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ID1000503200

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    Plenarprotokoll 10/5 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. Mai 1983 Inhalt: Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Einberufung einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages am 8. Mai 1983 aus Anlaß des 38. Jahrestages des Endes der nationalsozialistischen Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges Reents GRÜNE 147 B Dr. Schäuble CDU/CSU 148 D Dr. Hauff SPD 149 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 150 B Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Althammer CDU/CSU 150 D Hoffmann (Saarbrücken) SPD 153 B Hoppe FDP 155D Kleinert (Marburg) GRÜNE . . . . 158C, 186D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 161 C Dr. Apel SPD 167 A Börner, Ministerpräsident des Landes Hessen 173A Dr. Graf Lambsdorff FDP 176 C Roth SPD 181 D Dr. Stoltenberg CDU/CSU 187 A Hauser (Krefeld) CDU/CSU 187 B Reuschenbach SPD 190 B Dr. Haussmann FDP 193 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 195 B Frau Fuchs (Köln) SPD 201A Dr. George CDU/CSU 205B Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 207 C Lutz SPD 210B Hoss GRÜNE 212B Cronenberg (Arnsberg) FDP 214D Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 218C Dr. Schmude SPD 222 D Fischer (Frankfurt) GRÜNE 226 B Dr. Miltner CDU/CSU 228 C Dr. Hirsch FDP 231C Schäfer (Offenburg) SPD 233 D Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 236 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 239A Dr. Emmerlich SPD 241 D Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . 245C Frau Schoppe GRÜNE 248 A Kleinert (Hannover) FDP 250A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 252 D Seiters CDU/CSU 255A Vizepräsident Westphal 226 D Vizepräsident Wurbs 245 B Nächste Sitzung 255 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 257*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 257* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Mai 1983 147 5. Sitzung Bonn, den 5. Mai 1983 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 5. Berschkeit 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) 6. 5. Dr. Enders * 6. 5. Dr. Engelsberger 6. 5. Hartmann 6. 5. Dr. Hornhues 6. 5. Kittelmann * 5. 5. Lahnstein 5. 5. Lemmrich * 5. 5. Dr. h. c. Lorenz 5. 5. Offergeld 5. 5. Poß 5. 5. Schmidt (Hamburg) 6. 5. Schmidt (Wattenscheid) 6. 5. Schreiber 6. 5. Schröer (Mülheim) 5. 5. Spilker 6. 5. Frau Steinhauer 6. 5. Vogt (Düren) 5. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 29. April 1983 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 29. April 1983 der vom Deutschen Bundestag am 29. März 1983 beschlossenen Weitergeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes zugestimmt hat. Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 2. Mai 1983 mitgeteilt, daß er seinen Antrag Veräußerung des bundeseigenen Geländes an der Schleißheimer Straße in München an die Landeshauptstadt München - Drucksache 10/22 - zurückzieht.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich haben die Beiträge der sozialdemokratischen Kollegen, des Fraktionsvorsitzenden Vogel und des Abgeordneten Hoffmann, zur Finanzpolitik an leidenschaftliche Diskussionen und Auseinandersetzungen hier nach dem Regierungswechsel im Herbst erinnert. Sehr viel Neues ist Ihnen, meine verehrten Kollegen, seit Ihrer Wahlniederlage am 6. März nicht eingefallen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sehr viel überzeugender sind Ihre Argumente, die ja vom Wähler zurückgewiesen worden sind, nicht geworden.
    Herr Kollege Vogel, ich habe beim finanzpolitischen Teil Ihrer Ausführungen auch an die Wahlanalysen gedacht, die ja — so haben wir es in den Zeitungen gelesen — nach dem 6. März im sozialdemokratischen Parteivorstand angestellt wurden. Dort haben namhafte Mitglieder Ihrer Partei selbstkritisch gesagt, einer der Gründe für die Wahlniederlage sei die mangelnde Kompetenzzuweisung in der Finanz- und Wirtschaftspolitik gewesen, das heißt zu deutsch, das mangelnde Vertrauen der Bürger und vor allem auch eines Großteils der Arbeitnehmer in das, was Sie seit dem Regierungswechsel dem deutschen Volk an Rezepturen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik anzubieten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie sind nicht viel weitergekommen bis Anfang Mai. Ich sage das ausdrücklich, weil manches, was Sie und was heute Herr Hoffmann dem Bundeskanzler hart und kritisch zu seiner Regierungserklärung gesagt haben, doch auch einen Zug der Überheblichkeit trug, der Ihnen eigentlich nicht ansteht, wenn man Ihre Reden noch einmal nachliest.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Man kann es natürlich so machen wie der Kollege Hoffmann, daß man wichtige Sachaussagen der Regierungserklärung nicht zur Kenntnis nimmt, um besser polemisieren zu können.

    (Zuruf von der SPD: Wie der Herr Stoltenberg!)

    Herr Kollege Hoffmann hat dem Bundeskanzler vorgeworfen, er habe nichts Konkretes zu dem schwierigen Thema von Einnahmeerhöhungen für die Rentenversicherung gesagt. Sie können auf Seite 13 des Textes der Regierungserklärung, den das Bundespresseamt verbreitet hat, unter Ziffer 1 sehr wohl verzeichnen, daß der Bundeskanzler ausgeführt hat:



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Wir werden die bisher ungenügend erfaßten Sonderzahlungen zum Arbeitsentgelt in die Sozialversicherung einbeziehen.
    Mit diesem Satz kann man sich auseinandersetzen. Er ist in den Folgerungen ein sehr schwerwiegender Satz, wie wir alle wissen, aber man kann ihn nicht ignorieren und dann sagen, dazu sei nichts gesagt. Das ist eigentlich unter dem Niveau der Auseinandersetzung, wie wir sie hier führen sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Ich möchte etwas zur Ausgangsbilanz zu Beginn der neuen Wahlperiode sagen.

    (Abg. Dr. Spöri [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich habe mich bei den Parlamentarischen Geschäftsführern, die ja eine bedeutende Autorität in diesem Hause sind, verpflichtet, mich an die 20 Minuten Redezeit zu halten, Herr Kollege Spöri, und will deshalb ausnahmsweise davon absehen, Zwischenfragen zu beantworten.

    (Dr. Spöri [SPD]: Zu den Subventionen, hat der Herr Hoffmann gemeint! Da haben Sie große Sprüche geklopft!)

    — Entschuldigen Sie, Sie vermissen Aussagen über Subventionsabbau und kritisieren das. Wenn ich die Rede von Herrn Vogel auf Seite 59 seines verbreiteten Textes nachlese, stelle ich fest, daß er sich gegen eine beginnende Diskussion über Subventionsabbau konkret wendet, wenn es bestimmte empfindliche Punkte berührt. Seite 59 von Herrn Vogel!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    So kann man das auch machen, Herr Kollege Vogel.

    (Zurufe von der SPD)

    — Lesen Sie einmal Ihren eigenen Text nach. Ich habe Ihnen die Belegstelle genannt. So kann man das auch machen, meine Damen und Herren.

    (Weitere Zurufe von der SPD)

    Nun gehe ich in der Sache weiter, sonst komme ich mit den 20 Minuten nicht hin, Herr Präsident, dann muß ich um Rabatt bitten. Ziehen Sie bitte die Zwischenrufe freundlicherweise ab.

    (Zurufe von der SPD)

    — Wer hier so hart ausgeteilt hat, wie Sie gestern und heute morgen, muß eine kritische Replik vertragen können. Das Selbstbewußtsein ist doch sehr erschüttert, muß ich sagen, wenn ich Ihre Reaktionen hier verfolge.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nun muß ich nach diesen einleitenden Bemerkungen etwas zur Ausgangsbilanz zu Beginn der neuen Wahlperiode sagen. Herr Kollege Waigel hat darauf hingewiesen: Nach den empfindlichen, von Ihnen bekämpften Sparentscheidungen, die wir vor der Bundestagswahl treffen mußten, haben wir im
    Bundeshaushalt 1983 dennoch einen Fehlbetrag von 52 Milliarden DM bei rund 253 Milliarden DM Ausgaben des Bundes zu verzeichnen. Mehr als 20% der erforderlichen Ausgaben dieses Jahres sind nicht durch ordentliche Einnahmen gedeckt. Sicher, wir haben den schon erwähnten Bundesbankgewinn von 11 Milliarden DM. Man kann doch wohl bei dieser Eröffnungsbilanz für eine neue Regierung, Herr Vogel, nicht ernsthaft kritisieren, daß wir den einstellen und vorübergehend zur Defizitdeckung verwenden.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    Man kann doch bei der Art der Hinterlassenschaft Ihrer katastrophalen Finanzpolitik uns nicht dafür kritisieren, wenn wir bei 52 Milliarden DM minus —

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Erbe einer 13jährigen sozialdemokratischen Regierungspolitik in Bonn und der Fehleinschätzungen der letzten 18 Monate —

    (Zuruf des Abg. Dr. Spöri [SPD])

    diesen Bundesbankgewinn zunächst voll einstellen und verwenden.

