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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/13 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 13. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. Juni 1983 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 691 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Ergebnis der NATO-Konferenz am 9./10. Juni 1983 Genscher, Bundesminister AA . 691 B, 780 B Bahr SPD 698 B, 787 D Rühe CDU/CSU 706 B Bastian GRÜNE 712A Ronneburger FDP 715D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 719D Kolbow SPD 748 C Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 752 D Dr. Scheer SPD 764 B Dr. Todenhöfer CDU/CSU 767 C Frau Kelly GRÜNE 768A Dr. Ehmke (Bonn) SPD 771 B Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 781 C Dr. Dregger CDU/CSU 783 C Mischnick FDP 785A Schily GRÜNE 787 B Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Sofortiger Stopp der Türkeihilfe — Drucksache 10/107 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Türkei — Drucksache 10/149 — Reents GRÜNE 789 D Dr. Althammer CDU/CSU 792 B Voigt (Frankfurt) SPD 795 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 799A Schneider (Berlin) GRÜNE 801 B Möllemann, Staatsminister AA 802 D Dr. Pohlmeier CDU/CSU 804 D Frau Luuk SPD 806 D Schwarz CDU/CSU 808 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (Erklärung nach § 32 GO) 810 D Fragestunde — Drucksachen 10/137 vom 10. Juni 1983 und 10/148 vom 14. Juni 1983 — Bereitstellung finanzieller Mittel aus dem EG-Haushalt für die Opfer der beiden Hochwasserkatastrophen DringlAnfr 1 14.06.83 Drs 10/148 Frau Renger SPD Antw PStSekr Spranger BMI . 729 B, C, D, 730A ZusFr Frau Renger SPD 729C, D ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 729 D ZusFr Dr. Jens SPD 729 D Beendigung der Vernichtung junger Baumkulturen in Forstbaumschulen und Forstpflanzenbetrieben DringlAnfr 2, 3 14.06.83 Drs 10/148 Becker (Nienberge) SPD Antw PStSekr Gallus BML . . 730B, 731 B, C, D, 732 A, B, C, D, 733 A, B, C, D II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Juni 1983 ZusFr Becker (Nienberge) SPD . . . 731 B, C, D ZusFr Frau Blunck SPD 731D, 733C ZusFr Frau Dr. Vollmer GRÜNE . . . 732A ZusFr Müller (Schweinfurt) SPD . . . 732 B ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 732C ZusFr Frau Dr. Bard SPD . . . . 732D, 733A ZusFr Jungmann SPD 733 B ZusFr Frau Dr. Hickel GRÜNE 733 D Verminderung des bürokratischen Auf- wands bei der Förderung von Berlinreisen MdlAnfr 1 10.06.83 Drs 10/137 Dr. Göhner CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Hennig BMB . 734 A, B, C, D ZusFr Dr. Göhner CDU/CSU 734 B,C ZusFr Kuhlwein SPD 734 C Leistungen des Bundes und privater Unternehmen an die DDR im Jahre 1983 MdlAnfr 2 10.06.83 Drs 10/137 Austermann CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Hennig BMB . 734D, 735B ZusFr Austermann CDU/CSU 735 B Vermeidung juristischer Verklausulierungen in Verordnungen im Interesse der Verständlichkeit auch für Nichtjuristen MdlAnfr 106, 107 10.06.83 Drs 10/137 Dr. Klejdzinski SPD Antw PStSekr Dr. Jahn BMBau 735 C, D, 736A ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 735 D Aufbau des BGS/See zur Kontrolle der Ölverschmutzung durch die Schiffahrt in der Nordsee MdlAnfr 3, 4 10.06.83 Drs 10/137 Jungmann SPD Antw PStSekr Dr. Spranger BMI 736 B, C, 737 A, B, C, D, 738A ZusFr Jungmann SPD 736D, 737A, C ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 737 B ZusFr Frau Blunck SPD 737 C,D ZusFr Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE . 737 D Erweiterung des Personalbestands im Bundesinnenministerium, insbesondere nach 1986 MdlAnfr 5, 6 10.06.83 Drs 10/137 Kolbow SPD Antw PStSekr Dr. Spranger BMI . . 738 A, B, C ZusFr Kolbow SPD 738 B ZusFr Jungmann SPD 738 C Erhöhung des Schwefeldioxidvorkommens in der Luft durch hohe Radarbelastung und Konzentration von Mikrowellen MdlAnfr 7, 8 10.06.83 Drs 10/137 Menzel SPD Antw PStSekr Dr. Spranger BMI 738D, 739 A, B, C, D, 740A ZusFr Menzel SPD 738D, 739A ZusFr Eigen CDU/CSU 739 A ZusFr Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE . 739B ZusFr Dr. Linde SPD 739C ZusFr Berschkeit SPD 739C ZusFr Krey CDU/CSU 739 D Einführung des KOS-Verfahrens (Kondensations-, Oxydations-, Sorptions-Verfahren) zur Rauchgasentschwefelung MdlAnfr 9, 10 10.06.83 Drs 10/137 Frau Dr. Hickel GRÜNE Antw PStSekr Dr. Spranger BMI . . 740 B, C, D, 741 A, B ZusFr Frau Dr. Hickel GRÜNE 740 B, C, D, 741A ZusFr Frau Blunck SPD 741A Verbraucheraufklärung über die Umweltgefährdung quecksilberhaltiger Batterien MdlAnfr 13 10.06.83 Drs 10/137 Müller (Schweinfurt) SPD Antw PStSekr Spranger BMI 741 B,D ZusFr Müller (Schweinfurt) SPD . . . 