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ID0914101000

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    Plenarprotokoll 9/141 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 141. Sitzung Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1982 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Lampersbach . . . 8937 A Regelung für Vorlagen nach § 77 Abs. 1 GO nach Auflösung des Bundestages . . . . 8937 C Nachträgliche Abstimmung über zwei Entschließungen zum Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz 8937 D Beratung des Antrags des Bundeskanzlers gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes — Drucksache 9/2304 —Dr. Kohl, Bundeskanzler 8938 A Brandt SPD 8939 D Dr. Dregger CDU/CSU 8948 B Genscher FDP 8951 C Dr. Waigel CDU/CSU 8956 B Duve SPD 8958 D Schmidt (Kempten) FDP 8960 B Frau Schuchardt fraktionslos 8962 C Hofmann (Kronach) fraktionslos . . . 8965A Coppik fraktionslos 8966 B Dr. Ehmke SPD 8968 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 8968 C Gansel SPD (Erklärung nach § 32 GO) . 8970 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (Erklärung nach § 32 GO) 8970 C Präsident Stücklen 8968 A Namentliche Abstimmung 8971 A, C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8975* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Eymer (Lübeck) (CDU/ CSU) gemäß § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes (Drucksache 9/2304) 8975* A Anlage 3 Nebentätigkeiten, insbesondere Lehrverpflichtungen, des Chefs des Bundeskanzleramtes und eines Abteilungsleiters MdlAnfr 1, 2 03.12.82 Drs 09/2226 Schäfer (Offenburg) SPD ErgSchrAntw StMin Dr. Jenninger BK auf ZusFr Schäfer (Offenburg) SPD . . . 8975* B Anlage 4 Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministers im Ermittlungsverfahren gegen Friedrich MdlAnfr 84 03.12.82 Drs 09/2226 Gansel SPD ErgSchrAntw StMin Dr. Jenninger BK auf ZusFr Jungmann SPD 8975* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1982 8937 141. Sitzung Bonn, den 17. Dezember 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Benedix-Engler 17. 12. Junghans 17. 12. Lagershausen 17. 12. Löffler 17. 12. Mischnick 17. 12. Müller (Bayreuth) 17. 12. Neuhaus 17. 12. Rayer 17. 12. Frau Schmedt (Lengerich) 17. 12. Schmöle 17. 12. Wehner 17. 12. Weiskirch (Olpe) 17. 12. Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) gemäß § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Antrag des Bundeskanzlers gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes (Drucksache 9/2304): Die von Herrn Bundeskanzler Helmut Kohl dargelegten Gründe für die Neuwahl des Deutschen Bundestages teile ich. Ich halte den Weg zur Auflösung des Deutschen Bundestages nach Artikel 68 Grundgesetz nicht für verfassungskonform. Ich werde mich deshalb an der Abstimmung über die Vertrauensfrage nicht beteiligen. Anlage 3 Ergänzende Antwort des Staatsministers Dr. Jenninger auf die Fragen des Abgeordneten Schäfer (Offenburg) (SPD) (Drucksache 9/2226 Fragen 1 und 2, 136. Sitzung, Seite 8409 D f.): In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 9. Dezember 1982 haben Sie im Zusammenhang Anlagen zum Stenographischen Bericht mit Ihren Fragen Nr. 1 und 2 folgende Zusatzfrage gestellt: Trifft es zu, daß der Abteilungsleiter für innere Angelegenheiten und Planung Beamte und Mitarbeiter seines Amts mit der Erledigung von Aufgaben betraut hat, die aus der Lehrverpflichtung herrühren, also amtsfremd sind? Ich habe Ihnen zugesagt, diese Fragen zu prüfen und Ihnen eine schriftliche Antwort zukommen zu lassen. Die Antwort lautet wie folgt: Es trifft nicht zu, daß der betreffende Abteilungsleiter Beamte und Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes mit der Erledigung von Aufgaben betraut hat, die aus der Lehrverpflichtung herrühren. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Jenninger auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann (SPD) zur Frage des Abgeordneten Gansel (SPD) (Drucksache 9/2226 Frage 84, 136. Sitzung, Seite 8416 D): In der Fragestunde am 9. Dezember 1982 hatten Sie im Zusammenhang mit der Frage 84 des Kollegen Gansel folgende Zusatzfrage gestellt: Herr Minister, können Sie uns mitteilen, ab wann der Rechtsanwalt des Bundesministers Graf Lambsdorff Einsicht bekommen hat und wie lange die Einsichtnahme in die Akten - durch diese Länge oder Kürze der Einsichtnahme kann ja der Gesamtprozeß auch verzögert worden sein - gedauert hat? Ich hatte Ihnen zugesagt, die Antwort zur Dauer der Akteneinsicht schriftlich nachzureichen: Der Anwalt von Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff hat Anfang Juli sechs Hauptbände, ein Sonderheft und 14 Leitz-Ordner zum Zwecke der Akteneinsicht erhalten. Noch Mitte Oktober sind ihm weitere zwei Hauptbände und 7 Leitz-Ordner überlassen worden. Die Bundesregierung wiederholt daher ihre Auffassung: Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff hat mit der anwaltlichen Stellungnahme vom 1. Dezember, die dazu führen soll, den Verdacht auszuräumen, alles in seiner Macht Stehende getan, um zu einer raschen Aufklärung des Sachverhalts beizutragen. Die Staatsanwaltschaft sieht sich, wie sie selbst erklärt hat, durch die gestellten Beweisanträge auch veranlaßt, weitere Ermittlungen anzustellen.
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    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag des Bundeskanzlers nach Art. 68 des Grundgesetzes, die Abstimmung des Parlaments über diesen Antrag und die Stimmenthaltung der Koalition, damit der Bundespräsident den Bundestag auflösen und Neuwahlen herbeiführen kann, sind verfassungsrechtlich legitim sowie verfassungspolitisch und staatspolitisch geboten.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Ist das die Botschaft von Franz Josef Strauß?)

