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    Plenarprotokoll 10/5 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. Mai 1983 Inhalt: Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Einberufung einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages am 8. Mai 1983 aus Anlaß des 38. Jahrestages des Endes der nationalsozialistischen Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges Reents GRÜNE 147 B Dr. Schäuble CDU/CSU 148 D Dr. Hauff SPD 149 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 150 B Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Althammer CDU/CSU 150 D Hoffmann (Saarbrücken) SPD 153 B Hoppe FDP 155D Kleinert (Marburg) GRÜNE . . . . 158C, 186D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 161 C Dr. Apel SPD 167 A Börner, Ministerpräsident des Landes Hessen 173A Dr. Graf Lambsdorff FDP 176 C Roth SPD 181 D Dr. Stoltenberg CDU/CSU 187 A Hauser (Krefeld) CDU/CSU 187 B Reuschenbach SPD 190 B Dr. Haussmann FDP 193 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 195 B Frau Fuchs (Köln) SPD 201A Dr. George CDU/CSU 205B Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 207 C Lutz SPD 210B Hoss GRÜNE 212B Cronenberg (Arnsberg) FDP 214D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 218C Dr. Schmude SPD 222 D Fischer (Frankfurt) GRÜNE 226 B Dr. Miltner CDU/CSU 228 C Dr. Hirsch FDP 231C Schäfer (Offenburg) SPD 233 D Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 236 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 239A Dr. Emmerlich SPD 241 D Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . 245C Frau Schoppe GRÜNE 248 A Kleinert (Hannover) FDP 250A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 252 D Seiters CDU/CSU 255A Vizepräsident Westphal 226 D Vizepräsident Wurbs 245 B Nächste Sitzung 255 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 257*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 257* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Mai 1983 147 5. Sitzung Bonn, den 5. Mai 1983 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 5. Berschkeit 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) 6. 5. Dr. Enders * 6. 5. Dr. Engelsberger 6. 5. Hartmann 6. 5. Dr. Hornhues 6. 5. Kittelmann * 5. 5. Lahnstein 5. 5. Lemmrich * 5. 5. Dr. h. c. Lorenz 5. 5. Offergeld 5. 5. Poß 5. 5. Schmidt (Hamburg) 6. 5. Schmidt (Wattenscheid) 6. 5. Schreiber 6. 5. Schröer (Mülheim) 5. 5. Spilker 6. 5. Frau Steinhauer 6. 5. Vogt (Düren) 5. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 29. April 1983 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 29. April 1983 der vom Deutschen Bundestag am 29. März 1983 beschlossenen Weitergeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes zugestimmt hat. Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 2. Mai 1983 mitgeteilt, daß er seinen Antrag Veräußerung des bundeseigenen Geländes an der Schleißheimer Straße in München an die Landeshauptstadt München - Drucksache 10/22 - zurückzieht.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Emmerlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Danke, nein.
    Deshalb Ihre permanenten Bestrebungen — die sind ja nicht neu; die sind so lange da, solange es Konservative gibt —, das Demonstrationsrecht einzuschränken, die Bürger von Demonstrationen abzuschrecken und Demonstranten einzuschüchtern

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist ja wirklich starker Tobak! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — es tut mir leid, daß ich Ihnen das sagen muß; das ist leider Gottes die Wahrheit —,

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Aber deshalb wird es nicht wahrer!)

    einzuschüchtern durch Kriminialisierung friedlicher Demonstranten, und in neuerer Zeit zusätzlich dadurch, daß ihnen für den Polizeieinsatz oder für Schäden, die sie selbst überhaupt nicht angerichtet haben, erhebliche finanzielle Sanktionen angedroht werden.
    Uralt und abgegriffen ist eine Methode, die ungeachtet dessen aber immer wieder bis in die letzten Tage ungeniert und mit Fleiß angewandt wird — damit komme ich auf Herrn Voigt zurück —, nämlich Teilnehmer von Demonstrationen, die den Konservativen besonders gegen den Strich gehen, als dolose oder nicht dolose Werkzeuge von — um die Formulierung der Konservativen zu gebrauchen, die mir nur schwer über die Lippen geht — von „Staats- und Verfassungsfeinden" oder ausländischer Interessen zu diffamieren.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Ja was ist denn mit den Kommunisten?)