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Sie sind der größte Schuldenbuckel, den es gibt!)

    — Wie war das?

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Sie sind der größte Schuldenbuckel, den es gibt!)

    — Herr Hoffmann, Sie sind ein unfairer Kollege, wenn Sie auf der einen Seite jede Kürzungsabsicht diffamieren und mit demagogischen Argumenten bekämpfen und uns auf der anderen Seite hier in dieser Art Ihre Schulden vorhalten wollen. Ich weise das mit Nachdruck zurück!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    Der Herr Vogel kündigt gestern die Rückgängigmachung der getroffenen Sparentscheidungen an,

    (Dr. Vogel [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)

    und Sie haben die Stirn, uns eine zu hohe Schuldenaufnahme in diesem Jahr vorzuwerfen! Meine Damen und Herren, das ist unter dem Niveau der Sozialdemokratischen Partei, wie ich sie bis jetzt eingeschätzt habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jetzt würde ich gern zu einer ruhigeren Betrachtung zurückkehren, aber Sie müssen mit Ihren Reaktionen dazu beitragen. — Wir tragen den prinzipiellen Einwänden gegen eine zu hohe Veranschlagung des Bundesbankgewinns doch dadurch Rechnung, daß wir in der vorzulegenden Finanzplanung von einem deutlichen Rückgang in den nächsten Jahren ausgehen. Herr Wieczorek, wir haben die Absicht, die Veranschlagung dieses Bundesbankgewinns in unserer neuen Finanzplanung deutlich und nachhaltig zurückzuführen. Gegenwärtig, in einer Notstandssituation, ist eine besondere Entscheidung unvermeidbar gewesen, aber wir werden
    — das werden Sie in der Finanzplanung sehen —



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    unseren prinzipiellen Gesichtspunkten Rechnung tragen.
    Nun möchte ich Herrn Kollegen Vogel

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist Herr Vogel?)

    und auch Herrn Hoffmann noch folgendes sagen. Man kann die notwendige Umstrukturierung des Bundeshaushalts nicht im crash-Verfahren durchführen.

    (Zuruf von der SPD: In was für einem Verfahren?)

    Ich kann mich nur wundern, wenn Sie uns hier kritisch auf die schwerwiegenden Probleme der Bundesbahn oder auch auf die schwerwiegende Entscheidung über die Weiterführung der modernen Reaktorlinien ansprechen. Die Probleme der Bundesbahn werden uns noch auf Jahre begleiten, und wir müssen versuchen, innerhalb von Monaten — das kann nicht innerhalb von Wochen geschehen — erste Antworten zu finden.
    Was die fortgeschrittenen Reaktorlinien betrifft, standen wir doch vor der Frage, ob wir vorhaben, die Anlagen, die unter Ihrer Federführung zu 70 oder 80 % fertiggestellt wurden — das war die Eröffnungsbilanz für Herrn Riesenhuber —, als Investitionsruinen liegenzulassen oder sie mit einem anderen Finanzierungssystem unter stärkerer Beteiligung der EVUs und der Wirtschaft zu vollenden.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Das Problem Ihrer Politik, das nicht nur das Reaktorkonzept belastet und verteuert hat, ist doch in den letzten Jahren das gewesen, auf der einen Seite solche Vorhaben in Regierungsverantwortung weiterzuführen und hier jedes Jahr die Mittel zu bewilligen, auf der anderen Seite aber zugleich diese Vorhaben immer nachhaltiger zu bekämpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Meine Damen und Herren von der SPD, das ist das Elend dieser Reaktorprojekte gewesen!

    (Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE])

    — Mit Ihnen rede ich später, Herr Schily. Sie sind im Augenblick nicht dran. — Dieser Widerspruch hat diese Projekte nicht nur verteuert und erschwert; er kann j a auch nicht als Ausdruck einer besonderen Sensibilität bezeichnet werden, die Herr Vogel gestern für sich in Anspruch genommen hat, während wir von ihm in die Denkmuster und den Bewußtseinsstand der 50er Jahre eingeordnet wurden.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Das ist — wenn ich dazu meine persönlichen Empfindungen beschreiben soll — Ausdruck einer unerträglichen Arroganz, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Man muß reflektieren, man muß nachdenken, aber man muß auch entscheiden, und dann, wenn man entschieden hat, muß man das, was man sich vorgenommen hat, auch konsequent und ehrlich verwirklichen.

    (Schily [GRÜNE]: Den Unsinn konsequent verwirklichen!)

    — Ich kann Ihre Zwischenrufe gar nicht verstehen, aber, Herr Schily, wenn ich Ihren Gesichtsausdruck betrachte, vermute ich, daß sie sehr töricht sind.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte ganz gern einmal mit den sozialdemokratischen Kollegen ernsthaft ein Thema diskutieren; vielleicht erlauben Sie mir das. Mein Verständnis von Fairneß und Toleranz ist, daß das in diesem Hause möglich sein muß, ohne daß man laufend von Ihrer Seite unterbrochen wird, der Sie an dieser Diskussion gegenwärtig überhaupt nicht beteiligt sind.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, das Problem ist doch folgendes.

    (Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — Ich verstehe die ganze Aufregung nicht.
    Wir brauchen — ich sage das zu Ihren kritischen Anmerkungen —, um weite Aufgabenbereiche lösen zu können, über die Bundesbahn hinaus, noch mehr Zeit. Wir haben im Herbst nach dem Regierungswechsel die Finanzvorlagen in zwei Wochen erarbeiten müssen, um die dringendsten Entscheidungen zu treffen. Wir haben diesmal acht Wochen Zeit, von der konstituierenden Sitzung des Bundestages bis Ende Mai/Anfang Juni, zu dem Zeitpunkt, in dem wir die Grundsatzentscheidungen für den Etat 1984 und die Finanzplanung treffen wollen. Wenn Sie das anmahnen, muß ich sagen: Dies ist ein sehr kurzer Zeitraum, aber wir werden die notwendigen Entscheidungen nicht nur für den Haushalt, sondern auch für die Begleitgesetze bis zur Sommerpause treffen, Herr Kollege Walther. Wir werden die Entwürfe vor der Sommerpause vorlegen.

    (Walther [SPD]: Da bin ich einmal gespannt!)

    Das geschieht, weil wir Wert darauf legen, daß Bundesrat und Bundestag erstmals seit vielen Jahren in angemessenen Fristen Stellung nehmen und beraten können. Das haben wir seit der Bundestagswahl 1980 in Ihrer Verantwortung nicht mehr erlebt, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In solchen Überlegungen wird der Respekt vor Verfassungsorganen vielleicht stärker sichtbar als in manchen Grundsatzdeklarationen.
    Meine Damen und Herren, wir müssen also in diesem Jahr immer noch eine Kreditaufnahme von 41 Milliarden DM vorsehen, und natürlich stellt sich die Aufgabe der Konsolidierung, der Gesundung der Staatsfinanzen deshalb als eine der zentralen Herausforderungen dieser Jahre. Es ist eine Aufgabe für Bund, Länder und Gemeinden. Ich unterstreiche hier die Mitverantwortung des Bundes für



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    alle Ebenen, Entlastungen auch für die anderen Ebenen herbeizuführen, so wie wir das im Herbst vergangenen Jahres mit unseren Sparvorschlägen begonnen haben, die Sie bekämpft haben. Deswegen ist es nicht nötig, daß uns der Herr Kollege Vogel hier anmahnt, auch nicht unter dem Vorzeichen der Gemeindefinanzen. Wir sehen das deutlicher, und wir wollen es wirksamer praktizieren, als Sie das in vergangenen Jahren getan haben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Warum steht dazu nichts in der Regierungserklärung?)

    — Wenn Sie das noch einmal nachlesen, können Sie diesen Gesichtspunkt übrigens auch in der Regierungserklärung finden.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sehr versteckt!)

    — Ich zeige Ihnen nachher die Stelle, Herr Kollege Vogel. Vielleicht haben Sie Ihre Rede schon gemacht, bevor Ihnen die Regierungserklärung bekannt war. Das kam mir in einigen Punkten sowieso so vor.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Kein Wort steht dazu drin!)

    Lassen Sie mich vorangehen. Sie dürfen nicht übersehen, daß die Wirtschaftskrise und die Arbeitslosigkeit dem Bund

    (Dr. Hauff [SPD]: Erblast!)

