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ID1000506900

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    Plenarprotokoll 10/5 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. Mai 1983 Inhalt: Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Einberufung einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages am 8. Mai 1983 aus Anlaß des 38. Jahrestages des Endes der nationalsozialistischen Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges Reents GRÜNE 147 B Dr. Schäuble CDU/CSU 148 D Dr. Hauff SPD 149 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 150 B Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Althammer CDU/CSU 150 D Hoffmann (Saarbrücken) SPD 153 B Hoppe FDP 155D Kleinert (Marburg) GRÜNE . . . . 158C, 186D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 161 C Dr. Apel SPD 167 A Börner, Ministerpräsident des Landes Hessen 173A Dr. Graf Lambsdorff FDP 176 C Roth SPD 181 D Dr. Stoltenberg CDU/CSU 187 A Hauser (Krefeld) CDU/CSU 187 B Reuschenbach SPD 190 B Dr. Haussmann FDP 193 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 195 B Frau Fuchs (Köln) SPD 201A Dr. George CDU/CSU 205B Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 207 C Lutz SPD 210B Hoss GRÜNE 212B Cronenberg (Arnsberg) FDP 214D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 218C Dr. Schmude SPD 222 D Fischer (Frankfurt) GRÜNE 226 B Dr. Miltner CDU/CSU 228 C Dr. Hirsch FDP 231C Schäfer (Offenburg) SPD 233 D Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 236 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 239A Dr. Emmerlich SPD 241 D Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . 245C Frau Schoppe GRÜNE 248 A Kleinert (Hannover) FDP 250A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 252 D Seiters CDU/CSU 255A Vizepräsident Westphal 226 D Vizepräsident Wurbs 245 B Nächste Sitzung 255 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 257*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 257* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Mai 1983 147 5. Sitzung Bonn, den 5. Mai 1983 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 5. Berschkeit 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) 6. 5. Dr. Enders * 6. 5. Dr. Engelsberger 6. 5. Hartmann 6. 5. Dr. Hornhues 6. 5. Kittelmann * 5. 5. Lahnstein 5. 5. Lemmrich * 5. 5. Dr. h. c. Lorenz 5. 5. Offergeld 5. 5. Poß 5. 5. Schmidt (Hamburg) 6. 5. Schmidt (Wattenscheid) 6. 5. Schreiber 6. 5. Schröer (Mülheim) 5. 5. Spilker 6. 5. Frau Steinhauer 6. 5. Vogt (Düren) 5. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 29. April 1983 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 29. April 1983 der vom Deutschen Bundestag am 29. März 1983 beschlossenen Weitergeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes zugestimmt hat. Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 2. Mai 1983 mitgeteilt, daß er seinen Antrag Veräußerung des bundeseigenen Geländes an der Schleißheimer Straße in München an die Landeshauptstadt München - Drucksache 10/22 - zurückzieht.
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    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Bitte, Herr Abgeordneter.


Rede von Wolfgang Roth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
In Richtung auf Ihren Vorschlag, zusammenzuarbeiten, habe ich eine Frage. Jetzt reden Sie schon 15 Minuten. Können Sie uns die Zusammenarbeit nicht dadurch erleichtern, daß Sie nach diesen 15 Minuten endlich sagen, was Sie für 1984 mit der Rente vorhaben, nachdem der Bundeskanzler gesagt hat, Sie würden dazu entsprechende Vorschläge unterbreiten?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Wenn Sie mir durch Ihr pausenloses Dazwischengeschrei nicht fünf Minuten von der Zeit genommen hätten, wäre ich jetzt an dem Punkt, wo ich Ihnen erkläre, was wir alles in der Zukunft machen werden.

    (Roth [SPD]: Vielen Dank! — Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Nicht nur zur Rentenpolitik, sondern auch zur Diskussion gehört ein Mindestmaß an Geduld.
    Ich denke, es sind drei Orientierungspunkte, auf die wir uns einigen könnten: Erstens. Die Rente muß beitragsbezogen bleiben. Zweitens. Die Rente soll so steigen, wie die verfügbaren Einkommen. Drittens. Der Bundeszuschuß muß verläßlich bleiben.
    Ich will die Rente nicht nur für 1984 sicher machen, sondern ich will sie bis ins Jahr 2000 sicher machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es geht doch nicht nur um das nächste Jahr. Von der Rentenpolitik von der Hand in den Mund haben wir doch nun genug. Es geht nicht um ein Jahr. Es geht um mehrere Jahrzehnte.

