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    Plenarprotokoll 9/127 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 127. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Inhalt: Ausscheiden der Abg. Frau Matthäus- Maier aus der Fraktion der FDP . . . . 7743 A Wahl der Abg. Dr. Hackel und Schwarz zu Stellvertretern in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 7743 A Gedenkworte für den verstorbenen Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Leonid Iljitsch Breschnew 7786 B Fortsetzung der Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Anlage zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1983 — Drucksache 9/1920) — Drucksache 9/2050 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/2049 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksache 9/2074 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksache 9/2079 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) — Drucksache 9/2016 — in Verbindung mit Beratung des Sondergutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur wirtschaftlichen Lage im Oktober 1982 — Drucksache 9/2027 — Dr. Dregger CDU/CSU 7743 D Frau Simonis SPD 7754 C Hoppe FDP 7761 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7764C, 7857 B Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 7768 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7778A Dr. Ehrenberg SPD 7786 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7791 A Rappe (Hildesheim) SPD 7799 C Müller (Remscheid) CDU/CSU 7802 D Cronenberg FDP 7806 D Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 7809 D, 7821C Jaunich SPD 7818 D Höpfinger CDU/CSU 7821 D Eimer (Fürth) FDP 7825 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 7826 C Daweke CDU/CSU 7831 D Rossmanith CDU/CSU 7833 B Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 7834 B Frau von Braun-Stützer FDP 7835 C Kuhlwein SPD 7837 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7839 D Lennartz SPD 7842A Dr. Struck SPD 7845 B Deres CDU/CSU 7849 B Purps SPD 7850 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 7853 A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes — Drucksache 9/2086 — Kittelmann CDU/CSU 7858 D Dr. Spöri SPD 7860 B Dr. Solms FDP 7862 A Lorenz, Parl. Staatssekretär BK . . . 7863 B Nächste Sitzung 7864 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7865* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7743 127. Sitzung Bonn, den 11. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode —127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7865" Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 12. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 12. 11. Büchner (Speyer) " 11. 11. Haar 12. 11. Immer (Altenkirchen) 12. 11. Junghans 12. 11. Dr. Lenz (Bergstraße) 12. 11. Frau Dr. Neumeister 11. 11. Picard 12. 11. Schulte (Unna) 12. 11. Voigt (Sonthofen) 12. 11. Dr. Wendig 12. 11. Dr. Wieczorek 12. 11. ' für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der Europarates
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    Rede von Renate Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Daweke, ich komme auf diese Notwendigkeit noch im Detail zurück. Sie geben mir aber zu, daß ich mit meinem Beispiel recht habe, und das sollte doch wohl einmal klargestellt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Dieser Fall, den ich gerade geschildert habe, ist kein unglücklich gewählter Einzelfall.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich habe die Beträge genannt; rechnen müssen dann schon Sie. — Dieser Fall ist eher der typische Fall der Schülerförderung.
    Da ist dann auch noch die alleinerziehende Verkäuferin mit zwei Kindern und einem Nettoeinkommen von 1 400 DM, die für ihre beiden Kinder in Gymnasium bzw. Fachoberschule bisher — und auch jetzt stimmt es wieder, Herr Daweke — BAföG bezogen hat und der vom nächsten Jahr an 550 DM für ihre Kinder fehlen werden, mehr als ein Viertel ihres Einkommens. Da ist — Herr Daweke, auch das stimmt wieder — die Witwe mit einer Rente von weniger als 900 DM, die vom nächsten Jahr an für ihren Sohn, der die Berufsaufbauschule besucht, die bisherigen 490 DM auch nicht mehr bekommen wird. Da sind all diejenigen, die versuchen, über den zweiten Bildungsweg versäumte und als notwendig erkannte Schulabschlüsse nachzuholen.