    — es wäre ganz schön, wenn Sie noch einen Moment zuhören könnten — ganz besondere finanzielle Belastungen aufbürden. Allein durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit seit 1981 sind es auf der Ausgabenseite über 10 Milliarden DM.

    (Matthöfer [SPD]: Ganz neu!)

    — Nein, aber ich wollte das noch sagen, weil ich nicht den Eindruck habe, daß alle Ihre Kollegen Ihren Informationsstand haben, wenn ich mir die Reaktionen betrachte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deswegen ist es gut, diese Zahlen noch einmal zu erwähnen.
    Man muß auch sehen, Herr Vogel, wenn Sie über Bund, Länder und Gemeinden reden, daß der Anteil des Bundes an den öffentlichen Schulden von 1970 bis 1982 dramatisch angestiegen ist. Der Bundesanteil an den öffentlichen Schulden betrug 1970 38,8 %, und er liegt heute bei 51 %. Darin spiegeln sich schwerwiegende Probleme besonderer Art wider, die meine Amtsvorgänger genausogut kennen, wie ich sie jetzt zu sehen habe. Da ist z. B. die Tatsache, daß wir überdurchschnittlich die Belastungen durch die Arbeitslosigkeit tragen.

    (Zuruf von der SPD)

    — Da sind wir uns ausnahmsweise einmal einig, meine Damen und Herren.
    Nun sage ich zu der erneuten sozialdemokratischen Kritik an der notwendigen Konsolidierung folgendes. Ich sage das in bezug auf die Dokumentation der SPD-Fraktion, die Herr Kollege Vogel am 11. April 1983 an seine Parteifreunde verteilt hat, und die dortigen sehr erstaunlichen Feststellungen.
    Sie haben, wie solche Texte deutlich machen, Herr Kollege Vogel, die erschreckende Wirkung der sprunghaft steigenden Zinsausgaben immer noch nicht voll erkannt. Die Zinsausgaben im Bundeshaushalt betrugen 1969 2,2 Milliarden DM, 1979 11,2 Milliarden DM, und sie sind bis zum Jahre 1983 auf 27,2 Milliarden DM angestiegen. Sie haben in den letzten vier Jahren eine Zunahme der Zinsausgaben im Bundeshaushalt um 16 Milliarden DM. Das ist eine geradezu bedrückende Entwicklung, wenn wir an die Frage des Gestaltungs- und Handlungs- und Verantwortungsbereichs für die Zukunft denken. Das heißt: Anteil der Zinsausgaben an den Steuereinnahmen des Bundes 1969 2,8%, 1979 6,8%, 1983 sage und schreibe 14,5%.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    In diesen Zahlen steckt eine Dramatik, die ich hier noch einmal sehr deutlich unterstreichen will. Sie müssen die Perspektive Zukunft ernst nehmen. Wer weiter mit fragwürdigen Argumenten wie manche von Ihnen

    (Zuruf von der SPD)

    — j a, wie manche von Ihnen — die dringende Aufgabe der Konsolidierung mit den notwendigen Sparbeschlüssen bekämpft, der versündigt sich an der Zukunft unseres Volkes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir hören hier so viel von Zukunftsängsten. Das Wort „Angst" ist j a geradezu ein Mode- und Schlüsselwort für manchen in unserer Zeit geworden, zum Teil mit sehr schlimmen Erscheinungen, auch in manchen Reden in diesem Hause.

    (Stratmann [GRÜNE]: Eine Folge Ihrer Politik!)

    — Entschuldigen Sie, wir regieren sechs Monate. Ich verwahre mich dagegen, daß Sie uns für die 70er Jahre hier verantwortlich machen. Da standen Sie denen, die diese Erblast hinterlassen haben, großenteils näher als wir, meine Damen und Herren von den GRÜNEN.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben diese Politik der 70er Jahre nicht zu vertreten.
    Aber man sollte die Frage der Sorge um die Zukunft — ich verwende lieber den Begriff „Sorge" — nicht nur mit modischen flotten Sprüchen über Gentechnologie verbinden, Herr Kollege Vogel, wobei ich Ihnen empfehle, sich bei den führenden Wissenschaftlern der Bundesrepublik Deutschland noch einmal genauer zu informieren über den wirklichen Stand und die Grenzen, nicht nur mit Gentechnologie und Katastrophenbildern über Kernkraftwerke. Wenden Sie Ihre Sorge in der Verantwortung für die Zukunft gegenüber der nächsten Generation einmal dieser Frage zu, ob man so weitermachen kann in der Finanzpolitik und Schuldenmacherei, wie wir das in den vergangenen Jahren erlebt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn. Donnerstag, den 5. Mai 1983 165
    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Ich sage das unter dem unendlich deprimierenden Eindruck der Rede des Kollegen Kleinert, auch den anderen Abgeordneten der GRÜNEN, meine Damen und Herren. Das war eine unendlich deprimierende Rede. Nicht nur, weil Sie uns hier beleidigt haben oder beleidigen wollten mit der törichten Behauptung, uns gehe es bei unserer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nur um die Gewinne für die Reichen und die Unternehmer — eine der dümmsten Unterstellungen, die ich jemals in meinem politischen Leben gehört habe.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    Sie können mich mit diesen primitiven Formeln Ihres Steinzeitmarxismus überhaupt nicht beleidigen. Das will ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Lebhafte Zurufe von den GRÜNEN — Händeklatschen und Bravo-Rufe des Abg. Schily [GRÜNE] Unruhe)

    Es bestätigt nur meinen Eindruck, den ich bei der Lektüre Ihres Wirtschaftsprogramms vor der Bundestagswahl hatte: daß das Wirtschafts- und Finanzprogramm der GRÜNEN der sichtbare politische Ausdruck des Bildungsnotstandes der 70er Jahre geworden ist. Das hat sich heute noch einmal gezeigt.

    (Große Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    Wenn Sie mich und meine Freunde, die wir nun seit kurzer Zeit Regierungsverantwortung haben, noch einmal mit solchen primitiven Formeln in unseren Motiven so beleidigen wollen,

    (Zuruf von den GRÜNEN: Weiter so auf diesem Niveau!)

    dann erinnere ich mich an das Wort eines meiner Professoren in der Nachkriegszeit in Kiel, der mir einmal gesagt hat: Man kann gewisse absonderliche menschliche Ausdrucks- und Verhaltensweisen nur mit der Gelassenheit eines Naturforschers verfolgen.

    (Große Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Das werde ich mir bei weiteren solchen Reden merken.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe des Abg. Schily [GRÜNE] und weiterer Abgeordneter der GRÜNEN)

    — Herr Kollege Schily, Sie müßten doch bei Ihren weitreichenden Beziehungen im akademischen Bereich in der Lage sein, den wirtschafts- und finanzpolitischen Sprechern Ihrer Fraktion — denn alles können und sollen Sie j a nicht allein machen, wie wir gelesen haben — einen anständigen zweiten Bildungsweg in Nationalökonomie zu vermitteln. Das wäre doch ein beglückendes Erlebnis für uns.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Fortgesetzte Zurufe von den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, weil dies so ist, weil der Verlust eines jeden gestaltenden Handlungsspielraums für die Zukunft wirklich droht,

    (Schily [GRÜNE]: Traurig, traurig!)

    müssen wir durch Konsolidierung, auch durch Sparbeschlüsse, die Handlungsfähigkeit der staatlichen Finanzpolitik wiedergewinnen. Natürlich ist eine Zeit der Belebung — wie man ihre Stärke und Dauer einschätzt, will ich hier nicht vertiefen — dafür richtig.

    (Abg. Burgmann [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich bitte um Entschuldigung. Ich bin schon etwas über die Zeit und möchte keine Zwischenfrage beantworten.
    Wir müssen die Übereinstimmung von Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik gewährleisten. Wir haben für eine positive wechselseitige Ergänzung der Fiskalpolitik in Bonn und der Geld- und Kreditpolitik in Frankfurt mit aller Kraft einzutreten.

    (Stratmann [GRÜNE]: Reden Sie doch mal von den Arbeitslosen!)

    Herr Kollege Hoppe hat hier schon einige Kernsätze des Finanzplanungsrats vom 29. April hervorgehoben.