    (Zuruf von der SPD: Fangen Sie doch einmal damit an!)

    Ich beginne damit, daß ich glaube, daß wir diesen Grundsatz der Beitragsbezogenheit um der älteren Mitbürger willen festhalten müssen, damit die Rente ein Verdienst für Lebensarbeit und keine staatliche Zuteilung, kein Almosen ist. Das ist ein Unterschied im Selbstbewußtsein.

    (Frau Potthast [GRÜNE]: Und die Frauen?)

    — Auch die Frauen sind Rentner. Nicht nur die Männer sind Rentner.

    (Frau Potthast [GRÜNE]: Und das Existenzminimum?)

    Den zweiten Punkt „Verfügbares Einkommen der Arbeitnehmer als Maßstab" halte ich deshalb für unerläßlich, weil niemand davoneilen kann, weder die aktiven Arbeitnehmer noch die Rentner. Lohn und Rente müssen sich im Gleichgewicht entwikkeln. Denn beide sitzen in einem Boot.
    Der dritte Punkt ist in der Tat, daß mit der Manipulation des Bundeszuschusses — ein hartes Wort — Schluß gemacht wird. Denn sonst kann die Rentenversicherung nicht langfristig kalkulieren.

    (Zuruf des Abg. Egert [SPD])

    — Soll ich Ihnen noch mal die 3,5 Milliarden aus Ihrer Zeit in Erinnerung bringen?

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich habe allen Fraktionen dieses Hohen Hauses geschrieben und sie gebeten, diesen Versuch zum Konsens, zur Einigung zu unternehmen. Ich kann mit Dankbarkeit sagen, daß alle vier Fraktionen: die Sozialdemokratische Partei, die GRÜNEN, die CDU/CSU und die FDP, darauf geantwortet haben. Das halte ich für ein hoffnungsvolles Beginnen, daß wir hier Gemeinsamkeit im Interesse der älteren Mitbürger herstellen.