741 D Umweltgefährdung durch die Verbrennung der nach Basel verbrachten Dioxinrückstände MdlAnfr 14, 15 10.06.83 Drs 10/137 Offergeld SPD Antw PStSekr Spranger BMI . . 742 A, B, C, D, 743A, B ZusFr Offergeld SPD 742 A, B, C, D ZusFr Frau Dr. Hickel GRÜNE 742 B ZusFr Frau Blunck SPD 742 D ZusFr Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE . 743A ZusFr Dr. Linde SPD 743 B Anwendung des Verursacherprinzips bei den dem Bund entstandenen Kosten durch die Suche nach den Giftfässern von Seveso MdlAnfr 16, 17 10.06.83 Drs 10/137 Kuhlwein SPD Antw PStSekr Spranger BMI . . . . 743 B, C, D, 744A, B ZusFr Kuhlwein SPD 743C, 744 A ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 743D ZusFr Frau Blunck SPD 744 B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Juni 1983 III Informationswert der Listen über Ordensverleihungen an ehemalige Kriegsteilnehmer vor 1945 MdlAnfr 19 10.06.83 Drs 10/137 Pauli SPD Antw PStSekr Spranger BMI . . . . 744 B, C, D ZusFr Pauli SPD 744C, D Rechtsextremistische Aktivitäten des Generalmajors a. D. Otto-Ernst Remer MdlAnfr 20 10.06.83 Drs 10/137 Schmidbauer CDU/CSU Antw PStSekr Spranger BMI 744 D Verhältnis der „Skinheads" zu neonazistischen Gruppen MdlAnfr 21 10.06.83 Drs 10/137 Schmidbauer CDU/CSU Antw PStSekr Spranger BMI 745 B,C ZusFr Krey CDU/CSU 745C Ziel des von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend und dem Marxistischen Studentenbund Spartakus veranstalteten Festivals der Jugend MdlAnfr 22 10.06.83 Drs 10/137 Krey CDU/CSU Antw PStSekr Spranger BMI . . . 745D, 746A ZusFr Krey CDU/CSU 746 A Entlastung der mittelständischen Unternehmen von Bürokratie durch ein neues Statistikbereinigungsgesetz MdlAnfr 23, 24 10.06.83 Drs 10/137 Jung (Lörrach) CDU/CSU Antw PStSekr Spranger BMI . 746 B, C, D, 747A ZusFr Jung (Lörrach) CDU/CSU . . 746 B, C, D ZusFr Frau Weyel SPD 746 C Überarbeitung der städtebaulichen und architektonischen Konzeption für die Museen des preußischen Kulturbesitzes MdlAnfr 25 10.06.83 Drs 10/137 Wartenberg (Berlin) SPD Antw PStSekr Spranger BMI . . . . 747 A, B, C ZusFr Wartenberg (Berlin) SPD . . . . 747 B,C Aussetzung der Sektsteuer zur Belebung des Absatzes von deutschem Wein MdlAnfr 26 10.06.83 Drs 10/137 Schartz (Trier) CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Häfele BMF . 747D, 748 A,B ZusFr Schartz (Trier) CDU/CSU . . . 748A ZusFr Frau Weyel SPD 748 B Nächste Sitzung 811 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 812*A Anlage 2 Verringerung der Immissionen durch die Großfeuerungsanlagen-Verordnung MdlAnfr 11, 12 10.06.83 Drs 10/137 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Spranger BMI . . . 812* B Anlage 3 Fortschritte des Behinderten-Leistungssports seit 1980; Teilnahme deutscher Behindertensportler an den Olympischen Spielen der Behinderten 1984 MdlAnfr 18 10.06.83 Drs 10/137 Frau Steinhauer SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI . . . 812* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Juni 1983 691 13. Sitzung Bonn, den 15. Juni 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 17. 6. Dr. von Bülow 17. 6. Dr. Engelsberger 17. 6. Ertl 16. 6. Glotz 17. 6. Hauck 17. 6. Jansen 17. 6. Lowack 17. 6. Saurin 17. 6. Spilker 17. 6. Spranger 16. 6. Tietjen 17. 6. Dr. Unland * 16. 6. Weiskirch (Olpe) 17. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 10/137 Fragen 11 und 12): In welchem Umfang und in welchem Zeitraum werden durch die vom Bundeskabinett am 23. April 1983 verabschiedete Großfeuerungsanlagen-Verordnung Verbesserungen der Immissionssituation bewirkt? Hält die Bundesregierung die durch die Großfeuerungsanlagen-Verordnung zu erwartenden Verbesserungen für ausreichend, und welche Verbesserungsvorschläge für die Beratungen der Großfeuerungsanlagen-Verordnung hat sie im Bundesrat gegebenenfalls eingebracht? Zu Frage 11: Mit der Großfeuerungsanlagen-Verordnung wird der Ausstoß von Luftschadstoffen aus Großfeuerungsanlagen, wie Staub, Stickstoffoxide, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid sowie Fluor- und Chlorverbindungen durch Emissionsgrenzwerte beschränkt. Bei Schwefeldioxid rechnet man damit, daß sich die jährliche Emissionsmenge, die 1978 bei ca. 3,5 Millionen Tonnen lag, um ungefähr 1,2 Millionen Tonnen verringert. In welchem Umfang sich diese Emissionsminderung in einer Verbesserung der Immissionssituation äußern wird, läßt sich nicht vorhersagen. Auf jeden Fall wird es großräumig zu einer Verbesserung der Immissionssituation kommen. Zu Frage 12: Der Bundesrat hat