    Von einem Anschlag auf das Grundgesetz oder von einer Manipulation unserer Verfassung kann keine Rede sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit ihrem Stimmverhalten verbinden die Abgeordneten der Koalitionsparteien nicht Kritik an der Person von Bundeskanzler Kohl oder an seiner Politik.

    (Zurufe von der SPD)

    Sie unterstreichen mit ihrer Stimmenthaltung vielmehr die politische Notwendigkeit einer neuen demokratischen Legitimation durch den Wähler, nachdem der Auftrag dieser Koalition erfüllt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Als eine Verfahrensregelung des Staatsorganisationsrechts legt Art. 68 des Grundgesetzes die Voraussetzungen, unter denen der Bundespräsident den Bundestag auflösen kann,

    (Dr. Ehmke [SPD]: Gut, daß er Gutachter hat!)

    präzise fest.
    Von den am Verfahren beteiligten drei Verfassungsorganen, Bundestag, Bundespräsident und Bundeskanzler, kommt der Willensbekundung der Mitglieder des Bundestages entscheidende Bedeutung zu. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes sind die Abgeordneten „nur ihrem Gewissen unterworfen". Die Zustimmung zum Antrag des Bundeskanzlers kann seitens der Abgeordneten aus unterschiedlichen Motiven verweigert werden. Sie ist keiner Kontrolle oder Überprüfung zugänglich. Die konkrete Entscheidung liegt in der freien Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Für jene, die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des von uns beschrittenen Weges haben, sei auf die Entstehungsgeschichte des Art. 68 des Grundgesetzes hingewiesen. Die Materialien hierzu lassen deutlich erkennen, daß der Regierung die Möglichkeit eröffnet werden sollte, Neuwahlen herbeizuführen. Es war der SPD-Abgeordnete Dr. Katz, damals Justizminister von Schleswig-Holstein und von 1951 bis 1961 Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, der im Jahre 1948 die Aufnahme des konstruktiven Mißtrauens in das Grundgesetz beantragte. In der 33. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates erklärte er am 8. Januar 1949:
    Der Sinn des Artikels 90 a
    — im Vorentwurf des Parlamentarischen Rates war das konstruktive Mißtrauen in Art. 90 a geregelt —
    ist, der Regierung die Chance einer Neuwahl zu geben, wenn sie es für gegeben erachtet.
    Soweit das Zitat.
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1982 8957
    Dr. Waigel
    In einer Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses des Parlamentarischen Rates zu Art. 68 des Grundgesetzes finden Sie folgende Anmerkung:
    Hier wäre als unter Umständen die Auflösung des Bundestages politisch dann wünschenswert, wenn nach der gesamten politischen Situation damit gerechnet werden kann, daß die schwache Mehrheit des alten Bundestages von einer starken Mehrheit im neuen Bundestag abgelöst wird.

