Rede von
Dr.
Erich
Riedl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jüngsten Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus haben die Aufmerksamkeit unserer Bürger erneut auf das Thema innere Sicherheit gelenkt. Wir alle haben Grund, uns über die Verhaftungen der Topterroristen Klar, Schulz und Mohnhaupt zu freuen.
Mit diesen Namen war eine tiefe Verunsicherung unserer Bevölkerung, ja des gesamten Staates bis hin in die Gestaltung der Rechts- und Innenpolitik verbunden. Wir danken den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern für den vorbildlichen Einsatz und den damit verbundenen Erfolg.
Dennoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Problem des Terrorismus ist leider nicht erledigt. Zahlreiche Brand- und Sprengstoffanschläge mit zunehmender Tendenz führen uns nahezu täglich die Gefahrenlage drastisch vor Augen. Ihren vorläufigen Höhepunkt haben sie in dem heimtükkischen Bombenanschlag am gestrigen Dienstag auf ein Privatkraftfahrzeug eines amerikanischen Soldaten in Butzbach gefunden. Dieser Soldat hat schwere, j a leider lebensgefährliche Verletzungen erlitten. Ich darf wohl im Namen des ganzen Hauses hier sprechen, wenn ich diesen Anschlag gegen unsere amerikanischen Verbündeten auf das schärfste verurteile.
Den amerikanischen Freunden versichern wir, daß die Sicherheitsorgane von Bund und Ländern mit Entschlossenheit alles unternehmen werden, diesem verbrecherischen Tun ein Ende zu bereiten.
Die derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zwingen dazu, sich auch im Sicherheitsbereich auf das zur Zeit Notwendigste zu beschränken. Abstriche sind deshalb nicht nur beim BAföG, sondern auch im Bereich der inneren Sicherheit unumgänglich. Sie sind aber vom Haushaltsausschuß — das darf ich sagen — in dem Bewußtsein vorgenommen worden, in keinem Fall die Substanz und damit die Schlagfertigkeit der Sicherheitsorgane zu gefährden. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat sich diese Entscheidungen — das werden die Kollegen der SPD bestätigen können — sicherlich nicht leichtgemacht.
Wegen der Kürze der Zeit werde ich mich auf den Bereich der inneren Sicherheit beschränken. Mein Kollege Gerster wird nach mir zu einigen anderen Schwerpunkten des Einzelplans 06 Stellung nehmen.
Ich darf deshalb aus dem Einzelplan 06 einmal die Summe nennen, die im Haushalt 1983 für Zwecke der inneren Sicherheit vorgesehen ist. Es sind rund 1,6 Milliarden DM. Diese Haushaltsansätze sind damit im Jahr 1983 gegenüber den Ansätzen von 1982 um 3,1% erhöht worden. Wenn man berücksichtigt, daß zwei Drittel der Mittel für Personalausgaben benötigt werden, so wird klar, daß dabei die Sachausstattung unserer Sicherheitsbehörden relativ knapp bemessen ist.
Ein besonderes Problem war bei den Haushaltsberatungen die einprozentige Stellenkürzung zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung.
Ursprünglich wollte der Bundesminister des Innern diese einprozentige Stellenkürzung für den gesamten Bereich der inneren Sicherheit verhindern. Die Mehrheit des Haushaltsausschusses konnte sich diesem Willen des Bundesinnenministers aber leider nicht anschließen. Ausgenommen wurden nach langem, zähem Ringen — ich darf dem Bundesinnenminister bestätigen, daß er bis hinein in unsere Fraktion um jeden Mann gekämpft hat;
sein Kampf war letztlich doch nicht ganz ohne Erfolg — die Polizeivollzugsbeamten des Bundesgrenzschutzes, und das — ich will es mit einigen Sätzen sagen — mit gutem Grund.
Nachdem der Bundesgrenzschutz in den beiden letzten Haushaltsjahren durch Etatkürzungen insgesamt 568 Planstellen im Polizeivollzugsdienst verloren und damit mehr als eine Grenzschutzabteilung eingebüßt hatte, hätte diese einprozentige Stellenkürzung zu substantiellen Eingriffen bis hin zur Auflösung von Standorten führen müssen. Seit 1976 wurde der Bundesgrenzschutz in bisher nicht gekanntem Maße zur Unterstützung der Polizeien der Länder einschließlich der vielfältigen Bewachungsaufgaben im In- und Ausland eingesetzt. Stellenkürzungen hätten die Möglichkeit der Bereitstellung von Kräften für die Länder, wie sie das Programm für die innere Sicherheit vorsieht, in nicht vertretbarem Maße reduziert und damit eine Sicherheitslücke geschaffen. Das hat der Haushaltsausschuß so gewürdigt.
Leider konnten für das Bundeskriminalamt und für das Bundesamt für Verfassungsschutz Ausnahmen nicht gemacht werden. Ich darf sagen: Wenn man im Haushaltsausschuß ganz generell einprozentige Kürzungen jedweder Art oder eine fünfprozentige Kürzung wie bei den Subventionen beschließt und dann mit Ausnahmen anfängt, kommt man zu keinem Ende. Das war auch ein Entscheidungszwang, unter dem der Haushaltsaussschuß stand. Ich will das auch in aller Offenheit so sagen. Herr Kollege Kühbacher, wir wissen inzwischen alle, wie man bei einer pauschalen Forderung nach,
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 139. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Dezember 1982 8783
Dr. Riedl
sagen wir einmal, einer fünfprozentigen Subventionskürzung verfahren kann.