    (Zuruf des Abg. Stahl [Kempen] [SPD])

    — Er hat über Verschiedenes geredet, vor allem auch über den Finanzplanungsrat. Ich möchte mit Ihrer freundlichen Zustimmung diesen Punkt gern noch einmal aufnehmen.
    Ich finde es sehr bemerkenswert, daß wir uns im Finanzplanungsrat nach einer mehrstündigen Diskussion im Kreis aller Finanzminister der Länder und der kommunalen Spitzenvertreter darauf verständigt haben, daß in der Tat in der mittelfristigen Periode eine Größenordnung von 3 % der Orientierungsrahmen sein soll; 3% jährliches Ausgabewachstum. Das setzt natürlich — das wird klar gesagt — eine große Anstrengung zur Konsolidierung voraus.
    Ich begrüße es, daß Bund und Länder in diesen Prinzipien übereinstimmen, und würde mich freuen, wenn auch die sozialdemokratische Fraktion nach einer erneuten Prüfung dies grundsätzlich anerkennen könnte. Es bedeutet nicht eine Billigung aller Einzelbeschlüsse, die wir noch vorzulegen und zu erarbeiten haben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Jetzt ist die Tonart schon angemessener!)

    — Das Echo ist ja auch viel ruhiger und freundlicher. Ich habe doch nur repliziert, Herr Kollege Vogel. Sie können einmal im Stenographischen Protokoll nachlesen, was da so an Zwischenrufen kam, wenn das nicht gestrichen wird, was ich nicht hoffe. Der Originaltext steht Ihnen sicher zur Verfügung.

    (Dr. Hauff [SPD]: Soviel Selbstgerechtigkeit gibt es nicht noch einmal! — Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

    — Entschuldigen Sie. Sie können sicher davon ausgehen, daß ich auf eine bestimmte Form der



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Attacken gegen uns auch in Zukunft deutlich antworten werde, Herr Kollege Hauff. Da können Sie ganz sicher sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will in aller Klarheit sagen, daß die steuerpolitischen Ziele, die wir in den Grundzügen in der Regierungserklärung vernommen haben und die in einigen Einzelelementen zu konkretisieren sein werden, für uns der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik dienen. Natürlich gibt es die von Herrn Kleinert und anderen erwähnte Problematik der unterschiedlichen Wirkung von Investitionen. Aber man kann daraus doch nicht die verfehlte Folgerung ziehen, wie Sie es getan haben, daß eine Steigerung der Investitionen auch durch eine Senkung der ertragsunabhängigen Steuern gleichsam automatisch zur Steigerung der Arbeitslosigkeit führt. Das wäre ein grobes Mißverständnis; denn Aufgabe ist es doch, durch die Steuerpolitik, aber auch durch Kostenbegrenzungen und Entlastungen, also das Gegenteil von dem, was Sie hier in der Diskussion über die Arbeitszeitverkürzung verlangt haben, den Anteil der Betriebserweiterungen und der Neugründungen auch in der Gewichtung der Investitionen wieder zu vergrößern.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Wer kauft das Zeug denn ab, wenn man kein Geld hat?)

    — Es gibt hinreichende Marktmöglichkeiten. Sie dürfen Ihre eigene Versorgungslage nicht zum Sättigungsgrad der deutschen Volkswirtschaft ummünzen. Das ist ein großer Irrtum, meine Damen und
    Herren.

    (Große Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mein zeitlicher Rahmen macht es nicht möglich, das zu vertiefen. Ich möchte nur folgenden Gedanken für die weiterführende Debatte vortragen.
    Die Verwirklichung der phantastischen Vorstellung einer Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden plus einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich wäre der sicherste Weg zur Zerstörung unserer Wettbewerbsfähigkeit und zu einer Massenarbeitslosigkeit, die alle Vorstellungen überschreitet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die gewerkschaftliche Diskussion ist in diesem Punkte viel weiter als das, was wir von den Vertretern der GRÜNEN gehört haben.

    (Stratmann [GRÜNE]: Sie sind doch am Ende! Sie haben doch kein Konzept zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit!)

    — Nein, wir fangen erst an, acht Wochen nach der gewonnenen Wahl. Wir sind nicht am Ende.

    (Stratmann [GRÜNE]: Schleswig-Holstein! Was ist denn dort?)

    Machen Sie sich keine Sorge! Wir sind nicht am Ende, wir fangen erst richtig an. Das können wir jetzt wie Willy Brandt 1969 erst einmal sagen. Hoffentlich mit besseren Ergebnissen, wenn man uns dann später bewertet.
    Zur Haushalts- und Rentenpolitik will ich noch eines klarstellen: Im Haushalt 1984 wird es keine Kürzung des Bundeszuschusses geben. Wir werden den Bundeszuschuß zur Rentenversicherung nach geltendem Recht voll zur Verfügung stellen. Ich wundere mich über Ihre Kritik bzw. über die Ihrer Freunde, Frau Fuchs. Ich darf Sie daran erinnern, daß Sie noch im letzten Sommer eine Kürzung des Bundeszuschusses um 1,3 Milliarden DM beschlossen haben. Das macht Ihre Reden zur Rentenversicherung doch ein bißchen unglaubwürdig, um daran noch einmal zu erinnern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir werden die noch offenen Fragen im Kabinett
    — auch in der engen Zusammenarbeit der Kollegen Blüm, Graf Lambsdorff und Stoltenberg — so zeitig klären, daß wir die Antworten bis Ende Juni geben können. Nur gilt auch hier: Was von Ihnen über Jahre hinweg nicht entschieden und gelöst wurde, kann man jetzt nicht alles in acht Wochen, auch nicht für die kommenden zwei/drei Jahre, entscheiden.

    (Reents [GRÜNE]: Runter mit der Zahl der Arbeitsplätze und rauf mit den Diäten — das geht ganz schnell!)

    Ich habe schon klargemacht: Uns geht es bei aller Heftigkeit gewisser Reaktionen in diesem Hause — warum sollen wir über diese Fragen im Hin und Her nicht auch einmal heftiger reden, denn es sind j a Fragen, die uns alle bewegen — —

    (Zuruf von den GRÜNEN: Vor allem Ihr Stil!)

    — In punkto Stil brauche ich von Ihnen keine Belehrung; das muß ich Ihnen wirklich sagen. — Es geht uns darum, durch das zeitliche Vorgehen vor allem auch den Bedürfnissen und Belangen der Verfassungsorgane stärker Rechnung zu tragen. Wir wollen die notwendigen Entscheidungen bis Ende Juni treffen — die Grundentscheidungen schon im Mai —, den Bundeshaushalt und die Gesetzentwürfe dann zu Beginn der Sommerpause verabschieden, der öffentlichen Diskussion stellen, so daß Bundesrat und Bundestag — ich sage es in der Reihenfolge, weil es ja so vorgesehen ist, daß zunächst der Bundesrat votiert — die Möglichkeit haben, die Vorschläge der Bundesregierung im Bereich der Finanzpolitik, der Haushaltspolitik und der Steuerpolitik sorgfältig zu beraten.
    Ich bitte aber alle sehr herzlich, angesichts der Größe und Schwere der Aufgabe

    (Stratmann [GRÜNE]: Hui!)

    — wenn Sie Zahlen bewerten können, werden Sie an Hand der Zahlen, die ich vorgefunden habe, schon erkennen, daß das eine große und schwere Aufgabe ist — uns kritisch, aber auch konstruktiv zu begleiten und bei allen Gegensätzen, die wir nicht verwischen wollen, die Ordnung der Staatsfinanzen als eine der großen Gemeinschaftsaufgaben unserer Zeit anzuerkennen. — Schönen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Kollege Apel.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Renger)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich ist es gut, daß wir durch diesen Zwischentakt, den wir eben vernommen haben, wieder zu einer mehr gelassenen Aussprache zurückkehren können. Natürlich macht Ihnen, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, niemand Vorschriften über den Stil, in dem Sie im Deutschen Bundestag reden. Das zu entscheiden gehört zur Freiheit eines jeden Abgeordneten. Nur, Sie sollten sich einmal selbstkritisch fragen, auch bei der Durchsicht des Protokolls, ob es sinnvoll und vernünftig ist, wenn Sie sich zum Zensor parlamentarischer Debatte aufwerfen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind doch ein sich anbiedernder Pharisäer!)

    Ich habe als junger Abgeordneter, Herr Präsident Dr. Barzel, einen Ordnungsruf für die Bemerkung bekommen, das sei eine dumme Unterstellung. Augenscheinlich wird es jetzt zugelassen — ich finde das sehr schlimm —, daß einem Abgeordneten der GRÜNEN gesagt wird, es handle sich um die dümmste Unterstellung, die man je gehört habe.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde das nicht in Ordnung.


