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ID0912712500

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    Plenarprotokoll 9/127 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 127. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Inhalt: Ausscheiden der Abg. Frau Matthäus- Maier aus der Fraktion der FDP . . . . 7743 A Wahl der Abg. Dr. Hackel und Schwarz zu Stellvertretern in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 7743 A Gedenkworte für den verstorbenen Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Leonid Iljitsch Breschnew 7786 B Fortsetzung der Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Anlage zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1983 — Drucksache 9/1920) — Drucksache 9/2050 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/2049 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksache 9/2074 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksache 9/2079 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) — Drucksache 9/2016 — in Verbindung mit Beratung des Sondergutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur wirtschaftlichen Lage im Oktober 1982 — Drucksache 9/2027 — Dr. Dregger CDU/CSU 7743 D Frau Simonis SPD 7754 C Hoppe FDP 7761 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7764C, 7857 B Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 7768 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7778A Dr. Ehrenberg SPD 7786 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7791 A Rappe (Hildesheim) SPD 7799 C Müller (Remscheid) CDU/CSU 7802 D Cronenberg FDP 7806 D Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 7809 D, 7821C Jaunich SPD 7818 D Höpfinger CDU/CSU 7821 D Eimer (Fürth) FDP 7825 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 7826 C Daweke CDU/CSU 7831 D Rossmanith CDU/CSU 7833 B Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 7834 B Frau von Braun-Stützer FDP 7835 C Kuhlwein SPD 7837 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7839 D Lennartz SPD 7842A Dr. Struck SPD 7845 B Deres CDU/CSU 7849 B Purps SPD 7850 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 7853 A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes — Drucksache 9/2086 — Kittelmann CDU/CSU 7858 D Dr. Spöri SPD 7860 B Dr. Solms FDP 7862 A Lorenz, Parl. Staatssekretär BK . . . 7863 B Nächste Sitzung 7864 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7865* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7743 127. Sitzung Bonn, den 11. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode —127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7865" Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 12. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 12. 11. Büchner (Speyer) " 11. 11. Haar 12. 11. Immer (Altenkirchen) 12. 11. Junghans 12. 11. Dr. Lenz (Bergstraße) 12. 11. Frau Dr. Neumeister 11. 11. Picard 12. 11. Schulte (Unna) 12. 11. Voigt (Sonthofen) 12. 11. Dr. Wendig 12. 11. Dr. Wieczorek 12. 11. ' für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Adolf Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen.
    Millionenarbeitslosigkeit und Rezession haben schwere Schäden am sozialen Sicherungssystem
    hinterlassen. Die Rentenversicherung, die wichtigste Säule unseres sozialen Sicherungssystems, verfügte 1969 noch über eine Rücklage von acht Monatsausgaben. Heute, am Ende der 13jährigen SPD-Regierungsverantwortung, steht die Rentenversicherung trotz vieler von Ihnen zu verantwortender willkürlicher Eingriffe vor akuten Liquiditätsschwierigkeiten. Nach Berechnungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wäre die Rentenversicherung bei Verwirklichung der Maßnahmen, wie sie von der SPD in der soganannten Operation '83 vorgesehen waren, bei keineswegs pessimistischen Annahmen — z. B. Lohnsteigerung 3,5% und 2,2 Millionen Arbeitslose — bereits 1983 in ernste finanzielle Bedrängnis geraten.

    (Lutz [SPD]: Und jetzt 1984!)

    1984, meine Damen und Herren, hätte die Rücklage nur noch 0,4 Monatsausgaben betragen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Für 1986 weist die Berechnung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für Ihr Konzept sogar ein Defizit von 0,7 Monatsausgaben aus.
    Ich stelle fest: Wir haben die Rentenversicherung 1969 mit einem dicken Finanzpolster übergeben. Diese Reserven hat die SPD in 13 Jahren Regierungsverantwortung verspielt,

    (Zurufe von der SPD)

    wie es die Zahlen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beweisen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich meine Ausführungen einen Augenblick unterbrechen zur Verlesung eines Briefs, der auf Grund der Debatte gestern und heute morgen notwendig zu sein scheint. Der Präsident des Deutschen Bundestags hat an den Vorsitzenden der Fraktion der CDU/CSU, Herrn Dr. Alfred Dregger, im Hause, folgenden Brief geschrieben:
    Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Dregger!
    Auf Grund der in die Öffentlichkeit getragenen Auseinandersetzung um die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Abgeordneten Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, habe ich veranlaßt, daß die Angriffe gegen ihn geprüft wurden.
    Die Prüfung hat ergeben, daß ein Verstoß gegen die Verhaltensregeln nicht erkennbar ist. Die Mitglieder des Präsidiums teilen das Ergebnis der Prüfung.
    Mit freundlichen Grüßen
    Stücklen

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich glaube, ich brauche hierzu keinen Kommentar abzugeben.