eine Reihe von Änderungsvorschlägen beschlossen, die in Anbetracht der umweltpolitischen Situation von der Bundesregierung mitgetragen werden. Das Bundeskabinett hat deshalb auf seiner Sitzung am 14. Juni 1983 den Bun- Anlagen zum Stenographischen Bericht desratsvorschlägen zugestimmt. Dabei handelt es sich im wesentlichen um folgende Änderungen: a) Die Vollentschwefelung der Abgase sowohl aus neuen als auch aus alten Feuerungsanlagen wird ab einer Feuerungswärmeleistung von 300 MW anstatt bisher 400 MW verlangt; b) Altanlagen mit Feuerungswärmeleistungen von 100 bis 300 MW müssen ab 1. April 1983 die gleiche Teilentschwefelung ihrer Abgase vorsehen, wie sie für Neuanlagen ab Inkrafttreten der Verordnung verlangt werden; c) Für Feuerungsanlagen mit Kraft-WärmeKopplung gibt es bezüglich der Schwefeldioxidemissionsbegrenzung keine Sonderregelung; d) Die Pflicht zur Abgasentschwefelung betrifft auch kleinere Feuerungsanlagen, sofern sie in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen und in der Summe der Feuerungswärmeleistung die Regelungsschwelle überschreiten. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage der Abgeordneten Frau Steinhauer (SPD) (Drucksache 10/137 Frage 18): Welche Fortschritte konnten für den Behindertenleistungssport seit 1980 (z. B. gleichberechtigte Förderung durch die Stiftung Deutsche Sporthilfe und verstärkte Beteiligung an den Lotteriemitteln für den Sport) erreicht werden, und in welcher Weise will die Bundesregierung die finanzielle und sportliche Vorbereitung und Teilnahme von Behindertensportlern aus der Bundesrepublik Deutschland an den Olympischen Winter- und Sommerspielen der Behinderten 1984 in Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen? Die finanzielle Förderung von Vorhaben der Behindertensportverbände richtet sich grundsätzlich nach den gleichen Kriterien, die auch für die Förderung der anderen Spitzenverbände des Deutschen Sportbundes maßgebend sind. Dabei werden selbstverständlich die Besonderheiten der Sportausübung durch Behinderte angemessen berücksichtigt. Für die finanzielle Unterstützung der Behindertensportverbände standen zur Verfügung: 1980: 508 600,- DM, 1981: 617 500,- DM, 1982: 661 200,- DM. Für 1983 ist eine Erhöhung auf die bisherige Höchstsumme von 752 000,- DM vorgesehen. Mit diesen Mitteln ist es möglich, eine angemessene Trainings- und Lehrgangsarbeit der Verbände zu finanzieren. Gleichzeitig ermöglicht die Bundesregierung den Organisationen des Behindertensports trotz einer Ausweitung der internationalen Wettkampfprogramme, leistungsstarke deutsche Mannschaften zu entsenden. Hinsichtlich der sozialen Unterstützung von behinderten Leistungssportlern konnte inzwischen er- 814* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Juni 1983 reicht werden, daß seit 1982 vier Angehörige des Deutschen Behinderten-Sportverbands mit Förderleistungen in Form von Studienbeihilfen, Fahrkostenersatz und Materialbeihilfen unterstützt werden. Weitere drei Spitzensportler des DSB erhalten seit 1983 Verdienstausfallentschädigungen. Die Vorbereitung und Teilnahme von Sportlern des Deutschen Behinderten-Sportverbands an den Olympischen Spielen 1984 in Österreich und in den Vereinigten Staaten von Amerika ist sichergestellt. Die Bundesregierung finanziert im Rahmen der Jahresplanung der Behindertensportverbände die erforderliche Vorbereitung in Form von Lehrgängen und Wettkämpfen. Auch die Kosten der Entsendung zu den Olympischen Winterspielen mit 100 000 DM und zu den Sommerspielen in den Vereinigten Staaten mit rd. 300 000 DM werden voll abgedeckt. Insgesamt ist sichergestellt, daß der Leistungssport der Behinderten auch in Zukunft durch die Bundesregierung so gefördert wird, daß die Behindertensportverbände ihre umfangreichen Programme angemessen erfüllen können.
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    Rede von Prof. Egon Bahr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesaußenminister hat eben von der Einigkeit gesprochen, die die Sitzung des NATO-Rates in Paris in der vorigen Woche gebracht hat. Der Bundeskanzler hat das in der vorigen Woche für Williamsburg erklärt. Die Verteidigungsminister haben die Geschlossenheit der Regierungen festgestellt, als sie sich im Frühjahr in Portugal trafen.
    Wenn die Geschlossenheit im westlichen Bündnis die Voraussetzung für einen Erfolg der Verhandlungen in Genf ist, wie diese Regierung oft wiederholt hat, ist j a alles in Ordnung; dann brauchen wir uns für Genf j a keine Sorgen mehr zu machen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir machen uns nur Sorgen um die SPD!)