    (Beifall bei der SPD)

    Für diejenigen, die das Pech haben, den von Frau Minister Dr. Wilms als den „uneigentlichen" bezeichneten zweiten Bildungsweg als Ausbildungsgang gewählt zu haben, also den Weg über Berufsfachschulen, Berufsaufbauschulen und Fachoberschulen, bedeutet der Herbst 1983 das Ende ihrer Förderung und damit häufig auch das Ende ihrer Zukunftspläne. Dieser „uneigentliche" zweite Bildungsweg ist inzwischen der wegen seiner Vielseitigkeit am meisten in Anspruch genommene, und wir von der SPD haben ihn bisher zwar nicht als gleich, aber als gegenüber den Abendschulen und Kollegs gleichwertig angesehen. Ich sehe nicht ein, was diese Unterscheidungen sollen. Wir können den Betroffenen diese Unterschiede nicht klarmachen,
    und Sie können es genauso wenig, noch dazu, wenn für diejenigen, die vom Wohnort ihrer Eltern aus eine geeignete Schule nicht erreichen können, alles beim alten bleibt. Sollen wir Eltern geförderter Kinder raten, weit genug von der nächsten Schule wegzuziehen,

    (Werner [CDU/CSU]: Das ist doch albern!)

    damit sie nach wie vor Schüler-BAföG bekommen?

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Was Sie da machen, ist theoretisches Geplänkel!)

    — Dazu kann ich Ihnen praktische Beispiele nennen!

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Machen Sie das einmal!)

    Vor diesem Hintergrund mutet es wie Hohn an, wenn der Herr Staatssekretär Häfele uns weismachen will, daß höherverdienende Bürger vergleichbare Mehrbelastungen haben. Dankenswerterweise hat er das gleich selber ausgerechnet, und da stehen dann den Mehrbelastungen von 275 DM bei 2 500 DM Bruttoeinkommen die von 60 DM bei 5 500 DM gegenüber. Da stehen 550 DM weniger bei rund 2 000 DM Einkommen den 177 DM weniger bei 6 300 DM gegenüber, und da stehen 490 DM weniger bei einem Einkommen von 900 DM den 194 DM weniger bei 7 800 DM gegenüber.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Wir haben kein Geld mehr! Die Kasse ist leer! — Kittelmann [CDU/CSU]: Hätten Sie das Geld nicht verplempert, hätten wir nicht zu kürzen brauchen!)

    Dann müßten wir uns doch überlegen, ob wir nicht an die mit 7 800 DM herangehen, also an uns selber, die wir hier sitzen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    In Prozenten nimmt sich das so aus: 1,4 bis 3,6 weniger bei Einkommen von 5 500 DM an aufwärts, 13,5 bis 34 % weniger bei Einkommen bis 2 500 DM allein durch den Wegfall der Schülerförderung. Wenn wir Sozialdemokraten das anprangern, sehr geehrte Kollegen, dann ist das kein Klassenkampf, dann haben wir ein Recht, im Namen der Betroffenen zu fragen:

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Gnädige Frau, Sie haben doch die Kassen leergemacht! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Ansonsten hätten wir überhaupt nichts zu kürzen!)

    Was ist daran sozial? Was ist daran gerecht? Wo ist das finanzpolitische und das ordnungspolitische Konzept?

    (Beifall bei der SPD)

    Wurden die Auswirkungen bedacht, nicht nur für den einzelnen? Stimmt es denn etwa nicht, wenn Hanna Renate Laurien für die Ballungsgebiete im allgemeinen und für Berlin im besonderen einen dramatischen Rückgang der Schülerzahlen für die betroffenen Schularten befürchtet? Wieviel weniger



    Frau Schmidt (Nürnberg)

    beschäftigte Lehrer, wieviel mehr Arbeitslose bedeutet denn dieses Gesetz?

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Die Kasse ist dramatisch leer!)