    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Der Ton macht die Musik! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Wir sollten uns in der Tat bei all den Meinungsverschiedenheiten, die wir haben — und die sind beträchtlich —, auch gegenüber der Fraktion der GRÜNEN einen Ton und einen Stil zu pflegen versuchen, der in der parlamentarischen Debatte weiterführt.
    Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben gestern im „ZDF-Magazin", aber auch heute erneut von der Erblast geredet. Ich kann das verstehen. Sie sind in großen Schwierigkeiten. Sie wissen nicht, wie Sie mit Ihren Problemen fertig werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das sind Ihre Probleme!)

    Der Bundeskanzler macht Ihnen keine Vorgaben. Er wartet ab, bis Sie sich mit Herrn Blüm geeinigt haben. Da ist es natürlich bequem und naheliegend, auf „Erblast" auszuweichen.
    Nur sollten wir, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, die Debatte, glaube ich, anders führen. Wir sollten zugeben, daß keine der Fraktionen der letzten Bundestage in einem Zustand finanzpolitischer Unschuld lebt. Wir haben 13 Jahre lang die Finanzminister gestellt. Wir haben natürlich auch Fehler gemacht.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Viele!)

    Aber wir sind davon überzeugt, daß diese Finanzpolitik rundherum ein großer Erfolg war; die internationalen Kennzahlen beweisen das doch. Sie können sich doch nicht hinstellen und unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik in Grund und Boden verdammen und all die Kennzeichen und Kennzahlen, die nun besser geworden sind — wie mehr Preisstabilität, Leistungsbilanzausgleich, Zinssenkung, Verbesserung des Außenwerts der DM, Verbesserung der „terms of trade" —, sich selber zuschreiben. Nehmen sie doch bitte zur Kenntnis: Dies ist vor allem bzw. auch die Arbeit der sozialliberalen Koalition gewesen.

    (Beifall bei der SPD)

    Entweder gibt es hier eine Erblast; dann müssen Sie diese Kennzahlen vergessen. Oder Sie bekennen sich zu diesen positiven Kennzahlen, die unsere Volkswirtschaft und sicherlich auch der neuen Koalition guttun; aber dann muß das Gerede von der Erblast relativiert werden.
    Hinzu kommt ein weiteres. So ist es ja nicht gewesen, daß die Unionsparteien in diesen 13 Jahren quasi in einem parlamentarischen Beiboot mitgefahren sind. Sie haben über den Bundesrat, dieses von Ihnen stets brutal eingesetzte Blockadeinstrument, und über den Vermittlungsausschuß in der Größenordnung von mehreren Milliarden draufgesattelt.

    (Beifall bei der SPD) Wir haben Ihnen das hier vorgeführt.

    Lassen Sie uns doch gemeinsam diese Vergangenheit annehmen! Daß Sie diese Vergangenheit in die Zukunft weiterentwickeln wollen, finde ich gut; nur kann Vergangenheitsbewältigung nicht Zukunftsplanung ersetzen. Ausreden, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, können keine Antworten für finanzpolitische Entscheidungen ersetzen, die wir von Ihnen erwarten.
    Ein paar Sätze zu Herrn Hoppe. Herr Hoppe, ich denke, Sie sollten unsere gemeinsame Vergangenheit, auch wenn Sie sie gern verdrängen wollen — ich verstehe das —, auch hier etwas anders bewerten. Sie haben von Beschäftigungsprogrammen gesprochen, die heute keinen Sinn mehr hätten. Ich sehe das anders. Das Zukunftsinvestitionsprogramm, das wir beide gewollt haben, hat doch über viele Jahre die Bauwirtschaft stabilisiert, Arbeitsplätze geschaffen, Nützliches im Umweltschutz und bei der Erhaltung unserer Denkmäler und unserer Bausubstanz geleistet.
    Herr Kollege Hoppe, wir haben doch auch die steuerlichen Rahmenbedingungen, insbesondere des Mittelstandes — durch Verlustrücktrag, durch Abschreibungsverbesserungen —, erleichtert. Das war doch allen positiv. Das hat sicherlich dazu geführt, daß über viele Jahre die Arbeitslosigkeit in unserem Land geringer als anderswo war. Wir sollten das nicht abwerten. Sie haben gar keinen Grund dazu. Es wäre gut, wenn in der jetzigen Koalition hier angeknüpft werden könnte.
    Nun wird von Ihnen gesagt, Herr Hoppe — und das hören wir auch aus der Unionsfraktion, das hören wir auch von Herrn Stoltenberg —, nur die Rückbesinnung auf die Marktwirtschaft würde die Probleme regeln. Mein Fraktionsvorsitzender hat



    Dr. Apel
    1 dazu Bemerkungen gemacht. Ich will nur auf zwei Fakten hinweisen.
    Das sagt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bei der Bundesanstalt für Arbeit: Selbst wenn wir in den nächsten Jahren ein reales Wachstum des Bruttosozialprodukts um 3 bis 3,5 % haben werden — ich halte das für sehr optimistisch —, können wir die Zahl der im Arbeitsprozeß Beschäftigten gerade halten. Da ist nicht von Abbau der Arbeitslosigkeit die Rede. Im Gegenteil, die Arbeitslosigkeit nimmt zu, weil — auf Grund der Demographie — die jungen Jahrgänge auf den Arbeitsmarkt drängen. Da muß schon ein bißchen mehr getan werden. Da werden Sie gar nicht umhinkönnen, neben den Steuererleichterungen, die Sie vorhaben, im Bereich staatlicher Investitionen und Beschäftigungsprogramme etwas zu tun. Und wenn Sie sagen, Herr Hoppe, das sei auch Ihre Meinung, dann stimmt mich das durchaus hoffnungsvoll.
    Herr Stoltenberg, Sie sagen: Nun wartet mal ab; die Antworten, wie wir Haushaltskonsolidierung betreiben, werdet Ihr schon bekommen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Natürlich!)

    Ich gehe davon aus; denn Sie sind j a dazu gezwungen. Sie können j a den Streit mit Herrn Blüm nicht ad infinitum fortsetzen. Sie müssen sich dann ja entscheiden, und das wird für Herrn Blüm hart werden. Aber davon mal ganz abgesehen, ist es doch eigentlich — und nun bin ich ganz vorsichtig — parlamentarisch merkwürdig — eigentlich müßte ich
    sagen: ein parlamentarischer Skandal —,

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Sie sind ja ein Zensor!)

    daß am Beginn der Legislaturperiode, wo uns für vier Jahre vorgetragen wird, wie die neue Koalition die Wirtschafts- und Finanzpolitik gestalten will, wie sie Haushaltskonsolidierung betreiben will, wo hier ein Schwerpunkt von Herrn Bundeskanzler Dr. Kohl gesetzt worden ist, in den Einzelheiten Fehlanzeige erfolgt. Ich sage Ihnen: Ich halte das für eine Mißachtung des Parlaments. Es ist auch eine Mißachtung der veröffentlichten und der öffentlichen Meinung; und die hat sich j a heute morgen in vielen Zeitungen dazu hinlänglich deutlich geäußert. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Dr. Stoltenberg, Sie legten Wert darauf — und ich kann das sehr gut verstehen —, daß Finanzpolitik besonders eine Frage der Glaubwürdigkeit ist. Sie haben uns Sozialdemokraten daran erinnert — und auch darin haben Sie recht —, daß natürlich keiner aus seiner politischen Vergangenheit aussteigt. Aber das gilt natürlich auch für Sie, Herr Kollege Dr. Stoltenberg.
    Und nun müssen wir Ihnen einige Meßlatten, die Sie für finanzpolitische Solidität aufgestellt haben — im übrigen waren es, wie wir festgestellt haben, doch nur Schlagstöcke —, noch mal vortragen und Sie um Kommentierung bitten.
    Ich beginne mit der Meßlatte Nr. 1. Herr Häfele sagte am 1. Juli 1982: Die Neuverschuldung wird 1983 40 bis 45 Milliarden DM betragen. Da hat er in etwa recht. Denn trotz aller Dementis, die wir aus der Regierungsfraktion der CDU/CSU hören, ist natürlich ein Nachtragshaushalt fällig. Das wissen wir ja alle. Herr Häfele sagte dann mit Stentorstimme, dies sei zum dritten Mal ein Verfassungsbruch. Wie ist das, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, mit dem Verfassungsbruch?