    Die dreifache Wiederholung der westlichen Regierungen, wie einig sie sind, sollte genügen. Aber vielleicht genügt sie doch nicht.
    Jetzt wird darüber geredet, daß die SPD die amerikanische Verhandlungsposition erschwere.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: So ist es!)

    Herr Dregger hat sogar von einem „Dolchstoß" gesprochen. Dazu ist zweierlei zu sagen.
    Erstens. Wenn die Haltung der deutschen Opposition ein Dolchstoß ist, dann ist die Zweidrittelmehrheit des amerikanischen Repräsentantenhauses zugunsten eines „freeze" ein besonders qualifizierter Dolchstoß.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Der Unterschied zwischen Washington und Bonn besteht darin, daß es keinem Menschen in der amerikanischen Administration eingefallen ist, das Votum der gewählten Vertreter des amerikanischen Volkes in einer Weise abqualifizieren zu wollen, als ob Gleichschaltung etwas Gutes wäre.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn im Zusammenhang mit der Nachrüstung autoritäre Töne kommen, so ist im Interesse der Demokratie davor zu warnen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Die Opposition wird sich jedenfalls nicht den Mund verbieten lassen, hier genauso wenig wie in den Vereinigten Staaten.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Das will j a keiner! — Wer will denn das?)

    Zweitens. Die Koalition vertritt die Auffassung, daß sie als legal gewählte Regierung, die schon während des Wahlkampfes keinen Zweifel an ihrer Haltung gelassen hat, das Recht habe, zur Stationierung j a zu sagen, und das müsse respektiert werden. Auf der einen Seite, wenn es um Genf geht, soll die Opposition für die Verhandlungen in Mitverantwortung genommen werden; auf der anderen Seite, wenn es um die Stationierung geht, soll die Verantwortung der Regierung uneingeschränkt sein. So geht das nicht! Die Verantwortung der Opposition steht nicht zur Verfügung der Regierung zum An- und Abschalten, wie es gerade beliebt.