    Bundesminister Dr. Blüm
    Freilich, auch die Sozialpartner werden daran beteiligt werden. Die Gespräche mit den Sozialverbänden, dem VdK, auch dem Reichsbund, sind bereits durchgeführt worden. Ich kann der Öffentlichkeit mitteilen, daß auch dort das Verständnis für Notwendigkeiten größer ist, als manche glauben. Denn die Einsicht, daß wir sparen müssen, ist weiter verbreitet, als viele ängstliche Zeitgenossen glauben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich füge hinzu, daß es für dieses Klima des Vertrauens und der Verläßlichkeit, das ich für eine wichtige Voraussetzung für die Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe, vielleicht darf man sagen: Jahrhundertaufgabe, halte, unerläßlich ist, daß wir alles tun — und was in meiner Kraft steht, werde ich tun —, um die Rentenverschiebung zu verhindern. Ich glaube, das ist eine vertrauenstabilisierende Maßnahme. Ich lade Sie alle ein, mitzuhelfen, daß uns das gelingt. Wir sind j a bereit. Wir haben uns bereits auf den Weg gemacht. Ich muß meinen Redetext nicht zwischen Wahlkampf und NachWahlkampf wechseln. Wir haben im Wahlkampf gesagt, daß Handlungsbedarf besteht, daß etwas gemacht werden muß. Wir haben uns jetzt schon in den wenigen Wochen auf den Weg gemacht, mit Schritten, von denen ich glaube, daß sie alle nicht nur einen finanziellen Entlastungseffekt haben, sondern daß sie Schritte hin auf eine neue Rentenstruktur sind, daß sie nicht in die falsche Richtung weisen, daß sie nicht den Weg verbauen.
    Erster Schritt: Aktualisierung. Ich halte sie für einen Beitrag dazu, daß Rentner und Lohnempfänger näher zusammenrücken. Wenn die Rente der Lohnentwicklung des Vorjahres folgt, dann ist das Mißverständnis ausgeschlossen, das häufig durch eine langjährige Verzögerung entstanden ist, wenn das eine Mal die Rentenerhöhung größer war als die Lohnerhöhung oder ein andermal die Lohnerhöhung größer als die Rentenerhöhung. Es ist nicht klargeworden, daß Rente von den Löhnen lebt, daß jung und alt in einem Boot sitzen. Die Aktualisierung hat also nicht nur einen Entlastungseffekt, sie verstärkt auch die Plausibilität des Solidaritätscharakters der Rentenversicherung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    — Ich füge ausdrücklich hinzu, daß die Aktualisierung auch einen finanziellen Entlastungseffekt hat. Alle diese Maßnahmen haben sowohl finanzielle wie strukturelle Aspekte. Ich finde, wenn gespart wird, sollten wir Sparen immer mit Gestalten verbinden. Es geht nicht nur um Geldeinsammeln, es geht auch darum, die Sozialpolitik plausibler, treffsicherer, gerechter zu machen — mit den Mitteln, die vorhanden sind.
    Die zweite Maßnahme: Wir wollen die Sonderzahlungen, also Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, rechnerisch auf das ganze Jahr verteilen. Für den Kleinverdiener ändert sich überhaupt nichts. Er ist mit und ohne Weihnachtsgeld in der Beitragspflicht. Für den ganz großen Verdiener ändert sich allerdings auch nichts. Nur, der bekommt auch keine Gegenleistung. Wenn wir die Sonderzahlungen verteilen, schaffen wir mehr Gerechtigkeit. Es kann doch nicht der Sinn einer öffentlichen Einrichtung, der Sozialversicherung, sein, daß man mit der Zufälligkeit eines Zahlungstermins entscheiden kann, ob man in der Solidarpflicht einer Beitragszahlung ist oder nicht. Ich will es weniger kompliziert sagen: Ein Unternehmer, der seine Sonderzuwendungen auf das ganze Jahr verteilt, ist mit den Sonderzuwendungen meistens unter der Beitragsbemessungsgrenze. Ein Unternehmer, der das auf einen Schlag zahlt, der möglicherweise nicht nur ein 13. Monatsgehalt zahlt, sondern noch ein 14., demnächst bei manchem vielleicht sogar ein 15., entzieht sich durch die Massierung auf ein Datum mit dem Großteil dieser Zahlungen der Beitragspflicht. Es kann aber nicht sein, daß man sich durch private Vereinbarung öffentlichen Pflichten entzieht. So wie wir es bei der Lohnsteuer machen, so wollen wir es in Zukunft auch bei der Sozialversicherung machen.
    Meine Damen und Herren, ich weiß, daß es die Alternative der Beitragsanhebung gibt. Ich will nur darauf hinweisen: Die Beitragsanhebung bezahlen alle, auch der Kleinverdiener, ohne Gegenleistung. Die Neustrukturierung der Sonderzuwendungen läßt den kleinen Verdiener völlig ungeschoren. Er wird nicht weiter belastet. Insofern hat dieser Vorschlag auch unter sozialen Gesichtspunkten, nicht nur unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten, Vorteile.

    (Zurufe von der SPD)

    Dritter Punkt: Wir wollen das Krankengeld beitragspflichtig machen. Dafür soll also ein Beitrag zur Rentenversicherung geleistet werden. Das bedeutet für den Krankengeldbezieher, daß er sich daran beteiligen muß. Aber, meine Damen und Herren, ich stelle folgende Rückfrage: Heute ist es so, daß das Krankengeld 80 % des Bruttoentgelts ausmacht und in den meisten Fällen genauso hoch ist wie das Nettoentgelt, also das, was der Arbeitnehmer bekam, als er nicht krank geschrieben war. Jetzt frage ich Sie: Kann es Sinn der Sozialpolitik sein, daß eine Sozialleistung genauso hoch ist wie das Arbeitsentgelt?

    (Zuruf von den GRÜNEN: Warum nicht?)

    Ich finde, das kann und darf nicht so sein, weil sich Arbeit sonst nicht mehr lohnt, weil wir sonst gleich auf ein System von Bezugsscheinen umstellen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir werden die Zugänge bei den Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrenten für diejenigen neu strukturieren, die mit dem Arbeitsmarkt gar keinen Kontakt mehr haben und sich in manchen Fällen einen leichten Zugang zur vorzeitigen Rente verschafft haben. Es muß uns zu denken geben, daß 48,2 % der Neuzugänge bei den Männern vorzeitiger Rentenbezug sind und bei den Frauen 51,4 %. Meine Damen und Herren, wenn die Hälfte der Neuzugänge auf einem Weg erfolgt, der eigentlich als Ausnahme gedacht war, dann kann das kein Normalzustand sein, dann müssen wir die Praxis überprüfen, ob sie noch der Gesetzgebung entspricht. Wir machen Sozialpolitik nicht vom Dogma her, nicht aus Vorurteilen,



