Rede von
Lieselotte
Berger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Kreutzmann, ich freue mich darüber, daß ich heute wieder einmal mit Ihnen um innerdeutsche Probleme, um die Probleme des Einzelplans 27 wetteifern kann. Ich weiß, daß wir in diesen Fragen im Grundsatz häufig gleicher Meinung waren und gleicher Meinung sind. Ihr Einsatz für das Zonenrandgebiet ist mir und uns allen wohlbekannt. Und wir haben großen Respekt davor.
Daß Ihren Bemühungen, die Kürzung der Mittel für die Zonenrandförderung zu verhindern, kein Erfolg beschieden war, lag wirklich nicht an Ihnen. Es tut mir leid, es schlicht sagen zu müssen: Es lag einfach daran, daß sich Ihr Minister Franke in der damaligen Kabinettsrunde nicht durchsetzen konnte. Insoweit nur auf diesen einen Punkt konzentriert,
8676 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
Frau Berger
meine ich, daß auch in diesem Ressort der Regierungswechsel fällig war.
— Ich würde da gar nicht so sehr lachen. Ich habe mir, als ich vorhin meine Unterlagen durchsah, das Vorwort des Einzelplans 27 angesehen. Da steht geschrieben:
Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen hat die Aufgabe, der Einheit der Nation zu dienen, den Zusammenhalt des deutschen Volkes zu stärken, die Beziehungen der beiden deutschen Staaten zu fördern und die deutschlandpolitische Verantwortung der Bundesregierung wahrzunehmen.
So ist es im Vorwort zum Einzelplan 27 nachzulesen.
Die Haushaltswirklichkeit ist diesem Anspruch — wir reden hier über den Haushalt — in der Vergangenheit immer weniger gerecht geworden. 1980 umfaßte der Einzelplan 27 noch 481 Millionen DM oder rund 0,25% des gesamten Bundeshaushalts. Unter der Verantwortung des Bundesministers Franke wurde uns im September 1982 ein Haushaltsentwurf für 1983 von nur noch 433 Millionen DM vorgelegt, und das waren noch ganze 0,17 % des Bundeshaushalts. Einen solchen Ansatz halten wir bei dem Gewicht der Aufgaben des Ministeriums für absolut unangemessen. Dies muß auch Schritt für Schritt korrigiert werden.
Ähnlich sieht es in der mittelfristigen Finanzplanung aus. Hier sollte nach Absicht der alten Regierung bis 1986 für den Einzelplan 27 noch nicht einmal das Volumen des Jahres 1982 erreicht werden. Deshalb begrüßt meine Fraktion ausdrücklich, daß die neue Bundesregierung sofort politische Schwerpunkte gesetzt und beim Einzelplan 27 zunächst 20 Millionen DM zugelegt hat. Wir begrüßen ferner die Absicht und die Ankündigung von Bundesminister Barzel, auch die mittelfristige Finanzplanung zu überprüfen. Wir stehen somit vor einer Trendwende in der innerdeutschen Haushaltspolitik.
Ich will es ganz offen und sozusagen auf Berliner Art sagen: Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, daß mit der neuen Bundesregierung auch im Ministerium für innerdeutsche Beziehungen wieder frischer Wind weht.
Nach Jahren der bloßen Verwaltung von Programmen — ich möchte fast sagen: der Lethargie und der Routine — wird politischer Führungswille wieder klar erkennbar. Das sage ich als Mitberichterstatterin für diesen Haushalt und führe folgende Schwerpunkte des Haushalts dafür an.
Erstens. Der Zonenrandförderung wird ein besonderer Stellenwert als deutschlandpolitischer Aufgabe gegeben. Ihr Ansatz wird von 100 Millionen auf zunächst 115 Millionen DM erhöht. Die Kollegen aus dem Zonenrandgebiet werden zu beurteilen wissen, was es für die Menschen und die Lage auf dem Arbeitsmarkt bedeutet, wenn diese Mittel
nicht wie bisher weiter gekürzt, sondern endlich wieder erhöht werden.
Zweitens. Die besonderen Hilfsmaßnahmen werden zunächst um 5 Millionen auf 90,6 Millionen DM erhöht, und hier sind sich alle Fraktionen über die Notwendigkeit dieser Verstärkung einig.
