Rede von
Hans-Dietrich
Genscher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Regierungsparteien der Koalition der Mitte, FDP, CDU und CSU, haben der Bundesregierung bei ihrer Bildung einen sachlich und deshalb auch zeitlich begrenzten Auftrag gegeben. Der Auftrag lautete, den Haushalt 1983 zu verabschieden, die Begleitgesetze zu beschließen und die Ziele der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu bekräftigen. Diesen Auftrag hat die Regierungskoalition erfüllt.
Sie löst heute das am 1. Oktober 1982 gegebene Versprechen ein, vorzeitige Neuwahlen möglich zu machen. Sofortige Neuwahlen hätten wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit um Monate verschoben. Die Staatsverschuldung wäre bei späterer Verabschiedung des Bundeshaushalts in seiner jetzigen Form in unvertretbarer Weise weiter gestiegen. Dafür konnten und wollten wir angesichts einer steigenden Zahl von Arbeitslosen die Verantwortung nicht übernehmen.
Mit der Abstimmung über die von Ihnen gestellte Vertrauensfrage, Herr Bundeskanzler, machen wir nun den Weg frei für die Neuwahlen. Die sachliche und damit auch zeitliche Begrenzung des Auftrags war der feste Wille von Anfang an.
Der Auftrag soll erneuert werden, aber erst, nachdem der Wähler das Wort gehabt hat. Das entspricht auch dem Willen der großen Mehrheit unserer Bürger. Die Tatsache, daß alle Parteien des Deutschen Bundestages für diese Neuwahlen eintreten und daß die Wahl eines anderen Bundeskanzlers von keiner dieser Parteien in diesem Bundestag angestrebt wird, gibt unserem Begehren nach Neuwahlen zusätzliches Gewicht.
Diese Tatsache beseitigt auch die vom Verfassungsgesetzgeber befürchtete Gefahr, daß Art. 68 des Grundgesetzes von der jeweiligen Mehrheit zur Herbeiführung von Wahlen in einem ihr geeignet erscheinenden Zeitpunkt mißbraucht wird.
Der Deutsche Bundestag gibt nach unserem Willen sein Mandat an die Bürger unseres Landes zurück. Die Koalition der Mitte wendet sich an die Bürger mit der Bitte, ihr einen neuen Auftrag zu erteilen.
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Genscher
Die Bilanz der Arbeit dieser Koalition seit dem 1. Oktober 1982 ist eindrucksvoll:
Zusätzlich zu Haushalts- und Begleitgesetzen wurde das Recht der Kriegsdienstverweigerung geregelt.
Auf einem wichtigen Rechtsgebiet, das für junge Menschen von besonderer Bedeutung ist, wurde der Zustand der Rechtsunsicherheit beseitigt.
Die Koalition der Mitte bewies damit ihre Einigungs- und Entscheidungsfähigkeit.
Die Verabschiedung der TA Luft ist ein bedeutsamer Beitrag für den Umweltschutz in unserem Lande.
Unsere entschlossenen Schritte zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, der Mut zu Sparmaßnahmen, die Eröffnung einer sicheren Perspektive der sozialen Marktwirtschaft erweisen sich schon jetzt als ein Beitrag zur Vertrauensbildung.
In dieser Atmosphäre neu wachsenden Vertrauens in die Solidität staatlicher Finanzwirtschaft konnte die Deutsche Bundesbank die Leitzinsen senken. Das ist ein Gütesiegel für die Politik der Koalition, ein Gütesiegel, erteilt von der unabhängigen Bundesbank in diesem Lande.
Auch deshalb wollen wir die Unabhängigkeit dieser Bundesbank nicht angetastet sehen. Herr Kollege Brandt, man weiß bei der Bundesbank, daß trotz aller unbestreitbaren außenwirtschaftlichen Einwirkungen auch auf das Wirtschaftsgeschehen bei uns der alte Grundsatz weiter beachtet werden muß: Fehler, die hausgemacht sind, können auch nur zu Hause beseitigt werden.