    Deutsche Konservative gehen eben nach wie vor davon aus, in der Politik dürften sie sich nicht allein auf die geistige Auseinandersetzung, auf Argumente und auf den Dialog verlassen; sie sind davon überzeugt, daß der Staat auch in der politischen Auseinandersetzung gleichsam als eiserne Reserve repressive Handlungsmöglichkeiten in der Hinterhand haben muß.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Alfred, das glaubst du doch selber nicht!)

    Deshalb sind die deutschen Konservativen in der Rechts- und Innenpolitik stets für eine Stärkung der Handlungsfähigkeit des Staates gegenüber dem Bürger eingetreten. Hier galt und hier gilt für sie die Devise „Mehr Staat", damit das Volk politisch nicht zu aufmüpfig werde und den Status quo ins Wackeln bringe.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    In der Wirtschafts- und Sozialpolitik dagegen war und ist die Parole der Konservativen „Weniger Staat", damit ihnen, den Konservativen und ihren Anhängern, ihre Privilegien nicht genommen werden.

    (Beifall bei der SPD — Niegel [CDU/CSU]: Das glaubt er doch selber nicht! — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Emmerlich, das ist jämmerlich! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Kümmerlich!)

    Nun etwas zu Ihrem Kompromißzwang, Herr Bundesjustizminister. Warum haben Sie bei der Einschränkung des Demonstrationsrechts, die Sie noch bis September letzten Jahres vehement bekämpft haben, mitgemacht? Weil nach der Wende aus der FDP der Freiburger Thesen die Genschdorff-FDP geworden ist,

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Du lieber Gott! Wie runtergekommen!)

    eine FDP, in der der Wirtschaftsflügel eindeutig dominiert. Zur inneren Logik der Wende gehört, daß



    Dr. Emmerlich
    diese unter dem übermächtigen Druck der CDU/ CSU vor der Rechtspolitik und vor der Innenpolitik nicht Halt macht. Das Prinzip: „im Zweifel für die Freiheit", ist durch die Maxime: „im Zweifel für die Regierungsbeteiligung und Ministersessel", ersetzt worden.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer geglaubt hat, die FDP werde in der Koalition mit CDU und CSU den liberalen Rechtsstaat davor bewahren können, von der CDU/CSU an die Kandarre genommen zu werden, der hat sich gründlich geirrt. Einer FDP ohne Umsteige- und Rückfahrkarte wird die CDU/CSU nicht gestatten, in der Rechts- und Innenpolitik im Bremserhäuschen Platz zu nehmen.
    Bremsen wird die FDP die Union auch nicht in ihrer Absicht, die Ergebnisse der sozialliberalen Rechts- und Innenpolitik in wichtigen anderen Teilbereichen wieder rückgängig zu machen.
    Die Gegenreform hat mit der Aushöhlung des sozialen Mietrechts am Ende der letzten Legislaturperiode begonnen.

    (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    Die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und FDP zeigt, daß die Gegenreform immer mehr auf Touren kommt.

    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    — Meine sehr geehrten Damen und Herren, immer, wenn die Herren schreien, dann hat man Recht!

