Rede von
Dr.
Werner
Dollinger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf den Herren Schröder, Hoffmann und Riemer für Ihre Beiträge danken.
— Das wollte ich noch sagen. Es geht nicht alles auf einmal.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 8813
Bundesminister Dr. Dollinger
Ich danke also allen Herren. Mit einem Teil der Ausführungen stimme ich überein, mit einem Teil nicht. Manches wäre zu diskutieren. Das ist leider heute abend auf Grund der Zeitbegrenzung nicht möglich. Wir hatten aber im Ausschuß Gelegenheit, über meine Vorstellungen zu sprechen, und wir können sicher noch manchen Brief darüber hinaus wechseln.
Meine Damen und Herren, die Bedeutung des Verkehrs möchte ich kurz unterstreichen.
— Wenn Sie so eifrig meine Verkehrspolitik unterstützten, wie ich aus dem Hause Briefe bekomme, wäre das großartig.
Wir haben einen enormen Briefeingang, und ich habe bisher kaum jemanden gefunden, der geschrieben hat, er wolle keine Straße. Das ist das Interessante: Alle wollen sie die Straßen.
Aber kurz zu der Bedeutung — die geht daraus hervor —: 20% des Bruttosozialprodukts werden für das Verkehrswesen aufgewandt. 10 % der Bruttoanlageinvestitionen werden im Verkehrsbereich getätigt. 22 % beträgt der Anteil des Verkehrs am Endenergieverbrauch. Die Verkehrsleistungen haben sich in den letzten 20 Jahren stark entwickelt: im Personenverkehr nahezu eine anderthalbfache Steigerung, im Güterverkehr eine Verdoppelung. Eine gute Verkehrsinfrastruktur ist nach wie vor wichtig für Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen, für schnellere und damit kostengünstigere Transporte, für die wirtschaftliche Entwicklung auch in ländlichen Räumen und in den Randgebieten.
Nun bin ich mir darüber im klaren, daß die Staatsfinanzen das nicht hergeben, was wir eigentlich bräuchten. Auch der Verkehrsminister mußte seinen Beitrag leisten zur Konsolidierung des Haushalts. Deshalb können nicht alle Wünsche, auch nicht alle Vorstellungen erfüllt werden.
Die Anträge der Opposition, die ich gehört habe, betreffen sicher Wünschenswertes; aber wie sollen sie gedeckt werden'? Das ist die Frage. Denn, meine Damen und Herren, eines sollten wir nicht vergessen — bitte, keine neuen Illusionen —, in der Kasse sind keine Geldscheine, sondern Schuldscheine.
Nun, wie soll die Verkehrsinfrastruktur verwirklicht werden? Das Parlament hat bisher sehr klare Aussagen dazu gemacht, seinem Willen Ausdruck gegeben, und ich glaube, daß das auch die Richtlinie sein soll. Wenn ich feststellen muß, daß der Erfüllungsgrad, was diese Vorstellungen angeht, heute bei 75% und nicht bei 100 % liegt, dann kann ich darauf nur eine Antwort geben: mehr Investitionsspielraum und Verstetigung der Investitionen.
Vom Stagnieren des Verkehrshaushalts wurde bereits gesprochen. Die Investitionen sind von 56,9 % im Jahre 1971 auf 47,5 % im Jahre 1982 zurückgegangen.
Allein von 1978 bis 1982 sind im Bundesfernstraßenbau die Investitionen von 5,7 Milliarden DM auf 5 Milliarden DM gesunken und bei den Wasserstraßeninvestitionen von 710 Millionen DM auf 590 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, die Konsequenzen sind sichtbar. Wir haben gerade in der Bauwirtschaft eine überproportionale Arbeitslosigkeit, Zusammenbrüche und Konzentration von Unternehmungen. Ich glaube, das kann uns im Hinblick auf die Zukunft nicht gleichgültig sein; denn es ist bei der Vergabe von Aufträgen für den Auftraggeber — Bund oder öffentliche Hand — sicher besser, wenn er mehr Wettbewerber hat, als wenn er weniger hat. Die Zahl der Bewerber wird bei dieser Entwicklung in Zukunft geringer sein.
Ein Problem, das in Zukunft von ganz großer Bedeutung sein wird, ist das der Ersatzinvestitionen. Ich möchte heute vorsorglich auf die Entwicklung hinweisen. Wir haben bei der Deutschen Bundesbahn eine Abschreibung von 2,5 Milliarden DM, die wohl den tatsächlichen Notwendigkeiten entspricht. Bei den Bundesfernstraßen haben wir heute eine Abschreibungssumme von 2,5 Milliarden DM. Wir werden spätestens 1990 einen jährlichen Bedarf von 3 bis 4 Milliarden DM haben. Bei den Bundeswasserstraßen haben wir heute eine Abschreibung von 0,5 Milliarden DM nötig, aber in Wirklichkeit haben wir eine Abschreibung von 0,26. Das heißt, hier wird nur die Hälfte dessen, was erforderlich ist, abgeschrieben.