    (Beifall bei der SPD)

    Ist diese Nettokreditaufnahme von 40 Milliarden DM — und es werden noch mehr werden — ein Verfassungsbruch? Ja oder nein? Ich bitte um eine klare Antwort, damit wir wissen, wie Sie zu Nettokreditaufnahmen in dieser Größenordnung stehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie, Herr Stoltenberg, haben an demselben 1. Juli 1982 im Süddeutschen Rundfunk gesagt: „Die Finanzgrundlagen der Rentenversicherung werden in unverantwortlicher Weise getroffen; hier wird die Sozialversicherung getroffen, um den Bundeshaushalt zu entlasten." — Herr Kollege Dr. Stoltenberg, haben Sie nicht genau dasselbe gemacht, indem Sie die Überweisungen von der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherung massiv gekürzt haben, um dann Ihren Zuschußbedarf an die Bundesanstalt für Arbeit kürzen zu können? Wie ist das mit diesem Vorwurf? War er damals richtig an unsere Adresse gerichtet? Wie ist das mit dieser Meßlatte, die Sie aufgestellt haben? Wie messen Sie sich selbst an dieser Meßlatte? Das würde ich ganz gerne von Ihnen hören.

    (Beifall bei der SPD)

    Eine dritte Meßlatte. Sie sagen auch in dieser Julizeit im Westdeutschen Rundfunk: „Jede direkte oder indirekte Form der Steuer- und Abgabenerhöhungen wird abgelehnt." — Nun muß ich gar nicht auf Einzelheiten eingehen; jeder Mensch kennt sie: die Abgabenerhöhung bei der Arbeitslosenversicherung, bei der Rentenversicherung, die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Wie stehen Sie heute zu dieser Meßlatte? War sie damals nur ein Schlagstock, um Sozialliberale zu treffen, oder verfahren Sie auch in diesem Punkt nach der Melodie „Was schert mich das Geschwätz von gestern"?

    (Beifall bei der SPD)

    Nun komme ich zu einem Punkt, den auch Herr Kollege Dr. Althammer heute morgen angesprochen hat.

    (Walther [SPD]: Hat der etwas angesprochen?)

    — Ja, er hat hier eine Viertelstunde geredet.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Herr Stoltenberg, Städte, Kommunen und Länder, sagen Sie am 4. Juli 1982, müssen in den Stand versetzt werden, mehr zu investieren. Der Bundeskanzler sagt gestern: „Keine Konsolidierung des Bundeshaushalts zu Lasten der Länder und Gemeinden"; „die Gemeinden brauchen Handlungsspielraum." — Aber wie sieht es denn mit der Realität aus? Da wird die Gewerbesteuer gekürzt und wird am 1. Januar 1984 erneut gekürzt. Da führen



    Dr. Apel
    die massiven Einschnitte in die sozialen Besitzstände beim Wohngeld, bei den Renten, vielleicht demnächst auch bei der Arbeitslosenversicherung, zu massiven Belastungen der Gemeinden bei Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Und was sagen Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung? Da laden wir doch einmal die Gemeinden ein, Vorschläge zu machen, wie das BSHG verändert werden soll, um die Lasten zu verringern. — Ist das die Führungsrolle, Herr Dr. Stoltenberg, die Sie sich selber in dieser schwierigen Zeit verordnen?

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Das ist Partnerschaft!)

    — Partnerschaft ist nach Ihren Meinungen dann also folgendes: Erst einmal nehme ich den Gebietskörperschaften Geld weg, und zwar massiv, und dann sollen sie mir sagen, wie sie mit der erschwerten Situation fertig werden, damit ich gnädig überlege, ob ich diese Situation im Sinne der Gemeinde regele. Das ist keine Partnerschaft, tut mir leid.

    (Beifall bei der SPD)

    Dann wollen Sie ab 1. Januar 1984 die Vermögensteuer senken. Wie bequem! Das ist nämlich eine Ländersteuer. Die Kommunen sind über den kommunalen Finanzverbund erneut betroffen, indem sie etwa 20 % weniger einnehmen werden; sie dürfen dafür bei der Mehrwertsteuer mehr bezahlen. Das heißt, Herr Kollege Stoltenberg: Sie wälzen Lasten auf die Kommunen ab, Sie schwächen die Finanzkraft der Kommunen. Deswegen stimmt es doch, was die kommunalen Spitzenverbände, aber auch die Experten in Ihrem eigenen Hause sagen: Die Bauinvestitionen im kommunalen Sektor werden im Jahre 1983 um nominal 5% — real ist das mehr — zurückgehen. Deshalb sagt auch die Bauwirtschaft, daß es fraglich sei, ob der Bauaufschwung trage, denn hier gebe es ein tiefes kommunales Loch rückläufiger Investitionen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie sind falsch gebrieft!)

    Herr Kollege Stoltenberg, ich will nicht auch noch die anderen Peinlichkeiten ansprechen, z. B. was Sie vorher zu den Bundesbankgewinnen gesagt haben, was Sie hinterher getan haben, wie Herr Häfele hier bei jeder Gelegenheit gesagt hat, daß die progressionsbedingten Mehreinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer gesenkt werden müssen; die lineare Kürzung von Subventionen ist angesprochen. Ich möchte Sie lieber, Herr Kollege Stoltenberg, mit Aussagen aus der letzten Zeit und dem Tun in diesen Tagen konfrontieren.
    Sie haben auf dem Deutschen Sparkassentag eine, wie ich finde, bemerkenswerte Rede gehalten. Das war so eine Art finanzpolitische Regierungserklärung, die sicherlich größte Aufmerksamkeit beanspruchen darf. Da werden hehre Grundsätze aufgestellt. Ich will Ihnen einige vortragen und will Ihnen sagen, daß wir so weit gar nicht auseinander sind. Nur sind bei Ihnen hehrer Anspruch und Tat zwei verschiedene Paar Schuhe; so, als wenn Sie immer noch in der Opposition wären. Sie sind es nicht. Sie müssen sich zu Ihren Grundsätzen bekennen. Und nun bin ich bei Ihren Grundsätzen.

    (Beifall bei der SPD — Stratmann [GRÜNE]: Das war bei Ihnen aber auch schon so!)

    Der erste Grundsatz, Herr Stoltenberg: Die Staats- und Abgabenquote ist zu hoch. Sie verwendeten ein Zitat, das Sie sich aber zu eigen machten, indem Sie sagten: Wir sind auf dem Wege von der Marktwirtschaft zur Staatswirtschaft. Sie beklagen also die Abgaben- und Steuerquote. Zunächst einmal haben Sie sie in den letzten Monaten kräftig nach oben geführt. Das kann nicht bestritten werden. Die Mehrwertsteuererhöhung kommt erst noch. Sie wollen weitere Abgabenerhöhungen beschließen, hat der Herr Bundeskanzler gestern mitgeteilt, indem Sie die Sonderleistungen zu Gehalt und Lohn in die Sozialversicherungsabgaben einbeziehen wollen. Das wird im übrigen die jeweils Betroffenen sehr unterschiedlich treffen, die Geringerverdienenden stärker als die Gutverdienenden.
    Wie ist es denn eigentlich mit diesem Grundsatz? Wie, Herr Stoltenberg, ist es mit der Feststellung, die Sie dem Finanzplanungsrat vorgelegt haben, worin die Zahlen lauten: 1982 eine Steuerquote von 23,7 %, 1984 von fast 24 %, 1985 von 24,3 %, 1987 von 27,6 %? Herr Kollege Stoltenberg, selbst wenn Sie nichts täten — aber in dem Bereich der Abgaben tun Sie etwas —, würde einfach die Steuerprogression zu einer Erhöhung der Steuer- und Abgabenlast führen. Deswegen, bitte schön, nicht hehre Grundsätze aufstellen und sich anders verhalten.
    Einen zweiten Punkt finde ich hochinteressant. Sie sagten in dieser Rede vor dem Sparkassentag:
    Der Bürger kann die Steuern, das Transfersystem nicht mehr erfassen. Für den Bürger ist das unkalkulierbar geworden.
    Und Sie sagten den interessanten Satz: Der Gerechtigkeitsgehalt des Systems — des Steuersystems —
    steht zur Debatte.
    Das finde ich gut.
    Aber was sagen Sie zu folgender Aussage von Herrn Häfele in diesen Tagen vor dem Steuerberaterkongreß? Ich zitiere auf Grund von Zeitungsmeldungen — darin war es in Anführungsstrichen —:
    Künftig dürfen künstliche Lösungen wie die Investitionshilfeabgabe nicht mehr stattfinden. Sie schafft neue Ungerechtigkeiten und kann von der Verwaltung nicht mehr verkraftet werden.
    Ich sage bravo! Bravo, das ist es. Diese Zwangsanleihe schafft neue Ungerechtigkeiten. Die Arbeitnehmer zahlen sie, die Unternehmer zahlen sie nicht. Deswegen ist sie verfassungswidrig, und Sie werden Probleme haben, mit diesem Homunkulus vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen zu können.

