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    Plenarprotokoll 10/5 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. Mai 1983 Inhalt: Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Einberufung einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages am 8. Mai 1983 aus Anlaß des 38. Jahrestages des Endes der nationalsozialistischen Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges Reents GRÜNE 147 B Dr. Schäuble CDU/CSU 148 D Dr. Hauff SPD 149 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 150 B Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Althammer CDU/CSU 150 D Hoffmann (Saarbrücken) SPD 153 B Hoppe FDP 155D Kleinert (Marburg) GRÜNE . . . . 158C, 186D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 161 C Dr. Apel SPD 167 A Börner, Ministerpräsident des Landes Hessen 173A Dr. Graf Lambsdorff FDP 176 C Roth SPD 181 D Dr. Stoltenberg CDU/CSU 187 A Hauser (Krefeld) CDU/CSU 187 B Reuschenbach SPD 190 B Dr. Haussmann FDP 193 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 195 B Frau Fuchs (Köln) SPD 201A Dr. George CDU/CSU 205B Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 207 C Lutz SPD 210B Hoss GRÜNE 212B Cronenberg (Arnsberg) FDP 214D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 218C Dr. Schmude SPD 222 D Fischer (Frankfurt) GRÜNE 226 B Dr. Miltner CDU/CSU 228 C Dr. Hirsch FDP 231C Schäfer (Offenburg) SPD 233 D Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 236 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 239A Dr. Emmerlich SPD 241 D Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . 245C Frau Schoppe GRÜNE 248 A Kleinert (Hannover) FDP 250A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 252 D Seiters CDU/CSU 255A Vizepräsident Westphal 226 D Vizepräsident Wurbs 245 B Nächste Sitzung 255 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 257*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 257* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Mai 1983 147 5. Sitzung Bonn, den 5. Mai 1983 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 5. Berschkeit 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) 6. 5. Dr. Enders * 6. 5. Dr. Engelsberger 6. 5. Hartmann 6. 5. Dr. Hornhues 6. 5. Kittelmann * 5. 5. Lahnstein 5. 5. Lemmrich * 5. 5. Dr. h. c. Lorenz 5. 5. Offergeld 5. 5. Poß 5. 5. Schmidt (Hamburg) 6. 5. Schmidt (Wattenscheid) 6. 5. Schreiber 6. 5. Schröer (Mülheim) 5. 5. Spilker 6. 5. Frau Steinhauer 6. 5. Vogt (Düren) 5. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 29. April 1983 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 29. April 1983 der vom Deutschen Bundestag am 29. März 1983 beschlossenen Weitergeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes zugestimmt hat. Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 2. Mai 1983 mitgeteilt, daß er seinen Antrag Veräußerung des bundeseigenen Geländes an der Schleißheimer Straße in München an die Landeshauptstadt München - Drucksache 10/22 - zurückzieht.
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    Rede von Hansheinz Hauser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war für meine Kolleginnen und Kollegen und für mich ein bemerkenswertes Symptom, in welcher Form die Opposition gestern und heute reagierte, wenn davon gesprochen wurde, daß, wie in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers ausgeführt, durch den Regierungswechsel der Absturz unserer Wirtschaft verhindert worden ist und wir jetzt erste Anzeichen eines Aufschwungs erkennen. Daß diese Feststellungen mit lautstarken Zwischenrufen und Lachen registriert wurden, zeigt ja wohl, daß es Ihnen — das gilt vor allem für die Kollegen der SPD — außerordentlich schwerfällt, einzugestehen, daß jetzt eine Politik erste Erfolge zeigt, die nicht Ihre Politik ist und die das wieder in Ordnung zu bringen versucht, was wir Ihrer 13jährigen Tätigkeit in der Bundesrepublik zu verdanken haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn die — heute morgen von dem Kollegen Roth so schlecht qualifizierten — wirtschaftswissenschaftlichen Institute eine Erkenntnis vermitteln, von der wir, glaube ich, auf Grund unserer Erfahrungen annehmen dürfen, daß sie substantiiert ist, und wenn Sie sagen, daß ein konjunktureller Aufschwung nicht mehr zweifelhaft sei und der Pessimismus sich rasch vermindert habe, dann ist es natürlich etwas merkwürdig, wenn hier versucht wird, eine solche Entwicklung mit der Politik in Verbindung zu bringen, die zugunsten unseres Staates am 1. Oktober 1982 endgültig beendet wurde. Wenn man dann sagt, der Wettergott und die Ölscheichs hätten dazu beigetragen, daß dies alles sich so entwickelt hat, Herr Kollege Roth — er ist gar nicht da; na, vielleicht kommt er noch —, dann ist das natürlich auch ein Beweis dafür, daß Ihnen die Argumente ziemlich ausgegangen sind. Wenn Sie die Überwindung des Fiaskos, mit dem Ihre Politik geendet hat, das eine bedrückende Stimmung bei allen ausgelöst hat, die am Wirtschaftsleben hier in Deutschland beteiligt sind — und das sind nicht nur die Unternehmer, sondern in gleicher Weise auch die Arbeitnehmer —, damit zu begründen versuchen, daß der Wettergott gnädig gewesen ist und die Ölscheichs preiswerter geworden sind, dann ist das, muß ich sagen, mehr als primitiv. Das Wahlverhalten der Arbeitnehmer am 6. März hat ja wohl gezeigt, daß man dort viel eher als bei Ihnen begriffen hat, wohin die Reise mit Ihrer Linie gegangen wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Bundeskanzler hat auch in seiner zweiten Regierungserklärung ein sehr klares Bekenntnis zu der Bedeutung des Mittelstands abgelegt. Ich war etwas belustigt, als dann gestern auch der Oppositionsführer hier plötzlich die Bedeutung des Handwerks und des Mittelstands so lautstark verkündete, nachdem das offenbar in den zurückliegenden Jahren bei ihm nicht ganz präsent gewesen war.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Er hat einen guten Schuhmacher!)