Drittens. Die Förderung von Schulklassenfahrten in die DDR wird ebenfalls verstärkt. Auch das wird von allen Fraktionen begrüßt. Das BMB wird meinen Vorschlag prüfen, daß zusätzlich zu den bisher geförderten mehrtägigen Klassenfahrten auch EinTages-Fahrten in die DDR gefördert werden sollen, insbesondere aus dem Zonenrandgebiet und aus Berlin.
Bundeskanzler Kohl hat auch in den vergangenen Wochen dazu aufgerufen, daß Schulklassen zunächst nach Berlin und in die DDR fahren sollen, um hier die Wirklichkeit der deutschen Teilung zu erfahren, bevor man Klassenfahrten ins Ausland plant. Die dafür notwendigen Zuschußmittel werden im Einzelplan 27 zur Verfügung stehen.
Viertens. Wäre es nach dem Willen der alten Bundesregierung gegangen, so wäre die Förderung der Informationsreisen für Erwachsene nach Berlin bereits 1982 völlig gestrichen worden, und das war schon ein starkes Stück. Wir haben diese Fehlentscheidung im Haushaltsausschuß zweimal korrigiert: Im vergangenen Jahr haben wir den Titelansatz gerettet, und in diesem Jahr haben wir ihn erhöht.
Neben diesen Schwerpunktmaßnahmen des Einzelplans 27 werden die aus dem Einzelplan 60 vom BMB geförderten deutschland- und berlinpolitischen Maßnahmen fortentwickelt. Im humanitären Bereich gehen die bereits 1962 von Dr. Barzel als Bundesminister begonnenen Bemühungen weiter.
Lassen Sie mich noch zwei kritische Anmerkunge, aber auch gleichzeitig entsprechende Vorschläge machen.
Erstens. Das Ministerium läßt weiterhin Bücherpakete mit deutschlandpolitischer Literatur — das sind etwa 100 Buchtitel — an Schulen versenden. Der Inhalt dieser Bücherpakete ist überprüft und verändert worden, was wir anerkennen. Die Bücher sind aber in erster Linie als Unterrichtsmaterial für die Lehrer bestimmt und nicht als Lesestoff für die Schüler. Ich halte dies für eine Lücke, die geschlossen werden muß, und bitte die Bundesregierung, zu überprüfen, ob nicht künftig auch spezielle Bücherpakete für Schülerbibliotheken zusammengestellt werden sollten. Die Schüler sollten Bücher in die eigene Hand bekommen, die sie neugierig machen und die sie auch zu Reisen in die DDR anregen.
Zweitens. Für unerträglich halte ich die fast völlige Streichung der Mittel für Zusatzreisen von Besuchern aus der DDR und den Ostblockstaaten.
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Frau Berger
Diese Hilfen werden seit Februar dieses Jahres nur noch gewährt, wenn die Gastgeber Sozialhilfeempfänger oder Kriegsrentner und wenn die DDR-Besucher Rentner sind. Erhält z. B. ein Arbeitsloser Besuch aus der DDR, so kann sein Besucher keine Reisebeihilfe erhalten. Eine solche Regelung ist für den Besucherverkehr, den wir doch alle wünschen, schlicht und einfach abträglich und schädlich.
Ich bin daher dankbar, daß Staatssekretär Rehlinger in den Berichterstattergesprächen zugesagt hat, er wolle die Änderung der Richtlinien prüfen. Mit wenig Geld, das zudem lediglich aus dem Bundeshaushalt in die Bundesbahn fließt, könnte hier viel erreicht werden.
Eine Schlußbemerkung: Herr Bundesminister Dr. Barzel, Sie haben vor kurzem im Innerdeutschen Ausschuß eine Reihe von konzeptionellen Überlegungen vorgetragen. Ich will mich mit Rücksicht auf die Zeit und auf die Mahnung des Herrn Präsidenten darauf beschränken, mich auf diese Aussagen zu berufen und Sie mit allem Nachdruck zu bitten, auf dem begonnenen Weg fortzufahren. Die Aufgabe, der Einheit der Nation zu dienen und den Zusammenhalt des deutschen Volkes zu stärken, ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Sie liegt bei Ihnen in guten Händen.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Einzelplan 27 zu.