Dennoch gilt: Haushaltspolitiker dürfen es trotz enormer Sparzwänge doch nicht als ein Naturgesetz hinnehmen, daß die Kriminalität in unserem Land von Jahr zu Jahr steigt. Mehr als 4 Millionen registrierte Delikte im Jahre 1981 und damit eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 6,7 % stellen einen traurigen Rekord dar. Das wird um so deutlicher, wenn man weiß, daß gerade im Bereich der Gewaltkriminalität überdurchschnittliche Steigerungsraten zu verzeichnen sind.
Insbesondere Raub- und Diebstahlskriminalität haben eine Bedrohlichkeit erreicht, die unseren Bürgern ohne Gefahr für die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates nicht länger zugemutet werden kann. Bei rund 2,6 Millionen Diebstählen im Jahre 1981 in der Bundesrepublik Deutschland haben wir also alle 12 Sekunden einen Diebstahl festzustellen. Bei fast 300 000 Einbrüchen geschieht in der Bundesrepublik Deutschland alle 100 Sekunden ein Einbruch. Bei 171 373 Wohnungseinbrüchen, von denen Rentner, kleine Leute, aber auch Reiche betroffen werden können, also jeder, geschieht alle drei Minuten ein Wohnungseinbruch, wobei die Aufklärungsquote sage und schreibe nur 26% beträgt.
— In München, Herr Kollege, und in den Großstädten sind diese Zahlen noch größer. Dies sind Zahlen für die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Sie haben recht mit Ihrem Zwischenruf. In den Ballungsräumen sind die Prozentzahlen leider Gottes noch größer, auf dem flachen Land etwas kleiner.
Der Anstiegstrend bei der Kriminalität setzte sich leider auch im ersten Halbjahr 1982 fort, und dies kann nicht geduldet werden.
Dem Kampf gegen das Rauschgift — meine Damen und Herren, ich will das in ganz wenigen Sätzen sagen — müssen ein ebenso hoher Stellenwert und eine ebenso hohe Bekämpfungsleidenschaft beigemessen werden wie dem Kampf gegen den Terrorismus.
Die Zahl der Opfer durch Rauschgift betrug 1982 bis zum Ende des Monats November 304 Tote.
Verglichen mit denjenigen, die Opfer des Terrorismus sind, könnte sogar der Schluß naheliegen, daß diese Kriminalität noch gefährlicher als der Terrorismus ist.
Ich möchte auch den Bereich der Wirtschaftskriminalität erwähnen, der sich gerade bei schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausweitet. Der volkswirtschaftliche Schaden — dies sollte in einer Haushaltsdebatte auch einmal gesagt werden — ist kaum vorstellbar.
Nach Aussagen von Fachleuten des Bundeskriminalamts und des Bundesinnenministeriums beträgt die Summe pro Jahr einschließlich der Steuerhinterziehungen 15 bis 20 Milliarden DM.
Das sind die Schäden durch die Wirtschaftskriminalität in der Bundesrepublik Deutschland. Wenn man dem die Ausgaben im Einzelplan 06 für die innere Sicherheit, die nur 1,6 Milliarden DM betragen, gegenüberstellt, Herr Kollege Lambinus, dann weiß man, welche Aufgaben hier auf unsere Polizei zukommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe leider nur zehn Minuten Redezeit. Ich will mich auch im Interesse der Kollegen, die nicht unbedingt bis in die späte Nacht hier sitzen wollen, darauf einstellen. Deshalb gestatten Sie mir zum Schluß noch ein kurzes Wort zum Bundesgrenzschutz. Wir waren vor einigen Jahren bei der einstimmigen Verabschiedung des Personalstrukturgesetzes der Meinung, eine dauerhaft befriedigende Lösung gefunden zu haben. Mir scheint, daß sich der Gesetzgeber hier doch ein wenig geirrt hat; denn die Erwartung, daß die Länder kontinuierlich einen Teil der ausgebildeten BGS-Beamten übernehmen, hat sich leider nicht erfüllt, so daß der Bundesgrenzschutz heute vor der Gefahr einer Überalterung steht. Es ist sicherlich auch eine der wichtigen Aufgaben des Herrn Bundesinnenministers, in den nächsten Monaten einmal darüber nachzudenken, inwieweit man das Bundesgrenzschutz-Personalstrukturgesetz in dieser Hinsicht nicht doch novellieren sollte.
Lassen Sie mich eine Schlußbemerkung machen. Eine noch so erfolgreiche Tätigkeit unserer Sicherheitsbehörden kann nicht allein mit einer noch so gut gemeinten finanziellen Ausstattung ausgeübt werden. Sicherheitspolitik muß auch auf einer entschlossenen politischen Grundhaltung beruhen, bei der jede Art von Verunsicherungstendenzen für unsere Polizei und für unsere Beamten draußen vor Ort vermieden werden.
• Ich möchte den Bundesinnenminister ermuntern, an die gute Tradition der Bundesinnenminister der Jahre 1949 bis 1969 anzuknüpfen. Ich möchte aber auch den Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher erwähnen, der in seiner Amtszeit der Polizei ein Gefühl der politischen Rückendeckung gegeben hat.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU hat volles Vertrauen zur Politik der inneren Sicherheit, wie sie mit großer Behutsamkeit, mit
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großem Bedacht — manche in den Reihen der SPD haben ihm dies gar nicht zugetraut — von Dr. Friedrich Zimmermann, seit er dieses Amt übernommen hat, betrieben worden ist.
An ihn gewandt möchte ich zum Schluß sagen: Lieber Herr Dr. Zimmermann, verstehen Sie diese Haushaltsbeschlüsse als einen Beweis unseres Vertrauens und unserer Bereitschaft zur Unterstützung. Wir stimmen deshalb Ihrem Einzelplan gern zu.