    (Beifall bei der SPD)

    Man kann die SPD nicht an einem Tage mit einer neuen Dolchstoßlegende diffamieren und am nächsten Tage an die Gemeinsamkeit der Demokraten appellieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer sich so verhält, hat entweder keine Vorstellungen von den Belastungen, die dieser Herbst für uns alle bringen kann,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und die Sie schüren!)

    oder aber er bereitet bewußt eine Verschärfung der Lage vor, für die dann allerdings auch die Verantwortung klar wäre.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir werden genug zu streiten haben, aber niemand sollte zusätzlich Gräben durch emotionalisierende Schärfen aufreißen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Die SPD kennt ihre Verantwortung für den NATO- Doppelbeschluß.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Tatsächlich? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)




    Bahr
    Wir laufen davor nicht weg.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Möller [CDU/CSU]: Sie laufen zurück! — Schwarz [CDU/CSU]: Aussteiger! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich verstehe überhaupt nicht, wie Sie es eigentlich nach Ihrer Haltung wagen können, nicht darüber froh zu sein, was ich hier sage. — Sie werden das aus dem Papier entnommen haben, das nach einer ganztägigen Klausursitzung meiner Fraktion veröffentlicht worden ist. Uns ist dieser Beschluß nicht leichtgefallen, im Dezember 1979 nicht und nicht im April letzten Jahres auf unserem Münchner Parteitag oder Ende letzten Jahres in Dortmund. Aber wir haben diese Linie durchgehalten; sie gilt auch heute. Ich beziehe mich auf das, was Willy Brandt dazu hier in der Debatte zur Regierungserklärung ausgeführt hat.
    Wir waren von Anfang an gegen jede Automatik der Stationierung. Wir waren für eine radikale Reduktion der SS 20 mit dem Ziel, die Stationierung neuer amerikanischer Raketen überflüssig zu machen. Das war unser Null von allem Anfang an. Das schloß kein Null auf sowjetischer Seite ein. Diese sorgsam abgewogene Position entsprach insoweit sehr genau dem Beschluß, den die NATO 1979 wenige Tage nach unserem Beschluß formuliert hat. In dem NATO-Beschluß wird festgestellt, daß der Ausbau der sowjetischen Mittelstreckenrüstung im Bündnis ernste Besorgnis hervorgerufen habe und daß diese Entwicklungen, „falls sie fortdauern sollten, die bei den interkontinentalen strategischen Systemen erzielte Stabilität aushöhlen könnten".
    Es ist im Doppelbeschluß keineswegs davon die Rede, daß ein erfolgreiches Verhandlungsergebnis die Beseitigung der gesamten Mittelstreckenrüstung der Sowjetunion seit den 60er Jahren verlangt. Es ging um den bedrohlichen Ausbau durch die zusätzlichen und neuartigen SS 20. Deswegen hat die frühere Bundesregierung unter Helmut Schmidt die amerikanische Formulierung der NullLösung, die sich Null auf beiden Seiten zum Ziel gesetzt hatte, zu Recht als extreme Ausgangsposition bezeichnet, und Strauß hat sie zu Recht irreal genannt.
    Wenn die gegenwärtige Bundesregierung versucht, diese Eröffnungsposition mit dem Hinweis zu retten, man könne kein sowjetisches Monopol akzeptieren, so ist das angesichts aller westlichen Potentiale nicht nur absurd, sondern es verläßt vor allem die Grundlage des NATO-Doppelbeschlusses.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Das Bündnis hat im Dezember 1979 die Stabilität gesehen, auch so formuliert, und hat mit eigenen neuen Waffensystemen gedroht, falls der Aufbau der sowjetischen Mittelstreckensysteme fortgesetzt wird. Von Null auf sowjetischer Seite war keine Rede, 1979 nicht und nicht 1980. Und als wir im Sommer 1981 anfingen, von den Voraussetzungen zu sprechen, unter denen die Nachrüstung auf unserer Seite Null sein könnte, in voller Übereinstimmung mit dem NATO-Doppelbeschluß, wird manchem in Erinnerung sein, daß dies skeptisch als Idealfall, also als nicht sehr wahrscheinlich, bezeichnet wurde. Wir befanden und befinden uns auch in voller Übereinstimmung mit dem berühmten letzten Satz des NATO-Doppelbeschlusses, den der damalige und heutige Außenminister mit der Definition versah: Das kann auch Null heißen. Und, wie gesagt: Von Null auf sowjetischer Seite war damals noch keine Rede. Der Reagansche NullNull-Vorschlag war noch gar nicht erfunden.
    Auch in einer Reihe weiterer Punkte hat die heutige Politik nur noch wenig mit dem zu tun, was die politischen Grundlagen des NATO-Doppelbeschlusses gewesen sind.