    Deswegen sage ich hier: Dem Mittelstand ist mit Lippenbekenntnissen überhaupt nicht gedient, wenn dahinter nicht auch handfeste Politik steht, die dafür sorgt, daß er wieder zu neuen Möglichkeiten kommt; denn er ist an die Grenzen seiner Existenzfähigkeit gebracht worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Daß nicht die Ölscheichs oder der Wettergott verursacht haben, daß wir heute eine andere Stim-



    Hauser (Krefeld)

    mung haben, geht auch aus einer Umfrage hervor, die die größte Handwerkskammer der Bundesrepublik, nämlich die Handwerkskammer Düsseldorf, in diesen Tagen veranstaltet hat und die sich mit dem Geschäftsklimaindex befaßt. Er betrug im Herbst des vorigen Jahres 45 Punkte und ist in diesem Frühjahr auf 75 Punkte gestiegen — ein deutliches Zeichen dafür, daß die Zuversicht zu dieser Regierung zugenommen hat.
    Wenn 65 % der Arbeitnehmer, also zwei Drittel, in mittelständischen Betrieben beschäftigt sind — und dies ist gestern hier ja auch von der Opposition noch einmal bestätigt worden —, wird man Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik nicht erfolgreich betreiben können, wenn sie an diesen mittleren und kleinen Unternehmen vorbeigeht, wenn man seine politischen Handlungen nur an der Großwirtschaft und den Gewerkschaften orientiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deswegen kommt es jetzt darauf an, daß die steigenden Kosten zurückgeführt werden und die mittelständischen Unternehmer auf Grund von Erträgen in der Lage sind, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.
    Meine Damen und Herren, ich will in diese Debatte gern ein Thema einbringen, das bisher hier noch keine Rolle gespielt hat, das aber dankenswerterweise gestern auch vom Bundeskanzler in der Regierungserklärung angesprochen worden ist. Ich
    meine die Tatsache, daß viele unserer Betriebe in den zurückliegenden Jahren vor allen Dingen durch ein Labyrinth perfektionistischer Vorschriften behindert waren, mit denen der Mittelständler nicht und die Großkonzerne nur mit Unterstützung aufwendiger Stabsabteilungen zurechtkommen. Was halten Sie, meine Damen und Herren, z. B. von dem Fall jenes hessischen Metzgermeisters, der seinen Betrieb um eine Wurstküche erweitern wollte, um sieben neue Arbeitsplätze zu schaffen, und bei dem sich im Genehmigungsverfahren das Bauordnungsamt und das Gewerbeaufsichtsamt nicht darüber verständigen konnten, ob in der Wurstküche geriffelte oder glatte Fliesen eingebaut werden mußten. Die einen sagten, die Verkehrssicherheit der Arbeitnehmer müsse durch geriffelte Fliesen gewährleistet werden, die anderen sagten, die Hygiene sei gefährdet, wenn die Fliesen geriffelt seien. Nachdem sich die beiden Ämter anderthalb Jahre nicht auf eine Entscheidung verständigen konnten, hat dieser Metzgermeister resigniert und seine Wurstküche nicht gebaut.
    Meine Damen und Herren, das ist kein Einzelfall. Wir wissen aus einer Sinus-Studie, daß im Jahre 1979 im Lande Nordrhein-Westfalen 14 % der beantragten Bauten nicht gebaut worden sind, daß in 14% der Fälle das Antragsvolumen reduziert werden mußte und daß sich 67 % aller Investitionen auf Grund bürokratischer Auflagen verteuerten.
    Meine Damen und Herren, das Hotel- und Gaststättengewerbe in der Bundesrepublik Deutschland muß zum Betrieb seiner Unternehmen allein
    42 Gesetze und Verordnungen mit Hunderten von Paragraphen beachten,

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Die haben leider wir hier gemacht!)

    vom Gaststättengesetz bis zur Beherbergungsstatistik. Da dürfen wir uns doch nicht wundern, wenn manchen Leuten die Lust vergeht, ein Unternehmen zu führen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Dann muß man hier auch die Konsequenzen ziehen!)

