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    Plenarprotokoll 9/142 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 142. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1983 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten der Französischen Republik Präsident Stücklen 8977 A Ansprache des Präsidenten der Französischen Republik aus Anlaß des 20. Jahrestages der Unterzeichnung des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit François Mitterrand, Präsident der Französischen Republik 8978 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 8933* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 8933* B Anlage 3 Zahl der 1969 und 1982 nach dem Regierungswechsel in den einstweiligen Ruhestand versetzten Staatssekretäre und Ministerialdirektoren MdlAnfr 24 03.12.82 Drs 09/2226 Dr. Kübler SPD ErgSchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI auf ZusFr Dr. Kübler SPD 8994*A Anlage 4 Anwendung des Art. 66 GG auf alle Mitglieder der Bundesregierung MdlAnfr 3 03.12.82 Drs 09/2226 Scheer SPD ErgSchrAntw StMin Dr. Jenninger BK auf ZusFr Collet SPD 8994* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1983 8977 142. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1983 Beginn: 11.17 Uhr
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    Berichtigung 138. Sitzung, Seite 8673 C, Zeile 15: Der Zuruf des Abgeordneten Bindig (SPD) lautet richtig: „Entwicklungshilfe darf man nicht populistisch betreiben!". 134. Sitzung, Seite 8304 A, Zeile 3: Statt „Cronenberg" ist „Grunenberg" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 20. 1. Bahner 20. 1. Clemens 20. 1. Cronenberg 20. 1. Engholm 20. 1. Eymer (Lübeck) 20. 1. Dr. Feldmann 20. 1. von der Heydt Freiherr von Massenbach 20. 1. Dr. Kreile 20. 1. Kroll-Schlüter 20. 1. Müller (Bayreuth) 20. 1. Dr. Pohlmeier 20. 1. Rainer 20. 1. Rayer 20. 1. Frau Roitzsch 20. 1. Schmidt (Würgendorf) 20. 1. Schmöle 20. 1. Dr. Schwenk (Stade) 20. 1. Dr. Schwörer 20. 1. Seehofer 20. 1. Dr. Wendig 20. 1. Wimmer (Neuss) 20. 1. Frau Dr. Wisniewski 20. 1. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Abgeordnete Dr. Hoffacker hat am 21. Dezember 1982 als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Lampersbach die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 22. Dezember 1982 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 Postverwaltungsgesetz den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1983 übersandt. Der Voranschlag liegt im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 17. Dezember 1982 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt: Gesetz zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) Gesetz über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1982 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1982 - BBVAnpG 82) Gesetz zur Kürzung des Amtsgehalts der Mitglieder der Bundesregierung und der Parlamentarischen Staatssekretäre Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG 1983) Anlagen zum Stenographischen Bericht Drittes Gesetz zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes Drittes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung Gesetz zur Durchführung einer Straßenverkehrsunfallstatistik (Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz - StVUnfStatG) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 6. April 1974 über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen Gesetz zu dem Abkommen vom 14. Juni 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zaire über den Luftverkehr. Gesetz zu dem Abkommen vom 24. Juli 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Sri Lanka über den Luftverkehr Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes Drittes Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: 1. Zum Dritten Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes: Die Verkehrsminister und -senatoren der Länder haben am 16. November 1981 aufgrund der Ergebnisse der im Auftrag des Bundesministers für Verkehr durchgeführten Werkverkehrsuntersuchung einstimmig folgende Maßnahmen vorgeschlagen: - Herausnahme von Fahrzeugen bis 4 t Nutzlast aus der Kontingentierung, - Aufhebung der Kontingentierung für die Vor- und Nachläufe im innerdeutschen kombinierten Verkehr und Öffnung des Huckepackverkehrs für alle Nachfragenden, - Aufhebung des Fernverkehrstarifs für Fahrzeuge bis 4 t Nutzlast und Zulassung von Tarifvergünstigungen bei Beförderung im kombinierten Verkehr, - Aufhebung des Lizenzierungsverfahrens. Der Bundesrat stellt fest, daß der Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages diese gezielten kapazitäts- und tarifpolitischen Maßnahmen nicht enthält. In Anbetracht der besonderen Situation sieht der Bundesrat trotzdem davon ab, diese Vorschläge weiter zu verfolgen, damit die Neuregelung des Möbel- und Umzugsverkehrs noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Er bittet jedoch die Bundesregierung, diese Vorschläge sowie den weiteren Vorschlag einer Angleichung der Regelungen für den Abschluß von Sondervereinbarungen (§ 22 a GüKG) an die entsprechenden Bestimmungen der EVO und Artikel 5 der Margentarifverordnung 1174/68 des Rates der EG alsbald aufzugreifen. 2. Zum Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen: Zu § 74 Der Bundesrat ist der Auffassung, daß beim Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten nicht die Pflege auswärtiger Beziehungen im Sinne des Artikels 32 Abs. 1 GG, sondern die Rechtspflege im Vordergrund steht und daß damit die Verwaltungskompetenz nicht beim Bund, sondern bei den Ländern liegt. Unter Berücksichtigung der wegen seiner humanitären Aspekte als eilbedürftig angesehenen Verabschiedung des Gesetzes hat er jedoch von der Anrufung des Vermittlungsausschusses zur Änderung des § 74 abgesehen, da andernfalls die Gefahr bestünde, daß das Gesetz der Diskontinuität anheimfällt. Der Bundesrat geht dabei gestützt auf die Erklärung der Vertreter der Bundesregierung im Rechtsausschuß des Bundesrates von der Erwartung aus, daß die in § 74 Abs. 2 vorgesehene Zuständigkeitsvereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen alsbald und in ihrem Kernbereich entsprechend der derzeit geltenden Zuständigkeitsvereinbarung vom 20. Februar 1952 und ihren Ergänzungen neu abgeschlossen wird. 8994* Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1983 Anlage 3 Ergänzende Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die Frage des Abgeordneten Dr. Kübler (SPD) (Drucksache 9/2226 Frage 24, 135. Sitzung, Seite 8363 B, Anlage 2): 1. Seit dem Regierungswechsel am 4. Oktober 1982 wurden 12 Staatssekretäre und 30 Ministerialdirektoren in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Diese Zahl erfaßt den Zeitraum bis zum 28. November 1982, da im Hinblick auf eine ähnliche Frage des Herrn Kollegen Wallow dieser Stichtag einer Erhebung bei den obersten Bundesbehörden bereits zugrunde gelegt war. 2. Von den in Ihrer Frage genannten Beamten sind 10 Staatssekretäre und 14 Ministerialdirektoren nach dem Regierungswechsel am 22. Oktober 1969 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. In diesem Zusammenhang muß festgestellt werden, daß die größte Regierungspartei nach dem Regierungswechsel 1969 bereits seit 1966 in starkem Maße in der Bundesregierung vertreten war. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Jenninger auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Collet (SPD) zur Frage des Abgeordneten Scheer (SPD) (Drucksache 9/2226 Frage 3, 136. Sitzung, Seite 8411 D): Ihre Frage ist mit Nein zu beantworten. Herr Dr. Geißler übt das Amt des Generalsekretärs der CDU als Ehrenamt aus und erhält dafür kein Entgelt. Es fehlt an einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, das Grundlage einer Versicherungspflicht, und an einem Entgelt, das Grundlage für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen sein könnte.
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    Herr Bundestagspräsident! Herr Bundespräsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist für mich eine große Ehre, von den Vertretern gerade dieses Volkes und aus Anlaß eben dieses Ereignisses in diesem Hohen Hause empfangen zu werden. Dies macht mich stolz und dankbar vor der Geschichte und vor Ihnen.
    Das Ereignis, das wir feiern, ist von anderen vollbracht worden. Uns ist aufgetragen, es fortzusetzen, und fortsetzen heißt, die praktischen Anwendungen schaffen, die sich ganz natürlich aus dem Ablauf der Zeit ergeben.
    Wer hätte sich nach so vielen Kämpfen vorzustellen vermocht, daß eines Tages in diesem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts Deutschland und Frankreich gemeinsam den Jahrestag nicht etwa einer Schlacht, eines Waffenstillstands oder eines Friedensvertrags, sondern den Jahrestag der Aussöhnung feiern würden? Wieviel Zeit und Anstrengung, wie viele Menschenleben sind doch geopfert worden in einer Konfrontation, in der mal der eine, mal der andere siegreich blieb und deren Siege immer trügerisch waren, den Sieger dazu verurteilten, auf Blut zu bauen, den Besiegten, auf Rache zu sinnen: Kriege von Völkern auf dem Weg in die Seßhaftigkeit, Religionskriege, Fürstenfehden, Bruderkriege, Massenkriege, Bürgerkriege. Erst grausamstes Unglück, barbarische Diktaturen, ein besetztes Frankreich, ein zerstückeltes Deutschland, ein geteiltes, verheertes, ausgeblutetes Europa haben es vermocht, daß sich die Europäer — und vor allen anderen Deutsche und Franzosen — gemeinsam aufrafften in dem Willen, solches Unheil künftig zu verhüten.
    Man stellt sich Fragen: Woher rührte denn die selbstverständliche Regelmäßigkeit des Unglücks, das schließlich unsere beiden Völker nach Ihren Worten, Herr Präsident, zu Erbfeinden machte, getrennt von einem ins tiefste Volksbewußtsein eingegrabenen Haß?
    Doch selbst in den schlimmsten Augenblicken gab es einen herrlichen Kontrapunkt zu diesen langen Katastrophen: Die besten unserer Schaffenden und Künstler haben niemals aufgehört, aufeinander zu wirken, die Kapitel eines fast einmaligen Dialogs zu schreiben, der mal herzzerreißend, mal beruhigend, immer aber bestimmend gewesen ist. Dialog der Schatten? — Dialog der großen Toten, die Ihrer Geschichte ebenso wie der unsrigen ihren Stempel aufdrückten! Lassen Sie mich hier nur kurz Victor Hugo zitieren, der 1842 für Deutschland und Frankreich den Ausdruck „innige Verbindungen", ja sogar „Blutsgemeinschaft" benutzte und hinzufügte: „Schlössen sich Frankreich und Deutschland zusammen, es bedeutete den Frieden der Welt". Eine Aufzählung wäre unerschöpflich, wäre ein Strom, der gewiß vielerlei Wasser mit sich führt und in den schlimmsten Augenblicken manch fruchtbaren Geist hinwegraffte.
    Indessen gibt es keine Disziplin, gibt es keinen Bereich, in der französische Schöpferkraft ihre Größe hätte erreichen können, wäre da nicht Deutschland gewesen, und wo deutsche Schöpferkraft ihre Stärke hätte erlangen können, wäre da nicht Frankreich gewesen.
    Eine ganze Geschichte, die Geschichte Europas, begleitet die Drangsal der deutsch-französischen Beziehungen, in deren Gefolge es aber eben auch großartige Erfindungen und Forschungen gegeben hat in der Kultur, in der Literatur, im geistigen Leben, in Kunst, Musik, Sprache, Architektur, in Städtebau und Wissenschaft, in Philosophie, Wirtschaft und Technik. Über die Jahrhunderte ist in Europa eine gewaltige Zivilisation, die unsrige, entstanden mit ihrem ganz eigenen Genius und strahlte in die Welt.
    Meine Damen und Herren Abgeordneten, es gibt kein unausweichliches Schicksal. Und unsere Völker wissen das sehr wohl, sie, die heute den Frieden als das höchste Gut betrachten, nachdem ihre Eltern und Großeltern so oft an der Front, im Schlamm der Schützengräben, im Widerstand, in den Lagern, in den Befreiungsarmeen den Tag ersehnt hatten, an dem Frankreich und Deutschland in gegenseitiger Achtung endlich in gutem Einvernehmen leben würden. Aus dieser Sehnsucht gingen der Völkerbund und dann die Organisation der Vereinten Nationen hervor, und die Nachwelt erfährt, daß unsere Konflikte Institutionen, Mechanismen der Verteidigung und des Schutzes des Friedens ins Leben riefen und daß unsere Auseinandersetzungen der Vorstellung von einer organisierten Welt zumindest Vorschub geleistet haben, wenngleich immer noch viel zu tun bleibt.
    Gedenken wir einen Augenblick lang derer, die nicht mehr unter uns weilen, verneigen wir uns vor dem Werk der hier Anwesenden und all der Lebenden, all derer, denen wir Europa und die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland verdanken. Gedenken wir derer, die diesem Vertrag schon gleich nach Kriegsende den Weg bereitet haben; derer, die ihn unterzeichnet haben; derer, die ihm in der Folgezeit Leben eingeflößt haben: Staatspräsidenten, Premierminister, Bundeskanzler, alle deutschen Bundeskanzler, große Parlamentarier, Soldaten, hohe Beamte, all das getragen von mächtigem Volkswillen.
    Erinnern wir uns der Stunde eines Konrad Adenauer, eines Jean Monnet, eines Robert Schuman, der Männer, die auftraten im Augenblick, da das Schicksal innehält, ehe es sich zum Guten oder zum Bösen wendet. Als die Stunde der Entscheidung gekommen war; wußten diese außergewöhnlichen Männer zu handeln. Verneigen wir uns vor ihrer Vorstellungskraft, ihrer ruhigen Entschlossenheit, vor dem Werk, das sie uns hinterließen!
    Nachdem wir allzu lange das traurige Beispiel sich zerfleischender Nachbarvölker gegeben haben, können wir an diesem Morgen eine Harmonie feiern, die seit nunmehr über 30 Jahren anhält, einen Vertrag, der heute 20 Jahre alt wird und überall in unserer unruhigen und bedrohten Welt Beispiel sein kann.



