut — plus eine Aufwandsentschädigung für Zweitwohnsitz in Bonn und für sonstige Tätigkeiten von 1 500 DM auskommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und und und!)

    Wir führen jeden Monat durchschnittlich 4 500 DM
    — nachdem alle Steuern und Abzüge bezahlt sind, z. B. die Sozialversicherung — an einen Ökofonds ab, aus dem wir Dinge finanzieren, die mit ökologischen, mit alternativen Fragen im Zusammenhang stehen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    Diese acht Monate berechtigen uns auch zu sagen, daß nicht nur die Diätenerhöhung ungerechtfertigt ist, sondern die Diäten auch zu hoch sind. Wir verzichten darauf, einen speziellen Antrag in dieser Richtung zu stellen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich möchte Ihnen aber, weil Sie so rufen, sagen, daß bei allen Aufrechnungen, die man in den Zeitungen findet, wo die Abgeordneten begründen, wie wenig sie mit dem Geld, das sie hier kriegen, auskommen, immer ein massiver Posten steht: daß man zwischen 500 und 2 000 DM an die Partei abführt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was tun Sie denn?)

    Das zeigt, daß die Diäten — und der Meinung sind wir auch — zu hoch sind, weil in den Diäten ein Betrag zur versteckten Parteienfinanzierung enthalten ist. Ich glaube, man muß diese Dinge tren-



    Hoss
    nen. Die Diätenangelegenheit ist eine Sache, die Parteienfinanzierung ist eine andere Sache.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Das Fazit: Die GRÜNEN lehnen eine Erhöhung der Diäten ab. Wir erheben insbesondere schärfsten Protest dagegen, daß solche Gesetze im Schnellschußverfahren, sozusagen als Freitagsgesetze hier eingebracht werden wie das Parteienfinanzierungsgesetz vor einigen Monaten oder jetzt das Diätenerhöhungsgesetz. Wir sagen: In einer Zeit, in der der kleine Mann den Gürtel enger schnallen soll, dürfen die Einkünfte der Volksvertreter nicht noch ansteigen. Deswegen sprechen wir dafür und fordern alle. auf, obwohl sie dem wahrscheinlich nicht nachkommen werden, der Überweisung dieses Gesetzentwurfes an die Ausschüsse nicht zuzustimmen, weil über diese Sache genügend geredet ist. — Danke.

    (Beifall bei den GRÜNEN)