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Im Scheidungsfolgenrecht soll wieder auf das Verschuldensprinzip zurückgegriffen werden. Mehr Einzelfallgerechtigkeit, Herr Minister, ist davon nicht zu erwarten, wie Sie selbst genau wissen. Die Erfahrungen mit dem Schuldprinzip haben nämlich eindeutig ergeben, daß die Gerichte in der Regel außerstande sind, festzustellen, warum eine Ehe gescheitert ist. Wer den Gerichten das abverlangt, wird ihre Entscheidungen wieder von den Zufälligkeiten der Beweisführung abhängig machen. Dann ist nicht mehr Einzelfallgerechtigkeit zu erwarten, sondern weniger. Weiter ist zu erwarten, daß der sozial schwächere Ehepartner — das sind in der Regel immer noch die Frauen — für die Rückkehr zum Verschuldensprinzip die Zeche zahlt.
    Mehr Freiheit bei Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen will die Regierung. Das hört sich zunächst gut an. Die Erfahrungen beweisen aber, daß mehr Vertragsfreiheit bei der Regelung der Scheidungsfolgen sich im Zweifel gleichfalls zu Lasten des sozial schwächeren Ehepartners, also der Frauen, auswirkt.
    Geradezu infam wäre es, wenn CDU und CSU, was nach der Koalitionsvereinbarung leider zu erwarten ist, sich mit ihrer Absicht durchsetzen sollten, die Kostenerstattung bei legalen Schwangerschaftsabbrüchen zu beseitigen. Das würde gutsituierten Frauen zwar nichts ausmachen; für die anderen aber bestünde die Möglichkeit einer legalen Abtreibung nur noch de jure. De facto wäre sie ihnen weitgehend genommen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Sie könnten die Kosten einer legalen Abtreibung durch den Arzt nämlich nicht aufbringen. Sie würden wieder zurückgetrieben zu Kurpfuschern und Engelmachern. Sie würden wieder hineingestoßen in die Illegalität und Kriminalisierung,

    (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

    nach dem Motto „Wenn du arm bist, sind der Kurpfuscher und die Engelmacherin für dich gut genug. Die gesundheitlichen Folgen und die Anklagebank hast du dir selbst zuzuschreiben."

    (Beifall bei der SPD — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Bösartige Unterstellungen sind das! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Das ist fürwahr ein böses Beispiel dafür, wohin der verstockte Muff einer konservativen Ideologisierung unser Land treiben wird.

    (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

    Da ist es schon eine Zumutung, sehr geehrter Herr Bundesjustizminister, wenn Sie von uns Lob dafür erwarten, daß es bisher nicht dazu gekommen ist, daß die Koalition eine Änderung des strafrechtlichen Teils dieses Problems beschlossen hat.

    (Zustimmung der Abg. Frau Dr. DäublerGmelin [SPD])

    Wir Sozialdemokraten werden uns dem von der Bundesregierung und der Regierungskoalition drohenden Rückschritt des liberalen und des sozialen Rechtsstaats mit allen Kräften, die wir haben, entgegenstemmen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr!)

    Die Aufgabe der Rechtspolitik in den kommenden Jahren besteht nämlich nicht darin, eine Gegenreform zu veranstalten, sondern darin, die Politik der Rechtsreformen behutsam fortzusetzen.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Behutsam bitte!)

    Das gilt insbesondere im Bereich des Strafrechts mit dem Schwerpunkt beim strafrechtlichen Sanktionssystem.
    Die Wirtschaftskrise und die Massenarbeitslosigkeit werden die sozialen Probleme und auch die politischen Auseinandersetzungen verschärfen. Die Rechtspolitik muß ihren Beitrag dazu leisten, der zunehmenden Neigung, sich an kurzfristigen Eigeninteressen zu orientieren, entgegenzuwirken. Der Schutz des sozial Schwächeren und politischer Minderheiten ist gerade in Krisenzeiten die vornehmste Aufgabe des Staats. Herr Stoiber hat unrecht, wenn er glaubt, in der gegenwärtigen Situation müsse die soziale Gerechtigkeit zurücktreten. Die Wirtschaftskrise und ihre Folgen haben bereits zu



    Dr. Emmerlich
    einem erheblichen Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das habt ihr bei der Wahl gemerkt!)

    — Herr Stark, von Ihnen habe ich an dieser Stelle exakt diesen Zwischenruf erwartet. Ich erkenne Ihren Wahlsieg durchaus an. Nur: Täuschen Sie sich nicht darüber, was diese Wirtschaftskrise und ihre Folgen, was diese Arbeitslosigkeit bereits an Vertrauen in unserem Staat zerstört haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zustimmung bei der SPD — Dr. Laufs [CDU/CSU]: Mehr Demokratie wolltet ihr wagen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: 13 Jahre! — Mehr Demokratie wolltet ihr haben!)