    François Mitterrand, Präsident der Französischen Republik
    Ich habe die Toten geehrt, aber auch die Lebenden, jene Lebenden, denen mein Gruß gilt, denn von den großen Baumeistern sind einige heute auch in diesem Saal. Andere konnten nicht hierher kommen, empfinden jedoch in diesem Augenblick die Symbolkraft und Wirklichkeit, die Ausdruck findet im Deutschen Bundestag. Jawohl, ehren wir die Menschen, die den Mut zum Willen und zur Tat fanden.
    Und da wir den Vertrag von 1963 feiern, ehren wir bei Ihnen das Andenken an Bundeskanzler Adenauer, bei uns an General de Gaulle. Sie gehörten zu den Generationen, die sich schon 1914 gegenüberstanden und die in den dunklen Jahren von 1939 bis 1945 eine bestimmte Vorstellung von der Freiheit der Völker, von Demokratie und nationaler Unabhängigkeit hochhielten.
    Der Aussöhnung, die zu ehren mir hier heute zufällt, gaben sie eine zugleich feierliche und praktische Form. Diese Aussöhnung begann bereits 1947 auf dem Europäischen Kongreß von Den Haag, und sein Ziel war es, um es mit den Worten des Vertrages zu sagen, „eine Jahrhunderte alte Rivalität zu beenden, ein geschichtliches Ereignis, das das Verhältnis der beiden Völker von Grund auf neugestaltet". Die Bestimmungen des Vertrages vom 22. Januar 1963 über die Organisation und Grundsätze der Zusammenarbeit sind in unseren beiden Ländern als unerläßliche Etappe auf dem Wege zum vereinten Europa begriffen worden. Es baut auf dem Bewußtsein der Jugend auf und auf der „engen Solidarität", die „die beiden Völker sowohl hinsichtlich ihrer Sicherheit als auch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung miteinander verbindet". Auf diese beiden Aspekte werde ich gleich zurückkommen.
    Doch wie könnte ich Bilanz ziehen ohne zu erwähnen, wieviel seit Vertragsschluß geschehen ist und wie sehr und wie nützlich unsere Volkswirtschaften und unsere Gesellschaften inzwischen miteinander verwoben sind? Der Handel zwischen uns zeigt es, ist er doch wertmäßig in Europa bilateral der größte und in der Welt der drittgrößte. Jeder von uns beiden ist für den andern der größte Handelspartner. Im industriellen Bereich haben wir mit anderen oder alleine die Ariane, den Airbus, die Fernsehsatelliten Symphonie verwirklicht und bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie und auf dem Gebiet der Rüstung zusammengearbeitet. Es gibt die Zusammenarbeit in der Wirtschaft, aber es gibt auch die Zusammenarbeit unter den Parlamentariern, und es gibt die kulturelle Zusammenarbeit. Über 1 300 Städtepartnerschaften sind geschlossen worden. Über 5 Millionen junge Menschen haben unter der Ägide des Deutsch-Französischen Jugendwerks am Austausch teilgenommen. 24 % der französischen Schüler lernen Deutsch, 25 % der deutschen Schüler lernen Französisch. 2 400 französische Studenten sind an den Universitäten Ihres Landes immatrikuliert und 2 900 deutsche Studenten an den unsrigen. Soeben ist in Paris ein Informations- und Forschungszentrum über das zeitgenössische Deutschland eröffnet worden.
    Das sind nur wenige Beispiele. Unsere hohen Beamten, unsere Geschäftsleute, unsere Industriellen, unsere Forscher, unsere Lehrer, unsere Journalisten treffen sich häufig. Vergleich und Abstimmung sind uns zur zweiten Natur geworden, sind ein Grundelement im Alltag unserer Gesellschaften.
    Und doch: wieviel bleibt noch zu tun! In erster Linie im kulturellen Bereich, wo wir noch viel ehrgeiziger werden könnten, vor allem aber bei der wissenschaftlichen, technischen, industriellen Zusammenarbeit. Das sind die Ziele, die in den kommenden Jahren unserer Zusammenarbeit aufgegeben sind.
    Im Bewußtsein des Erreichten und mit dem festen Willen, dieses Werk fortzusetzen, müssen wir gemeinsam Antworten finden auf die Fragen:
    — Wie stellt sich uns heute das Problem unserer Sicherheit dar, und wie kann sich unsere Solidarität hier äußern?
    — Welche Zukunftsperspektiven können wir für die Gemeinschaft aufzeigen?
    Meine Damen und Herren Abgeordneten, der Zustand der Welt rückt für jeden, der Verantwortung trägt, die Frage der Sicherheit und damit der Verteidigung in den Vordergrund. Unsere Zugehörigkeit zu ein und demselben Bündnis — ich wiederhole: zu ein und demselben Bündnis —, unsere geographische Nachbarschaft, die Verpflichtungen, die wir insbesondere mit dem Vertrag von 1963 übernommen haben, veranlassen mich, heute vor Ihnen über die Formen zu sprechen, die unsere Solidarität unter den gegebenen Kräfteverhältnissen in der Welt annehmen kann.
    Natürlich spreche ich für Frankreich. Ich sage Ihnen, ich bin gekommen, Ihnen zu sagen, was Frankreich will und denkt, und ich habe ganz und gar nicht die Absicht, mich etwa zu Ihrem Sprecher zu machen. Dennoch: um für sich selbst feststellen zu können, was Sie sein wollen, müssen Sie wissen, was wir sind.
    Nach den leidenschaftlichen Kontroversen der Nachkriegszeit über die Organisation der Sicherheit und Verteidigung in Europa hat der ElyséeVertrag sehr präzise Bestimmungen aufgestellt, deren wichtigste ich erwähnen möchte:
    — Annäherung der militärischen Auffassungen, um zu gemeinsamen Konzeptionen zu gelangen. So steht es im Vertragstext; diese Formulierung stammt nicht etwa von heute.
    — Regelmäßige Treffen der Verteidigungsminister alle drei Monate, der Generalstabschefs alle zwei Monate.
    — Personalaustausch zwischen den Streitkräften der beiden Länder.
    — Gemeinschaftsarbeit auf dem Gebiet der Rüstung vom Stadium der Ausarbeitung geeigneter Rüstungsvorhaben an.
    — Zusammenarbeit im Bereich des zivilen Bevölkerungsschutzes.
    Die bloße Aufzählung dieser Verpflichtungen zeigt im Vergleich zum Erreichten, daß bis zu ihrer