    Wieviel mehr Ausbildungsplätze brauchen wir?
    Für die Kinder aus meinem Beispiel vorhin suchen die Eltern derzeit Ausbildungsplätze. Alle haben gute Noten und weiterführende Schulen besucht. Sie werden also mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Ausbildungsplatz finden. Auf der Strecke bleiben werden ihre ehemaligen Mitschüler aus Haupt- und Realschule. Woher sollen denn die zusätzlichen Ausbildungsplätze kommen, wenn auch nur ein Drittel der bisher Geförderten, also — niedrig gerechnet — 130 000 junge Menschen zusätzlich einen Ausbildungsplatz suchen? Was kostet uns denn diese Art von Sparen? Was kosten die Länder und Gemeinden solche eigenartigen Regelungen, daß im Monat August in keinem Fall Schülerförderung, auch nicht für den verbleibenden zweiten Bildungsweg, bezahlt wird? Wovon sollen diese Schüler denn eigentlich leben? Fehlt uns denn die Phantasie dafür? Auf welchen Arbeitsmarkt werden sie denn verwiesen? Wir sollten vielleicht unsere Erfahrungen bei der Suche nach einem Ferienjob für Abgeordnetenkinder nicht für unbedingt übertragbar halten. Für viele wird nur der Gang zum Sozialamt bleiben. Dieser Gang bleibt auch denen, die bisher keine Förderung bekommen haben und zu den Familien gehören, die ein sehr geringes Familieneinkommen haben.
    Ich frage noch einmal: Was bedeutet diese Art zu sparen für Länder und Gemeinden? Wo und wie sollen vor diesem Hintergrund die Länder dem Ansinnen der Bundesregierung Rechnung tragen, nämlich wieder die Schülerförderung unter ihre Obhut zu nehmen? Zur Erinnerung: Um genau das zu vermeiden, nämlich zur Verhinderung unterschiedlicher Förderungsrichtlinien von Schleswig-Holstein bis Bayern, wurde das Grundgesetz von uns gemeinsam geändert. Die Ausbildungsförderung wurde als Aufgabe dem Bund übertragen.
    So ist Franz Josef Strauß nur zuzustimmen, wenn er am 23. August 1980 im „Bayernkurier" — nicht unbedingt mein Leib- und Magenblatt — schreibt:
    Die Frage der Ausbildungsförderung wird durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz geregelt. Der Bund muß hier nur die gegebenen Zusagen einhalten. Die CSU ist der Auffassung, daß diese Ausbildungsförderung an die allgemeine Lohnentwicklung angepaßt werden muß.
    Wo er recht hat, da hat er dann wohl recht.

    (Beifall bei der SPD — Hört! Hört! bei der SPD)

    Wahrscheinlich soll aber auch mit der Härteklausel den Ländern Sand in die Augen gestreut werden, eine Härteklausel, die die zu Hause wohnenden Schüler und ihre Familien, die derzeit schon BAföG bekommen, schlechter stellt, als wenn sie Sozialhilfe bekämen. Der Wirrwarr wird nun vollständig: Die einen, die bisher nichts bekamen, können bei sehr niedrigem Einkommen der Eltern Sozialhilfe beziehen. Die zweiten, die bisher etwas bekommen haben, erhalten bei gleich hohem Einkommen keine Sozialhilfe, dafür aber BAföG, nur sehr viel weniger als bisher. Die dritten, die bisher BAföG bekommen haben und nicht bei ihren Eltern wohnen, bekommen auch bei höherem Einkommen nach wie vor BAföG, genau so viel wie vorher. Die vierten, die im zweiten Bildungsweg einen berufsbildenden Ausbildungsgang besuchen und bisher gefördert wurden, bekommen nichts mehr. Die fünften, die im zweiten Bildungsweg eine allgemeinbildende Schule besuchen, bekommen dasselbe wie zuvor, egal ob sie zu Hause wohnen oder nicht, usw., usw., usw.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies ist in meinen Augen nicht Ordnungspolitik, dies ist Unordnungspolitik!

    (Beifall bei der SPD)

    Vielleicht sollten wir das Bundesausbildungsförderungsgesetz zumindest für den Teil der Schülerförderung umtaufen — Vorschlag von mir — in „Gesetz über die Förderung von Wohnorten von Schülern unter besonderer Berücksichtigung von allgemeinbildenden Schulen".