    (Zurufe von der CDU/CSU — Gegenrufe von der SPD)

    Ich komme zurück zu den Fragen der Rentenversicherung. Die neue Regierung steht jetzt vor der



    Müller (Remscheid)

    schwierigen Aufgabe, die Rentenreform von 1957 an die veränderten wirtschaftlichen und demographischen Bedingungen anzupassen, damit sie auch in Zukunft Bestand hat. Die Rentenversicherung muß auf eine solide und langfristig tragbare finanzielle Grundlage gestellt werden. Dies ist die erste und die wichtigste Voraussetzung, um das durch die Entwicklung der letzten Jahre zu einem großen Teil verspielte Vertrauen der Rentner und Versicherten in die Rentenversicherung wiederherzustellen.
    Wir, die CDU/CSU, unterstützen die Bundesregierung uneingeschränkt bei ihren Anstrengungen, finanzielle Solidität wiederzugewinnen. Diese Mammutaufgabe ist nicht von heute auf morgen zu meistern. Die jetzt beschlossenen Sofortmaßnahmen zur Rettung der Rentenversicherung vor dem finanziellen Kollaps, insbesondere die halbjährige Atempause bei der jährlichen Rentenanpassung, sind so angelegt, daß Reformwege nicht verbaut und das bewährte System der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente auf Dauer erhalten bleibt. Wir streben eine strenge Beitragsbezogenheit der Renten an und werden schon in Zukunft Überlegungen anstellen, wie die Rentenversicherung von Fremdleistungen entlastet werden kann.
    Ich bin der festen Überzeugung, daß wir nach einer Durststrecke die Rentenversicherung in Zukunft aus den Wirren der Wirtschafts- und Konjunkturentwicklung und aus den Turbulenzen der öffentlichen Haushalte heraushalten können. Wir wollen das System der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente so gestalten, daß wieder Sicherheit, Verläßlichkeit und Stetigkeit für die Versicherten und Rentner gegeben sind.
    Ein zweiter Problemkreis. Durch die von ihr zu verantwortende Millionenarbeitslosigkeit hat die SPD die Arbeitslosenversicherung zu einem Faß ohne Boden gemacht.

    (Zurufe von der SPD)