    François Mitterrand, Präsident der Französischen Republik Verwirklichung noch ein beträchtliches Stück Weges zu gehen bleibt.
    Tatsächlich setzte nach Unterzeichnung des Vertrages in den internationalen Beziehungen und insbesondere in den Ost-West-Beziehungen eine Periode ein, die unsere beiden Länder neue Entscheidungen treffen ließ: strategische Unabhängigkeit für Frankreich, Ost-Verträge für die Bundesrepublik Deutschland. Diese Entscheidungen waren nicht gegensätzlich, aber sie hätten ohne die intelligente Sorgfalt der damaligen Verantwortlichen durchaus Risiken für die deutsch-französische Zusammenarbeit bedeuten können. Indes haben sie ganz im Gegenteil intensive Konsultationen zur Folge gehabt. Und in voller Achtung der jeweiligen Optionen haben die diplomatische Abstimmung und die Zusammenarbeit im Rüstungsbereich zwischen unseren beiden Ländern ungeahnte Ausmaße angenommen. 20 Jahre lang haben wir gelernt, für eine gemeinsame Sicherheit zusammenzuarbeiten.
    In dieser ganzen Zeit herrschte, trotz zahlreicher Spannungen, Friede zwischen den beiden größten Mächten und standen sie in fast ununterbrochenem Dialog. Aber das Gleichgewicht zwischen ihnen hat sich niemals wirklich eingependelt, immer wieder hat die eine die andere überholt, und in letzter Zeit hat sich diese Lage noch verschlechtert. Zur Verdeutlichung mögen zwei Beispiele genügen: die Besetzung Afghanistans, die Ereignisse in Polen.
    Europa seinerseits erlebte ein Anwachsen von Menge und Qualität der auf seinem Boden stationierten oder auf sein Gebiet gerichteten Waffen. Die sowjetische konventionelle Überlegenheit und die schon lange bestehende Stationierung von Mittelstreckenraketen hatten zur Folge, daß die in Europa stationierten und darum „vorgeschobene Systeme" genannten amerikanischen Flugzeuge vervollkommnet wurden. Die Sowjetunion hat dies zum Vorwand genommen, um neue bewegliche Raketen mit drei Sprengköpfen, 5 000 km Reichweite und erhöhter Treffsicherheit aufzustellen. 5 000 km Reichweite — das reicht bis nach Europa, nicht aber bis zum amerikanischen Kontinent.
    Die Mitglieder des integrierten NATO-Oberbefehls reagierten darauf mit dem sogenannten „Doppelbeschluß", der Verhandlungen über Nuklearwaffen mittlerer Reichweite auf dem europäischen Kontinent vorsieht, Verhandlungen, von deren Ausgang es abhängt, ob und wie viele neue amerikanische Raketen ab Dezember 1983 stationiert werden sollen. Ich erinnere an diese Tatsachen, die Ihnen bekannt sind. Aber da wir zu unseren Völkern sprechen, muß man schon an die Abläufe erinnern, wenn man Lösungen für heute verstehen will.
    Meine Damen und Herren, unsere Völker hassen den Krieg, unter dem sie und die anderen Völker Europas so viel gelitten haben. Frankreich läßt sich von einer einfachen Idee leiten: Der Krieg muß unmöglich bleiben, und jeder, der sich mit kriegerischen Gedanken trüge, muß davon abgeschreckt werden.
    Unsere Analyse und unsere Überzeugung — ich spreche von Frankreich — lautet, daß die Kernwaffe als Instrument dieser Abschreckung, ob man das nun wünscht oder bedauert, die Garantie des Friedens bleibt, ein Kräftegleichgewicht vorausgesetzt. Nur dieses Gleichgewicht kann im übrigen zu guten Beziehungen mit den Völkern des Ostens führen, unseren Nachbarn und unseren Partnern in der Geschichte. Es war die tragfähige Grundlage für die Entspannung. Dieses Gleichgewicht hat es Ihnen erlaubt, Ihre Ostpolitik ins Werk zu setzen. Es hat die Abmachungen von Helsinki ermöglicht.
    Indessen setzt die Aufrechterhaltung dieses Gleichgewichts in meinen Augen voraus, daß nicht etwa ganze Regionen Westeuropas sehr konkret auf sie gerichteten Kernwaffen schutzlos gegenüberstehen. Wer immer auf „Abkoppelung" des europäischen Kontinents vom amerikanischen setzt, stellt unserer Meinung nach das Gleichgewicht der Kräfte und damit die Erhaltung des Friedens in Frage. Ich meine und ich sage, daß diese „Abkoppelung" als solche gefährlich ist, und mein innigster Wunsch geht dahin, daß es in den Genfer Verhandlungen gelingen möge, eine Gefahr zu beseitigen, die ganz ausgeprägt auf den europäischen Partnern lastet, die keine Atomwaffen besitzen.
    Aus diesem Grunde muß die gemeinsame Entschlossenheit und die Solidarität der Mitglieder des Atlantischen Bündnisses eindeutig bekräftigt werden, damit die Verhandlung gelingt — gelingt! —, und dies ist die notwendige Voraussetzung für die Nichtstationierung der im Doppelbeschluß vom Dezember 1979 genannten Waffen.