Die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen wurden verbessert. Zusätzliche Mittel für öffentliche Investitionen wurden eingesetzt. Die Liberalisierung des Wohnungsmarkts
und eine verstärkte Förderung des Eigenheimbaus ermutigen wieder mehr zum Wohnungsbau.
Der Weg für die Anwendung neuer Kommunikationstechnologien wird freigemacht.
Das alles ist Teil einer konsequent marktwirtschaftlichen Politik, die nach Fortsetzung Tiber den 6. März hinaus verlangt.
Die Koalition der Mitte hat Stetigkeit, Verläßlichkeit und Berechenbarkeit
in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik und in der Deutschlandpolitik bestätigt.
Die Bürger unseres Landes und die Welt wissen von uns: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein selbstbewußter und verläßlicher Partner der Europäischen Gemeinschaft und des westlichen Bündnisses.
Sie steht mit ihren Freunden fest zusammen. Sie will gleichberechtigte Partnerschaft mit den Staaten der Dritten Welt. Sie will mit ihrer Politik der ausgestreckten Hand die Verträge mit ihren östlichen Nachbarn nutzen. Sie will Zusammenarbeit, Entspannung, Abrüstung und Rüstungskontrolle. Die Zusammenarbeit mit der DDR ist Politik für die Menschen der getrennten Nation. Sie ist europäische Friedenspolitik.
Meine Damen und Herren, die Bundestagswahl 1983 stellt die Wähler — darauf hat der Kollege Brandt mit Recht hingewiesen — vor eine grundsätzliche Entscheidung. Die Wähler haben zu entscheiden zwischen der Koalition der Mitte und der Unregierbarkeit unseres Landes.
Die Wähler haben zu entscheiden zwischen der Koalition der Mitte und einer Zusammenarbeit, in der die Sozialdemokratische Partei von der Verweigerungspolitik der Grünen und Alternativen abhängig wäre.
— Ich verstehe nicht, Herr Kollege, warum Sie sich darüber empören.
Sie haben doch auf Ihrem Kleinen Parteitag in Kiel schon die Weichen für eine solche Zusammenarbeit gestellt.
Sie haben in Ihrer Kieler Erklärung eine eindeutige Position der SPD zur Kernenergie vermieden. Wer Ihre Erklärungen zur Sicherheitspolitik hört, bemerkt, wie Sie Schritt für Schritt einen Eckpfeiler unserer Sicherheitspolitik aushöhlen, nämlich das Festhalten an beiden Teilen des NATO-Doppelbeschlusses.
Damit werden schon im Vorfeld der Wahl die beiden Grundbedingungen erfüllt, die Grüne und Alternative für eine Zusammenarbeit mit der SPD gestellt haben.
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Meine Kollegen, ist es nicht auch bedeutsam, wenn wir feststellen müssen, daß in den Wahlkreisen mehr und mehr solchen Sozialdemokraten die Unterstützung verweigert wird, die zur bisherigen Politik ihrer Partei stehen?
Meine Damen und Herren, die Wähler haben zu entscheiden über die Fortsetzung einer konsequenten Sozialen Marktwirtschaft, über die Liberalität unseres Landes und über die konsequente Fortsetzung unserer Außen- und Sicherheitspolitik.
Diese Soziale Marktwirtschaft ist für uns mehr als Wirtschaftspolitik — sie ist Freiheitsordnung für Wirtschaft und Gesellschaft. Wo sie ungehindert wirken kann, da ermöglicht sie Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung der Bürger. Verantwortung und Leistung macht erst sie in vollem Umfang möglich.
Weil sie Selbstverantwortung stärkt, schafft sie auch Mitverantwortung für den anderen — für den Kranken und den Schwachen, für die Kinder und für die älteren Menschen. Solidarität und Subsidiarität tragen zur Humanität in unserer Gesellschaft bei. Dessen müssen wir uns ganz bewußt sein. Unsere Humanität und Solidarität muß sich auch gegenüber unseren ausländischen Mitbürgern bewähren.
Hier steht unsere freiheitliche Gesinnung auf dem Prüfstand.