    Von 1970 bis heute mußte allein in der Arbeitslosenversicherung die gigantische Summe von zirka 200 Milliarden DM ausgegeben werden. Im Oktober, dem Monat des Regierungswechsels, waren 1,92 Millionen Menschen ohne Arbeit. Damit nicht genug! Insgesamt haben im Herbst 1982 über 2,7 Millionen Menschen unmittelbar unter den Arbeitsmarktproblemen zu leiden; denn weitere 828 000 Arbeitnehmer müssen kurzarbeiten. Das sind mehr als doppelt so viel wie vor Jahresfrist und weit mehr als viermal so viel wie im September 1980. Gleichzeitig sank die Zahl der gemeldeten offenen Stellen innerhalb eines Jahres von 154 000 auf den neuen Tiefstand von 69 800. Ein weiterer Anstieg der Arbeitslosenzahl auf rund 2,25 Millionen im Jahre 1983 erscheint nach übereinstimmender Auffassung aller Sachverständigen nahezu unausweichlich.
    So also, meine Damen und Herren, sieht die Hinterlassenschaft einer 13jährigen Regierungszeit der SPD aus.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Massenarbeitslosigkeit schafft für die betroffenen Menschen soziale und psychische Not. Der deutschen Volkswirtschaft bringt sie Milliardenverluste.
    Die katastrophale Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt zeichnete sich aber seit vielen Jahren ab. Nach der übereinstimmenden Auffassung von Arbeitsmarktexperten handelt es sich hier um die bestprognostizierte Krise dieses Jahrhunderts.
    Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte das Problem durchaus erkannt. Wirksame Gegenmaßnahmen wurden aber nicht ergriffen. Die SPD und ihr damaliger Kanzler hatten sich vielmehr darauf beschränkt, das Problem durch Hinweis auf noch schlimmere Verhältnisse in anderen Ländern zu verharmlosen.
    Den deutschen Arbeitslosen müssen diese Ausflüchte wie eine Verhöhnung ihrer Person und eine Mißachtung ihres Schicksals vorgekommen sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Denn für die überwältigende Mehrheit der Arbeitslosen ist Arbeit eine schmerzlich vermißte Form der Selbstverwirklichung. Sie kann durch keine noch so hohe Arbeitslosenunterstützung aufgewogen werden.
    Arbeitslosigkeit ist zudem sehr teuer. Sie bürdet dem einzelnen und der Gesellschaft enorm hohe Kosten auf. So hat beispielsweise ein Arbeitnehmer mit durchschnittlichem Einkommen, der ein ganzes Jahr arbeitslos ist, fast 10 000 DM Einkommensverlust zu ertragen. 2 Millionen Arbeitslose kosten den Staat an Unterstützungszahlungen sowie an Steuer-und Beitragsausfällen rund 40 Milliarden DM im Jahr.
    Die Aufgabe, Millionenarbeitslosigkeit mit immer noch steigender Tendenz zu stoppen und abzubauen, ist die schwerste Hypothek, die der neuen Bundesregierung gegeben ist.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Darum legen Sie jetzt Zechen still!)

    CDU/CSU und FDP haben diese Herausforderung angenommen. Wir werden den Haushalt 1983 konsequent auf die Förderung der Beschäftigung und auf den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ausrichten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Haushaltsbegleitgesetz 1983 enthält neben einer Umstrukturierung der öffentlichen Haushalte eine Fülle von Einzelimpulsen im Steuerbereich und im Wohnungsbaubereich, die zu mehr Investitionen in der Privatwirtschaft und damit zum Abbau der Arbeitslosigkeit führen werden.

    (Zuruf von der SPD: Träume!)

    Diese Umstrukturierung der öffentlichen Haushalte zur Erhöhung der Investitionsquote und zur Verringerung der konsumtiven Ausgaben muß nach der Wahl im März 1983 konsequent fortgesetzt werden.



    Müller (Remscheid)

    Zum Abbau der Arbeitslosigkeit gibt es eben keinen besonderen Weg, keinen, wie Norbert Blüm gesagt hat, Königsweg, sondern nur eine beharrliche und verläßliche Politik der tausend kleinen Schritte.
    Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung, dem dritten wichtigen Bereich unseres sozialen Sicherungssystems, stehen wir vor einer Kosten- und Beitragsexplosion als Erbe sozialdemokratischer Regierungsverantwortung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Seit 1970 sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung von 23,8 Milliarden DM auf 91,9 Milliarden DM in 1981 explosionsartig nach oben geschossen. Das ist ein Anstieg um 386 %. Das Bruttosozialprodukt ist in diesem Zeitraum dagegen um 228 % gestiegen. Trotz Entlastung durch die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung sind die Beiträge in diesem Zeitraum von 8 % auf heute 12 % gestiegen.
    Alle von der alten Bundesregierung in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen haben sich offensichtlich als zu schwach und unwirksam erwiesen, um den generellen Trend der Kostenexplosion zu stoppen. Bei allen — ich betone: allen — Beteiligten im Gesundheitswesen ist besonders in den letzten zehn Jahren das Kostenbewußtsein immer mehr verlorengegangen.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: So ist es leider!)

    Dieser Trend muß nun ernsthaft und entschieden gestoppt werden.
    Die Bundesregierung hat erste Schritte in diese Richtung vorgeschlagen. Diesen Maßnahmen müssen im März des kommenden Jahres weitere folgen. Wir stehen vor der Aufgabe, mittelfristig das Gesundheitswesen so zu reformieren, daß alle hieran Beteiligten ein unmittelbares Eigeninteresse an Sparsamkeit haben. Eine langfristige Kostendämpfung ist voraussichtlich nur möglich, wenn jeder Versicherte die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann in Anspruch nimmt, wenn es wirklich notwendig ist. Die Selbstverantwortlichkeit des einzelnen muß in Zukunft stärker aktiviert werden. Mehr Selbstverantwortung, mehr Subsidiarität im Krankenversicherungswesen ist notwendig und soll u. a. durch die Eigenbeteiligung beim Krankenhausaufenthalt und bei Kuren erreicht werden.
    Angesichts der den Leistungsempfängern unseres sozialen Sicherungssystems zugemuteten Opfer erwarten wir, daß sich im Gegenzug alle Anbieter von Gesundheitsleistungen: Ärzte, Pharmaindustrie, Krankenhäuser mit Honoraranpassungswünschen und Preiserhöhungen im nächsten Jahr strikt zurückhalten.