    Bundesminister Dr. Blüm
    wir machen Sozialpolitik aus der Praxis. Wir wollen eine lebensnahe Sozialpolitik machen.
    Letzter dieser Schritte zu einer neuen Rentenstruktur: Wir wollen den Kinderzuschuß auf Kindergeld umstellen. Auch hier gibt es Ungereimtheiten. Man kann mit einer kleinen Rente, die möglicherweise ein Zusatzeinkommen ist, einen hohen Kinderzuschuß erlangen, während ein anderer, möglicherweise der Nachbar, mit der gleichen Zahl von Kindern und eventuell einem geringeren Einkommen mit dem staatlichen Kindergeld zurechtkommen muß. Wenn jemand sagt, das sei zuwenig,
    — dann brauchen wir einen besseren Familienlastenausgleich. Dafür müssen wir sparen, wenn wir für die Familien mehr tun wollen. Nur ist das keine originäre Aufgabe der Rentenversicherung. Nicht alle guten Taten können auf den Wagen der Rentenversicherung geladen werden, sonst bricht er zusammen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Erhöhen Sie das Kindergeld dafür?)

    — Wenn das Geld wieder vorhanden ist, werden wir als erstes mehr Mittel für die Familienpolitik einsetzen. Nur, wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren, sagt ein altes Sprichwort. Nichts kann man auch nicht für Familienpolitik verteilen.
    Nun will ich noch auf die Frage nach der Hinterbliebenenversorgung eingehen, die Kollege Roth gestellt hat. Meine Damen und Herren, ich komme aus einer alten Handwerkerfamilie, einer alten Schlosserfamilie. Da gibt es die Tradition: Nie mehr als ein Werkstück im Schraubstock. Das Werkstück, das ich jetzt im Schraubstock habe, heißt Rentenkonsolidierung. Wenn das erledigt ist, kommt die Hinterbliebenenversorgung dran, eines nach dem anderen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich will gerne die Hausaufgabe erledigen, die uns das Verfassungsgericht gestellt hat. Nur, die Reform ist das noch nicht. Reform werden wir erst eine Hinterbliebenenregelung nennen — das große Wort Reform nehmen wir nämlich nicht so inflationär in den Mund —, bei der die Erziehungszeiten im Rentenrecht wie die Erwerbsarbeit angerechnet werden. Das erst wird die Reform sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Alles andere sind Rentenregelungen, für die ich das große Wort Reform nicht in Anspruch nehme.
    Meine Damen und Herren, es gibt in unserem Sozialsystem, wiederum angeregt, provoziert, in Bewegung gesetzt, Ungereimtheiten. Wir sollten aus den Ungereimtheiten unsere Schlüsse ziehen. Ich will sie einmal für das Gesundheitssystem nennen. Wenn ein älterer Mitbürger, der pflegebedürftig ist, ins Krankenhaus geschickt wird, bezahlt das die Krankenkasse. Wenn er vom Arzt in ein Pflegeheim eingewiesen wird, bezahlt er es selber oder die Verwandtschaft oder die Sozialhilfe. Unter privaten Gesichtspunkten ist es also billiger, ins Krankenhaus geschickt zu werden; unter öffentlichen Gesichtspunkten ist es teurer, ins Krankenhaus geschickt zu werden — und nicht in jedem Falle menschlicher. Wir haben es in der Sozialpolitik offenbar mit zweierlei Rationalität zu tun. mit einer privaten Rationalität und mit einer öffentlichen, mit zweierlei Moralitäten. Das können wir uns nicht leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb glaube ich, daß wir die häusliche Pflege unterstützen müssen. Wir wollen keine Sozialpolitik, die die Menschen aus den Familien vertreibt. Wir wollen keine Sozialpolitik mit der Endstation Sehnsucht, Heime und Krankenhäuser. Wir wollen keine Verheimung,

    (Duve [SPD]: Endlich mal ein neues Wort!)

    nicht nur, weil das möglicherweise nicht so menschenfreundlich ist, sondern auch, weil das teurer ist. Eine Zahl: Für die ambulante Versorgung zahlt die AOK Bayern im Jahresdurchschnitt 735 DM pro Mitglied. In den Krankenhäusern von München beträgt der Pflegesatz pro Tag 248 DM. Mit anderen Worten: schon drei Krankenhaustage kosten so viel wie die ganze ambulante Versorgung für ein Mitglied. Deshalb geht ambulante Versorgung vor Krankenhausversorgung. Wir wollen menschennahe Sozialpolitik betreiben und nicht die Menschen den großen Apparaten ausliefern. Wir wollen eine Politik, in der das Daheim nicht nur ein geographischer Ort ist, sondern etwas mit Geborgenheit zu tun hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD)

    — Freilich, das ist nicht nur mit Appellen zu tun, sondern auch mit einer Unterstützung, mit einer Neuformulierung der häuslichen Pflege.

