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ID0913814000

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    Plenarprotokoll 9/138 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 138. Sitzung Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 Inhalt: Eintritt der Abg. Ginsberg und Riebensahm in den Deutschen Bundestag . . . 8577 A Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksachen 9/1920, 9/2050, 9/2139 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 9/2141, 9/2281 — . . . . 8577 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 9/2142, 9/2281 — . . . . 8577 C Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 9/2143, 9/2281 — . . . . 8577 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 9/2144, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 9/2145, 9/2281 — Dr. Dregger CDU/CSU 8578A Dr. Ehmke SPD 8584 B Hoppe FDP 8592 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 8596 C Dr. h. c. Leber SPD 8607 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 8616 C Rapp (Göppingen) SPD 8619 D Genscher, Bundesminister AA 8623 B Voigt (Frankfurt) SPD 8629 B Möllemann, Staatsminister AA 8633 D Picard CDU/CSU 8636 B Coppik fraktionslos 8638 B Wieczorek (Duisburg) SPD 8639 C Präsident Stücklen 8596 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 9/2154, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksachen 9/2165, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 9/2158, 9/2281, 9/2289 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 in Verbindung mit Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 9/2160, 9/2281 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 8640 B Frau Traupe SPD 8641 C Dr. Zumpfort FDP 8644 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 8644 B, 8659 B Neumann (Stelle) SPD 8651 C Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 8653 D Popp FDP 8655 B Meinike (Oberhausen) SPD 8656 D Hansen fraktionslos 8659C, 8682A Kolbow SPD 8661 D Schluckebier SPD 8663 C Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 8665 A Dr. Vohrer FDP 8667 D Dr. Holtz SPD 8669 B Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 8671 B Dr. Kreutzmann SPD 8673 D Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 8675 D Ronneburger FDP 8677 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8679A Wieczorek (Duisburg) SPD 8682A, B Reddemann CDU/CSU 8682 C Vizepräsident Wurbs 8681 D Nächste Sitzung 8683 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8684* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8577 138. Sitzung Bonn, den 14. Dezember 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 14. 12. Dr. van Aerssen * 16. 12. Böhm (Melsungen) ** 15. 12. Brandt 16. 12. Junghans 17. 12. Lagershausen 17. 12. Lampersbach 17. 12. Liedtke 15. 12. Löffler 17. 12. Frau Luuk 14. 12. Mischnick 17. 12. Müller (Bayreuth) 17. 12. Rösch ** 16. 12. Schmidt (Wattenscheid) 14. 12. Schmöle 17. 12. Dr. Vohrer ** 16. 12. Weiskirch 17. 12. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Vohrer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Entwicklungspolitik wird in der letzten Zeit wieder sehr stark mit ideologischen Komponenten versehen. Ich zweifle sehr, daß dadurch die notwendige Gemeinsamkeit, die wir alle brauchen, wenn die Entwicklungspolitik von der Bevölkerung akzeptiert werden soll, gefördert wird.
    Daneben sehe ich die Frage, ob wir im entwicklungspolitischen Bereich von Kontinuität oder Neuanfang reden sollten. Ich möchte eines ganz deutlich sagen: Die FDP zeigt eine ganz eindeutige Präferenz für die Kontinuität, und für mich ist der Haushalt, den wir heute verabschieden, auch der Beweis, daß die Kontinuität gewahrt wird. Als Elemente dieser Kontinuität sehe ich z. B. die Steigerungsrate des entwicklungspolitischen Haushalts mit knapp 4%, die praktisch gleich ausfällt wie in dem ursprünglich vorgelegten sozialliberalen entwicklungspolitischen Haushalt.
    Ganz eindeutig ist die Entwicklungspolitik auch in der jetzigen, der CDU/CSU-FDP-Koalition ein Beitrag zur Friedenspolitik. Daraus, daß wir Entwicklungspolitik als Friedenspolitik sehen, sollten wir auch die Konsequenzen ziehen, und den Zusammenhang zwischen Abrüstungsanstrengungen und vermehrten Ausgaben für Entwicklungspolitik in aller Klarheit deutlich machen.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    8668 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Dr. Vohrer
    Wenn ich von Kontinuität rede, ist für mich wichtig, daß die gemeinsame Entschließung vom 5. März eine entscheidende Grundlage für unsere Entwicklungspolitik bleibt, mit allen Schwerpunkten, die dort festgeschrieben sind: daß wir die Grundbedürfnisse bevorzugt bedienen wollen, daß wir den ländlichen Raum als unseren Schwerpunkt sehen und bei Projekten verstärkt Energie und Ökologie auswählen wollen.
    Ich habe sehr viel Verständnis, wenn man sich Gedanken macht, wie wir bei der Bevölkerung mehr Zustimmung finden für einen Ausgabeposten von insgesamt — es gibt j a auch außerhalb des entwicklungspolitischen Bereichs noch in anderen Ministerien Titel, die der Dritten Welt zugute kommen — annähernd 7 Milliarden DM. Da ist es notwendig, daß wir als Parlamentarier uns darum bemühen, daß die Bevölkerung solche Ausgaben unterstützen kann, daß sie sie akzeptiert.
    Wenn man sich Gedanken über die Frage einer Lieferbindung macht, auch über die Frage: Inwieweit schafft Entwicklungspolitik Beschäftigung in unserem Lande?, so ist das nicht unbillig. Wenn ich richtig informiert bin, gab es auch in der vergangenen Regierung in den letzten Monaten auch Überlegungen, wie wir mit der Lieferungebundenheit flexibler verfahren können. Ich gehöre nicht zu denen, die die Lieferungebundenheit aufheben und die Lieferbindung einführen wollen. Aber wenn wir hier pragmatischer verfahren und bei den Projekten darauf achten, ob deutsche Firmen mit Aufträgen bedacht werden, dann halte ich das für eine Linie, die ohne weiteres zu akzeptieren ist.
    Ich habe auch viel Verständnis, wenn man sich überlegt: In welchen Ländern wirken die Mittel optimal, und welches sind die Länder, die ein Faß ohne Boden sind? Wir müssen uns darum bemühen, daß jede in der Dritten Welt eingesetzte Mark auch eine gewisse Wirkung zeigt. Bloß sollte die Auswahl wirklich effizienzorientiert und nicht ideologisch orientiert sein,