    Dazu kommen die Kosten, die die vielen Kontrollen in den Betrieben auslösen. Alle diese Kontrollen, ob durch das Eichamt, das Chemische Untersuchungsamt oder durch irgendeine andere Behörde, müssen dann ja auch noch mit einer Gebühr bezahlt werden.
    Ich will hier gar nicht von dem sprechen, was uns aus Europa, aus Brüssel alles auf den Tisch kommt. Gerade dieser Tage habe ich erfahren, daß an der Grenze eine Sendung Marmelade zurückgewiesen worden ist, weil auf den Gläsern eine Kirsche mit Stengel abgebildet war. Der Zöllner behauptete, in der Marmelade seien nicht die Stengel, und deshalb sei die Marmelade falsch etikettiert. Deshalb wurde die ganze Sendung an der Grenze zurückgewiesen.
    Meine Damen und Herren, wenn man einen derartigen Humbug sieht und wenn es dann noch Bürokraten gibt, die einen derartig hanebüchenen Unsinn auch noch verteidigen, kann man sich über nichts mehr wundern.
    Ich will natürlich nicht behaupten, meine Damen und Herren von der SPD, daß Sie diese Entwicklung allein verschuldet haben. Aber Sie haben sie ermöglicht, weil Sie grundsätzlich dem Staat mehr vertrauen als den freien Kräften. Auch dies gehört zu der 120jährigen Tradition Ihrer Partei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir nehmen den Bundeskanzler beim Wort. Wir vertrauen auf seine Zusage, die deutsche Wirtschaft und insbesondere den Mittelstand von belastenden Reglementierungen zu befreien. Auch dies ist dann ein Beitrag zum Abbau der Schwarzarbeit und der Schattenwirtschaft, die zum Teil auch aus der Resignation manchen Unternehmers geboren wird.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf ein Thema kommen, das uns heute hoffentlich noch mehr beschäftigen wird. Das ist das Angebot der deutschen Wirtschaft, jedem Ausbildungswilligen auch einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang sollten wir auch den Mut haben, einmal die ausbildungshemmenden Vorschriften, die es in diesem Zusammenhang gibt, unter die Lupe zu nehmen

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und festzustellen, ob nicht die Einstellung manchen
    Lehrlings, die Bereitstellung manchen Ausbildungsplatzes daran scheitert, daß dem Betrieb und auch



    Hauser (Krefeld)

    dem Auszubildenden Dinge zugemutet werden, die so ohne weiteres hinzunehmen sie nicht bereit sind. Die Personalakte eines Lehrlings wog im Jahre 1970 noch 35 Gramm; ihr Gewicht ist inzwischen auf ein halbes Kilogramm angestiegen.
    Trotzdem, meine Damen und Herren, gibt es diese Zusage. Allein der Mittelstand hat in den zurückliegenden Jahren jährlich 700 000 Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt, mehr als drei Viertel aller Ausbildungsplätze in der deutschen Wirtschaft. Wir vertrauen dem Versprechen und danken dem Bundeskanzler, daß er dieses Versprechen ausgelöst hat, auch in diesem Jahr jedem Ausbildungswilligen eine entsprechende Lehrstelle zur Verfügung zu stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Peter [Kassel] [SPD]: Täuschung!)