    (Roth [SPD]: Neuformulierung?)

    — Neustrukturierung, j a, eine neue Pflegeversicherung. Dieses Angebot schafft sich seine Nachfrage. Das ist doch auch bei den Krankenhäusern so. Schon um die Jahrhundertwende hat Schmalenbach gesagt: Kapazitäten schreien nach ihrer Dekkung. — Ich kann sagen: Das Angebot schafft sich seine Nachfrage. Ganz salopp gesagt: Wo ein Krankenhausbett ist, liegt auch ein Kranker drin.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb brauchen wir auch das Interesse an einer wirtschaftlichen Krankenhausführung. Das ist doch kein Gegensatz zum Sozialen. Heute ist das so: Wer sein Krankenhaus wirtschaftlich führt, ist dumm. Wenn er die Selbstkosten senkt, bekommt er auch weniger Pflegegeld. Das ist doch völlig irrational, völlig irrational.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich biete heute nicht den großen dogmatischen Entwurf, sondern ich biete Beiträge zu einer aus dem Leben gespeisten Sozialpolitik.
    Arbeitsmarkt: Wir haben 250 000 Arbeitslose, die Teilzeitarbeitsplätze suchen. Gleichzeitig haben wir eine Untersuchung, daß 26% der Frauen und 20 % der Männer, die Arbeit haben, mit Teilzeitarbeitsplätzen zufrieden wären. Also, welche Irrationalität:



    Bundesminister Dr. Blüm
    Die einen arbeiten null Stunden und wären mit vier Stunden zufrieden, die anderen arbeiten acht Stunden und wären auch mit vier Stunden zufrieden! Nur, die beiden Gruppen können nicht zusammenkommen, weil wir unsere Arbeitszeit, unsere Betriebsorganisation noch immer stur nach Kolonnen organisiert haben. Ich gebe allerdings zu, daß Kollektivisten für eine Individualisierung von Arbeitszeiten kein Sensorium haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wollen Flexibilität in der Arbeitszeit, wir wollen raus aus dem Kolonnendenken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir beginnen auch mit einer Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit — als Angebot. Wir ziehen Freiwilligkeit dem Zwang immer vor, ein Erkennungszeichen unserer Politik, weil wir glauben, daß die Bürger, die Arbeitnehmer besser wissen als jede Reichsversicherungsordnung und jede Bürokratie, was für ihr Glück wichtig ist.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Nun, meine Damen und Herren, mit dem Angebot der Arbeitszeitverkürzung legen wir etwas vor, wobei wir auf die Zusammenarbeit mit den Tarifpartnern angewiesen sind. Die größere Aufgabe werden die Tarifpartner haben. Sie sind näher an der Praxis, sie können den unterschiedlichen Voraussetzungen gerecht werden. Im übrigen glaube ich, daß es im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, im Einsatz für die Vollbeschäftigung überhaupt kein Patentrezept gibt. Wir brauchen diese Flexibilisierung, und zwar nicht nur als Zurücknahme, sondern auch als Versuch, Arbeit und Leben wieder miteinander zu versöhnen. Wir sollten die Krisenzeiten nicht immer mit diesem Untergangstremolo schildern. Sie geben doch auch Chancen zur Neugestaltung. Die Technik ist doch nicht nur Bedrohung. Der Mikroprozessor bietet auch neue Möglichkeiten einer individuelleren Gestaltung der Arbeitszeit, als sie in der Durchbruchsphase der Industrialisierung notwendig war.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir brauchen — ich nenne es hier nur stichwortartig — Bildung. Hier verstehe ich Ihr Herumgemäkel an der Zusage des Handwerks und der Industrie, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, überhaupt nicht. Als dasselbe Handwerk, als dieselbe Industrie Helmut Schmidt 100 000 Ausbildungsplätze zugesagt hat, haben Sie alle gejubelt. Jetzt sagt dieselbe Industrie, dasselbe Handwerk Helmut Kohl 30 000 zu, und da haben Sie plötzlich Zweifel. Damals wurde die Zusage, 100 000 Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, gehalten. Warum soll diesmal nicht die Zusage, 30 000 zur Verfügung zu stellen, gehalten werden?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Kittelmann [CDU/CSU]: Doppelte Moral ist das!)