    (Lebhafter Beifall im ganzen Hause)

    Was wir — und was Sie — vor allem wollen, ist der Friede. Der Friede ist nur durch Verhandlung möglich. Denjenigen, die verhandeln, ist aufgetragen, die Wege zur unerläßlichen Harmonie zu bereiten. Verweigert sich dem auch einer der Verhandlungspartner, dann kann eine Einigung nicht zustande kommen. Die Bedingungen dieses notwendigen Gleichgewichts müssen erhalten bleiben, und die beteiligten Völker müssen die Gewißheit haben, daß sie nicht unter die Last einer möglichen Fremdherrschaft geraten.
    Es ist im Bewußtsein dieser Solidarität, glauben Sie mir das, daß Frankreich in der Bundesrepublik Deutschland einen beträchtlichen Teil der ersten französischen Armee unterhält, für die wir gerade untersuchen, wie wir ihre Beweglichkeit und Feuerkraft erhöhen können. Und insbesondere in Berlin bekräftigt Frankreich, daß es zu allen seinen Verantwortlichkeiten steht und stehen wird.

    (Lebhafter Beifall im ganzen Hause)

    So begreifen wir die Verteidigung unseres Territoriums und unserer Lebensinteressen und erklären uns zugleich als loyaler Partner des Atlantischen Bündnisses und treuer, pflichtbewußter Freund der Bundesrepbulik Deutschland.

    (Lebhafter Beifall im ganzen Hause)

    Doch man verstehe mich richtig — und hierin
    schlägt sich die Unterschiedlichkeit der Lage nie-