    — Dieser Zwischenruf kommt mir sehr gelegen. Ich möchte Ihrem Fraktionsvorsitzenden einmal vorschlagen, statt hier über diese Frage herumzumäkeln, dem Vorbild seines Kollegen Dregger zu folgen und seine Fraktion aufzufordern, bei der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen zur Verfügung zu stehen und ebenfalls mit dazu beizutragen, daß diejenigen, die in ihrem Wahlbereich einen Ausbildungsplatz suchen, auch Hilfe erfahren, wovon wir bisher noch keine Kenntnis nehmen konnten, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das machen wir schon lange! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Lassen Sie mich zur notwendigen Entlastung der Wirtschaft zurückkommen. Es ist mehr als berechtigt und notwendig, daß der Bundeskanzler die Durchforstung des Vorschriftendschungels zu einer zentralen Aufgabe seiner Regierungspolitik erklärt hat. Damit ist aber auch die Frage gestellt, welchen Beitrag der Bundesgesetzgeber zum Abbau der Bürokratisierung in der Gesetzgebung des Bundes leisten kann. Jeder Einsichtige weiß, daß eine Industriegesellschaft ohne ein vertretbares Maß an gesetzlichen Regelungen nicht existieren kann. Deswegen wollen wir hier auch keine unerfüllbaren Hoffnungen wecken. Der Anstoß zur Vereinfachung muß aber auch von uns Abgeordneten kommen. Wir sollten unsere eigene Leistungsfähigkeit nicht mehr an der Zahl der von uns hier verabschiedeten Gesetze und Verordnungen messen, sondern vielmehr an dem, was wir in diesem Bereich verhindern konnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will noch etwas hinzufügen: Dies gilt nicht nur für die Legislative und die Exekutive; das gilt genauso auch für die organisierten Gruppen und Verbände; denn nicht wenige Gesetze und Verordnungen gehen auf Initiativen und Drängen der Verbände selbst zurück. Auch dies sollte auf das erforderliche Maß begrenzt werden.
    Meine Damen und Herren, ich meine, es wäre notwendig, daß in der Regierung aus der Fülle qualifizierter Beamter einige beauftragt werden, als Entrümpelungskommissare für die vorhandenen
    Gesetze tätig zu werden und dafür zu sorgen, daß die Wirtschaft, aber auch die Bürger in ihrer Gesamtheit, von einer Menge überflüssiger gesetzlicher Bestimmungen und Verordnungen befreit werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, eine freie Volkswirtschaft kann auf Dauer nicht glaubwürdig existieren, wenn der Wettbewerb durch Subventionen verzerrt wird. Wie in anderen Bereichen können wir auch hier die Hypotheken der Vergangenheit nicht kurzfristig tilgen. Und doch dürfen wir die Zielvorstellung nicht aus dem Auge verlieren, die heißt: Subventionen müssen befristet sein, damit sie der parlamentarischen Kontrolle unterworfen bleiben. Ferner muß zugleich mit ihrer Gewährung eine jährliche Reduzierungsrate festgelegt werden, damit sie nicht zur liebgewordenen Dauereinrichtung werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ohne deutliche Begrenzung und realen Abbau von Subventionen werden wir die öffentlichen Haushalte nicht konsolidieren können. Wir sind überzeugt, daß die Bundesregierung auf dem richtigen Weg zur Lösung dieses Problems ist.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zu dem machen, was hier von der Opposition beigetragen worden ist. Der Herr Kollege Roth hat heute morgen noch einmal seinen Katalog vorgelegt, von dem er meint, daß er zur Belebung der Wirtschaft beitragen könnte. Diese Vorschläge sind natürlich alle nicht neu. Vielmehr hat er sie zum Teil schon zu einer Zeit vorgetragen, als er selbst noch mit in der Regierungsverantwortung stand. Ich frage mich natürlich, warum er dies damals nicht alles nach vorn gebracht, warum er dies nicht damals realisiert hat, z. B. das, was zur Einführung neuer Techniken und dergleichen gesagt worden ist. Im übrigen aber sind diese Vorschläge nicht geeignet, die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und zu stabilisieren. Das 31-Punkte-Programm, das in der vorigen Woche vorgelegt worden ist, ist ein reines Ankündigungsprogramm, das nichts zum Inhalt hat als das alte Klischee: mehr Staat zur Lösung der Probleme.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier auf das zurückkommen, was gestern gegen Ende der Rede des Oppositionsführers eine Rolle gespielt hat, nämlich die Feststellung, daß der Bundeskanzler nicht der Enkel Konrad Adenauers, sondern der Sohn Ludwig Erhards sei. Das war zwar wohl als Vorwurf gedacht, ich aber bin der Meinung, daß der Bundeskanzler dies als ein großes Lob empfunden hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn, meine Damen und Herren, ich fühle mich in diesen Tagen, gestern und heute, in die Situation zurückversetzt, die wir in den Jahren 1948/49 in der Bundesrepublik Deutschland hatten, als die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen zwischen den



    Hauser (Krefeld)