    — Ihre einseitigen Schuldzuweisungen sind, wie Sie selbst wissen, nichts anderes als billige Wahlkampfpolemik.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Emmerlich plus kümmerlich ist gleich widerlich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn die Bürger den Eindruck gewinnen, daß Regierung und Bundestagsmehrheit sich nicht mehr vom Streben nach Gerechtigkeit — z. B. bei der Verteilung der Lasten der Krise — leiten lassen, dann besteht die Gefahr, daß die Menschen an unserem Staat und an unserer Ordnung nicht nur zweifeln, sondern verzweifeln.

    (Dr. Helmrich [CDU/CSU]: Unerhört!)

    Dann wäre eine der tragenden Säulen, auf denen unser Staat beruht, zerstört. — Herr Stark lacht; das entspricht der Geisteshaltung der Konservativen in unserem Land, wenn man solche Ausführungen macht. Dann wäre eine der tragenden Säulen
    — ich wiederhole das —, auf denen unser Staat ruht, zerstört. Gerade die Rechtspolitik muß ihren Beitrag zur Gerechtigkeit leisten.
    Die Regierungserklärung macht leider deutlich, daß die Bundesregierung von dieser Einsicht nicht geleitet wird. Wir Sozialdemokraten werden nicht müde werden, die Regierung und die Mehrheit des Bundestages auf ihre Pflicht aufmerksam zu machen, für Gerechtigkeit zu sorgen und den Schwachen den Schutz zu gewähren, den sie gerade heute so dringend benötigen. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile dem Abgeordneten Zimmermann für seinen nicht parlamentarischen Zwischenruf „Ein purer Demagoge sind Sie, sonst nichts!" einen Ordnungsruf.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr gut! — Weiterer Zuruf von der SPD: Und das ist der Verfassungsminister!)

Ich habe den Zwischenruf soeben dem Protokoll entnommen.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Benno Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der Regierungserklärung eine ganze Reihe von Konkretisierungen zu Fragen der Rechtspolitik gehört. Wir stimmen diesen voll zu.
    Herr Bundesminister Engelhard, ich möchte mich ausdrücklich für Ihren Redebeitrag bedanken. Aber nicht nur dafür, sondern auch dafür, daß aus ihm deutlich wurde, in welch hohem Maß zwischen uns auf dem Gebiete der Rechtspolitik eine faire Zusammenarbeit zustande gekommen ist. Dafür herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Emmerlich, wir beide kennen uns seit langem. Ich habe den Eindruck, daß Sie auf Grund der Wahlen und der Vorgänge um die Wahlen in Ihrer eigenen Fraktion nunmehr Alibifunktionen glauben erfüllen zu müssen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Wenn das, was Sie gesagt haben, wirklich Ihre Meinung wäre — die Meinung eines Mannes, der aus der Justiz kommt und als Richter tätig gewesen ist —, täte es mir um die Richter leid.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie wissen ganz genau, daß von uns niemand die Verfassungsrechte auf dem Gebiete der Meinungsfreiheit beschränken oder einengen will.

    (Zuruf von der SPD: Welche denn?)

    — Wir wollen überhaupt keine Verfassungsrechte einschränken. Das wissen Sie ganz genau. —

    (Zuruf von der SPD: Sie vielleicht nicht, aber andere!)

    Der Unterschied wird nur deutlich, wenn man die Frage stellt, ob Sie ein Recht haben wollen, das den Rechtsbrecher schützt, das es nicht möglich macht, ihn festzunehmen oder gar einer Strafe zuzuführen, und dadurch die Rechtstreuen gefährdet. Da unterscheiden wir uns.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Dr. Timm [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr!)