    François Mitterrand, Präsident der Französischen Republik der, einer Lage, die nicht wir erfunden haben, sondern die das Ergebnis der Geschichte ist. Frankreich, das an den Genfer Gesprächen nicht teilnimmt und nicht teilnehmen wird, läßt den Unterhändlern freie Hand. Jeder muß selbst entscheiden, was an den neuerlichen Vorschlägen gut oder was daran unzureichend ist.
    Wie Sie am Ausgang der Verhandlungen interessiert, richtet Frankreich seine Beurteilung nach einigen einfachen Gegebenheiten, die ich hier kurz ins Gedächtnis rufen möchte.
    Erstens: Nur Vergleichbares darf man vergleichen — Waffentyp, Feuerkraft, Treffsicherheit, Reichweite.
    Zweitens: Zwischen zwei Ländern, die sich gegenseitig, wenn ich so sagen darf, mehrmals zerstören können — und dies gilt für die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion —, und Ländern wie dem meinigen, das im wesentlichen einem eventuellen Angreifer nur die Hoffnung nehmen kann, er könnte aus einem Krieg Vorteile ziehen, besteht ein ungeheurer, ein wesenhafter Abstand. Lassen Sie mich das konkreter damit ausdrücken, daß eine der beiden Großmächte, auch wenn sie alle ihre Mittelstreckenraketen vernichten würde, immer noch Tausende von Raketen übrig behielte; Frankreich aber würde in einem solchen Fall ein entscheidendes Element seiner Abschreckungskapazität verlieren und damit der Garantie seiner Sicherheit verlustig gehen, die unterhalb einer gewissen Schwelle nicht mehr gegeben wäre.
    Drittens: Die französische Kernstreitmacht ist und bleibt unabhängig. Diese Unabhängigkeit und alles, was daraus folgt, ist nicht nur ein Grundprinzip unserer Souveränität — die Entscheidungsbefugnis liegt einzig und allein beim Präsidenten der Französischen Republik —, sondern sie erhöht auch — und das bitte ich Sie zu bedenken — die Unsicherheit für einen eventuellen Aggressor und nur für ihn. Damit macht sie zugleich die Abschreckung wirksamer und sorgt mithin dafür — ich wiederhole es —, daß der Krieg unmöglich bleibt.
    Aus diesen präzisen und ernsthaften Gründen erkläre ich, daß die französischen Streitkräfte von den beiden überrüsteten Mächten nicht in die Genfer Verhandlungen einbezogen werden können. Da soll doch Frankreich — wie Großbritannien, das für sich selbst zu entscheiden hat — dazu herhalten, daß in einen Topf geworfen wird, was nicht in einen Topf gehört. Es geht nicht an, daß wir von den beiden überrüsteten Mächten angerechnet werden, und jede Abmachung, die auf einer solchen Rechnung aufgebaut wäre, würde von meinem Land entschieden abgelehnt. Das wäre letztlich auch für den Frieden in Europa schädlich. Die 38 Jahre Frieden, die wir in Europa erlebt haben, sind — mag man es nun begrüßen oder bedauern — der Abschreckung zu verdanken. Gewiß ist es sehr bedauerlich, daß sie nur ihr zu verdanken sind, nur dem Gleichgewicht des Schreckens. Man stelle sich einmal vor, an welchen Punkt die Menschheit gelangt ist. Ich wiederhole, es ist bedauerlich, daß der Frieden nur dem zu verdanken ist und nicht einer rationaleren und zufriedenstellenderen Form kollektiver Organisation der Sicherheit, die selbstverständlich wünschenswert bleibt. Aber solange dem allem so ist — und wir wünschten, daß ihm anders wäre —, solange sich die Organisation der kollektiven Sicherheit nicht durchgesetzt hat, wie könnten wir uns da dieses Mittels der Konfliktverhütung begeben?
    Dazu ist eine militärische Anstrengung unseres Landes nötig, die die Franzosen, glaube ich, begreifen und unterstützen, und die fortgesetzt werden wird. Niemand kann in diesem Punkt an der Entschlossenheit des Präsidenten der Französischen Republik zweifeln. Das französische Militärprogramm für die Jahre 1984-88, das in unserem Parlament in diesem Halbjahr beraten wird, wird diesen Willen in operative Kategorien fassen.
    Wer könnte die Augen verschließen vor den positiven Folgen dieser Anstrengungen für den Frieden in Europa? In diesem Geiste haben wir vor kurzem den Teil des Elysée-Vertrages mit Leben zu erfüllen begonnen, der bislang toter Buchstabe geblieben war. Bei selbstverständlicher Berücksichtigung der unterschiedlichen Lage unserer beiden Länder haben wir den Willen und den Ehrgeiz, in diesem Bereich wie in den anderen aufeinander zu hören, wir, Franzosen und Deutsche, und uns zu konsultieren. Nichts von dem, was das Leben und die Sicherheit Deutschlands berührt, kann ohne Deutschland behandelt werden — wir wollen aufeinander hören, uns konsultieren und uns verstehen.
    Zum andern müssen wir uns in Europa über das deutsch-französische Paar hinaus um die Wiederherstellung größeren Vertrauens bemühen. Die derzeitige Konferenz in Madrid beispielsweise wird hoffentlich und trotz der bisherigen Enttäuschungen zu jener Konferenz über die Abrüstung in Europa führen, die die Gesamtheit dieses Kontinents vom Atlantik bis zum Ural umspannt und die grundsätzlich von der Sowjetunion, woran ich erinnern möchte, schon akzeptiert worden ist.
    Ich möchte nun dieses Thema verlassen, wenn es auch weiterhin Hauptgegenstand unserer Sorge ist, und den dritten und letzten Teil dieser Ausführungen der Erörterung der Situation der Europäischen Gemeinschaft widmen, an deren Aufbau Deutschland und Frankreich bekanntlich entscheidenden Anteil genommen haben.
    Die Gemeinschaft hat seit 1958 auf dem von den Verträgen vorgegebenen Weg Fortschritte erzielen können. Ohne die Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern wäre nichts möglich gewesen. Wenn wir auf die vergangenen zwanzig Jahre und mehr zurückblicken, so ist die zurückgelegte Wegstrecke trotz aller aufgetretenen Schwierigkeiten eindrucksvoll. Und doch geraten wir heute immer tiefer in das unbekannte Dunkel der Krise.
    Für 1984 sagen Fachinstitute 35 Millionen Arbeitslose in den Industrieländern voraus. In den 10 Ländern unserer Gemeinschaft sind es bereits über 11 Millionen. Zu einem großen Teil sind es Jugendliche, denen wir nach Jahren des Lernens und der Ausbildung als Einstieg in das Berufsleben nichts