    I Professoren Nölting und Erhard darüber gingen, ob wir diesen Staat mit Beibehaltung der staatlichen Zwangswirtschaft aus den Trümmern des Krieges befreien könnten oder ob wir der freien Initiative der Bürger mehr Raum geben müßten. Diese Auseinandersetzung ist zugunsten der freien Initiative der Bürger entschieden worden. Das hat uns diesen Staat eingebracht, in dem wir heute leben können und auf den wir stolz sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um überholte Rezepte der 50er und 60er Jahre, sondern wir müssen dafür sorgen, daß nicht alte Klassenkampfgegensätze, wie dies hier heute morgen auch von den GRÜNEN geschehen ist, dazu beitragen, daß das Klima in unserer Volkswirtschaft und in unserer Gesellschaft vergiftet und von daher eine vernünftige Entwicklung auf Dauer verhindert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, nicht mit Klassengegensätzen, nicht mit dem Schüren von Neidkomplexen, mit dem Verteufeln der einen oder anderen Gruppe oder dem Aufeinanderhetzen dieser verschiedenen Gruppierungen in unserer Gesellschaft werden wir diesen Staat aus den Schwierigkeiten herausführen, sondern nur dann, wenn wir alle miteinander bereit sind, auf einer klaren Linie, die diese Regierung vorgibt, die Ärmel hochzukrempeln und dafür zu sorgen, daß wir wieder Voraussetzungen schaffen, damit auch die Arbeitslosen von der Straße kommen. Dies ist nicht mit frommen Sprüchen, mit alten marxistischen Parolen zu schaffen, sondern nur dadurch, daß man dem Bürger wieder die Leistungsfähigkeit ermöglicht, zu der er auch bereit ist. Das hat der 6. März, das hat das Ergebnis dieser Wahl gezeigt. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reuschenbach.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Peter W. Reuschenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Kollegen Hauser muß ich wirklich sagen: Mein Gott, Herr Hauser, wohin haben Sie sich da am Schluß verstiegen, als Sie sich gegenüber der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands über angebliche uralte marxistische Parolen beklagten? Das kann man sicherlich da und dort anbringen, aber doch nicht hier in diesem Hause. Im übrigen finde ich, daß Ihr Hinweis darauf, daß fromme Sprüche nicht ausreichen, richtig ist. Aber Sie müssen sich die Adresse überlegen.
    Es würde mich schon sehr reizen, mich etwas umfangreicher mit Ihnen darüber auseinanderzusetzen, was die Politik für Mittelschichten in den letzten Jahren war und auf welche Weise den kleinen und mittleren Unternehmen in diesem Lande in den letzten sechs, sieben, acht Jahren Hilfe und Unterstützung zuteil geworden ist. Ich kann das deshalb nicht so umfangreich tun, weil ich Ihnen nicht ersparen möchte, mit drei wichtigen Krisenbranchen konfrontiert zu werden, für die Ihre Politik keine Aussagen macht.
    Aber ein paar Bemerkungen: Es hat keine fünf Jahre seit 1948/49 gegeben, in denen die selbständig beruflich Tätigen, die kleinen und mittleren Unternehmen eine solche steuerliche Entlastung erfahren haben wie in diesen letzten fünf Jahren. Es hat kein halbes Jahrzehnt gegeben, in dem in einem solchen Umfange speziell und insbesondere die Freibeträge bei der Gewerbesteuer heraufgesetzt worden sind mit der Folge — die Sie doch kennen, Herr Hauser, Sie sind doch Kommunalpolitiker und können doch nicht mit frommen Sprüchen andere, die das nicht so genau wissen, darüber hinwegtäuschen —, daß in den meisten Städten heute 70 bis 75 % der eigentlich Gewerbesteuerpflichtigen keine Gewerbesteuer mehr zahlen und daß noch 5 oder 6 % der gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen 50 bis 60 % des gesamten Gewerbesteueraufkommens zusammenbringen.
    Wenn das kein Beitrag zu einer Begünstigung — die ich für richtig halte — der kleinen und mittleren Unternehmen, der kleinen und mittleren selbständig beruflich Tätigen ist, was ist es dann? Und das sind keine frommen Sprüche. Hinzu kommen beträchtliche Zuwendungen bei der allgemeinen Forschungsförderung für kleine und mittlere Unternehmen, die wir für richtig gehalten haben und die in den letzten Jahren eingeführt worden sind.
    Wenn Sie dann noch nach Parteicouleur unterscheiden wollen, dann würde ich Ihnen wirklich dringend raten, einmal die Hebesätze der Gewerbesteuer in vielen unionsregierten Städten Süddeutschlands mit denen von sozialdemokratisch regierten Städten im Ruhrgebiet zu vergleichen. Sie unterscheiden sich zu Lasten der Gewerbesteuerpflichtigen im Süden um 50 %. Ich würde Ihnen wirklich dringend empfehlen, über die kommunalpolitische Vereinigung in Ihrem eigenen Hause zu helfen, daß in München und in Stuttgart nicht solche Gewerbesteuersätze angewandt werden.
    Wenn jetzt in dieser Zeit jemand in den Städten den mittleren und kleineren Unternehmen, den selbständig beruflich Tätigen ernsthaft helfen will, dann kann er das am besten damit tun, daß er die Leistungsfähigkeit und die Investitionskraft der Gemeinden stärkt.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn eine große Zahl, eine Masse dieser Unternehmen und Betriebe hängt davon ab, ob die Stadt in der Lage ist, den Auftrag zur Renovierung von Schulen und Kindergärten, den Auftrag zur Erneuerung einer Straßendecke oder den Auftrag zum Bau irgendeines Hauses zu vergeben. Wer die Gemeinden stranguliert, wie das zur Zeit mit der Sozialgesetzgebung und der Steuergesetzgebung der Fall ist, der trifft diesen Gewerbezweig im Kern.

