Rede von
Torsten
Wolfgramm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Lieber Herr Kollege Kühbacher, Sie machen es mir leicht oder schwer, je nachdem wie man es sehen will: Ich sehe keinen Ansatz zur Kritik. Nach bayerischer Mundart würden Sie heute auch nicht auf den Titel Anspruch erheben können, wenigstens ein „Waderlbeißer" bei der Diskussion des Innenbereichs gewesen zu sein.
Ich möchte aber doch die Ausführungen des Kollegen Riedl vervollständigen. Er hat vorhin die früheren Innenminister genannt, und dann hat er den früheren Bundesinnenminister Genscher gelobt. Ich möchte das auf den Bundesinnenminister Baum ausdehnen,
unter dessen Ägide wir wichtige Gesetze im Bereich des Umweltschutzes verabschiedet, wichtige Bereiche der Freiheitsrechte für den einzelnen erweitert haben.
Ich halte das für angemessen und richtig.
Ich will mich aber jetzt mit dem beschäftigen, was wir in der kurzen Zeit der Koalition der Mitte geleistet haben. Der Schwerpunkt unserer Tätigkeit lag ja im Bereich des Haushalts, der Finanzen, der Wirtschaft. Trotzdem waren auch in der Innenpolitik wichtige Punkte zu behandeln und durchzusetzen.
Ich möchte hier nicht anstehen, dem Bundesinnenminister sehr dafür zu danken, daß die Technische Anleitung Luft ohne Abstriche auf den Weg gebracht worden ist.
Ich möchte an die Länder, die ja am 20./21. dieses
Monats im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz in Bonn tagen werden, appellieren,
8788 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982
Wolfgramm
keine Veränderungen an den Werten vorzunehmen. Das Hearing dürfte diesen Appell unterstreichen.
Ich gehe weiter davon aus, daß die Großfeuerungsanlagen-Verordnung zügig ihren Weg nimmt. Ich appelliere an die Industrie, ihre Altanlagen stillzulegen und eines der drei wichtigen Prinzipien im Umweltschutz, nämlich das Kooperationsprinzip, zum Anlaß zu nehmen, um nun auf Grund dieses Gesetzes zusammen mit dem Staat das zu tun, was für die Reinhaltung der Luft und für die Bekämpfung des sauren Regens wichtig und nötig ist.
Zu dem Erfolg bei der Terroristenfahndung kann ich das BKA und die Landesbehörden nur beglückwünschen. Ich meine, uns sind zwar noch nicht alle Sorgen genommen, aber das ist ein deutlicher Erfolg für die genannten Behörden.
Das Kontaktsperregesetz ist auf einem guten Weg. Ich hoffe sehr, daß wir bald — und damit dann auch endgültig — zum Ziel kommen. Ich möchte dabei aber auch betonen, daß Sie bei einer weiteren Einschränkung von Demonstrationsrechten, von Freiheitsrechten — wie es hier und da j a einmal vorgetragen worden ist — auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen werden. Dies ist eine wichtige Position der Freien Demokraten. Wir werden sie auch nicht unter veränderten Koalitionsbedingungen aufweichen lassen oder gar aufgeben.
Lassen Sie mich eine Anmerkung zum Stellenplan des Einzelplans 06 machen. Ich stelle mit Befriedigung fest, daß wir hier keine Stellenvermehrung haben. Es gibt Umsetzungen — im Umweltbundesamt wurden mehr Stellen geschaffen, was notwendig und geboten ist; in anderen Bereichen gibt es dafür einige Stellen weniger —, aber es ist keine Stellenvermehrung vorgesehen. Damit sind wir in einem großen Bereich — das Bundesinnenministerium hat die meisten Mitarbeiter im Ministerium und im nachgeordneten Bereich — einer wichtigen Voraussetzung unserer haushaltspolitischen Vorstellungen gefolgt.
Zur Besoldungsanhebung um 2 % möchte ich für meine Fraktion sagen, daß wir das in dieser schwierigen Zeit für notwendig halten. Wir werden jedoch sorgfältig darauf achten, daß sich zwischen dem Tarifbereich im öffentlichen Dienst und den Beamten die Schere nicht zu weit öffnet. Wir werden dann auch Überlegungen darüber anstellen, wie man helfen kann.
Die Freien Demokraten wollen den freiheitlichen Bereich unserer Rechtsordnung weiterentwickeln. Wir werden die Minderheiten dabei nicht allein lassen, wir werden sie einbeziehen. Wir wollen, daß die Staatsbürger ihre Rechte wie bisher ohne Furcht ausüben können.
Staatliche Machtanwendung muß zurückhaltend sein. Unsere politische Aufgabe wird es auch in Zukunft sein, Ursachen von innenpolitischen Spannungen zu erkennen und die Lösungsmöglichkeiten zu finden, auch in der Diskussion in diesem Haus, hier im Plenum. Das Gewaltmonopol sollte dabei
nicht von vornherein eingesetzt werden, wobei unbestritten ist, daß das Gewaltmonopol nur dem Staat zusteht.