    François Mitterrand, Präsident der Französischen Republik als die Unterstützung der Volksgemeinschaft zu bieten haben.
    Unter diesen Umständen besteht die Gefahr, daß jeder sich auf sich selbst zurückzieht, sich an seinem fragwürdigen Vorteil festklammert. Unseren Gesellschaften drohen Zersplitterung und Brüche, und wir müssen uns an die Auflösungserscheinungen erinnern, die in den dreißiger Jahren in unseren Ländern auftraten.
    Und während unsere Unternehmen einer unerbittlichen Konkurrenz ausgesetzt sind, während unsere Arbeitnehmer, die noch Beschäftigung haben, in Angst vor der Arbeitslosigkeit leben, während sich unsere Mitbürger Sorgen um ihre eigene Zukunft und die ihrer Kinder machen, da, meine Damen und Herren, beschäftigt sich Europa mit seinen Haushaltsquerelen! In Wirklichkeit besteht das Wesen der Krise — von der nicht nur Europa betroffen ist, so banal das klingt — im technologischen Wandel.
    Ich stelle fest, daß in vielen zukunftsträchtigen Bereichen die Europäer weit ins Hintertreffen geraten sind, weil sie sich bei ihren Forschungsanstrengungen verzettelt haben, weil sie immer mehr Investitionen getätigt haben, die auf Doppelarbeit hinausliefen. Gerade das japanische Beispiel zeigt, daß es keinen unaufholbaren Rückstand gibt, wenn man nur alle Anstrengungen unternimmt, und zwar um so größere, je größer der Rückstand ist. Auch in diesem Bereich, meine Damen und Herren, ist die Entwicklung nicht schicksalhaft. Vor allem gibt es keinen schicksalhaften Niedergang Europas, das etwa dazu verurteilt wäre, zuzuschauen, wie westlich und östlich des Pazifiks neue Sterne am Wirtschaftshimmel aufgehen, eines Europas, das seine Geschichte und seine Erde aufgibt, die Arme hängen läßt, abwesend, vergessen, und das im Laufe der Zeit einen solchen Bevölkerungsschwund hinnähme, daß es auf der internationalen Bühne keine Rolle mehr spielte. Aber ich wiederhole: Europa kann einen industriellen Wiederaufschwung nehmen, wenn es nur will. Und unsere Völker erwarten von uns — das ist meine Überzeugung —, daß wir etwas gegen die jetzige Entwicklung unternehmen; und wenn sie es nicht erwarten würden, so wäre es unsere Pflicht, darauf zu sprechen zu kommen und sie in eine Zukunft zu führen, wie wir sie uns wünschen.
    Aber wie sollen wir uns wieder fangen, wenn wir nicht die nötige Dimension besitzen? Eine Stimme, die stark genug ist? Für mich, für uns, ist diese Dimension die europäische Dimension. Kehren wir jenen Verhaltensweisen den Rücken, die Europa in fruchtlosen Familienzwist stürzen. Es geht nicht darum, die berechtigten Interessen eines jeden, den Wettbewerb zu vergessen, sondern sie in eine neu gewonnene Dynamik der europäischen Einigung einzubringen.
    Letzten Endes beruht die Gemeinschaft wie alle kraftvollen Ideen auf zwei sehr einleuchtenden Prinzipien: dem inneren Zusammenhalt und der gemeinsamen Identität nach außen. Ohne den europäischen Zusammenhalt gibt es nur noch isolierte
    Staaten. Ohne Identität nach außen verlieren wir uns in einer riesigen, umrißlosen Freihandelszone.
    Damit die Gemeinschaft als solche existiert, müssen wir uns nach meiner Ansicht von vier Grundsätzen leiten lassen, und wenn wir sie anwenden, können wir darauf unseren Erfolg bauen: Einheit des Marktes, Gemeinschaftspräferenz, Entwicklung gemeinsamer Politiken, Solidarität. Diese Grundsätze — das ist hinzuzufügen —, gehören untrennbar zusammen.
    So regt die Einheit des Marktes Wettbewerb und Initiative an. Den europäischen Unternehmen steht ein großer Binnenmarkt als Grundlage zur Verfügung, von dem aus sie ihre Marktposition in der Welt festigen oder verbessern können. Wie sollten sie dies tun können, wenn sich die Gemeinschaft nicht einige wesentliche Ziele für ihren industriellen Wiederaufschwung setzt und nicht beschließt, die notwendigen Mittel dafür bereitzustellen, die Annäherung zwischen Firmen zu erleichtern, gemeinsame Maßnahmen in so grundlegenden Bereichen wie Forschung und Ausbildung durchzuführen? Dasselbe gilt für die Gemeinschaftspräferenz, die für uns kein Synonym für Protektionismus ist, sondern einfach die existentielle Voraussetzung für eine wirkliche Gemeinschaft.
    Lassen wir uns nicht von ungerechtfertigter Kritik oder von unzulässigen Pressionen beeinflussen. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist im Welthandel gegenwärtig der offenste Zusammenschluß und die größte Handelsmacht. Als solche muß sie — lassen Sie mich Ihnen diesen Gedanken darlegen —, wieder in die Offensive gehen, und zwar nicht nur, um ihre berechtigten Interessen zu vertreten, sondern auch um Vorschläge für dauerhafte Grundlagen eines Wiederaufschwungs des Welthandels zu unterbreiten. Mit anderen Worten: es kann weder eine Europäische Gemeinschaft noch europäisches Handeln geben ohne die Vertretung einer gemeinsamen Handelspolitik auch gegenüber der Dritten Welt.
    Und so ist es auch bei der Entwicklung gemeinsamer Politiken. Ich glaube, wir kommen zum Erfolg, wenn wir die einzige wirklich existierende gemeinsame Politik, nämlich die Agrarpolitik, konsolidieren und mit Vernunft gestalten. Ich will damit sagen: wenn man Europa schaffen will, darf man nicht damit beginnen, daß man das Bestehende abschafft.
    Wir sollten besser hinzufügen, was wir an Neuem schaffen können, wenn dies nötig ist.
    Europa hat in der Tat im Agrarbereich eine bestimmte Dimension angenommen — je nachdem, ob man ein großes oder ein kleineres Land ist, wird man sie unterschiedlich beurteilen —, jedenfalls eine Dimension — und das ist eine objektive Tatsache —, die mit der des amerikanischen Marktes vergleichbar ist. Wie die Vereinigten Staaten von Amerika, aber mit weniger Kosten und weniger Interventionen, schützt sie die Interessen ihrer Landwirte, gibt sie diesen die Gewißheit, daß die Landwirtschaft Teil der Zukunft unserer Völker und unserer Kulturen ist. Ich glaube, daß das recht und bil-