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Wer hat denn die Gemeindefinanzen so verkommen lassen, Herr Reuschenbach?)




    Reuschenbach
    — Der Bundesrat hat allen ausgabeträchtigen Steuergesetzen zugestimmt. Also, das mit der Erblast ist heute morgen j a schon einmal behandelt worden.
    Ich will übergehen zu drei wichtigen Bereichen der Wirtschaftspolitik, die in der Regierungserklärung ausweichend bis nichtssagend behandelt worden sind. Ich meine den dramatischen Strukturwandel der Stahlindustrie in der Welt und in Europa mit seinen Auswirkungen auf die heimische Steinkohle und die Krise der Werftindustrie, die nicht mit der Parole „mehr Markt" und der Hoffnung allein auf „Selbstheilungskräfte der Wirtschaft" beantwortet werden können.
    Das ist kein Gegensatz zu Ihrer und zu meiner Feststellung, daß Marktwirtschaft ein wichtiges Prinzip eines demokratischen pluralistischen Staates ist. Aber das schließt überhaupt nicht aus, sondern schließt ein, daß der Staat in bestimmten Sektoren regulierend mitwirken muß. Dafür gibt es eine Fülle von Beispielen.
    Ich weiß nicht, ob Sie heute die Äußerungen Ihres Ministerpräsidenten Späth gelesen haben, der nach diesen Meldungen offensichtlich Einsichten gewinnt. Er sagt, Aufschwung reicht nicht; kein noch so qualifizierter Aufschwung beseitigt die Arbeitslosigkeit; das Strukturelement in der Wirtschaftspolitik hat gegenüber dem Konjunkturelement immer größere Bedeutung erlangt; Wirtschaftswachstum ist nicht Allheilmittel; er sprach sich für neue Ansätze aus usw. Vielleicht setzt sich das bei Ihnen auch noch durch.
    Natürlich müssen auch in der Stahlindustrie und im Bergbau und bei den Werften die betroffenen Unternehmen und Branchen ihren Teil zur Umstrukturierung beitragen und, wo es unumgänglich ist, auch Anpassungen der Kapazitäten vornehmen. Ich stehe auch nicht an zu sagen, daß manche Unternehmensleitung taktisches Zuwarten, verbunden mit der Hoffnung darauf, das Erbe des ausgeschiedenen Konkurrenten antreten zu können, an den Tag gelegt hat. Aber gerade in einer solchen Situation ist es Pflicht des Staates, diese Entwicklungen auf Grund eigener Vorstellungen mitzugestalten und zu begleiten. Da müssen Sie zugeben, daß die neue Bundesregierung für keine der von Strukturkrisen betroffenen Branchen eigene Vorstellungen über die künftige Entwicklung hat. Die Regierungserklärung ist insbesondere in diesem Zusammenhang wirklich nur als Offenbarungseid zu betrachten.
    Nicht erst seit dem Regierungswechsel, aber erst recht danach schiebt das Bundeswirtschaftsministerium notwendige eigene Entscheidungen über Neuordnungspläne der Stahlindustrie vor sich her. Die Appelle, neue Gutachten vorzulegen, neue Pläne vorzulegen, reichen j a wohl nicht aus. Diese Verschleppung arbeitet gegen die deutsche Stahlwirtschaft, erhöht die Gefährdung der noch verbliebenen und verbleibenden Arbeitsplätze. Die Verhältnisse wären heute schon sozial explosiv, hätte die SPD-Fraktion nicht zusammen mit der früheren Bundesregierung die soziale Flankierung für die betroffenen Arbeitnehmer durchgesetzt.
    Heute fordern wir die Bundesregierung auf, sich folgende Punkte zueigen zu machen:
    Erstens ist erneut und verstärkt bei der EG-Kommission auf die Beseitigung wettbewerbsverzerrender Situationen hinzuwirken und dieses auch mit Gegenmaßnahmen zu begleiten. Als letztes Mittel ist meiner Ansicht nach ein Grenzausgleich nicht von vornherein auszuschließen, wenn andere Methoden und Maßnahmen nicht mehr wirken.
    Die Preis- und Mengenabsprachen sind unabdingbar. Die Bundesregierung muß erklären, welche Stahlerzeugungskapazität sie in der Bundesrepublik in Zukunft für möglich und für nötig hält. Wir stimmen mit den Stahlmoderatoren darin überein, daß die wesentlichen Stahlstandorte im Kern erhalten bleiben müssen, „selbst wenn dadurch Abstriche an maximaler Wirtschaftlichkeit erforderlich sind". Die Stahlmoderatoren selbst werden allerdings diesem eigenen Anspruch nicht gerecht. Sollten Hilfen über die im Investitionszulagengesetz vorgesehenen Maßnahmen hinaus erforderlich sein, sind diese grundsätzlich in Form von Kapitalbeteiligungen von Bund und Ländern zu gewähren.
    Schließlich ist wohl die Aufforderung gerechtfertigt, daß die Bundesregierung zusammen mit den Betriebsräten, den Arbeitsdirektoren und den Gewerkschaften ihre Schulaufgaben macht und die Montan-Mitbestimmung dabei zu sichern ist, und zwar auf Dauer. So könnten Regierung und Koalition unter Beweis stellen, ob sie es mit der Mitbestimmung ernst meinen oder ob sie es, wie Herr Kohl das ja in einer Passage getan hat, eher als Alibi mißbrauchen will, um die eigene Untätigkeit in der Stahlindustrie zu kaschieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Krise in der deutschen Stahlindustrie ist eine Krise der Industriepolitik, der europäischen und der nationalen. Am gefährlichsten aber ist der Verzicht auf Politik, ein Laufenlassen der Entwicklung, die in diesem Fall im Abgrund enden muß.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Was haben Sie eigentlich getan?)