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    und das ist für mich der Punkt, an dem es darum geht, daß wir die Debatte sehr offen führen. Wir wollen in der Tat nicht in ein Freund-Feind-Denken gegenüber der Dritten Welt zurückfallen; wir wollen nicht Wohlverhalten belohnen und uns möglicherweise unsympathische Handlungen von Regierungen bestrafen. Wir wollen keine Überlagerung der Nord-Süd-Problematik durch die Ost-West-Problematik.

    (Beifall bei der FDP)

    Dies alles ist für uns wirklich nicht akzeptabel, und insofern werden wir die Politik sehr aufmerksam verfolgen, eine Politik, die sich übrigens nicht im Baransatz erkennen läßt, sondern die sich viel stärker in den Verpflichtungsermächtigungen widerspiegelt.
    Insofern ist die Diskussion über den Einzelplan 23, wenn man die Baransätze betrachtet, eigentlich ein Nachkarten bezüglich der Entwicklungspolitik, die vor fünf oder sechs Jahren betrieben wurde, denn jetzt kommen die Projekte zur
    Ausführung und führen die Projekte zu Abflüssen aus unserem Haushalt, die vor fünf oder sechs Jahren beschlossen wurden.
    Insofern ist es gar nicht erstaunlich, daß bei einem Haushalt wie dem Einzelplan 23 von 6,3 Milliarden DM eigentlich nur 20 oder 30 Millionen DM, also rund 0,3 % des gesamten Haushalts, politisch noch bewegbar sind. Dies alles sind „Kleinigkeiten", und mit 30 Millionen DM lassen sich keine entwicklungspolitischen Schwerpunkte setzen; da kann man nur kleine Scharmützel schlagen, etwa wenn es darum geht, ob die Kinderfibel nun weiter aufgelegt oder verändert werden soll. Dies alles sind nicht die Grundsatzentscheidungen.
    Die Grundsatzentscheidungen liegen bei der Frage, wie die Verpflichtungsermächtigungen ausgefüllt werden, und da ist es in der Tat interessant, daß der jetzige Ansatz deutlich niedriger als der der vergangenen Jahre ist. Ich nehme dabei zur Kenntnis, daß in der mittelfristigen Finanzplanung Steigerungsraten angenommen wurden, die höher als die wirklichen sind. Wir haben in der mittelfristigen Finanzplanung jährliche Steigerungen von rund 10 % angenommen, sind aber heute nur noch in der Lage, Steigerungen von 4 % zu verwirklichen. Insofern kommt es zu einem Überhang der Verpflichtungsermächtigungen, und deswegen kann ein solches Absenken für ein Jahr akzeptiert werden.
    Aber schon jetzt kritisieren wissenschaftliche Institute, daß ein so starkes Absenken langfristig die Qualität der Entwicklungspolitik gefährdet, weil die Projekte nicht langfristig genug geplant werden können. Deshalb möchte ich hier die Bitte an die Bundesregierung richten, daß dieses Absenken der Verpflichtungsermächtigungen einmalig bleibt und daß schon im nächsten Jahr wieder Ansätze gefunden werden, die dafür ausreichen, daß man Projekte seriös planen und die Entwicklungshilfe in den nächsten Jahren weiterhin qualitativ gut führen kann.