    Ein Wort noch zu Herrn Schäfer, zu den Umweltproblemen. Herr Schäfer, ich hatte gedacht, Sie halten uns eine Philippika wegen zehnjährigem Regierungsversagen. Ich bin mir aber durchaus bewußt, daß wir erst seit dem 1. Oktober 1982 überhaupt die Regierung stellen,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das reicht schon!)

    am 6. März 1983 die Wahlen gewonnen und gestern erst die Regierungserklärung gehört haben. Wir können es nicht schaffen — keine Regierung kann das, nicht einmal mit dem gesamten Apparat der SPD-Leute innerhalb der Ministerien —, Dinge, die 13 Jahre verschludert worden sind, jetzt sofort in Ordnung zu bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie uns aber diese Herkulesarbeit zutrauen
    — ich mußte fast den Eindruck gewinnen, Sie tun es —, dann allerdings muß ich sagen, dieses Zu-



    Erhard (Bad Schwalbach)

    trauen ist zuviel des Guten. Aber bleiben Sie ruhig dabei; wir werden es schaffen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Fragt sich nur, was!)

    Meine Damen und Herren, wir sind bei der Rechtspolitik. Wir leben in einem modernen Verfassungsstaat. Der moderne Verfassungsstaat zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß er den Rechtsfrieden unter seinen Bürgern garantiert und dafür das sogenannte Gewaltmonopol hat. Der Rechtsfriede ist das höchste Gut, wenn es um das friedliche Zusammenleben der Bürger geht. Der Schwache wird geschützt, der Mächige in seinen Rechten begrenzt.

    (Burgmann [GRÜNE]: So sollte es sein!)

    Und von wem wird alles geschützt, und wer garantiert das? Nur der Staat.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    Es wurde davon gesprochen, daß Gewalt gegen Sachen in unserer Verfassungsordnung berechtigt sei. Man hat von Gegengewalt gegen den Staat gefaselt. Schließlich glaubte man, Notwehr einer Gruppe gegen strukturelle Gewalt des Staates propagieren und anwenden zu sollen. Es ist sogar von einem Widerstandsrecht gesprochen worden. Bei letzterem gruselt es mir geradezu; denn ich war beteiligt, als wir in Art. 20 des Grundgesetzes das Widerstandsrecht hineingeschrieben haben. Das ist noch gar nicht so furchtbar lange her. Wir haben es als die letzte und sicherste Garantie gegen die Verletzung der Verfassung hineingeschrieben. Dagegen — und nur dagegen — gibt es ein Widerstandsrecht. Aber es gibt durchaus kein Widerstandsrecht gegen die legitime Ausübung der staatlichen Funktionen und Aufgaben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von den GRÜNEN)

    Weil das so eng und so klar ist, geht man dann zum zivilen Ungehorsam oder zum gewaltfreien Widerstand über. Das ist nichts anderes als eine Formel für ein Widerstandsrecht zweiter Klasse. Es dient dazu, von den harten und offensichtlichen Grenzen des verfassungsrechtlich gewährten Widerstandsrechts abzulenken. Der zivile Ungehorsam bedeutet gar nichts anderes, als daß sich einzelne Gruppen die Ermächtigung anmaßen, aus eigener Zuständigkeit darüber zu entscheiden, was Rechtens und was nicht Rechtens ist. Das ist typisches Denken der Radikalen. Wehe, wenn solche Radikalen an die Schalthebel der Macht im Staat kommen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Ganze hat als Konsequenz, daß diejenigen, die ihren Willen den staatlichen Organen und der Mehrheit der Bürger aufzwingen wollen, den Rechtsfrieden brechen.

    (Frau Reetz [GRÜNE]: Gandhi!)

    Wenn man das zuläßt, ist die Folge Chaos. Dann ist
    der Staat schließlich nicht mehr derjenige, der den
    Rechtsfrieden garantieren kann, schon dann nicht
    mehr, wenn er diese Rechtsbrüche auch nur toleriert.
    Wir werden die Vorschriften über Landfriedensbruch verändern. Mehrfach wurde das angesprochen. Wir werden es tun, um das friedliche Demonstrieren zu gewährleisten.

    (Dr. Emmerlich [SPD]: Um Gottes willen!)