Ich begrüße noch einmal ausdrücklich, daß der Kollege Erhard in einer früheren Debatte gesagt hat, daß auch für ihn Freiheit den absoluten Vorrang habe.
Übrigens, Walter Rathenau hat einmal gesagt, es handele sich darum, an die Stelle einer blinden und unüberwindlichen Institution die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung zu setzen, dem Menschen die Freiheit nicht aufzuzwingen, sondern ihm den Weg zur Freiheit zu öffnen. Ich glaube, er hat das damals richtig gesehen; es ist auch heute gültig.
Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen machen zu dem, was wir in der Zukunft tun wollen und wofür wir uns einsetzen. Im Umweltbereich wollen wir einen Bericht zur Abwassersituation haben, darüber, ob sich unser Abwasserabgabengesetz durchgesetzt hat, ob die bestellten Kläranlagen ausreichend vorhanden sind. Wir werden auf die Abfallbeseitigung dringen. Wir werden auf die Verbesserung des Lärmschutzes unser Augenmerk richten. Wir werden bei der Ressourcenschonung auch das Recycling-Verfahren unterstützen und entsprechend voranbringen.
Der Bereich des Auslands, der bei der Luft- und Gewässerreinhaltung eine wichtige Rolle spielt, wird uns intensiv beschäftigen müssen. Ich habe das bei der letzten Debatte zu „Global 2000" gesagt: Wir werden uns engagieren. Ich sehe mich in der Unterstützung des Hauses und des Ministers, daß die Präsidentschaft in der EG genutzt wird, um unsere Positionen deutlich zu machen.
Lassen Sie mich eine Anmerkung zum Datenschutzgesetz machen. Wir werden nach Beginn der neuen Legislaturperiode darauf dringen, daß es novelliert wird. Herr Kollege Schäfer macht eine zweifelnde Miene.
— Lieber Herr Kollege, ich habe vorhin von der kurzen Zeit gesprochen. Sie wissen so gut wie ich, daß wir uns nicht alles auf einmal vornehmen müssen und können; wir haben schon eine Menge erreicht.
Dazu gehören dann auch die Verbesserung der Schadensersatzansprüche der Bürger, Einführung des Rechts auf unentgeltliche Auskunft. Auch darf der Datenschutzbeauftragte in seiner Amtsführung nicht behindert werden, und auch nicht darin, im Sicherheitsbereich Kontrollmaßnahmen durchzuführen und Kontrollaufgaben wahrzunehmen.
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Ich stelle mit außerordentlichem Mißmut fest, daß die niedersächsische Landesregierung in diesem Bereich eine Punker-Kartei aufgebaut hat. Ich möchte hier festhalten, daß es auch in Zukunft ausgeschlossen bleiben muß, daß jemand mit auffälligem oder gesellschaftsunkonformem Verhalten in einen Polizeicomputer eingespeist werden kann, ohne daß er auch nur in die Nähe des Verdachts einer strafbaren Handlung gekommen ist.
Zur Ausländerpolitik: Wir möchten die Reintegration von ausländischen Arbeitnehmern in ihre Heimatländer fördern. Ich brauche nicht aufzuzählen, welche Überlegungen und Anstrengungen da unternommen werden. Dasselbe gilt für die Integration der Ausländer bei uns. Ich möchte davor warnen, daß wir den Prüfungsauftrag, den wir vereinbart haben in Form von Beschränkungen vorwegnehmen. Familienzusammenführung auf eine Zeit zu begrenzen — wenn es sein muß —, sollte diesem Prüfungsauftrag vorbehalten sein. Ich darf festhalten, daß unsere Verfassung nicht nur die deutsche Familie, sondern die Familie überhaupt schützt; sie macht da keine Ausnahme.
Ich möchte etwas zum § 218 StGB sagen. Wir werden uns dagegen wenden, daß der § 218 aufgeweicht wird.
Es muß bei der Beihilferegelung für soziale Indikation bleiben. Das ist auch ein wichtiger Punkt in den Bereichen gewesen, die wir in früheren Zeiten mit Ihnen von der linken Seite zusammen betrieben haben und auf die wir stolz sind.
Kulturpolitik ist bei den Kommunen ein Stiefkind. Bei dem Bund ist es nicht so. Ich darf den Bundesinnenminister hier motivieren und unterstützen. Ich darf ihn dabei unterstützen, daß wir uns — obwohl wir in diesen Bereichen keine unmittelbare Kompetenz haben — für die Kulturfonds und die freie Verwaltung derselben einsetzen, aber auch in der Übernahme von wichtigen Kulturgegenständen aus privaten Sammlungen. Auch das bitte ich fortzuführen. Ich bitte auch, das in der Kostenrelation nicht gegen die eine oder andere Maßnahme, die man sonst durchführen könnte, aufzurechnen.