Nur wenn wir in diesem Geist durch Soziale Marktwirtschaft soziale Gerechtigkeit verwirklichen, werden wir den sozialen Frieden bewahren. Dazu werden alle Gruppen gebraucht, Gewerkschaften und Arbeitgeber in gleicher Weise. Wir brauchen einen Pakt der Vernunft und der Verantwortung. Niemand sollte sich dazu hergeben, daß in diesem Lande in schwerer Zeit ein neuer Klassenkampf entfacht, eine Gruppe gegen die andere aufgestachelt wird.
Es geht eben nicht um Umverteilung von unten nach oben, sondern es geht um Umverteilung hin zu Investitionen, weil nur sie Arbeitsplätze schaffen können.
Wer die Soziale Marktwirtschaft einschränkt, schränkt Freiheits- und Verantwortungsräume ein, für den Arbeitnehmer wie für den Unternehmer, für den Freiberufler wie auch für den im öffentlichen Dienst. Einschränkung von Freiheit und Verantwortung schafft mehr Abhängigkeit, und das nicht nur für den einzelnen, nicht nur für den Unternehmer, genauso für Betriebsräte und Gewerkschaften. Nur in der Sozialen Marktwirtschaft kommt deshalb die Tarifautonomie zur Entfaltung.
Die entscheidende Aufgabe, die wir zu erfüllen haben, lautet, wieder Wirtschaftswachstum zu erreichen und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Diese
Aufgabe läßt sich nicht lösen mit kurzatmigen Beschäftigungsprogrammen, finanziert durch eine immer höhere Staatsverschuldung. Solche Programme würden nur eins bewirken: uns immer tiefer hineinzutreiben in die Spirale von Rezession, Inflation und Arbeitslosigkeit.
Immer höhere Staatsverschuldung stranguliert private Investitionen und vernichtet Arbeitsplätze. Immer höhere staatliche Verschuldung bedeutet zugleich, daß die heutige Generation auf Kosten der nächsten lebt, daß die Eltern ihren Kindern und Enkeln eine erdrückende Hypothek hinterlassen.
Meine Damen und Herren, wenn es um die Grundsatzfragen geht, die in der Wahl zu entscheiden sind, sage ich noch einmal: Es ist die Entscheidung über die konsequente, unbeeinträchtigte Fortführung der Politik der Sozialen Marktwirtschaft. Wer Wirtschaftsräte, wer Strukturräte, wer Sozialräte und welche Räte man sich sonst noch ausdenken kann, fordert, der hemmt die Antriebskraft der Wirtschaft, und er beschränkt die Freiheits- und Verantwortungsräume in unserem Lande.
Kein staatlicher Dirigismus, keine Branchenpolitik, keine Strukturpläne können die Dynamik ersetzen, die sich aus den millionenfachen Einzelentscheidungen von Verbrauchern und Investoren ergibt. Eingriffe in den Wirtschaftsablauf, Planung und Dirigismus drängen nach großen Unternehmenseinheiten. Sie verdrängen die Vielfalt und die Kreativität, mit denen Mittel- und Kleinbetriebe, Handwerk, Handel und freie Berufe der wirtschaftlichen Entwicklung wirklich die motorische Kraft geben und Garanten des Wettbewerbs sind.
Die jetzige Krise ist eine Krise der Interventionen. Die Aufgabe, wieder wirtschaftliches Wachstums zu erreichen, wieder neue Arbeitsplätze zu schaffen, läßt sich allein durch eine funktionsfähige Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft erreichen. Diese Ordnung hat in den 50er Jahren ein beispielloses Wachstum gebracht, das in der ganzen Welt als das deutsche Wirtschaftswunder bekannt wurde. Es hat diese Ordnung damals möglich gemacht, daß der Fleiß unserer Arbeitnehmer, der Erfindungsreichtum und das Engagement der Techniker und der Unternehmer Millionen und Abermillionen von Arbeitsplätzen geschaffen haben, und das wird auch heute geschehen, wenn man sie nur läßt, wenn es wieder Mut gibt zum Markt, zur Selbstverantwortung und zur Leistung.
In der Außen-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik hat die Aussprache über den Haushalt den Fortbestand des Konsenses in vielen wichtigen Fragen ergeben. Je mehr wir davon bewahren, um so größer ist der Gewinn für unser Land, für unser Volk und für ganz Europa.