    Nur zu diesem Zweck! Wer unter der Überschrift „friedliche Demonstration" Unfrieden schafft — gegen Sachen oder Menschen —, der soll nicht untertauchen können, um dann durch die Hintertür, weil er nicht gefaßt wird, auch noch den „Marsch durch die Institutionen" anzutreten, was wir j a in der Zeit vom Ende der 60er Jahre leider feststellen mußten; sonst könnte sich nicht jemand Lehrer nennen, der mit solchen Vorstellungen, wie wir sie gehört haben, sogar hier in den Bundestag gekommen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: O Gott!)

    Bei uns hat der Bürger die Möglichkeit, sein Recht auch gegen den Staat durchzusetzen. Ein solches Recht gegen den Staat, gegen jegliche obrigkeitliche Herrschaft läßt sich aber nur in streng geordneten Verfahren erreichen. Unsere Bürger machen davon reichlich Gebrauch. Deshalb sind unsere Verwaltungsgerichte verstopft. Deshalb sind unsere Finanzgerichte verstopft. Deshalb dauern die Verfahren vor unseren Sozialgerichten so lange, weil die Bürger ihre Rechte gegen die öffentliche Hand in Anspruch nehmen. Das muß auch sein und bleiben und gewährleistet sein.
    Die Entscheidungen müssen zeitnäher sein, auch im Strafrecht. Deshalb wollen wir die Verfahren straffen, verkürzen, ohne die Qualität der Entscheidung zu beeinträchtigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wie in der Regierungserklärung nachzulesen ist, sollen z. B. in bestimmten Verfahren auch Instanzen wegfallen. Unser demokratischer Staat darf nicht ein Rechtsmittelstaat sein, bei dem die ganze Entscheidungsgewalt in die dritte Gewalt ohne parlamentarische Kontrolle abwandert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Scheidungsrecht soll in seinen Grundprinzipien nicht angetastet werden. Das ist mehrfach gesagt worden. Aber es läßt sich nun einmal nicht leugnen, daß es zu Fehlern in der Einzelentscheidung führt, wenn man ein Prinzip überzieht. Das Zerrüttungsprinzip darf nicht dazu führen, daß der einzelne möglicherweise sogar das Scheidungsrecht benutzt, um eine Vorteilsnahme durchzusetzen. Es darf ihn auch nicht zur Vorteilsnahme ermuntern. Schon das Bundesverfassungsgericht hat dazu seine Meinung gesagt. Auch darf es nicht dazu führen, daß der eine oder andere lebenslange Vergeltung, j a sogar Rache durch dieses Recht nehmen kann. Verantwortliches Verhalten endet nicht mit der Scheidung und beginnt auch nicht mit der Scheidung.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Sehr gut!)




    Erhard (Bad Schwalbach)

    Insofern gibt es überschreitende Elemente, die trotz Beibehaltung des Zerrüttungsprinzips eine Veränderung im Folgenrecht erforderlich machen.
    Auch muß die praktisch weitgehende Entmündigung der Ehegatten im Scheidungsfolgenrecht sinnvoll korrigiert werden.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Na, na, na!)

    — Sinnvoll korrigiert werden!

    (Unruhe bei der SPD)

    Ich werde mich jedenfalls nicht dazu bequemen, es für richtig zu halten, daß Eheleute über ihre Vermögensangelegenheiten nur deshalb nicht mehr entscheiden können sollen, weil sie geschieden werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben gegenüber der SPD unterschiedliche Positionen schon in der Vergangenheit gehabt. Die sind nach wie vor vorhanden. Wir werden sicher das Recht zu einem brauchbaren, praktikablen und zu gerechten Entscheidungen führenden Recht entwickeln.
    Ein Unterschied in den Positionen zwischen uns und der FDP ist heute schon angedeutet worden. Ich bin nicht der Meinung von Herrn Vogel — und wie Sie, Herr Engelhard, wohl eben auch angedeutet haben —, daß man schon jetzt sagen kann, daß die Regelung des § 218 die Chancen des werdenden Lebens verbessert habe.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir haben in dem damaligen Gesetz — das ist mit unseren Stimmen geschehen, auf Vorlage der damaligen Regierung, die, Sie wissen es genau, die Regierung Brandt war, aufrechterhalten von Herrn Schmidt, vom Bundestag verabschiedet — einen Artikel 2 verabschiedet. Nach diesem gibt es eine Meldepflicht für alle Abtreibungen, die die Ärzte legal vornehmen. Sie sind anonymisiert, so daß niemand sagen kann, wer da der Betroffene ist. Diese Meldepflicht ist sogar mit einer Ordnungswidrigkeitsvorschrift bewehrt. Diese Pflicht sollte nach Meinung der damaligen Bundesregierung ein unentbehrliches Instrument sein, dazu geeignet, die zuständigen Behörden so instand zu setzen, die Praxis der Schwangerschaftsabbrüche zu erfahren und diese zu beobachten, um einer unrichtigen Handhabung der gesetzlichen Bestimmung mit den zusätzlichen angemessenen Mitteln entgegenzuwirken. So heißt es dort wörtlich. Außerdem soll die Statistik wissenschaftlichen Zwecken dienen und allgemeine rechts- und gesundheitspolitische Aufgaben erfüllbar machen.

