Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsätzlich ist es auf agrarpolitischem Sektor das Bestreben der neuen Bundesregierung, aktiv daran zu arbeiten, die Lage der Landwirtschaft nach dem Landwirtschaftsgesetz 1955 und gleichzeitig nach den Römischen Verträgen und ihren Zielen auszurichten, um eine leistungsfähige bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten.
Dies bedeutet insbesondere, daß die Bestrebungen verstärkt werden müssen, daß auch die landwirtschaftlichen Einkommen an die Einkommen der übrigen Gesellschaftsgruppen herangeführt werden können. Denn gerade die Einkommen unserer Landwirte sind in den beiden Vorjahren deutlich abgesackt, mit der Folge, daß auch die Investitionstätigkeit in der Landwirtschaft fast zum Erliegen gekommen ist. Ausschlaggebend dafür sind das schlechte Ergebnis der letzten Jahre und vor allen Dingen die unverhältnismäßig gestiegenen Betriebsmittelpreise. Die Preis-Kosten-Schere hat sich in erheblichem Maß wieder geöffnet. Die Situation hat sich zwar in diesem Jahr etwas gebessert. Aber grundlegend hat sich hier nichts geändert.
Dies können wir nur dann erwarten, wenn an dem agrarpolitischen Kurs der früheren Bundesregierung Korrekturen vorgenommen werden. Dies gilt insbesondere auch für die Agrarsozialpolitik und für die Agrarstrukturpolitik.
Aber auch in der gemeinsamen Agrarpolitik auf EG-Ebene ist noch eine Menge zu tun, um den Anforderungen einer bäuerlichen Landwirtschaft gerecht zu werden.
Es soll hier nicht verhehlt werden, daß die neue Bundesregierung dies nicht über Nacht machen kann. Das, was über ein Jahrzehnt nach unserer Auffassung nicht so ganz gut gelaufen ist, kann
natürlich nicht von heute auf morgen geändert werden. Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren, wenn das Verhältnis zur Landwirtschaft in der vergangenen Koalition nicht in Ordnung gewesen ist, dann hat es daran gelegen, daß gerade die Sozialdemokraten offensichtlich wenig Verständnis dafür gehabt haben.
— Herr Kollege Hoffmann, ich bin gerne bereit, auch die Namen zu nennen. Wenn die Agrarpolitik vom Finanzminister bestimmt wird oder in gleichem Maße von der Auffassung des Bundeskanzlers oder Ihrer Fraktion, dann wird sie letzten Endes nur dazu benutzt, um eventuell auf dem Rücken der Bauern eine Preispolitik zu betreiben, die nicht gerecht ist. Das ist dann eine Klimafrage.
— Herr Kollege Wehner, ich neige dazu, mich in der Regel immer zusammenzunehmen. Ich habe Sie persönlich deswegen noch nie angesprochen.
Meine Damen und Herren, gerade im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages wurde sehr deutlich bemerkt, daß die Kollegen der SPD den Fragen der Landwirtschaft nicht gerade sehr freundlich und aufgeschlossen gegenüberstanden.
Meine Damen und Herren, zur Agrarsozialpolitik müssen wir festhalten, daß wir im Haushaltsausschuß den Etatentwurf auf Antrag der Koalitionsfraktionen verbessert haben. Wir haben die Bundesmittel zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung um 29 Millionen DM aufgestockt. Durch diesen Beschluß wurden übermäßige Beitragssteigerungen vermieden.
Ich gebe zu — ich sage dies auch, Herr Kollege Wehner —, auch die SPD hat im Haushaltsausschuß beantragt, den Bundeszuschuß zu erhöhen. Aber es fehlten die Deckungsvorschläge. Ob das mit Ihrer Fraktion abgestimmt war, weiß ich gar nicht. Entscheidender ist allerdings, daß sich die CDU/ CSU im Zusammenhang mit der Aufstockung der Bundesmittel für die landwirtschaftliche Unfallversicherung immer nachdrücklich dafür ausgesprochen hat, daß der freiwillige Bundeszuschuß auch in Zukunft sichergestellt wird, um die alte Last, die wir sowohl in der Knappschaft wie auch bei der Landwirtschaft haben, mitzufinanzieren.