    — Die Sozialdemokratische Partei und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion haben gegen Ihren erbitterten Widerstand bis in die letzten Monate des vorigen Jahres hinein ein optimales Maß, eine große Anstrengung unternommen, um das, was wir nach wie vor für nötig halten, auf den Weg zu bringen. Wir haben das Investitionszulagengesetz über die Hürde gebracht, wir haben das Stahlstandortprogramm über die Hürden gebracht, wir haben die soziale Flankierung herbeigeführt, wir haben das Bundeswirtschaftsministerium gezwungen, wenigstens eine — wenn auch noch nicht befriedigenden — Regelung in Europa bei der EG-Kommission durchzusetzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dieses ist jetzt zu vollenden, und jetzt richtet sich
    die Frage an Sie, was Sie mit Ihrer Mehrheit und



    Reuschenbach
    mit der von Ihnen gestellten Regierung tun. Diese Antwort ist in den nächsten Monaten zu geben.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Nicht nur bei der Stahlindustrie, sondern auch bei der Sicherung und bei der Umstrukturierung der deutschen Werftindustrie bietet die Bundesregierung ein konfuses Bild. Noch im November des vorigen Jahres hat der frühere und heutige Wirtschaftsminister gesagt, von einer kritischen Lage der deutschen Werftindustrie könne überhaupt nicht die Rede sein. Aber schon im Jahre 1982 sind die Aufträge für Schiffsbauten um 30 % zurückgegangen, und das geht offensichtlich 1983 und 1984 so weiter.
    Deshalb ist das richtig, was von verschiedenen Seiten — auch en detail — gefordert und aufgeschrieben worden ist: daß die Bundesregierung die Sicherung einer wettbewerbsfähigen Schiffbauindustrie zur nationalen Aufgabe erklären muß und entsprechend zu handeln hat. Ein Schiff ist ein „Warenkorb" des Angebots der ganzen Palette deutscher industrieller Leistungsfähigkeit. Auch deshalb ist es gerechtfertigt und notwendig, die Aufrechterhaltung des deutschen Schiffbaus zu gewährleisten.
    Der Bundeskanzler hatte im Wahlkampf vor Betriebsräten Bremer Werften versichert:
    Es gibt für eine Industrienation Wirtschaftsbereiche, die unverzichtbar sind. Dazu gehört Kohle, Stahl, Landwirtschaft und Schiffbau. Wir werden der Schiffbauindustrie an der deutschen Küste helfen.
    Zwei Wochen nach der Wahl wurde der Sanierungsplan der bundeseigenen HDW bekanntgegeben: 4 000 Entlassungen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Auch in der Regierungserklärung ist nichts zu finden, was diesem gegebenen Versprechen entsprechen würde. Im Gegenteil, manches spricht dafür, daß weitere Entlassungen an der Küste bevorstehen, wenn nicht schnell gehandelt wird, und daß dieser Verlust von 10 000 Arbeitsplätzen — von einem Drittel ist ja die Rede — 300 Millionen DM kosten und auf den Bundeshaushalt durchschlagen wird. Dieses Geld ist doch eigentlich gar nicht vorhanden. Für die Hälfte dieses Geldes können die Werften in die Lage versetzt werden, konkurrenzfähig zu sein.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Fragen Sie einmal die Hamburger SPD!)

    — Lieber Herr Wissmann, das ist doch keine sozialdemokratische Polemik oder Meckerei!

    (Wissmann [CDU/CSU]: Schon!)