    François Mitterrand, Präsident der Französischen Republilk lig ist für die Bauern. Jedenfalls ist das für unsere Länder wünschenswert. In einem Parlament, in dem viele Abgeordnete aus ländlichen Regionen sitzen, wird man mir nicht widersprechen; das hoffe ich jedenfalls.
    Diese Regeln, meine Damen und Herren, müssen für alle unsere Landwirte gelten. Deshalb ist es notwendig, einen Ausgleich zu schaffen zwischen den Bauern im Norden und im Süden und für noch vernachlässigte Produktionszweige, die man nicht den Wechselfällen der Natur aussetzen darf, Garantien einzuführen.
    Sie müssen im weltweiten Rahmen ihren Platz bekommen; in der europäischen Außenwirtschaftspolitik im Agrarbereich brauchen wir die Fähigkeit zu langfristigen vertraglichen Abmachungen und Planungen. Ich glaube zu wissen, daß dies unseren Partnern in der Welt bewußt ist.
    Und so verhält es sich auch bei der industriellen Dimension. Hier müssen wir die Zusammenarbeit zwischen großen Firmen unserer und anderer Länder fördern, insbesondere in den zukunftsträchtigen Bereichen. Wird der europäische Markt zur geschlossenen Arena der Konkurrenz gegen die amerikanischen und japanischen Marken, die über europäische Tochtergesellschaften am Wettbewerb teilnehmen? Die Gemeinschaftspräferenz, die eine der Grundlagen für das Europa des Handels und der Landwirtschaft war, wird dazu beitragen — davon bin ich überzeugt —, das neue Europa der Industrie zu schaffen, das ich mir wünsche.
    Den währungs- und finanzpolitischen Zusammenhalt müssen wir verstärken. Er wird denen mehr Stabilität und Sicherheit bringen, die große Investitionsvorhaben zu einem Zeitpunkt durchführen, da die weltweiten Aussichten so wenig ermutigend sind. Das Europäische Währungssystem kann und muß erhalten und ausgeweitet werden. Es wäre ferner gut, es an ein umfassenderes System anzubinden, wie dies in der Nachkriegszeit bis 1971 der Fall war. Und Europa hat heutzutage die Möglichkeit, auf den internationalen Finanzmärkten Anleihen aufzunehmen und die Gelder zur Unterstützung produktiver Investitionen großer und kleiner Unternehmen oder zum Aufbau einer modernen Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur einzusetzen. Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, dieses neue Gemeinschaftsinstrument stärken und vorrangig für Eigenvorhaben der Länder der Gemeinschaft verwenden.
    Und schließlich die Solidarität, vor allem die finanzielle Solidarität. In Krisenzeiten, in einer Phase des — milde gesagt — Nullwachstums oder des schwachen Wachstums wird die Lösung der Finanz- und Haushaltsprobleme natürlich für jeden schwieriger. Entschuldigt das hinreichend die Tatsache, daß das Wort vom gerechten Mittelrückfluß mehr und mehr die europäischen Debatten beherrscht? Lassen sich die Vorteile und Kosten, die sich für jeden aus seiner Zugehörigkeit zur Europäischen Gemeinschaft ergeben, auf ein bloßes Haushaltskalkül reduzieren? Müssen neue Spielregeln erarbeitet werden? Ich glaube j a, vorausgesetzt, daß dabei sowohl alles, was die Gemeinschaft bringt, als auch das, was eine Neubelebung der Gemeinschaft bringen könnte, berücksichtigt wird. Im Lichte dieser neuen Einsicht müssen sowohl die Regional- und Sozialausgaben als auch die Agrarausgaben geprüft werden. Und ich meine, daß die Möglichkeiten jedes einzelnen möglichst weitgehend berücksichtigt werden müssen. Ich habe im vergangenen Jahr mit der deutschen Führung wichtige, nützliche und fruchtbare Gespräche geführt, und aus dieser Diskussion, die immer freundschaftlich geblieben ist, werden wir hoffentlich das Beste machen. Im Lichte dieser neuen Einsicht werden wir bei unseren Haushaltsmaßnahmen vermehrt auf finanzielle Maßnahmen zurückgreifen: Darlehen, Zinsvergünstigungen, Entwicklungsförderung, gemeinsame Maßnahmen im Energie- und Industriebereich.
    Ich kann dieses Thema hier vor dem Deutschen Bundestag nicht abschließen, ohne ausführlich auf die Institution, Verfahrensweisen und politischen Maßnahmen einzugehen, in denen wir unsere Anstrengungen vereinen und das Fundament für die Zukunft legen. Denn über die finanzielle Solidarität hinaus gibt es die Solidarität zwischen den Menschen und den Völkern. Beim Kampf gegen die Armut, gegen das Leid von einzelnen, Familien und ganzen Regionen ist die Beteiligung der Gemeinschaft unerläßlich. Wir müssen einsehen, daß weder der Europäische Sozialfonds noch der Regionalfonds gegenwärtig geeignete Mittel dazu darstellen, daß sie zu bloßen Kanälen für die Umverteilung von Haushaltsmitteln an einige Regierungen geworden sind und daß man sie überprüfen und ihre Möglichkeiten in den Dienst großer, klar umrissener Vorhaben stellen muß, die der Jugend zugute kommen und Energien freisetzen.
    Gestatten Sie mir hinzuzufügen, daß mir Europa viel zu oft ausschließlich kommerziell orientiert erscheint und daß es sich mehr der sozialen Dimension zuwenden sollte, die zu einem weiten europäischen Raum notwendig gehört. Es ist interessant, daß die Diskussionen über die Arbeitszeit, über die Rechte der Arbeitnehmer im Unternehmen usw., die als dreiseitige Gespräche, also unter Beteiligung der Gewerkschaften, aufgenommen wurden, weitergehen und im Lauf der letzten Monate sogar neuen Auftrieb bekamen. Es geht hier — kurz gesagt — um die Fragen, in denen wir, ohne den freien Warenaustausch zu behindern, unsere Verhaltensweisen aufeinander abstimmen müssen, damit sie etwas bewirken.
    Oberste Priorität hat also ein Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die unsere Gesellschaften vergiftet. Europa, meine Damen und Herren, hat keine Zukunft, wenn seine Jugend keine Hoffnung hat.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Ein starkes Europa, das sein Selbstvertrauen wiederfindet, wird jene Ausstrahlung bewahren, die es in der Welt und vor allem — ohne Wortspiel — in der Dritten Welt hat. Erst gestern bin ich heimgekehrt von einer Reise nach Afrika, wo ich die dramatische Wirkung der internationalen Krise auf die Allerärmsten gespürt habe. Aber ich konnte auch