Wir müssen aber auch verzeichnen — damit gehe ich auf das ein, was in Zwischenrufen gesagt wur-
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de —, daß die SPD mit immer größeren Schritten die bisher gemeinsame Haltung zum NATO-Doppelbeschluß verläßt.
Immer deutlicher werden auch Stimmen, die eine selbstbewußte Wahrnehmung deutscher und europäischer Interessen unter Freunden und Verbündeten mit einer wertgleichen Betrachtung der Beziehungen zu den USA und zur Sowjetunion verwechseln.
Die deutsch-amerikanische Freundschaft und die Zusammenarbeit zwischen Europäern und Nordamerikanern sind von lebenswichtiger Bedeutung für unsere freiheitlichen Demokratien diesseits und jenseits des Ozeans. Sie garantiert den Frieden und die Freiheit. Diese Freundschaft darf nicht nur das Verhältnis der Regierenden zueinander bestimmen; sie muß in unserem Volk fest verankert sein und bleiben. Das immer wieder bewußt zu machen ist Aufgabe politischer Führung.
In diesem Bewußtsein sind sich alle Parteien des Deutschen Bundestages einig in der Verurteilung der Terroranschläge gegen amerikanische Soldaten, die hier in unserem Lande mit uns unseren Frieden und unsere Freiheit sichern.
Auf der Grundlage unserer festen Einbindung in das westliche Bündnis und in die Europäische Gemeinschaft und in dem Bewußtsein, daß der Friedensdienst unserer Soldaten in der Bundeswehr ein gemeinsamer und wichtiger Beitrag zur Sicherheit ist, stellt sich die Koalition der Mitte der großen Herausforderung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, nämlich Abrüstung und Rüstungskontrolle zum Erfolg zu führen. Wir alle wissen: Das ist die Überlebensaufgabe für unser Volk in West und Ost, für die Europäer in West und Ost, für die Menschheit. Wer die Grundlagen der für unser Volk lebenswichtigen Verhandlungen über die Mittelstreckenraketen in Frage stellt, bevor die entscheidende Verhandlungsphase überhaupt begonnen hat, wird nur erreichen, daß es zu dieser entscheidenden Verhandlungsphase überhaupt nicht kommen wird. Diese Bemühungen und Verhandlungen brauchen Festigkeit und Stetigkeit. Wankelmütigkeit und Unberechenbarkeit sind Gift für den Erfolg dieser Verhandlungen.
Niemand in unserem Volk drängt sich nach Mittelstreckenraketen. Wir wünschen diese Mittelstreckenraketen nicht auf der westlichen Seite, aber wir wollen sie auch nicht auf der östlichen Seite, wo sie gegen uns gerichtet sind.
Nicht amerikanische Raketen, die es noch nicht
gibt, bedrohen unsere Sicherheit, sondern sowjetische SS-20-Raketen, die schon heute auf uns gerichtet sind, sind für uns eine tödliche Gefahr, und sie wollen wir mit unserem ernsthaften Willen zu Verhandlungen beseitigen.
Herr Kollege Brandt, wir werden — das haben wir auch schon früher gesagt — jeden ernstgemeinten Vorschlag ebenso ernsthaft prüfen. Wir wissen: Die Beachtung der Sicherheitsinteressen beider Seiten, nicht nur der eigenen, ist Voraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen. Wer einen Verhandlungserfolg will, muß, wenn das Verhandlungsziel — und das wäre nach unserer Meinung der beiderseitige Verzicht — nicht voll erreicht werden kann, zum Kompromiß bereit und fähig sein. Kompromiß, das heißt Nachgeben auf beiden Seiten, das heißt aber nicht gänzlicher Verzicht der einen Seite und teilweises Nachgeben der anderen.
Wer sagt, man könne bei einem gänzlichen Verzicht auf die westliche Nachrüstung der Sowjetunion jetzt 150 auf Westeuropa gerichtete sowjetische Mittelstreckenraketen zugestehen, der gesteht unter dieser Voraussetzung der Sowjetunion ein Monopol in diesem Waffenbereich zu,
und er würde außerdem zugestehen, daß auf sowjetischer Seite die Vernichtungskraft von mehr als 3 000 Hiroschima-Bomben auf uns gerichtet bliebe.