    Meine Damen und Herren, Haushaltsansatz und Verpflichtungsermächtigungen sind aber in der entwicklungspolitischen Landschaft nur ein Teil der wirklichen Lage. Darüber hinaus ist es meiner Ansicht nach ebenso wichtig, daß wir sehen, daß sich das Klima zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern verschlechtert. Die Leistung der OECD, d. h. die Entwicklungshilfe aller Industrienationen, ist im Anteil abgesunken. Die Weltbank- und die IDA-Mittel sind knapper, als sie es in den vergangenen Jahren waren. Der Internationale Währungsfonds hat bislang keine Antwort auf die Frage parat, wie die Zahlungsbilanzungleichgewichte beseitigt und die Verschuldungsprobleme gelöst werden sollen. All die UNCTAD-Vorschläge — gemeinsamer Fonds und Rohstoffabkommen — sind nicht von der Stelle gekommen. Viel zu wenige Länder haben bislang gezeichnet. Die Rohstoffabkommen werden teilweise auch von den Entwicklungsländern selber nicht in Gang gesetzt.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Die Sache taugt nichts!)

    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8669
    Dr. Vohrer
    STABEX, ein Ansatz, den wir in allen drei Fraktionen gemeinsam getragen haben, ist nicht ausreichend mit Mitteln versehen, um bei den jetzigen niedrigen Rohstoffpreisen überhaupt noch die fälligen Zahlungen abdecken zu können. Die globalen Verhandlungen waren ein Ansatz, der mit viel Hoffnung in der Dritten Welt aufgenommen wurde. Auch hier tritt alles auf der Stelle. Die Seerechtskonferenz in Jamaika war keine Offenbarung für die Entwicklungsländer. Die Energiekonferenz in Nairobi ging für die Dritte Welt enttäuschend aus. Wenn Sie die GATT-Verhandlungen verfolgt haben, dann werden Sie auch feststellen, daß für die Entwicklungsländer aus dem Beschlossenen wenig Hoffnung zu ziehen ist. Teilweise ist es deprimierend, daß die Industrienationen zwar die Maschinen gern in die Dritte Welt liefern, dann aber die Produkte, die auf diesen Maschinen erstellt werden, nicht auf ihre Märkte lassen.
    Dies alles schafft ein Klima der Unzufriedenheit und Verbitterung. Deshalb möchte ich die Bundesregierung auffordern, wie in den vergangenen Jahren auf den internationalen Konferenzen mit dazu beizutragen, daß Lösungsansätze vorangetrieben werden, daß wir uns nicht zu früh hinter dem Rükken der Amerikaner verstecken, die als Nein-Sager auf solchen Konferenzen brillieren, sondern daß wir auch ab und zu den Mut haben, im Rahmen der EG initiativ zu werden, daß wir nicht nur gute Absichten haben, sondern ab und zu einmal die eine oder andere verwirklichen.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ich bin der Ansicht, daß der entwicklungspolitische Haushalt keinen Ansatz für eine Ideologiedebatte bietet. Ich glaube, wir sollten die Verpflichtungsermächtigungen aufmerksam weiterverfolgen. Da wird Politik gemacht. Ich habe Verständnis für die Ungeduld eines Ministers, der eine Pipeline mit 27 Milliarden vor sich sieht und der weiß, daß sich seine Initiativen, seine programmatischen Ansätze frühestens in drei, vier, fünf Jahren in konkrete Projekte umsetzen lassen.