    Vier Regierungschefs norddeutscher Küstenländer, zwei Sozialdemokraten und zwei christliche Demokraten, haben das ungefähr so, wie ich es hier skizziert habe, aufgeschrieben und haben die Bundesregierung aufgefordert, diese Vorschläge zu verwirklichen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das möchten wir nachdrücklich unterstreichen.
    An dieser Stelle will ich allerdings auf eine seltsame Gegensätzlichkeit hinweisen. Während hier heute morgen Herr Stoltenberg Subventionen im allgemeinen und auch im einzelnen für übel erklärt hat und die sozialdemokratische Forderung, auf bestimmten Teilgebieten müsse der Staat mitwirken, als gefährlich und systemwidrig bezeichnet hat, gibt es unter diesen vier Regierungschefs der norddeutschen Küstenländer einen Parteifreund von ihm, der mit den anderen zu Recht erhebliche staatliche Hilfe und staatliche Unterstützung fordert. Sind schwarze Subventionen anders als rote Subventionen zu behandeln und zu charakterisieren? Ich bitte Sie herzlich, sich das zu Herzen zu nehmen und gründlich durch den Kopf gehen zu lassen.
    Auch und gerade nach der gestrigen Regierungserklärung müssen wir feststellen, daß die neue Bundesregierung die Wende auch in der Kohlepolitik eingeleitet hat. In seiner Regierungserklärung hat sich der Bundeskanzler — das können Sie nachlesen — auf Selbstverständlichkeiten beschränkt und ansonsten dem Steinkohlebergbau mitgeteilt, er müsse sich selbst helfen. Es sind doch geradezu Plattheiten, die er zur Kohle gesagt hat. Er sagte „Natürlich wird die Kohle gebraucht", aber kein Wort davon, wie lange und wieviel. Daß die Unterstützung der Stahlindustrie auch der Kohle nützt — so hat er es gesagt —,

    (Zuruf des Abg. Gerstein [CDU/CSU])

    das wäre, lieber Herr Gerstein, natürlich richtig, wenn es eine aussichtsreiche Stahlpolitik der Bundesregierung gäbe. Die Feststellung, daß der Jahrhundertvertrag gilt, ist nun wahrhaftig auch keine Überraschung, denn Verträge gelten im allgemeinen.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Dieser Vertrag ist aber sehr wertvoll!)

    Das ersetzt doch aber nicht die Festlegung, mit welcher Förderkapazität der heimische Bergbau am Ende dieses Jahrzehnts oder in den 90er Jahren seinen Versorgungsbeitrag zu leisten hat.
    Es ist offensichtlich, daß die Bundesregierung nicht mehr hinter dem Kernsatz der dritten Fortschreibung des Energieprogramms steht, wonach der deutsche Steinkohlebergbau auch für den Rest dieses Jahrhunderts seinen Versorgungsbeitrag halten soll.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Bekennen Sie sich dazu, sagen Sie es offen, aber führen Sie hier nicht einen Salometanz mit mehr oder weniger verdeckenden Schleiern auf.
    Wenn jetzt die Aussage gilt, der Steinkohlebergbau habe seine Kapazität dem Absatz anzupassen, heißt das eben: über „Erin" hinaus weitere Zechenstillegungen mit dem Verlust von Tausenden von



    Reuschenbach
    Arbeitsplätzen direkt und von weiteren Tausenden im Umfeld des Steinkohlebergbaus. Auch wenn Herr Worms — kaum war das Wort dem Mund entfahren, möcht er's im Busen gern bewahren — sich dann von seiner Äußerung abgesetzt hat, man müsse Mut zu weiteren Zechenstillegungen haben, so hat er in Wirklichkeit doch die Katze aus dem Sack gelassen. Das ist die Konsequenz der neuen Kohlepolitik dieser Bundesregierung. Schon früher hat Herr Biedenkopf ausgerechnet für das Ruhrgebiet, für das Kohleland seine Absicht ausgesprochen, daraus müsse eine Kernkraftschmiede werden. Herr Späth hat noch vor ein paar Tagen einer für das Ruhrgebiet notwendigen Institution das Wasser abgegraben und ist außerdem der gemeinsamen Forschungspolitik in den Rücken gefallen. Ich sage das, weil ich verdeutlichen will: Vor diesem Hintergrund ist es geradezu zynisch, in der Regierungserklärung zu hören, daß dem Revier geholfen werden soll, seine Leistungskraft zu verbessern. Das Gegenteil ist der Fall.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Mit der Rau-Regierung ist das auch kaum möglich!)

    Mit der Inkaufnahme von Zechenstillegungen, mit dem Verzicht auf eine eigene Stahlpolitik, mit der Schwächung der Finanzkraft der Gemeinden wird dem Revier schwerster Schaden zugefügt. Diese Folgen können weder die Landesregierung noch die Gemeinden und die betroffenen Städte ausgleichen und auffangen, die bisher ohnehin schon einen überproportionalen Teil für nationale Aufgaben wie Kohle und Stahl leisten. Ich muß Ihnen offen sagen: Hier liegt der Verdacht nahe, daß auch Wahltaktik im Spiel ist. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)