    François Mitterrand, Präsident der Französischen Republik feststellen, wie sehr sich die deutsch-französische Zusammenarbeit in Harmonie und Verständnis vollzieht, wie sehr wir zu zwei jener Länder geworden sind, j a die zwei Länder, auf die sich Blicke und Hoffnung richten. Ich habe auch die dramatische Wirkung der Krise gespürt, und ich habe jene Hoffnung festgestellt — ja, ich wiederhole: Hoffnung —, die in ausgewogene Beziehungen gesetzt wird, für die die Abkommen von Lomé, die wir bald erneuern werden, ein glanzvoller Beweis sind.
    Ist Europa stark, wie sollte es dann nicht daran denken, auf allen Gebieten eines Tages frei zu werden von äußeren Bedrohungen und sich selbst in die Hand zu nehmen. Ist Europa stark, dann kann es in angemessener Weise die jungen Demokratien des Mittelmeerraums bei sich aufnehmen, die bestrebt sind, ihre wirtschaftliche und politische Zukunft mit der Gemeinschaft der Zehn zu verbinden. Spanier und Portugiesen begehren nicht Einlaß bei uns, um damit Zugang zu erlangen zu endlosen Streitgesprächen zwischen Krämerseelen oder die traurige Feststellung zu machen, daß die Landwirtschaft im Süden Schwierigkeiten hat; das wissen sie schon. Sie erwarten, daß wir uns von solchen und anderen Hindernissen befreien. Sie sehen Europa von außen her, und sie erwarten von ihm alles, was es an industriellen, währungspolitischen, sozialen und sogar politischen Möglichkeiten zu bieten haben kann. Und gerade auch deswegen tritt Frankreich — das sage ich hier genauso wie ich es denke — dafür ein, daß beide der Gemeinschaft beitreten, und zwar im vollen Bewußtsein der gegenseitigen Verpflichtungen.
    Ist Europa stark, dann wird es die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan, wie es das auf dem Gipfeltreffen in Versailles versucht hat, von der Notwendigkeit überzeugen, eine internationale Währungsordnung neu aufzubauen und nicht der unsichtbaren Hand eines Marktes, der oft schon gar nicht mehr frei ist, ohne daß man es merkt, die ganze Verantwortung für unsere gemeinsame Zukunft zu überlassen.
    Ist Europa stark, wird es die gegenseitig nutzbringenden wirtschaftlichen Beziehungen zu den osteuropäischen Ländern vervielfachen.
    Lassen Sie uns, meine deutschen Freunde, in diesem schicksalhaften Jahr zusammen und für lange Zeit wie zuvor nach Wegen des Ausgleichs, der Entwicklung und des Friedens suchen.
    Der Friede! Darauf komme ich zum Schluß noch einmal zurück. Es nützt leider gar nichts, ihn wie eine unsichtbare Macht zu beschwören, er muß geschaffen, täglich neu geschaffen, gestärkt, gesichert werden. Das setzt Nüchternheit und Willenskraft voraus. Versagen wir uns trügerischem Schein — und hier wende ich mich an die Zuhörer weit über dieses Hohe Haus hinaus, wo wir uns ja gerade in einer der Versammlungen befinden, an einem jener Plätze in der Welt und in Europa, wo man weiß, daß es einen Willen gibt, einen gemeinsamen Willen —, lassen wir also trügerischen Schein beiseite. Wir müssen wissen, was wir wollen: ein starkes Deutschland und ein starkes Frankreich, beide blühend, frei, sicher, solidarisch, beide, soweit dies möglich ist und möglich sein wird, Herren ihres Geschicks, und dies in einem Europa, das ein anderes Europa als das der Reglementierungen und Grenzen ist, in einem Europa, dessen Vergangenheit unvergleichlich ist und dessen Zukunft so sehr von uns abhängt.
    Wie soll ich in Worte fassen, was ich selbst in diesem Augenblick erlebe? Als Träger der höchsten Verantwortung für die französische Politik, als Statthalter einer langen Geschichte spreche ich vor den Vertretern des großen deutschen Volkes. Wie soll ich in Worte fassen, was ich, ohne daß es Worte dafür gäbe, in meinem tiefsten Inneren empfinde und was ich dennoch versuchen muß, zum Ausdruck zu bringen. Über Sie selbst hinaus spreche ich zu Ihrem ganzen Volk, dem großen, edlen und mutigen Volk, das wir Franzosen kennengelernt haben und, mag es selbst veraltet klingen, weil wir es kennen, lieben gelernt haben.
    Ich bin nicht der einzige in diesem Saal, der, im einen Krieg geboren, Frontkämpfer im anderen, all jene Leiden erlebt hat, zu denen unsere Kämpfe führten. Aus diesen Auseinandersetzungen kaum heimgekehrt, habe ich mich dafür entschieden, wie viele andere und nach anderen, für die Freundschaft zwischen unseren beiden Völkern' zu arbeiten. Meine Damen und Herren, meine Jugendzeit, das war die Zeit nach jenem Kriege, dessen härteste Prüfungen ich wie so viele andere, um es noch einmal zu sagen, in meinem eigenen Leben, im Leben meiner Familie, im Leben meines Volkes, erfahren hatte.
    Ich hatte mich dazu entschlossen, für die Freundschaft unserer beiden Völker zu arbeiten, und ich nahm teil am ersten Europäischen Kongreß, am Kongreß der Hoffnung, den ich schon erwähnte, jenem Kongreß in Den Haag, der schon zwei Jahre nach dem Ende des Dramas 1947 stattfand.
    Damit will ich verdeutlichen, wie sehr, was ich sage, eigenes Erleben ist, wie sehr, was ich vor dem Deutschen Bundestag zum Ausdruck bringe, von mir selbst empfunden wird. Und alles, was sich seither, seit 35, 36 Jahren, abgespielt hat, hat mich in diesem meinem Beschluß bestätigt. Ich habe ihn zu keinem Zeitpunkt bereut. Diesen oder jenen Schritt auf der langen Wegstrecke hatte ich kritisch zu prüfen. Immer habe ich Respekt empfunden für die vom deutschen Volk mit Führungsaufgaben betrauten Männer, die einer wie der andere und alle zusammen trotz ihrer innenpolitischen Divergenzen treue Freunde Frankreichs und große Organisatoren und Baumeister unserer Verständigung und des Friedens gewesen sind. Nein, ich habe diese Entscheidung niemals bereut. Aber, was ich tat, ich tat es als Bürger, als einzelner. Heute handle ich als Präsident der Französischen Republik; es hat also eine ganz andere Bedeutung, wenn ich sage, daß ich diese in jungen Jahren getroffene Entscheidung nicht nur nicht bereut habe, sondern entschlossen bin, sie dort, wo noch Aufbauarbeit zu leisten wäre — und ich habe Möglichkeiten dafür ausgeführt —, zum Erfolg zu bringen.
    Weil ich selbst in einem besetzten Frankreich gelebt habe, spüre ich tief in mir selbst, welches die



    Francois Mitterrand, Präsident der Französischen Republik
    Empfindungen der in der Teilung lebenden Deutschen sein können. Weil ich ein verwüstetes Europa erlebt habe, spüre ich, welche Empfindungen die auseinandergerissenen Völker haben können, und ich meine, daß es auf alle diese Fragen keine andere als nur diese eine Antwort gibt: Nicht durch Trennung, nicht durch Selbstsucht, nicht durch einen sich leicht verschlimmernden Nationalismus, nicht durch Isolierung und nicht durch Fehleinschätzung werden wir die Wege finden, die den von uns vertretenen Völkern Nutzen bringen, sondern in der Einheit, der Gemeinschaft, der Freundschaft und dem Verständnis. Es gab keine bessere Gelegenheit als diesen 20. Jahrestag des Deutsch-Französischen Vertrages, um dies diesem Hohen Hause zu sagen, meine Damen und Herren, und damit gleichzeitig über Sie dem deutschen Volk.

    (Anhaltender lebhafter Beifall im ganzen Hause — Die Anwesenden erheben sich)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Staatspräsident, für Ihre Ansprache danke ich Ihnen im Namen des Deutschen Bundestages und aller hier versammelten
Gäste aufrichtig und herzlich. Sie haben in überzeugenden Worten die Empfindungen und Gedanken zum Ausdruck gebracht, die uns heute beherrschen. Sie haben die historische Bilanz gewürdigt, wie es uns der heutige Tag nahelegt. Sie haben aber auch in eindrucksvollen Worten die Aufgaben und Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft angesprochen. Sie konnten dabei in manchem an die viel beachtete Rede anknüpfen, die Sie im Mai vergangenen Jahres in Hamburg gehalten haben.
Dem Dank an Sie, Herr Staatspräsident, möchte ich jetzt nur noch eines hinzufügen. Ihre Ausführungen haben mir und, so nehme ich an, dem ganzen Hause die Überzeugung vermittelt, daß die deutsch-französischen Beziehungen auf beiden Seiten des Rheines in guten Händen liegen.
Für die freundlichen Worte, die Sie uns gewidmet haben, Herr Staatspräsident — wir spürten alle, daß sie aus Ihrem Herzen kamen —, nochmals herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall)

Die Sitzung ist geschlossen.