    (Bindig [SPD]: Wenn der schon lange nicht mehr Minister ist!)

    — Das ist Ihre Beurteilung, verehrter Kollege Bindig —. Ich habe Verständnis, daß dies eine gewisse Ungeduld hervorruft. Dennoch bin ich der Ansicht, daß wir in aller Ruhe und Sachlichkeit die alte Linie fortsetzen sollten. Die FDP wird diesen Kurs unterstützen. — Danke schön.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Dr. Holtz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Uwe Holtz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den Sozialdemokraten hat der neue Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Aufgeschlossenheit vorgefunden. Wir haben eigentlich erwartet, daß Sie, Herr Minister Warnke, die so vorgefundene Entwicklungspolitik ruhig und besonnen fortsetzen würden, und zwar auf der Grundlage der entwicklungspolitischen Leitlinien der alten Bundesregierung und auf der Grundlage des gemeinsamen entwicklungspolitischen Beschlusses hier im Deutschen Bundestag vom 5. März 1982. Entgegen dem, was der Haushaltsexperte der Union hier ausgeführt hat, stelle ich für meine Fraktion fest: Sie haben ein gutes Erbe übernommen, Herr Minister.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen nicht, daß die Entwicklungshilfe einfach über die Welt verstreut wird. Wir wollen, daß die wirklich Bedürftigen erreicht werden. Wir sehen die fachlichen Schwerpunkte: ländliche Entwicklung, Energie, Schutz der Umwelt, Bildung und Ausbildung. Wir wollen, daß insbesondere reformorientierte Regierungen und Kräfte unterstützt werden.
    Einer Ihrer erfahrenen Fraktionskollegen äußerte öffentlich die Ansicht: „Da er — der Herr Minister — nichts von der Sache versteht, wird er vorsichtig sein und entsprechend wenig Fehler machen." Aber weit gefehlt: Ohne Not sind sie vorgeprescht, haben Haushaltsdaten unnötigerweise und zu Unrecht, wie Ihnen vom Finanzministerium bescheinigt wird, dramatisiert und durch Ihre zahlreichen Interviews — so neutrale Beobachter — zumindest den Verdacht aufkommen lassen, daß sich die politisch-ideologischen Standorte in der Entwicklungspolitik verschoben haben. Bald war der Punkt erreicht, an dem uns klar wurde: Der neue CSU-Minister will eine andere Entwicklungspolitik. Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenheit wird die Abkehr von wichtigen entwicklungspolitischen Eckwerten betrieben. Dagegen leisten wir Widerstand.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir bedauern sehr, daß die Kontinuität in der Entwicklungspolitik der sozialliberalen Koalition abgewürgt wird. Bei diesem Urteil haben wir es uns nicht leichtgemacht. Wir hätten gern die Linie der entwicklungspolitischen Gemeinsamkeiten in vielen Fragen fortgesetzt; aber eine Fülle von Erklärungen und Positionsbestimmungen des neuen Ministers untermauert leider unsere Einschätzung. Wenn die Entwicklungspolitik auch einem Riesentanker gleicht, der nur langsam Kursänderungen vollziehen kann, so haben Sie jedoch jede Möglichkeit genutzt, neue Kurse festzulegen und Positionen zu markieren. Sogar von scheinbaren Nebensächlichkeiten machen Sie nicht halt. So wird die bewährte Kinderfibel zu den Nord-Süd-Beziehungen, die Ihnen schon als Abgeordneter ein Dorn im Auge war, zurückgenommen.