    Meine Damen und Herren, sparen und gestalten: Es geht nicht nur um Anpassung und Zurücknahme, sondern es geht auch um die Eroberung von
    Neuland. Ich halte Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand — einen Gesetzentwurf dazu werden wir vorlegen — für Neuland, weil es von den alten Einkommensgewohnheiten wegführt. Lohn braucht doch nicht nur aus Mark und Pfennig zu bestehen, Lohn kann doch auch aus Beteiligung an Investitionen bestehen. Und wenn die Arbeitnehmer durch eine vernünftige Lohnpolitik Investitionen ermöglichen sollen, dann ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, daß sie an diesen Investitionen beteiligt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wollen Eigentum in Arbeitnehmerhand, weil wir glauben, daß das auch ein Stück Sicherheit ist. Die großen kollektiven Systeme sind an der Grenze ihrer Ausdehnungsfähigkeit angelangt. Zuwachs wird es nur noch über individuelle Sicherungssysteme geben. Vermögen ist eine der besten Sicherheiten, befreit die Arbeitnehmer aus dem Status des Proleten, in dem er im 19. Jahrhundert war, befreit sie davon, von der Hand in den Mund leben zu müssen. Wer Eigentum hat, hat etwas im Kreuz, der kann auch einmal nein sagen und wer nein sagen kann, der ist zur Freiheit fähig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, unser Vorschlag soll sich auf Produktivvermögen konzentrieren und auch außerbetriebliche Formen ohne Zwang einschließen. Eigentumsbildung als Zwangsmaßnahme wäre ein Widerspruch in sich.
    Ich sehe in der Flexibilisierung der Arbeitszeiten und in der Vermögensbildung unser Angebot auch für eine weiterführende Sozialpolitik. Im übrigen werden wir alle Hände voll zu tun haben, das Erreichte zu bewahren und neu anzupassen. Je später wir anfangen, desto härter wird der Umbruch sein.
    Wer die Kurve für eine Umstellung nehmen will, der muß langsam bremsen. Wer die Vollbremsung bevorzugt, der muß sich eine Wand suchen. Meistens leidet die Wand dabei nicht Schaden. Wir wollen eine Anpassung Schritt für Schritt. Deshalb muß heute und hier, am Beginn der Legislaturperiode, dafür gesorgt werden, daß unser Sozialsystem den neuen Spannungen, den neuen Herausforderungen angepaßt wird — ein Perspektivenwechsel, ich gebe es zu. Die Perspektive richtet sich nicht mehr nur auf die Höhe der Sozialleistungen. Wir haben auch den Beitragszahler im Auge. Was bei der ganzen sozialpolitischen Diskussion häufig übersehen wurde: Wer bezahlt denn die Musik? Die Musik bezahlen die Arbeitnehmer. Bei geringen Lohnsteigerungsraten ist jede Beitragserhöhung auch eine Zumutung für den Arbeitnehmer.

    (Zuruf von der SPD: „Lohnpause"!)

    Deshalb, meine Damen und Herren, betreiben wir eine Sozialpolitik, die sich nicht nur mit sozialen Ausgaben darstellt. Denn das sagt über den Sozialstaat relativ wenig. Die Höhe der Sozialausgaben sagt über die Güte des Sozialstaates relativ wenig.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Blüm
    Denn sonst wäre die Arbeitslosigkeit ein Beitrag zum Ausbau des Sozialstaates. Da steigen nämlich die Sozialausgaben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da können Sie sehen, wie hirnrissig eine solche Politik wäre.
    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, mit der grundsätzlichen Bemerkung schließen: Wir haben nicht den Ehrgeiz, mit der Sozialpolitik alle Lebensbereiche zu erreichen, auch nicht in der Maske des Wohltäters und des Betreuers. Uns fehlt der Ehrgeiz, aus der Bundesrepublik ein Volksheim zu machen oder eine große sozialpolitische Verwahranstalt. Sozialpolitik besteht auch nicht nur aus Verteilungspolitik. Wir wollen eine Sozialpolitik, die Mitleid nicht an Apparate delegiert, die Mitgefühl nicht den Profis überläßt, eine Sozialpolitik, in der Nachbarschaft und Nächstenliebe keine Idylle sind, sondern Realität.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)