Das können und das dürfen wir nicht hinnehmen.
Meine Damen und Herren, deshalb haben wir doch von Anfang an, damals die Bundesregierung aus FDP und SPD, zusammen mit unseren Verbündeten den gänzlichen Verzicht auf amerikanische und sowjetische Mittelstreckenraketen gefordert. Wir waren damals stark bei der Vertretung dieser Forderung, weil wir von der damaligen Opposition, der CDU/CSU, ohne Einschränkung unterstützt wurden. Die Regierung aus FDP und CDU/CSU vertritt heute dieselbe Position wie damals ihre Vorgängerin. Aber nach allem, was wir hören, können wir in dieser Konsequenz nicht mehr auf die uneingeschränkte Unterstützung der jetzigen Opposition rechnen.
Wir werden die Wähler um Unterstützung bitten für unser großes Ziel: Frieden schaffen ohne Mittelstreckenwaffen, ohne sowjetische und ohne amerikanische Mittelstreckenwaffen.
Wir wollen nicht einen Raketen-Wahlkampf, aber wir wollen einen Wahlkampf über unsere Friedenspolitik. Wir werden alles daran setzen, den Bürgern verständlich zu machen, daß die Politik der Bundesregierung den richtigen Weg zeigt, auf dem wir Frieden für unser Land, für Europa und für die Welt sichern können. Engagement für den Frieden nehmen wir bei allen ernst, bei denen, die uns unterstützen, und bei denen, die wir noch nicht für unsere Politik von Frieden und Freiheit überzeugt haben.
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Wer eine Politik der ausgestreckten Hand gegenüber dem Osten will, braucht einen festen Platz im Westen. Wer den Platz unseres Landes zwischen dem Westen und dem Osten suchen will, wird Sicherheit und Freiheit verspielen.
Und auch darum muß der Wahlkampf geführt werden, um die Erkenntnis: Unser Gewicht in der Europäischen Gemeinschaft und im westlichen Bündnis, die Qualität unseres Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten bestimmen unser Gewicht auch im Gespräch mit der Sowjetunion. Wer nicht Spielball werden will zwischen West und Ost, der muß Gespräch, Verhandlung, Zusammenarbeit und Entspannung mit dem Osten suchen als Teil des Westens, als verläßlicher Freund und Verbündeter. Wanderer zwischen den Welten
führen unser Land auf einen gefährlichen Irrweg.
Und solche Wanderer gibt es nicht nur bei Grünen und Alternativen.
Die Bewahrung unserer Sicherheit und Freiheit nach außen verlangt den Ausbau der Liberalität unseres Staates und unserer Gesellschaft.
— Meine Damen und Herren, ich habe doch meine Haltung zum Doppelbeschluß nicht geändert. Sie laufen doch Ihrer früheren Haltung davon.
Die Aufgabe der Liberalen bleibt unverändert. Für uns steht unter den Grundwerten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit die Freiheit des einzelnen an erster Stelle.
— Die Art, wie Sie hier reagieren, zeigt, wie falsch die These ist, Sie könnten der Liberalität eine Heimstatt in Ihrer Partei bieten.
Die Liberalen stellen den Menschen vor Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. So haben wir es mit unseren Freiburger Thesen von 1971 bekräftigt. Nicht auf die bloß formalen Garantien von Freiheiten und Rechten des Bürgers gegenüber dem Staat, sondern auch auf die sozialen Chancen, diese Freiheiten und Rechte in der Gesellschaft auch wahrzunehmen, kommt es den Liberalen an. Für Liberale stehen Reformen, die mehr Freiheitsrechte für mehr Bürger bringen, also Reformen zur Demokratisierung der Gesellschaft, im Vordergrund. Die Gleichheit der Chancen ist das Ziel, nicht Gleichheit um den Preis der individuellen Freiheit.
Im Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit, zwischen Staat und Bürger, zwischen Organisation und Individuum heißt für Liberale die Entscheidung immer: im Zweifel für die Freiheit, für die Freiheit des einzelnen.