Nun kurz zu den Hauptproblemen, die hier ja auch angeschnitten worden sind. Das ist zunächst die Deutsche Bundesbahn. Sie ist unverzichtbar für den Bürger und für die Wirtschaft.
Diese Deutsche Bundesbahn muß aus diesem Grunde auch entsprechend gestaltet werden. Daß sie heute viele Sorgen bereitet, wissen wir alle. Das Defizit wird in diesem Jahr mindestens 4,7 Milliarden DM betragen, der Schuldenstand 35 Milliarden DM sein. Bis 1985 schätzt man den Schuldenstand auf 50 Milliarden DM.
Ich freue mich, daß die Verwaltung in Frankfurt — sie wurde ja von meinem Vorgänger bestellt — sehr aktiv ist und daß sie neben Verwaltungsdenken vor allem auch unternehmerische Gedankengänge hineinbringt. Ich habe den Herren gesagt, daß ich damit völlig einverstanden bin, und sie müssen auch durch die Trennungsrechnung, die sie vorhaben, zu einer weiteren Aufklärung der gesamten Materie und dann zur Verteilung der Kosten und Belastungen absolut beitragen.
Die Deutsche Bundesbahn braucht aber, um sich in dieser Lage weiter entwickeln zu können, weiteres Geld für Neu- und Ausbau von Strecken, für Anlagen für den kombinierten Verkehr, für Stell-
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Bundesminister Dr. Dollinger
werkprogramme, für die Beseitigung von Bahnübergängen und auch für die Errichtung von modernen Rangierbahnhöfen.
Ich möchte hier feststellen, daß die Deutsche Bundesbahn in diesem Jahr in der Lage ist, 4,8 Milliarden DM zu investieren, im Gegensatz zu 4,2 Milliarden DM im vergangenen Jahr.
Nun noch eine Bemerkung zu dem Thema Arbeitsplatzgarantie. Meine Damen und Herren, für diese Frage ist, rechtlich gesehen, der Vorstand der Deutschen Bundesbahn zuständig. Ich glaube, man sollte Kompetenzen auch entsprechend respektieren. Ich wäre gern bereit zu sagen: Wir erhalten alle Arbeitsplätze. Noch schöner wäre es, wenn man noch Bewerber einstellen könnte. Aber, meine Damen und Herren, bei diesem Defizit der Bahn ist es doch völlig unverantwortlich, heute zu sagen: Wir garantieren jeden Arbeitsplatz. —
Ich glaube, das hat schon einmal in Deutschland viele Enttäuschungen hervorgerufen.
Wir sollten uns darauf konzentrieren, meine Damen und Herren, auch über den Weg einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Bahn und einer besseren Ausnutzung der Kapazitäten Arbeitsplätze zu sichern. Das ist dann eine echte Garantie.
Über die Ausbesserungswerke wird im Frühjahr ein Bericht vorliegen. Ich kann dem nicht vorgreifen.
Was den Wohnungsbau angeht, Herr Hoffmann, so habe ich heute einen Brief an Sie unterschrieben, in dem steht, wie sich der Vorstand diese Dinge vorstellt. Wenn Sie dann noch Fragen haben, wäre ich dankbar, wenn Sie sich wieder mit mir in Verbindung setzen würden.
Ich darf damit den Bahnbereich verlassen und gehe kurz auf den Straßenbau ein. Ich glaube, wir müssen die vorhandenen Lücken schließen, und wir haben viele Lücken. Wir müssen die Strecken mit hoher Verkehrsbelastung verbessern. Wir brauchen Chancengleichheit für die verschiedenen Räume; das sagt im übrigen sogar das Grundgesetz. Wir sollten dort, wo starker Ferienverkehr ist, versuchen, die Überbelastung in irgendeiner Form abzubauen.
Wir sollten die Verkehrsbelästigungen in engen Ortschaften durch Ortsumgehungen beseitigen. Wir sollten Engpässe und Unfallschwerpunkte zu beseitigen versuchen.
— Wenn Sie das Geld richtig ausgegeben hätten und wenn Sie nicht so gekürzt hätten, dann wären wir auf dem Gebiet weiter.
Und wir sollten dafür sorgen, daß keine Investitionsruinen entstehen und daß nicht „So-da-Brükken" gebaut werden, die so da stehen, weil keine Straße zu der Brücke hinführt und keine Straße von der Brücke wegführt.