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Nun enthält der Art. 15 neben dem schrittweisen totalen Wegfall der Schülerförderung auch noch die Umstellung der Studentenförderung auf Volldarlehen. Haushaltsentlastung im Jahre 1983: Null, im Jahre 1984: Null, im Jahre 1985: Null. Und so können wir weitergehen bis zum Jahre 1992. Dann sind die ersten nennenswerten erhöhten Rückzahlungsbeträge zu erwarten. Auswirkungen wird dieses Gesetz selbstverständlich schon im Jahre 1983 haben.
    Unbestritten von uns allen ist, daß sich die Berufsaussichten für Akademiker verschlechtert haben, die Einkommensaussichten ebenfalls. Das Risiko, studiert zu haben und nie in dem Beruf, für den man ausgebildet wurde, arbeiten zu können, ist größer als je zuvor. Die Juristin als Bürokraft, der Chemiker als Taxifahrer sind zwar nicht die Regel, aber eine nicht allzu seltene Ausnahme. Unter diesen Voraussetzungen werden Eltern gerade aus einkommensschwachen Familien, gerade aus Familien, in denen bisher kein Elternteil studiert hat, ihren Kindern abraten, bei derartig ungewissen Zukunftsaussichten bis zu 40 000 DM Schulden auf sich zu nehmen, waren doch die ca. 9 000 bis 12 000 DM eines BAföG-geförderten Studenten für sie heute schon sehr viel.
    Nun erscheint auf den ersten Blick die Begründung für diese Regelung recht einleuchtend. Die heutige Studentengeneration, die künftigen Akademiker, die trotz allem noch die besten Berufsaussichten, die mit 6 % niedrigste Arbeitslosenquote haben, sollen sich in Solidarität mit der nächsten Studentengeneration üben,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Natürlich!)

    haben sie doch auf Kosten der Steuerzahler studiert und zwar keine sehr hohen, aber immer noch
    bessere Einkommenschancen als der Durch-



    Frau Schmidt (Nürnberg)

    schnittsbürger. Der zweite Blick zeigt uns aber, daß daran so gut wie alles falsch ist.
    Erstens. Ich halte es für eine ungeheure Anmaßung von Angehörigen meiner, unserer Generation, die wir hier sitzen, so zu argumentieren. Meine Generation, die die besten Berufsaussichten und keine Ausbildungssorgen hatte, die durch ihr Studium wirkliche Chancen hatte, hohe und höchste Einkommen zu erzielen — wo ist eigentlich deren Solidaritätsbeitrag für die heutige oder die nächste Studentengeneration?
    Zweitens. Belastet werden soll nur eine Gruppe von Studierenden, nämlich die BAföG-geförderten, also diejenigen aus einkommensschwächeren Familien. Die Steuerzahler müssen aber für die Bildungsinstitutionen, für alle Studenten aufkommen, und zwar mit Beträgen pro Student, die weit höher sind als für die Ausbildungsförderung. Es kann nicht angehen, daß die eine Gruppe mit Darlehensbeträgen von 40 000 DM und mehr belastet wird und die zweite ohne Belastung beliebig lange die Hochschuleinrichtungen in Anspruch nehmen kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich an dieser Stelle aus der Debatte über die 7. Novelle meine Kollegin Carola von Braun-Stützer zitieren, die gesagt hat:
    Worüber man aber überhaupt nicht diskutieren kann, weil es einfach nicht zu bestreiten ist, ist die abschreckende Wirkung von Darlehen.
    Dann frage ich natürlich die FDP: Was hat sich eigentlich Grundsätzliches seit dieser Zeit geändert außer ihrem Koalitionspartner?

    (Beifall bei der SPD — Abg. Daweke [CDU/ CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Es geht nicht mehr, Kollege Daweke; tut mir leid.


Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Nein.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Renate Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Der dritte Punkt. Wird über Darlehen gefördert, können diese Beträge nicht als eigenes Einkommen des Kindes gewertet werden. Dies hat zur Folge, daß alle Eltern die Ausbildungsfreibeträge voll in Anspruch nehmen können. Auch hier ist die Frage: Was müssen wir, und zwar jetzt gleich, ausgeben, um für das Jahr 1992 so zu sparen?
    Nur als Skandal kann man die Rückzahlungsklausel bezeichnen. Daß schnelles Studieren mit 5 000 DM belohnt wird, mag wohl angehen; daß gute Noten bis zu 10 000 DM wert sind, erscheint dagegen schon sehr fragwürdig. Sollen diese guten Noten nach allgemein gültigen Kriterien für das ganze Bundesgebiet ermittelt werden? Oder ist etwa an eine Fleißprüfung, wie sie Herr Dr. Kohl mehrfach genannt hat, gedacht? Wie soll den Gerichtsprozessen begegnet werden, die daraus zwangsläufig resultieren werden, geht es doch um erhebliche Beträge für den einzelnen? Daß aber dann noch eine Zahnarztklausel eingeführt wird mit einem Erlaß
    von 50 % der Restdarlehenssumme für diejenigen, die den Gesamtbetrag in den ersten fünf Jahren nach Studienabschluß zurückzahlen, ist nicht zu akzeptieren, das ist skandalös.

    (Beifall bei der SPD — Lambinus [SPD]: Das paßt doch alles nahtlos zusammen!)

    Herr Minister Stoltenberg hat uns das von Sozialdemokraten regierte Schweden als leuchtendes Beispiel vorgehalten. Sosehr ich dafür bin, es den Schweden nachzumachen, sosehr bin ich dafür, nur Vergleichbares zu vergleichen.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    In Schweden gibt es keine Unterhaltspflicht der Eltern für ihre über 18 Jahre alten Kinder. Deshalb erhalten alle, die sie beantragen, Ausbildungsförderung. Deshalb beträgt die Ausbildungsförderung das Durchschnittseinkommen eines Arbeiters. Deshalb müssen alle alles zurückzahlen. Weil das sehr erhebliche Belastungen bedeutet, erhalten diese Akademiker gesetzlich festgelegte Zuschüsse von ihrem Arbeitgeber zu ihrem Tarifeinkommen. Sollen wir es den Schweden immer noch nachmachen, Herr Dr. Stoltenberg? Wieviel Geld bekommt der Einzelplan 31 zusätzlich?

    (Beifall bei der SPD)

    Abschließend zum Studenten-BAföG. Die Maßnahmen dieser Bundesregierung fangen erst im nächsten Jahrzehnt an, haushaltsentlastend zu wirken. In allen Presseverlautbarungen des Ministeriums und der Kollegen der CDU und FDP liest man aber allenthalben, daß andere, gerechtere Modelle geprüft werden sollen. Warum also, frage ich, diese unangemessene Eile? Warum prüfen wir nicht zuerst und ändern dann bewährte Gesetze, die wir gemeinsam geschaffen haben?

    (Beifall bei der SPD)

    Nun will ich gar nicht abstreiten, daß auch wir Schwierigkeiten für die mittelfristige Finanzierung des BAföG gesehen haben, Schwierigkeiten vor allem deshalb, weil wir eine Anpassung der Freibeträge im Herbst 1983 für unabdingbar gehalten haben. Eine Anpassung der Bedarfsätze hätte auch nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden können. Wir wollen nämlich keine Werkstudenten, die die Bildungseinrichtungen 18 Semester und mehr in Anspruch nehmen müssen.
    Nun frage ich: Haben Sie denn wirklich geprüft, ob diese Einschnitte, ob dieser Kahlschlag im Schüler- und Studenten-BAföG unabweisbar ist? Dazu will ich einige wenige Denkanstöße geben.
    Haben Sie geprüft, BAföG zu erhalten, aber den steuerlichen Kinderfreibetrag mit eben den von Minister Geißler geschilderten Wirkungen für höhere Einkommen abzuschaffen? Haben Sie die beabsichtigte Umstellung des Ehegatten- in ein Familien-Splitting mit seinen ähnlichen Auswirkungen gesehen? Finden Sie nicht, daß BAföG als Bestandteil des Familienlastenausgleichs gezielter wirkt und gerade denjenigen Familien hilft, die sich nicht aus eigener Finanzkraft helfen können?