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Apel
    Daß die Steuerverwaltung unter diesem Problem stöhnt, daß sehr viel weniger einkommen wird, als erwartet wird, darauf hat Hajo Hoffmann hingewiesen — eben auch wegen Verwaltungspraktiken, aber auch wegen der Ungerechtigkeit. Und dann reden Sie hier, die Ergänzungsabgabe sei Teufelszeug, das ginge nicht. Ich erinnere mich auch noch an die Worte von Graf Lambsdorff. Nun will ich nicht auf die peinliche Situation abheben, die Sie in Ihrem Wahlkampf hatten. Das war schon ein starkes Stück. Das würde Herr Kohl mit entsprechenden Verbalinjurien belegen; ich lasse das.

    (Zuruf von der SPD: Das war unerträglich!)

    Aber wenn es so ist, daß die Bürger nicht mehr durchschauen, daß der Gerechtigkeitsgehalt zur Debatte steht, warum lassen Sie dann nicht ab von dieser Investitionshilfeabgabe und beschließen mit uns zusammen eine saubere Ergänzungsabgabe, die alle trifft und die im übrigen etwas übrigläßt für staatliche Investitionsprogramme, die auch Sie wollen, und die etwas übrigläßt zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, vielleicht sogar für die schwierige Aufgabe der Haushaltskonsolidierung, die Sie haben?

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn wir schon über Gerechtigkeit reden — und Sie sprechen von Gerechtigkeit auch im Transfersystem, Herr Kollege Dr. Stoltenberg —, frage ich Sie: Wie wollen Sie eigentlich den Gerechtigkeitsgehalt, von dem Sie sprechen und der, wie Sie sagen, zur Debatte stehe, aufrechterhalten, wenn Sie für die 6,5 Milliarden DM, die Sie einzusparen fordern, Rentner, Arbeitslose und Arbeitnehmer zur Kasse bitten wollen und von den 4 Milliarden DM, die von der Mehrwertsteuer noch verteilt werden können, 3,5 Milliarden DM in den Unternehmensbereich schieben wollen? Hier ist gestern vom Bundeskanzler von mehr Bescheidenheit geredet worden. Wie wäre es denn, wenn diese Koalition einmal die Unternehmensverbände zur Bescheidenheit aufforderte — bis hin zu den Gehältern der Bankvorstände!

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Frau Berger [Berlin]: [CDU/CSU]: Neue Heimat!)

    Damit bin ich bei einer weiteren Aussage, die ich ja gut finde. Sie sagten auf dem Sparkassentag: Berufliche Leistung und Kreativität müssen sich wieder lohnen. Herr Kohl hat das gestern in seiner Regierungserklärung aufgegriffen und gesagt: Leistung darf nicht länger steuerlich bestraft werden. Na schön. Ich bin davon überzeugt, daß die Senkung der Gewerbesteuer, die Senkung der Vermögensteuer sowie andere Maßnahmen, die Sie vorhaben, nur die Großbetriebe begünstigen werden.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Denn die Kleinbetriebe sind aus der Gewerbesteuerpflicht längst herausgewachsen.

    (Beifall bei der SPD) Auch die Senkung der Vermögensteuer wird Großbetriebe wie Bosch, Mercedes und andere überproportional begünstigen;


    (Sehr gut! bei der SPD)

    davon wird der Mittelstand wenig haben. Dann aber reden Sie auch nicht über Mittelstandspolitik, Herr Dr. Althammer, sondern sagen Sie, daß Sie die Großunternehmen begünstigen wollen, weil das die Wahrheit ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber wenn sich dann Leistung wieder lohnen soll, wenn Kreativität gefördert werden soll, gilt das dann nur für die Unternehmen oder auch für die 25 Millionen Berufstätigen? Wollen wir die so abspeisen, wie Sie, Herr Dr. Häfele, der Protagonist der Rückgabe von inflationsbedingten Mehreinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer, das auf dem Steuerberaterkongreß getan haben, wo Sie meinten: Das könnte 1986 sein, das könnte 1987 sein, das könnte auch später sein? Ich finde es ein starkes Stück, daß Sie Ihre Position innerhalb von 10 Monaten in einer Art und Weise ändern, die mit intellektueller Redlichkeit — ich möchte Ihnen nicht zu nahetreten — nun wirklich wenig zu tun hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun weiß ich j a, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, daß Sie in einer Zwangslage sind. Wenn man beim Lohn- und Einkommensteuertarif an eine Tarifreform heran will, dann darf man nicht kleckern, sondern muß klotzen. Das ist mir sehr wohl bewußt; ich war j a auch einmal auf Ihrem Stuhl.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Damals hat Sie das Pferd getreten!)

    Aber wenn das Ihr Problem ist, wenn das das zentrale Problem ist, wie wir Leistungsanreize auch für die schaffen, die abhängig beschäftigt sind, dann muß ich Sie fragen: Wieso können Sie es verantworten, dreieinhalb Milliarden DM für Steuersenkungen im Unternehmensbereich im letzten Jahr zu verkleckern? Wie können Sie uns einen Familienlastenausgleich durch Familiensplitting andienen, der entweder die soziale Gerechtigkeit — ich komme darauf noch zurück — in Stücke oder aber die öffentlichen Finanzen leck schlägt? Sie müssen hier wohl gebeten werden, noch einmal nachzudenken, ob es nicht geboten ist, anzusparen, damit insbesondere die Arbeitnehmer, die jetzt in die Progressionszone rücken, eine Chance sehen, auch einmal wieder weniger Steuern zu zahlen. Herr Kollege Stoltenberg, wenn dieses Problem, über das Sie gestern auch in der Sendung mit Herrn Löwenthal gesprochen haben — das ist ja eine Sendung, die weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit gesendet und sowieso nur von Ihren Parteifreunden gesehen wird

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf des Abg. Carstens [Emstek] [CDU/ CSU])




    Dr. Apel
    — ja, ich habe mir das gestern angeguckt; das ist mir aber schwergefallen, Herr Carstens, das muß ich zugeben;

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Aber richtig zugehört haben Sie nicht!)

    es war ein echtes Opfer —,

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    wirklich so drängend ist, dann schieben Sie dieses Thema nicht auf die Erblast — wir haben zum 1. Januar 1981 die Lohn- und Einkommensteuer beträchtlich gesenkt —, sondern treffen Sie Vorsorge, damit dieses Problem nicht über Sie kommt und Ihnen die Haushaltskonsolidierung, die Sie wollen und die wir wollen, zerstört.
    Dann haben Sie einen weiteren Grundsatz verkündet, den ich großartig finde. Sie sagen — ich zitiere wörtlich —:
    Eine ständige Aufgabe ist auch die Überprüfung von nicht mehr gerechtfertigten steuerlichen Vorteilen. Ich bin der Meinung, daß es schon aus Gründen der Steuergerechtigkeit nicht mehr zugelassen werden sollte,
    — im Konjunktiv! —
    daß sich Bürger durch Verlustzuweisungsgesellschaften ihrer Steuerpflicht ganz oder überwiegend entziehen.
    Herr Stoltenberg, Sie reden doch auf dem Sparkassentag nicht als Privatmann, Sie reden dort als Bundesminister der Finanzen. Warum handeln Sie denn nicht?

    (Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Was haben Sie denn 13 Jahre getan?)

    — Lieber Herr Kollege, immer wieder sind wir bei diesem Thema tätig gewesen. Da gibt es eine Koalition.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Nichts haben Sie gemacht! Geschwätzt haben Sie!)

    — Nun wollen wir doch einmal wieder ruhig bleiben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben 13 Jahre geredet!)

    Ich will Ihnen nur folgendes in Erinnerung rufen: Das Land Nordrhein-Westfalen hat gerade zu diesem Thema einen detaillierten, zupackenden und richtungsweisenden Gesetzentwurf im Bundesrat eingebracht. Und was haben Sie gemacht?

    (Dr. Spöri [SPD]: Gebremst! Blockiert!)

    Sie haben — sicherlich in Abstimmung mit Herrn Stoltenberg — diese Initiative Ende 1982, genau gesagt am 28. November 1982 beerdigt, Sie haben sie sterben lassen.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das ist die Wahrheit!)