    (Abg. Dr. Pinger [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich muß in noch kürzerer Zeit reden, als mir an
    sich zur Verfügung steht; ich bitte um Verständnis.
    Sie haben folgenschwere Richtungsbestimmungen vorgegeben: Betonung der Ost-West-Dimension, stärkere marktwirtschaftliche Orientierung, Einführung einer Wohlverhaltenserwartung, Einschwenken auf den Reagan-Kurs, stärkeres Freund-Feind-Denken und Überbetonung deutscher Exportinteressen. Diese Richtungsbestimmungen
    8670 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Dr. Holtz
    halten wir für gefährlich und bekämpfen sie deshalb.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich möchte unsere Befürchtungen belegen, und zwar an Hand von Äußerungen des Ministers, der für dieses Ressort politisch die Verantwortung trägt.
    Ost-West-Dimension: Sie sagten in der „Frankfurter Rundschau" am 3. Dezember 1982: „Eine stramme Ost-West-Ausrichtung der Entwicklungspolitik ist weder vorgesehen, noch wird sie eintreten." Ich finde: beschwichtigend, aber demaskierend. Wenn Sie sich, Herr Minister, die Ost-West-Brille aufsetzen, dann laufen Sie Gefahr, ganz schnell kurzsichtig zu werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Marktwirtschaftliche Orientierung: Ebenfalls in der „Frankfurter Rundschau": „Wir werden künftig Länder, die marktwirtschaftliche Elemente haben, als Partner besonders ins Auge fassen." In einem Fernsehinterview von Ihnen hieß es gar, dies sei eine Voraussetzung für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit. Der Vorsitzende des CDU-Fachausschusses „Entwicklungshilfe" sekundierte: Die neue Regierung soll einen ständigen ordnungspolitischen Dialog mit den Partnern in der Dritten Welt führen. Wenn es nach CSU und CDU ginge, soll jetzt der Globus mit einem Netz munterer marktwirtschaftlicher Missionare überzogen werden. In unseren Augen ein untauglicher Versuch,

    (Beifall bei der SPD)

    da auch in vielen Ländern die Voraussetzungen dafür fehlen.
    Wohlverhalten: Minister Warnke in den „Bonner Perspektiven": „Jemand, der uns vor das Schienbein tritt, den werden wir natürlich nicht gerade als bevorzugten Partner behandeln." — Meine Damen und Herren, wir wollen doch nicht Entwicklungspolitik nach dem Motto betreiben: Wes' Brot du ißt, des' Lied du singst.
    Reagan-Kurs: Im Konkreten sieht das dann so aus, daß man Probleme im südlichen Afrika unter den Teppich kehren will, Ausrüstungshilfe für Honduras laufen lassen will, daß für Nicaragua die Entwicklungshilfe gekürzt wird, während der Minister vor dem Ausschuß für El Salvador die Ankündigung macht, man sehe keinen Grund, die früher eingegangenen Verpflichtungen weiter hängen zu lassen. Zwischenzeitlich wurde diese Ankündigung — auf Grund vieler Proteste, so nehme ich an — in einen Prüfauftrag umgewandelt.
    Selbstverständlich pflegen die Sozialdemokraten die Freundschaft und Zusammenarbeit mit den USA; wir können aber nicht zu allem Ja und Amen sagen. Die im Ansatz falsche Politik der Reagan-Regierung wird besonders deutlich in der mittelamerikanischen Region, was die Dritte Welt angeht. Da versucht der große, gestrenge Vater mit Zuckerbrot und Peitsche die ungehorsamen und undankbarken Kinder zur Räson zu bringen. Im Gegensatz zu ihm sehen wir Sozialdemokraten — und ich weiß, auch viele andere hier im Hause — die eigentlichen Ursachen für die Krisen in der wirtschaftlichen Unterentwicklung, der sozialen Ungerechtigkeit und der Mißachtung der Menschenrechte in vielen Staaten der Region. Hier müssen wir ansetzen, und hier muß auch dementsprechend versucht werden, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Wir sind nicht etwa blind auf einem Auge wie Sie, wenn Sie sagen, in Simbabwe hätten keine Wahlen stattgefunden. Informieren Sie sich mal vor Ort, Herr Kollege!