    (Beifall bei der SPD)




    Frau Schmidt (Nürnberg)

    Wäre es nicht mindestens für 1983 ein Beitrag zum Haushaltsausgleich, wenn die Bundesregierung nur die tatsächlich zu wenig ausgegebenen 850 Millionen DM an die Länder aus deren Kindergeldbeteiligung zurückerstattet und nicht, wie vorgesehen, 1 Milliarde DM? — Wenn meine Fraktion mir noch zwei Minuten geben könnte? — Danke.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sie redet schon eine halbe Stunde!)

    — Das ist ein Gesetz für beinahe 1 Million Menschen. Ich finde, dafür können wir einmal eine halbe Stunde aufwenden.

    (Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Aber Sie müssen sich ja nicht laufend wiederholen!)

    Auch wir, die SPD, sehen mit Mißvergnügen, daß es im BAföG nach wie vor ungerechtfertigte Mitnahmeeffekte gibt. Neben den finanzpolitischen Problemen führt das immer noch zu Akzeptanzproblemen. Bereits in der Debatte zur siebenten Novelle habe ich das bedauert. Diese Mitnahmeeffekte liegen aber vor allem an der Schwierigkeit, im Ausbildungsförderungsgesetz einen gerechten Einkommensbegriff zu definieren. Hohe Abschreibungsmöglichkeiten bei nur einer Einkunftsart sind immer noch möglich. Das führt dann dazu — was der Kollege Höpfinger vorhin gesagt hat —, daß man dann das Geld den Kindern direkt als Taschengeld zur Verfügung stellen kann. Das wollen auch wir nicht. Wir sind gerne bereit, mitzuarbeiten und diese Lücken zu schließen, wenn wir damit vermeiden können, daß mit der Sense über dieses Gesetz gegangen wird. An Ideen, so dürfen Sie versichert sein, fehlt es uns dabei nicht.
    Der letzte Denkanstoß. 3,7 Milliarden DM sind als BAföG-Darlehen derzeitig vergeben und noch nicht zurückgezahlt. Ist geprüft worden, ob für diejenigen Darlehensnehmer mit heute guten Einkommen auch rückwirkend schnellere Rückzahlungsbedingungen geschaffen werden können?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Zahnarztklausel!)

    Sind Schritte eingeleitet, um endlich einen effektiven Darlehenseinzug zu erreichen? Würde uns eine Kombination all dieser Maßnahmen nicht die Abschaffung der Ausbildungsförderung und diesen bildungspolitischen Wirrwarr ersparen und so ein wichtiges familienpolitisches Konzept erhalten? Oder ist es vielmehr so, daß hinter all dem doch ein Konzept steht, wenn auch kein finanzpolitisches, sondern ein gesellschaftspolitisches, das in die 50er Jahre und dahinter zurückführt, ein Elite-Denken, das bei Konservativen

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt der Klassenkampf!)

    — Klassenkampf von welcher Klasse? Von Ihrer! — offensichtlich auch heute noch große Vorliebe genießt?

    (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Privilegien der Kinder der Privilegierten sind nämlich gefährdet, wenn alle eine Chance auf Bildung bekommen.

    (Beifall bei der SPD — Werner [CDU/CSU]: Um Gottes willen!)

    Das wollen Sie verhindern. Und nur dann macht das Ganze einen Sinn.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Weil das so ist und weil Sie sich, Frau Dr. Wilms, erstaunlicherweise nicht als Interessenvertreterin der Studenten, Schüler und Lehrer betrachten und nicht, wie es Nell-Breuning fordert, den Mut haben, sich die Finanzierung unserer Sozialgesetze von denen sicherstellen zu lassen, die das notwendige Einkommen haben, kündige ich für meine Fraktion an: Wir werden diesen Änderungen so nicht zustimmen.

    (Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Das war schon ein Schlußsatz!)

    Wir werden, wenn wir wieder in der Regierungsverantwortung stehen, im Schüler-BAföG den alten Zustand wiederherstellen und im Studenten-BAföG die Umstellung auf Volldarlehen rückgängig machen.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Wann wollen Sie das machen?)

    — Wenn wir wieder in der Regierungsverantwortung sind, am 7. März schätzungsweise. — Danke für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das wird aber sehr lange dauern!)