Meine Damen und Herren, dies ist eine deutlich andere Weichenstellung. Man muß noch hinzufügen, daß Sie in der alten Koalition diesen Bundeszuschuß eigentlich ganz abschaffen wollten. Sie wollten ihn bis zum Jahre 1985 auf Null herunterfahren. Sie hatten das auch schon eingeleitet, indem Sie zwar nominal 280 Millionen DM eingesetzt hatten, aber 100 Millionen DM mit einer Sperre versehen hatten.
Wenn in der Altershilfe davon gesprochen wird, daß auch gewisse Abstriche erfolgen müssen, dann ist dies jedoch keineswegs ein Eingriff in das bestehende Leistungsgefüge, sondern lediglich das Ver-
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schieben einer Leistungsverbesserung um ein halbes Jahr, und zwar dadurch, daß die Anpassung der landwirtschaftlichen Altersgelder analog zur allgemeinen Rentenanpassung auf den 1. Juli nächsten Jahres verschoben wird. Trotzdem läßt sich nicht ausschließen — dies müssen wir deutlich sagen —, daß angesichts der Kostendynamik der Agrarsozialpolitik und gleichermaßen der Verschlechterung des Verhältnisses von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern auch 1983 sicherlich nicht auszuschließen ist, daß höhere Beiträge zur Altershilfe geleistet werden müssen.
In diesem Zusammenhang muß ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Beiträge zur sozialen Sicherung für viele, gerade für kleine und mittlere Betriebe, eine erhebliche und sogar steigende zusätzliche Belastung darstellen. Die Landwirte wissen allerdings auch, daß die neue Bundesregierung alles versuchen wird, um letzten Endes die agrarsoziale Sicherheit gewährleisten zu können. Angesichts der leeren Kassen ist dies schon eine Tatsache, die wir, meine ich, zu würdigen wissen.
Lassen Sie mich zur Agrarstrukturpolitik folgendes sagen. Die hohe Arbeitslosigkeit — das wissen wir — hat den Strukturwandel, den wir notwendigerweise in der Landwirtschaft brauchen, nahezu zum Erliegen gebracht.
Der Prozeß der äußeren Aufstockung ist nahezu zum Erliegen gekommen. Die innere Aufstockung, d. h. die Ausdehnung der tierischen Veredelungsproduktion, stößt jedoch wegen sicherlich höherer Überschüsse auf gewisse Grenzen.
Vor dem Hintergrund dieser Situation ist eine merkliche Aufstockung bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" für 1983, nämlich eine Aufstockung um 130 Millionen, eine vernünftige Maßnahme.
— Frau Kollegin, vielleicht können wir damit auch für Helgoland etwas regeln. — Vielleicht ist dies eine Möglichkeit, auch in ländlichen Regionen die Arbeitslosigkeit etwas zu mildern, denn diese zusätzlichen 130 Millionen üben ja eine Anstoßwirkung aus; und wir wissen, daß die ländlichen Regionen von der Arbeitslosigkeit wirklich härter betroffen sind als andere.
Über den Rahmenplan 1983 werden damit der Landwirtschaft und dem ländlichen Raum insgesamt — hören Sie zu, Frau Kollegin — 1,92 Milliarden vorwiegend für Investitionen zufließen, und alle Untersuchungen haben ergeben, daß wir daran gut tun.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich allerdings hinzufügen, daß wir uns im Verlauf der Diskussionen des kommenden Jahres noch über die Frage des einzelbetrieblichen Förderungsprogramms unterhalten müssen. Grundsätzlich muß die einzelbetriebliche Förderung angesichts des in den letzten Jahren entstandenen Anpassungsbedarfs weitergehen. Die Landwirtschaft braucht
diese Hilfen, und wir müssen einen Weg finden, um die teilweise zu selektive Förderung wegen der veränderten Rahmenbedingungen etwas zu öffnen. Lassen Sie mich hier einige Forderungen nennen.
Erstens. Der bürokratische Aufwand bei kleinen Investitionen muß reduziert werden. Wir wollen deshalb für kleinere Investitionen, für Rationalisierungs- und Erweiterungsvorhaben, ein Agrarkreditprogramm auflegen, das mit vereinfachten Förderungsvoraussetzungen und ohne umfangreiche Genehmigungsverfahren eine schnelle und ausreichende Förderung möglich macht.