    (Beifall bei der SPD)

    Mittelamerika darf nicht wie der Iran zu einem Friedhof einer falschen westlichen Politik werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Vielleicht sind wir uns wenigstens darin einig.
    Freund-Feind-Denken: Der neue Trend bei der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit geht in diese Richtung. Bei Reduzierungen von Haushaltsansätzen bei einzugehenden Verpflichtungen fällt der vergleichsweise hohe Anteil von Ländern auf, die nach dem groben Rechts-Links-Raster als reformorientierte, linke Länder gelten. Die neue Bundesregierung läßt doch nicht Österreich und Frankreich deshalb links liegen, bloß weil sie sozialistische Regierungschefs haben, meine Damen und Herren.
    Aber vielleicht sehen wir zu schwarz. In der „Frankfurter Rundschau" versuchten Sie uns zu beruhigen: „Die Bundesregierung wird ihre Entwicklungshilfe keineswegs vorrangig nach ideologischen Kriterien vergeben."
    Exportinteressen: „Die neue Regierung wird all den Entwicklungsprojekten Vorrang geben, die der deutschen Wirtschaft zusätzliche Aufträge bringen." So der Minister in „Bild" am 2. Dezember 1982. Wir stellen die Frage: Wollen Sie dies, auch wenn die Projekte den Entwicklungsländern weniger nützen? In der gemeinsamen Entschließung vom 5. März heißt es dazu ganz eindeutig: „Beim Zusammentreffen entwicklungspolitischer Ziele mit Zielen anderer Politikbereiche, z. B. Handelspolitik, darf das entwicklungspolitische Interesse nicht zurückgedrängt werden." Sehen Sie bitte dies als Leitschnur auch für Ihr Handeln an! Würden Sie konsequent Ihre Ankündigung durchsetzen, würde das BMZ zu einem reinen Exportförderungsministerium verkommen. Das klingt nach Unterabteilung des BMWI; oder soll ich besser sagen, dem BMIW — Bundesministerium für Ideologie- und Warenexport?

    (Beifall bei der SPD — Oh-Rufe von der CDU/CSU)

    Die Richtungsbestimmungen durch den neuen Minister bedeuten eine Wende nach rückwärts. Außer Schaden für das Ansehen der Bundesrepublik werden sie nicht viel bewirken. Hier wird in der Außenpolitik eine Wende vollzogen, und zwar zu Lasten der schwächsten, auf Hilfe angewiesenen Staaten. Wer Ihre Richtungsbestimmungen zu Kriterien bei der Vergabe von Entwicklungshilfe machen wollte, marschierte in die entwicklungspolitische Steinzeit zurück. Nach den trüben Erfahrun-
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8671
    Dr. Holtz
    gen, die man mit derartigen ideologischen Gängelversuchen gemacht hat, kann dies keiner wollen.
    Wir üben auch Kritik an einem Minister, von dem wir vor dem Hintergrund ganz anderer, drängender Probleme, wie z. B. des Verfalls der Rohstoffpreise und enormer Zahlungsbilanzprobleme, Antworten auf die Lösung dieser akuten Fragen erwarten, unabhängig davon, ob dies in die Ost-West-Sicht oder in Bündnisinteressen oder in ordnungspolitische Vorstellungen paßt.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies alles bestätigt, daß die CSU über dieses Ministerium an Herrn Genscher vorbei Außenpolitik betreiben möchte. Der bereits zitierte Fraktionskollege der CDU hatte noch gehofft: „Warnkes Berufung gibt uns die Chance, die CSU stärker in die entwicklungspolitischen Vorstellungen der CDU einzubinden. Das mindert den Einfluß des brüllenden bayerischen Löwen."

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer war denn das?)

    Die Bändigung scheint gründlich mißlungen, Herr Kollege.
    Prüfaufträge, teilweise vorgenommene Zurücknahmen und Richtigstellungen, Relativierungen, wie Sie sie z. B. vor der FDP-Fraktion vorgenommen haben, auch die — wie mir gesagt wurde — lammfromme Rede, die jetzt folgen soll, verdeutlichen nur, daß Sie eine Reihe von endgültigen Entscheidungen bewußt bis zum 6. März zurückstellen wollen. Wir hoffen, daß Sie dann nicht mehr zum Zuge kommen.

    (Beifall bei der SPD)