    (Frau Potthast [GRÜNE]: Genau wie die Volkszählung!)

    Was ist damit geschehen? Es gibt inzwischen genauere Erkenntnisse — weil ja über die Krankenkassen abgerechnet wird —, die besagen, daß ein hoher Prozentsatz der tatsächlich vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche nicht gemeldet wird. Allein die gemeldeten sind kontinuierlich gestiegen. Wir haben im Jahr 1979 82 788 und 1982 über 91 000
    Abtreibungen gehabt, die gemeldet und statistisch erfaßt worden sind.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Davon ist eine steigende Zahl wegen Notlage vorgenommen worden, also nach der Notlagenindikation, die die Auswegindikation sein sollte und ist. Wenn aber inzwischen fast 77 % der Abtreibungen wegen dieser Indikation vorgenommen werden und wir einige 10 000 Fälle nicht wissen, wird die öffentliche Hand dafür zu sorgen haben, daß hier Klarheit entsteht. Da braucht man keine Gesetzesänderung, sondern man muß Klarheit schaffen, wie das zusammenhängt, woher das kommt, welche Hintergründe hier vorliegen.

    (Frau Potthast [GRÜNE]: Sozialabbau!)

    — Nein, das hat mit sozialen Fragen nur in den allerwenigsten Fällen etwas zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Woher wissen Sie das?)

    Man sollte sich die Dinge genauer anschauen. Ich bin der Meinung, daß die Notlagen sehr häufig tatsächlich vorhanden sind. Aber das sind in den allermeisten Fällen keine Geldfragen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Aber andere Notlagen!)

    Wenn im letzten Jahr jede achte Frau, bei der eine Abtreibung gemeldet wurde, drei und mehr Kinder hatte,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: So ist das!)

    dann ist damit schon signalisiert, daß das nicht eine Frage nur des Geldes sein kann. Diesen Fragen muß aber nachgegangen werden. Das Problem ist nicht damit vom Tisch, daß wir — die SPD oder die Regierung durch den Herrn Justizminister — sagen, das alles habe sich bewährt. Das wissen wir nicht. Das muß geklärt werden.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Lesen Sie es doch mal nach!)

    Deshalb wollen wir, daß sich die Regierung und alle Behörden den Aufgaben des Gesetzes und seiner richtigen Durchführung entsprechend verhalten und darauf drängen, daß das auch passiert.
    Ich meine, wir müssen den Rechtsfrieden und das Leben so hoch halten, daß wir nie und nimmer hinnehmen dürfen, wenn jährlich mehr als hunderttausend noch nicht geborene Kinder bei uns getötet werden, ohne daß wir der Sache wirklich nachgehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ganz sicher sind die Emotionen gegen das Totschlagen von Robben nicht unberechtigt; aber keine Emotionen, wenn mehr als hunderttausend Kinder in Deutschland nicht geboren, sondern vorher getö-



    Erhard (Bad Schwalbach)

    tet werden, das sollte eigentlich nicht selbstverständlich sein.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Beifall bei Abgeordneten der FDP)