    (Zuruf von der SPD: Damit können Sie nicht rechnen!)

    — Diese aus der Entstehungsgeschichte gewonnenen Erkenntnisse bestätigen unsere Auffassung.

    (Gansel [SPD]: Jede Mehrheit mit der FDP ist eine schwache Mehrheit!)

    — Sie sollten sich wenigstens die unbestrittenen Materialien der Entstehung des Grundgesetzes ruhig anhören.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Gansel [SPD]: Was Ihr Redenschreiber herausgesucht hat!)

    Mit dem als verfassungsgemäß einzuordnenden Weg der Abstimmung über die Vertrauensfrage schaffen der Bundeskanzler und das Parlament die Voraussetzungen für den Bundespräsidenten, das wichtigste Mitwirkungsrecht der Bürger innerhalb der Verfassung, nämlich Neuwahlen in einer schwierigen Situation, zu ermöglichen.
    Es bleibt mir eigentlich unerfindlich, Herr Abgeordneter Brandt, warum Sie meinten, hinsichtlich des Wahltermins den Vorsitzenden der CSU apostrophieren zu sollen; denn Sie waren doch in der SPD mehrheitlich eben nicht bereit, eine Verfassungsänderung so rechtzeitig durchzuführen, daß Sie für dieses Verfahren hätte angewendet werden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Wenn Sie glauben, dem Bundesinnenminister unterstellen zu müssen, er greife in die Ermessensfreiheit des Bundespräsidenten ein, wenn er sage, er gehe davon aus, daß der Bundespräsident dem Ersuchen nachkomme, dann muß ich sagen: Er drückt doch nichts anderes aus als seine eigene Überzeugung von der Richtigkeit des Verfahrens. Es wäre ja traurig, wenn wir von der Richtigkeit dieses Verfahrens nicht überzeugt wären.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Huonker [SPD]: Das Wort hieß „vollziehen"!)

    Es bleibt unbestritten, daß die Souveränität und die Entscheidungsfreiheit des Bundespräsidenten unangetastet bleiben.
    Ich weiß nicht, ob der Kollege Brandt noch im Saal ist, aber er hat geglaubt, vorher einen Mainzer Kollegen ansprechen zu sollen, der nichts anderes getan hat, als die Wahrheit zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: Die Wahrheit aufgedeckt hat!)

    Es wäre besser gewesen, Herr Brandt, Sie hätten zu diesem Thema nichts gesagt;

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    denn wir werden es nicht zulassen, daß Sie Ihre eigenen persönlichen Peinlichkeiten in Böswilligkeit gegen andere ummünzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Gansel [SPD]: Heuchler!)

    Der Rede des Abgeordneten Brandt war wirklich anzumerken, daß er an der dreitägigen Haushaltsdebatte nicht teilgenommen hat.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Wo ist er denn jetzt?)