    (Rühe [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!)

    Wir haben gehofft, mit diesem Beschluß die Ratifizierung von SALT II in Amerika zu erleichtern; aber SALT II wurde nie ratifiziert. Der Doppelbeschluß sieht vor, daß danach im Rahmen von SALT III auch über die Problematik der Mittelstreckenraketen verhandelt werden soll. Heute gibt es statt dessen getrennte Verhandlungen über die interkontinentalen Systeme bei START und die Mittelstreckenwaffen in Genf. Wer heute die Zusammenführung beider Verhandlungen fordert, wie wir das tun, der ist vielleicht unbequem, aber jedenfalls in Übereinstimmung mit dem NATO-Doppelbeschluß.

    (Beifall bei der SPD)

    Helmut Schmidt und auch ich haben im Herbst 1979 mit den Amerikanern darüber diskutiert, daß eine Seestationierung der Cruise Missiles günstiger wäre. Die Seestationierung vermeidet die Gefährdung dichtbesiedelter Gebiete und ist für einen Gegner schwer zu treffen. Wir mußten zuletzt das Argument akzeptieren, daß eine Seestationierung technisch nicht möglich sei. — Im Oktober 1981 war dann den Zeitungen zu entnehmen, daß die Amerikaner die Produktion von einigen 4 000 Cruise Missiles, see- und luftgestützt, beschlossen hätten. Die Frage, warum dann noch einige 400 landgestützt nötig sind, findet eine plausible Antwort erst, wenn man an die Diskussion eines auf Europa begrenzten Krieges denkt.

    (Beifall bei der SPD — Schily [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    Die landgestützten Systeme sind sichtbar, die seegestützten sind Teil der strategischen amerikanischen Streitkräfte. Wenn das keine militärtechnische Veränderung der Situation ist, in der wir dem NATO-Doppelbeschluß zugestimmt haben, dann gibt es überhaupt keine.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Diskussion über den fährbaren und gewinnbaren Krieg ist keine sozialdemokratische Erfindung. Wir sind uns in diesem Hause auch einig, daß es Wahnsinn ist, wie der Bundesverteidigungsminister formuliert hat, über eine fährbaren und gewinnbaren Krieg zu reden; aber es gibt diesen Wahnsinn, jedenfalls heute. 1979 gab es ihn nicht.

    (Zustimmung bei der SPD)




    Bahr
    Der Bundesaußenminister hat eben die Auffassungen der Bundesregierung im Jahre 1979 zu den französischen und britischen Systemen richtig wiedergegeben. Er hat vergessen hinzuzufügen, daß es erst 1981 die bedeutenden neuen französischen und britischen Rüstungsprogramme gegeben hat und daß erst danach die Sowjetunion begonnen hat, von der Notwendigkeit der Einbeziehung dieser neuen Systeme in die Verhandlungen zu sprechen.
    Neue amerikanische strategische Überlegungen beschäftigen sich mit der Möglichkeit einer horizontalen Ausweitung im Falle von Konflikten irgendwo in der Welt. Wieder andere werben für eine Kombination weitreichender konventioneller, nuklearer, sogar chemischer Waffen gegen eine zweite und dritte Welle eines möglichen Angreifers. — Von alledem war 1979 nicht die Rede. Und niemand kann doch bezweifeln, daß die vorgesehenen amerikanischen Raketen unter diesen neuen Gesichtspunkten eine neue Bedeutung bekommen würden. Wenn einer der Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten sagt, daß sein Land einen beträchtlichen Teil der vorgesehenen neuen amerikanischen Raketen in Europa brauche, auch wenn es keine SS 20 mehr gäbe, dann macht dies in diesem Zusammenhang Sinn. Mit dem Doppelbeschluß vom Dezember 1979 hat das doch aber kaum noch etwas zu tun.

    (Beifall bei der SPD)

    Null hier, selbst wenn es einige in der Sowjetunion gibt — das war der Ausgangspunkt. Einige hier, selbst wenn es Null in der Sowjetunion gibt — das ist doch schon ein Unterschied.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Bahr, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Beck-Oberdorf?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Egon Bahr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ja, bitte.