    (Zuruf von der SPD: Nur Appelle!)

    Noch mehr als beim Patienten muß auf der Anbieterseite des Gesundheitswesens gespart werden.
    Diese vernichtende Bilanz in den drei Kernbereichen der sozialen Sicherung nach 13 Jahren Regierungsverantwortung der SPD zeigt, daß die Sozial-
    politik bei der SPD in denkbar schlechten Händen war.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Das glauben Sie aber selber nicht!)

    1969 hat die SPD so getan, als beginne mit ihrer Regierungsverantwortung das goldene soziale Zeitalter.

    (Zurufe von der SPD: Hat es auch!)

    Heute stehen wir vor einem sozialpolitischen Scherbenhaufen, denn die Fundamente unserer sozialen Sicherung sind in diesen 13 Jahren schwer erschüttert worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Die Konsolidierung unseres sozialen Sicherungssystems ist jetzt derart vordringlich geworden, daß wir gewissermaßen zu einem Neuanfang gezwungen sind. Die Wechselwirkung von wirtschafts- und finanzpolitischen Ursachen und sozialpolitischen Auswirkungen hat uns jetzt eingeholt. Sie zwingt uns zum Kassensturz und zu einer umfassenden Neuorientierung. Wir stehen vor der Aufgabe, auch in Zeiten knapper werdender Mittel die Grundlagen einer sozial gerechten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auf Dauer zu sichern. Gerade in Zeiten knapper Kassen steht das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit, d. h. die soziale Komponente der Marktwirtschaft, vor der eigentlichen Bewährungsprobe.
    Wir haben mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß die neue Bundesregierung in der Sozialpolitik die Prinzipien der Solidarität und der Subsidiarität mehr in den Vordergrund stellen will.

    (Zuruf von der SPD: Solidarität, wo?)

    Konkret auf das soziale Sicherungsnetz bezogen, heißt dies: Wir werden die Selbstverwaltung stärken, das soziale Sicherungssystem entpolitisieren und den Versicherungsgedanken wieder stärker in den Vordergrund rücken, um das soziale Sicherungsnetz zu erhalten und weiterzuentwickeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Lambsdorff!)

    In der Endphase der Regierungsverantwortung der SPD legten unter dem Druck der Verhältnisse auch führende Sozialdemokraten — ich glaube: leider verspätet — eine bemerkenswerte Einsicht in die Notwendigkeit eines Kurswechsels in der Sozialpolitik an den Tag. So verkündete der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt am 30. Juni 1982 vor der SPD-Fraktion — ich wiederhole das hier —, daß noch sehr viel tiefer in Sozialleistungen hineingeschnitten werden müsse. Auch dem SPD-Vorsitzenden Brandt dämmerte schließlich die Erkenntnis, daß eine Reform der Reformen notwendig sei. Angesichts dieser späten Einsicht führender Sozialdemokraten scheint es mir jetzt pure Heuchelei zu sein, wenn die SPD nach dem verdienten Machtverlust jetzt von Klassenkampf von oben nach unten spricht.

    (Zuruf von der SPD: So ist das!)





    (Remscheid Dieser Polemik halte ich entgegen: der größte soziale Skandal sind 2 Millionen Arbeitslose, und die haben Sie, meine Damen und Herren von der SPD, zu verantworten. (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Pfui Teufel! — Zurufe von der SPD: Sie müssen sich doch schämen! — So ein Geschwätz! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Es ist ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, daß alle Bürger entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an den Sanierungsmaßnahmen beteiligt werden. In diesem Zusammenhang begrüße ich es besonders, daß die neue Bundesregierung diese Investitionsanleihe beschlossen hat.