Zweitens. Angesichts der Tatsache, daß wegen der relativ geringen Subventionswerte des vorgesehenen Agrarkreditprogramms tragbare Finanzierungen für umfassende Investitionen, z. B. Aussiedlungen, mehr als 250 000 DM nicht erreichen, muß das einzelbetriebliche Förderungsprogramm grundsätzlich weitergeführt werden. Die zur Zeit praktizierte Förderschwelle ist allerdings nicht das richtige Auswahlkriterium für die Förderung entwicklungsfähiger Betriebe. Ich glaube, meine Damen und Herren, darüber sind wir uns angesichts der Vergangenheit einig. Bessere Kriterien wären z. B. eine Eigenkapitalbildung und eine Vorwegbuchführung, um die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten eines Betriebes zu beurteilen.
Die Förderung landwirtschaftlicher Investitionen darf grundsätzlich nicht an irgendwelche Regionen gebunden werden. Dies ist auch im Zusammenhang mit der Diskussion im Hinblick auf den 31. Dezember 1983 — dann läuft die Richtlinie der EG aus — wichtig. Wir sind der Auffassung, daß die Notwendigkeit von umfassenden Investitionen unabhängig von Gebietskategorien ist. Sie muß sich statt dessen an der Situation der Einzelbetriebe orientieren.
Zwei Grundsätze sollten bei der einzelbetrieblichen Förderung in jedem Falle gewahrt bleiben: erstens daß die Prosperitätsklausel streng und konsequent angewandt wird, zweitens daß durch die investive Förderung die Marktprobleme nicht zusätzlich verschärft werden. Dies halten wir für wichtig.
Erste Ansätze zu einer Kurskorrektur bei der landwirtschaftlichen Investitionsförderung zeigen bereits Entscheidungen, die vom gemeinsamen Planungsausschuß von Bund und Ländern in der letzten Sitzung getroffen worden sind. Ich erinnere nur daran, daß beschlossen wurde, daß der Zugang zur Überbrückungshilfe erleichtert wird, daß die Konditionen in benachteiligten Gebieten verbessert werden, daß das förderungsfähige Investitionsvolumen von 60 000 auf 80 000 DM erweitert wird, daß die Förderung der Nebenerwerbsbetriebe reaktiviert wird,
daß der Zugang erleichtert und die Konditionen verbessert werden
und daß das förderungsfähige Investitionsvolumen
in diesem Bereich von 25 000 auf 50 000 DM erhöht
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wird. Das meine ich, wenn es — auch in Sachen Planungsausschuß — um Klimaverbesserung geht. Hier konnte man sich auf vernünftige Maßstäbe einigen, und das, meine Damen und Herren, ist ein Erfolg der neuen Koalition.
Ich meine, dies sollte auch draußen im Lande zur Kenntnis genommen werden.
Erfreulich ist, wie ich finde, daß die neue Bundesregierung gleichzeitig mit ihrem Beschluß, die Mehrwertsteuer Mitte kommenden Jahres — so schwer dies uns auch fällt — anzuheben, die Vorsteuerpauschale für die landwirtschaftliche Produktion erhöht. Dies ist konsequent und logisch; wir begrüßen dies.
Wir können feststellen, die neuen Akzente, die diese neue Bundesregierung gesetzt hat, haben in den wenigen Wochen bereits eine Klimaverbesserung auch in den Fragen der Agrarpolitik beschert.
Lassen Sie mich abschließend ein Wort zur EG sagen. Wir wissen, daß es über weite Strecken eine heftige Diskussion über die Finanzierung der Maßnahmen gerade auf dem Agrarsektor innerhalb der EG gibt. Lassen Sie mich auf den Umstand hinweisen, daß wir dies nicht allein unter fiskalpolitischen Gesichtspunkten sehen dürfen. Wenn die EG als wirtschaftliche Einheit überleben soll, müssen wir die politische Begründung hinzufügen, die da heißt: Wenn Europa wichtig ist, dürfen wir uns nicht allein unter fiskalpolitischen Gesichtspunkten daran festhalten, daß letzten Endes der Agrarmarkt Geld kostet. Dies wird zuwenig gesehen. Deshalb wollte ich dies hier noch einmal sagen.
— Wir wissen um die Problematik, Herr Kollege Hoffmann. Wir wissen auch, daß wir hier die Bremsen nicht ohne weiteres preisgeben können. Unter den Voraussetzungen sollten wir, meine ich, an dem bewährten System der Agrarmarktordnung festhalten.