    Das war nichts anderes als eine Wahlkampftirade,

    (Zuruf von der SPD: Was hat Herr Genscher denn getan?)

    um von der eigenen Verantwortlichkeit für die Jahre von 1969 bis 1974 und auch danach abzulenken. Wem selber die Finanzminister davongelaufen sind, weil sie an den ökonomischen Sachverstand ihres eigenen Bundeskanzlers nicht geglaubt haben, der sollte zu ökonomischen, wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Problemen wirklich nichts mehr sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer 1974 so peinlich gescheitert ist wie er, sollte sich nicht so groß über andere Probleme auslassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Notwendigkeit von Neuwahlen wird verständlich, wenn man sich die Gründe vor Augen führt, die vor noch nicht drei Monaten zur Bildung der Koalition der Mitte geführt haben. Längst war der sozialliberale Konsens, der die alte Koalition über ein Jahrzehnt verband, zerbrochen. Zuletzt zeigte sich dies in der Außenpolitik. Ohne die Unterstützung durch die Opposition waren Bundeskanzler und Außenminister nicht mehr in der Lage, die von ihnen als richtig erkannte Politik durchzusetzen. Ich denke hier an den NATO-Doppelbeschluß — Außenminister Genscher hat hierzu das Notwendige gesagt—, den sich die SPD in ihrer Gesamtheit nie voll zu eigen gemacht hat.
    Die Ablehnung der Nominierung prominenter Sozialdemokraten in den letzten Tagen und Wochen wirft ein bezeichnendes Licht auf diese Feststellung.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Warum eigentlich, meine Damen und Herren, geht der Abgeordnete Brandt, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, nicht in die Delegiertenversammlungen, um für geschätzte Kollegen wie Frau Renger, wie Herrn Haack oder wie Herrn Männing Stellung zu beziehen, Partei zu ergreifen,

    (Glos [CDU/CSU]: Weil er Staatsgeschenke verkaufen muß!)

    8958 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1982
    Dr. Waigel
    um damit zu sorgen, daß hier eine Kontinuität in wichtigen Fragen deutscher Außen- und Verteidigungspolitik fortgeführt werden kann?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Überläufer sind ihm wichtiger! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Die eben von mir genannten Kollegen sind doch Opfer der neuen Strategie von Brandt und seinen neuen Koalitionen im rötlich-grünlichen Fahrwasser.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    In der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik traten nach der Bildung der sozialliberalen Koalition im Jahre 1980 gravierende Meinungsverschiedenheiten auf. Die Haushaltsberatungen im Sommer 1981 und die Beschlüsse des SPD-Parteitags im Frühjahr dieses Jahres führten letztlich zum Bruch der alten Koalition. Auf ihrem Parteitag hatte die SPD klar ihren Willen bekundet, den Marsch in den Sozialismus anzutreten,

    (Widerspruch bei der SPD)