    (Zuruf von der SPD: Die tut auch „weh"!)

    Auch bei der Neuregelung des Kindergeldes haben wir die Grundsätze der sozialen Symmetrie beachtet und eine generelle Kürzung mit der sozialistischen Heckenschere vermieden.

    (Zuruf von der SPD: Wie ist das mit den Freibeträgen?)

    Familien mit durchschnittlichem oder unterdurchschnittlichem Einkommen haben keinerlei Abstriche am Kindergeld zu befürchten. Lediglich die Besserverdienenden, die bei zwei Kindern rund 63 000 DM, bei drei Kindern 74 000 DM verdienen, müssen mit zumutbaren Kürzungen rechnen.

    (Vorsitz : Vizepräsident Windelen)

    Ich komme zum Schluß. Aus aktuellem Anlaß will ich noch einmal zu den Gewerkschaften zurückkehren. Ich appelliere an meine Kollegen in den Gewerkschaften, unseren Weg zum Abbau der Arbeitslosigkeit zu unterstützen, wie sie es immer auch in unseren Gesprächen mit der Fraktion und der Partei gesagt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich weiß, daß wir den Gewerkschaften und den von ihnen repräsentierten Arbeitnehmern Opfer zumuten. Aber die größte Zumutung ist eine Millionenarbeitslosigkeit.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Die großen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Aufgaben, vor denen wir gemeinsam stehen, können nur gelöst werden, wenn die Bundesregierung, die sie tragenden Parteien und die Gewerkschaften vernünftig und partnerschaftlich im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zusammenarbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ungezügelte Polemik und Wortradikalismus, wie sie von einzelnen Funktionären und Publikationen aus dem Gewerkschaftslager derzeit zu beobachten sind, leisten keinen Beitrag zur Überwindung der Krise.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich darf hier vielleicht stellvertretend für viele Entgleisungen aus einem besonders üblen Pamphlet der IG Metall zitieren, das zum demokratischen Regierungswechsel offensichtlich Assoziationen zur Machtergreifung am 30. Januar 1933 erwekken möchte. In der Zeitung der IG Metall heißt es wörtlich:
    Kohl und Strauß bemächtigen sich mit einem Schlag gegen die Demokratie der Macht.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Diese sprachlichen Exzesse gefährden in hohem Maße das Prinzip der Einheitsgewerkschaft, Kollege Rappe.

    (Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Denken Sie doch einmal an Ihre eigene Gewerkschaft!)

    Sie stellen eine Provokation von Millionen Gewerkschaftsmitgliedern dar, die uns von der CDU/CSU seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bei Wahlen ihre Stimme gegeben haben und dies auch weiter tun werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der törichte Versuch, den neuen Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm durch bösartige und ehrverletzende Angriffe bei diesen Arbeitnehmern und Gewerkschaftern zu diskreditieren, ist von da her von vornherein zum Scheitern verurteilt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, und Hans Böckler, der erste Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, haben einst Maßstäbe gesetzt für respektvollen und fairen Umgang zwischen Regierung und Gewerkschaften.

    (Lutz [SPD]: Die hatten aber auch keinen Blüm!)

    Den jetzt Verantwortlichen sei dieser Stil zum Wohle unseres Landes und zur Nachahmung empfohlen. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile dem Abgeordneten Cronenberg das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dieter-Julius Cronenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der aufmerksame Beobachter dieser Debatte — nicht nur des sozialpolitischen Teils — wird den gleichen Eindruck haben wie ich: Er wird ein wenig verwundert sein. Bedauerlicherweise wird nämlich von den Kollegen der SPD vieles abgelehnt, was gestern noch gutgeheißen, mitgetragen und akzeptiert wurde. Und sie erhalten dafür Beifall. Dankenswerterweise wird von der CDU/CSU nun nicht weniges gutgeheißen, mitgetragen und akzeptiert, was sie gestern noch abgelehnt hat. Verantwortung fördert offenbar die Einsicht, und Opposition verführt offenbar zur Uneinsichtigkeit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Kontinuität in diesem Punkt ist außerordentlich bedauerlich.

    (Zuruf von der SPD: Zwangsanleihe!)




    Cronenberg
    Ich werde nun versuchen, unsere Position, die Kontinuität unserer Argumentation hier zu verdeutlichen.