    Wir werden Sie an Ihren Worten messen, Herr Kollege Dr. Stoltenberg. Hier wird nicht mehr geprüft, hier wird gehandelt, und zwar nicht nur deshalb, weil hier ökonomische Ressourcen fehlgeleitet werden, sondern auch, weil dies ein wichtiger Beitrag
    zur Sanierung der Staatsfinanzen und zu einem Mehr an sozialer Gerechtigkeit ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich einen Punkt aufgreifen, der gestern in dem finanzpolitischen Teil der Ausführungen von Bundeskanzler Dr. Kohl vorkam. Ich zitiere Bundeskanzler Dr. Kohl wörtlich:
    Wir müssen wieder ein kinderfreundliches Land werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Wie schön! Aber wenn man dann nachliest, was anschließend kommt, dann wird das Familiensplitting als Vehikel zur Erreichung des „kinderfreundlichen Landes" Bundesrepublik Deutschland angedient.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Nun lesen Sie doch die Regierungserklärung zu diesem Punkte nach! Da mag ja noch alles andere dazukommen, auch z. B. die beabsichtigte Veränderung des § 218, aber im Bereiche des Steuerrechts reden Sie nur darüber.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wer Kinder hat, soll weniger Steuern zahlen!)

    — Ja, nun mal langsam. Da muß ich einmal den Bundeskanzler und Sie fragen, ob Sie sich über die Konsequenzen dieses Plans im klaren sind: Sie müssen entweder massive Breschen in den Bundeshaushalt schlagen oder aber massiv das Kindergeld zusammenknüppeln.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Beides, was Sie sagen, ist falsch!)

    Wollen Sie denn bestreiten — das sagen ja auch die Experten —, daß beim Familiensplitting der Spitzenverdiener 16mal soviel Steuervorteil bekommt wie der Geringverdiener?

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Auch falsch!)

    Wollen Sie bestreiten, daß uns die Experten schlüssig nachweisen, daß man um so weniger aus dem Familiensplitting erzielt, je mehr Kinder man hat? Dies ist eine unmögliche und wirklich massive Ungleichbehandlung von Kindern.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Herr Apel, es ist wirklich falsch, was Sie sagen!)

    Dies führt nicht zu mehr Kinderfreundlichkeit in
    der Bundesrepublik, sondern genau zum Gegenteil.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich sage Ihnen: Diejenigen, die ihre Kinder notfalls auch ohne staatliche Hilfe und Alimentation erziehen können, werden massiv begünstigt, und die anderen werden zur Ader gelassen. Damit geben Sie, Herr Kollege Stoltenberg, und auch Sie von der CDU/CSU und der FDP, einen Durchbruch in der Steuerpolitik auf, den wir gemeinsam erzielt haben. Am 1. Januar 1975 haben wir die Kinderfreibeträge abgeschafft; wir sind zum einkommensunabhängigen, an der Zahl der Kinder orientierten Kindergeld gekommen. Ihre Pläne heute sind eine eindeutige Wende rückwärts, eine Wende, die unge-



    Dr. Apel
    recht ist und die nach meiner Überzeugung nur vor dem Bundesverfassungsgericht landen kann.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das Kindergeld ist einkommensabhängig gekürzt worden! Haben Sie das nicht bemerkt? Das wissen Sie doch! — Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Lassen Sie sich nicht mit dem Friedmann ein, Herr Apel! Das ist gefährlich!)

    Ich komme zu einem weiteren Punkt, Herr Stoltenberg. Das soll dann auch der letzte Punkt sein.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist gut so, denn es reicht!)

    Herr Stoltenberg, Sie sagten — wiederum vor dem Sparkassentag —, die Probleme unserer Wirtschaft seien im Kern struktureller Natur. Sie sagen, auch die Arbeitslosigkeit sei vorrangig strukturell. Sie lehnen deswegen die expansive Finanzpolitik ab. Darüber sind wir teilweise anderer Meinung. Aber wenn das so ist, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, dann frage ich: Wann erhalten eigentlich die vier norddeutschen Küstenländer eine Antwort auf das Werftenkonzept, das vier norddeutsche Küstenländer — zwei von der CDU regiert, zwei von den Sozialdemokraten — vorgelegt haben?

    (Beifall bei der SPD)

    Wann wird ihnen gesagt, ob der Bund bereit ist, die Mehrlasten, die diese vier Länderchefs einheitlich fordern und die ich für geboten halte, auch zu tragen? Jetzt sagen Sie: im Juni. Sind Sie in der Tat der Meinung, daß die Werftindustrie, die in äußersten Schwierigkeiten ist, so lange warten darf? Muß nicht von Ihnen vorher wie bei der Stahlindustrie eine Vorgabe gemacht werden?
    Ich sage Ihnen: Wir können uns nicht einverstanden erklären mit dem, was Herr Kohl zu diesem Thema gesagt hat. Er hat gestern zur Werftindustrie gesagt: „Mut zu mehr Markt ist auch hier der richtige Weg." Und dann hat er gesagt: „Wir werden befristet helfen zur Anpassung an den Markt."
    Herr Kollege Dr. Stoltenberg, Sie sind lange genug Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein gewesen. Wehren Sie sich gegen dieses Konzept Ihres Bundeskanzlers. Es wird die deutsche Werftindustrie ruinieren. Es wird uns die Chance nehmen, an der Küste durch Schiffbau und Schiffsreparatur einen wichtigen Beitrag auch zum Außenhandel zu leisten. Geben Sie eine Zusage, ehe Resignation, ehe Arbeitslosigkeit und mangelnde Aufträge die Situation dramatisch verschlechtern!

    (Beifall bei der SPD)

    Ich bitte darum, daß hier Aussagen gemacht werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit folgendem möchte ich abschließen. Erstens. Herr Kollege Stoltenberg, vor uns liegen vier Jahre Finanzpolitik. Sie werden schwierig, schwierig für Sie und schwierig für uns; denn wir werden den Stil
    der Konfrontation, den Sie hier heute morgen eingeführt haben, nicht wollen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wer hat ihn denn eingeführt?)

    Aber eines werden wir natürlich tun, Herr Kollege Dr. Stoltenberg: Wir werden die Regierung an ihren Taten messen. Und wir müssen von Ihnen klare Vorgaben verlangen, damit wir wissen, woran wir sind und wie wir uns politisch einstellen müssen. Diese Debatte hat diese klaren Vorgaben nicht geliefert. Die sind Sie uns schuldig. Sie haben durch Ihr Verhalten heute der politischen Debatte einen Teil ihres Wertes, einen Teil ihres Reizes genommen und dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, des deutschen Volkes, nicht entsprochen, wie das am Beginn einer vierjährigen Legislaturperiode geboten wäre.

    (Beifall bei der SPD)

    Zweitens. Wir sind auch deswegen der Meinung, daß uns totale Konfrontation nicht weiterführen kann, weil das nicht Sinn parlamentarischer Arbeit ist. Mein Fraktionsvorsitzender hat darauf hingewiesen, daß wir die Sonthofener Strategie nicht zu unserer eigenen machen können — das widerspricht im übrigen auch sozialdemokratischem Selbstverständnis. Wir werden im Sinne des kooperativen Föderalismus — wir tragen j a in einer Reihe von Ländern Verantwortung —

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Noch! Nicht mehr lange, wenn Sie so weitermachen!)

    mit Ihnen zusammenarbeiten wollen. In einem Punkt, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, müssen wir von Ihnen Klarheit verlangen. Es kann nicht bei dem Bekenntnis bleiben, die Finanzautonomie der Gemeinden, die Finanzkraft der Gemeinden müsse gestärkt werden. Hier müssen Taten folgen. Hier müssen Sie Ihre Steuersenkungspläne bei der Vermögensteuer — eine reine Ländersteuer — noch einmal sehr gründlich überprüfen.
    Und schließlich drittens, damit Sie nicht meinen, wir wären in jedem Punkte Ihre Gefolgsleute

    (Dr. Stoltenberg [CDU/CSU]: Das habe ich nicht erwartet!)

    — das haben Sie nicht erwartet, das freut mich —: Wenn Sie es nicht schaffen, die Konjunkturbelebung zu ermöglichen — und hier fehlt jeder Ansatz in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers, jeder —, dann werden Sie die Nettokreditaufnahme von 40 Milliarden DM wie eine heilige Monstranz vor sich hertragen, und anschließend werden Sie Milliarden nachbessern, aber auf der falschen Seite. Wir wollen keine Kürzung der Arbeitslosenunterstützung. Sie muß so bleiben, wie sie ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen aber Menschen in Arbeit bringen. Dies ist der richtige Weg, und dies verlangen wir von Ihnen.



    Dr. Apel
    Wenn zum anderen eintritt, was die Auguren sagen

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Und Sie gerne hören!)

    und was die Koalitionsvereinbarung hergibt, daß nämlich erneut gegen das Prinzip der Gerechtigkeit verstoßen wird, daß Sie Lasten der Haushaltskonsolidierung einseitig den sozial Schwächeren aufbürden, daß Sie an die Stelle der Demokratie der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Gleichheit die Demokratie der Rabiaten setzen, dann werden Sie unseren entscheidenden Widerspruch finden. — Schönen Dank.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)