Sie zu bewahren ist liberale Grundaufgabe. Die Freie Demokratische Partei ist und bleibt Garant unseres freiheitlichen Rechtsstaats.
Meine Damen und Herren, wir, die Freien Demokraten, werden den Wahlkampf sachlich und fair und ohne persönliche Verunglimpfungen führen. Liberale Toleranz verhindert auch, daß tiefe Gräben unser Volk trennen. Die von außen aufgezwungene Teilung unseres Volkes ist schlimm genug. Wir dürfen nicht noch eine innere Spaltung hinzufügen.
Diffamierung und Verunglimpfung werden sich gegen diejenigen wenden, die sie betreiben. Je mehr Intoleranz praktiziert wird, um so deutlicher wird die Abgrenzung zwischen Liberalen und den Trägern einer solchen Kampagne.
Wer einen Vernichtungskampf gegen eine demokratische Partei führt, gefährdet das politische Klima und die innere Stabilität unseres Landes.
Herr Kollege Leber hat am Dienstag in eindrucksvoller Weise auf die Gefahren für die Stabilität unserer Demokratie hingewiesen. Gerade in dem bevorstehenden Wahlkampf sollten wir alle seine Mahnung ernst nehmen.
Die Freien Demokraten wissen: Der Bundestagswahlkampf 1983 wird für uns schwer sein. Wir müssen gemeinsam und entschlossen kämpfen, damit auch im nächsten Deutschen Bundestag liberale Politik verwirklicht werden kann. Diese liberale Politik durchzusetzen ist die Aufgabe der Freien Demokratischen Partei in unserem Pateiensystem. Es ist unsere Aufgabe, absolute Mehrheiten zu verhindern.
Es ist unsere Aufgabe, den Wechsel möglich zu machen, wenn nur so eine handlungsfähige Regierung gebildet werden kann.
Wir haben Kontinuität zu garantieren und unser Land vor politischen Wechselbädern zu bewahren.
Die Freie Demokratische Partei hat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zusammen mit der CDU/CSU die Marktwirtschaft erkämpft. Sie hat den Eintritt unseres Landes in das westliche Bündnis, in die Gemeinschaft der westli-
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chen Demokratien möglich gemacht. Sie hat mit den Sozialdemokraten die Vertragspolitik nach Osten gestaltet und wichtige innere Reformen durchgesetzt.
Wir stellen uns dem Wähler mit unserem ganzen politischen Weg. Wir stellen uns mit unserer Arbeit in der Koalition mit der SPD. Wir stellen uns mit unserer Verantwortung für die Wende in unserem Land, für die Bildung der Koalition der Mitte mit der CDU/CSU und für die Leistungen, die wir schon jetzt zusammen in der neuen Koalition erbracht haben.
Wer diese Koalition der Mitte als „Rechtskoalition" bezeichnet,
hat sich im Buhlen um Grüne und Alternative selber schon so weit nach links bewegt, daß ihm sogar die Mitte als rechts erscheinen muß.
Wir werden den Wahlkampf für die Liberalität in unserem Lande, für die Soziale Marktwirtschaft und für die Außen- und Sicherheitspolitik der verläßlichen Partnerschaft und der guten Nachbarschaft führen.
Wir stellen uns dem Wähler mit unserem liberalen Programm. Wir stellen uns mit dem Willen, die Koalition der Mitte aus Freien Demokraten und CDU/ CSU fortzusetzen.
Die Wirtschaftskrise verlangt von uns allen große und ernsthafte Anstrengungen. Dennoch gibt es für unser Land keinen Anlaß zu Pessimismus und Verzweiflung. Unser Land hat Grund zu Mut und Zuversicht auch morgen — mit der Koalition der Mitte. Unter der politischen Führung der Koalition aus FDP und CDU/CSU wurde unsere Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg als ein freiheitlicher und sozialer Staat mit einer erfolgreichen Volkswirtschaft aufgebaut. Unter der gleichen Führung werden wir auch die wirtschaftliche und geistige Krise unserer Zeit meistern.