    und dies ohne Rücksicht auf den Koalitionspartner und unter Billigung der der SPD angehörenden Regierungsmitglieder einschließlich des seinerzeitigen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Mehr Staat, höhere Abgaben, noch mehr Schulden, mehr staatlicher Dirigismus und mehr Bürokratie — das waren die Begleittöne dieses Parteitages.
    Nach Wochen lähmender Untätigkeit und lärmenden Streits fand dann das alte Regierungsbündnis sein Ende.
    Nach dem Auseinanderbrechen der alten Koalition war Helmut Schmidt nicht bereit, die politischen Konsequenzen zu ziehen und den Rücktritt einzureichen. Angesichts der Dringlichkeit der Probleme einigten sich deshalb CDU, CSU und FDP auf die Bildung einer neuen Koalition der Mitte. Von Anfang an verständigten sich die neuen Koalitionspartner darauf, ein zeitlich und sachlich begrenztes Dringlichkeitsprogramm zu verabschieden, um dann im März 1983 Neuwahlen herbeizuführen. Wie der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der Kollege Dr. Dregger, in der Haushaltsdebatte am 14. Dezember 1982 zutreffend dargelegt hat, war der Auftrag der Regierung Kohl von vornherein sowohl sachlich als auch zeitlich begrenzt.
    Angesichts der dramatischen Situation war es unumgänglich, ein Sofortprogramm zu verabschieden. Die neue Koalition der Mitte einigte sich deshalb darauf, erste Maßnahmen zur Sanierung der Bundesfinanzen und zur Sicherung der Finanzlage der Sozialversicherung zu ergreifen, erste Anstöße für die Wiederbelebung der Wirtschaft und für die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit zu geben sowie die Mißverständnisse und Irritationen über die Stellung der Bundesrepublik in der westlichen Allianz aus dem Weg zu räumen.
    Wenn wir heute Bilanz ziehen, können wir feststellen, daß mit der Verabschiedung des Haushalts 1983 und der Begleitgesetze die entscheidenden Weichenstellungen vorgenommen worden sind, um den vereinbarten Zielen näherzukommen. Zweifel an der Stellung der Bundesrepublik Deutschland im Bündnis konnten ausgeräumt werden.
    Beim Abschluß der Koalitionsvereinbarung wurden Themen bewußt ausgespart. Es gibt unterschiedliche Standpunkte zwischen CDU/CSU und FDP in einigen Bereichen. Dies gilt vor allem für die innere Sicherheit, die Rechtspolitik und die Deutschlandpolitik. Eine Ausklammerung wichtiger politischer Bereiche ist jedoch auf Dauer nicht möglich. Sie erfolgte, weil die neuen Koalitionspartner vereinbart hatten, sich nach fünf Monaten dem Urteil der Wähler zu stellen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Angesichts der Herausforderung im nationalen und internationalen Bereich bedarf es klarer, umfassender Festlegungen für eine ganze Legislaturperiode. Hierzu braucht eine neue Regierung den Auftrag durch die Wähler. Das ist der erklärte Wille aller Parteien und Fraktionen.
    Wenn wir heute die Voraussetzungen für Neuwahlen schaffen, geschieht dies im Interesse unserer Bürger. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, in einer entscheidenen Zeit über die weitere Zukunft unseres Landes entscheiden zu können.

    (Beifall bei der Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Die CSU ist bereit, die neue Koalition der Mitte auch nach dem 6. März 1983 fortzusetzen. Wir haben den Mut, den Bürgern unseres Landes im bevorstehenden Wahlkampf die Wahrheit über die Probleme, die wir übernommen haben, und über die Opfer zu sagen, die zur Bewältigung der Krise von allen Gruppen unserer Bevölkerung erbracht werden müssen. In der schwersten Wirtschaftskrise unseres Landes ist die CSU bereit, ihren Beitrag zur Lösung der Probleme zu leisten, den Weg zu Neuwahlen zu ermöglichen, einen ehrlichen Wahlkampf zu führen, um das Vertrauen der Bürger zu bitten

    (Gobrecht [SPD]: Das sollen wir glauben?)

    und Regierungsverantwortung nach Neuwahlen zu übernehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP — Gobrecht [SPD]: Dafür haben Sie keine Chancen mehr!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Duve.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Freimut Duve


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche aus eigenem Antrieb und bitte die Mitglieder meiner Fraktion um Entschuldigung, daß ich nicht die Gelegenheit hatte, das vorher anzukündigen, wie wir es an sich vereinbaren.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Die ganze Fraktion ist durcheinander!)

    Meine Damen und Herren, wir beteiligen uns heute an einer Abstimmung die seit Wochen in der Öffentlichkeit lebhaft diskutiert wird. Jedermann sieht die politischen Motive ebenso deutlich wie die vielfältigen verfassungsrechtlichen Befunde. Ein großer Teil unserer Mitbürger — das ist der Grund,
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Dezember 1982 8959
    Duve
    warum ich mich zu Wort gemeldet habe — nimmt jedoch diesen Vorgang nur aus großer Distanz wahr. Ich spreche von den bei uns lebenden Ausländern. Sie haben an der vor uns liegenden Wahl und an den Wahlauseinandersetzungen keinen Anteil, obwohl ihr Leben bei uns durch das politische Klima, in dem Regierungen und Parlamente gebildet werden, sehr direkt und sehr wesentlich beeinflußt wird.
    Ich möchte eindringlich an die Mitglieder des Deutschen Bundestages appellieren, jede propagandistische Behandlung der Ausländerpolitik aus dem parteipolitischen Wahlkampf herauszuhalten.

    (Beifall bei der SPD)