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    Plenarprotokoll 9/127 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 127. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Inhalt: Ausscheiden der Abg. Frau Matthäus- Maier aus der Fraktion der FDP . . . . 7743 A Wahl der Abg. Dr. Hackel und Schwarz zu Stellvertretern in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 7743 A Gedenkworte für den verstorbenen Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Leonid Iljitsch Breschnew 7786 B Fortsetzung der Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Anlage zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1983 — Drucksache 9/1920) — Drucksache 9/2050 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/2049 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksache 9/2074 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksache 9/2079 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) — Drucksache 9/2016 — in Verbindung mit Beratung des Sondergutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur wirtschaftlichen Lage im Oktober 1982 — Drucksache 9/2027 — Dr. Dregger CDU/CSU 7743 D Frau Simonis SPD 7754 C Hoppe FDP 7761 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7764C, 7857 B Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 7768 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7778A Dr. Ehrenberg SPD 7786 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7791 A Rappe (Hildesheim) SPD 7799 C Müller (Remscheid) CDU/CSU 7802 D Cronenberg FDP 7806 D Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 7809 D, 7821C Jaunich SPD 7818 D Höpfinger CDU/CSU 7821 D Eimer (Fürth) FDP 7825 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 7826 C Daweke CDU/CSU 7831 D Rossmanith CDU/CSU 7833 B Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 7834 B Frau von Braun-Stützer FDP 7835 C Kuhlwein SPD 7837 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7839 D Lennartz SPD 7842A Dr. Struck SPD 7845 B Deres CDU/CSU 7849 B Purps SPD 7850 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 7853 A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes — Drucksache 9/2086 — Kittelmann CDU/CSU 7858 D Dr. Spöri SPD 7860 B Dr. Solms FDP 7862 A Lorenz, Parl. Staatssekretär BK . . . 7863 B Nächste Sitzung 7864 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7865* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7743 127. Sitzung Bonn, den 11. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode —127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7865" Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 12. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 12. 11. Büchner (Speyer) " 11. 11. Haar 12. 11. Immer (Altenkirchen) 12. 11. Junghans 12. 11. Dr. Lenz (Bergstraße) 12. 11. Frau Dr. Neumeister 11. 11. Picard 12. 11. Schulte (Unna) 12. 11. Voigt (Sonthofen) 12. 11. Dr. Wendig 12. 11. Dr. Wieczorek 12. 11. ' für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der Europarates
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    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr von Dohnanyi, Sie haben uns — ich möchte sagen, freundlicherweise — schon über die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" von heute angekündigt, was in etwa der Inhalt Ihrer Philosophie und Ihrer Meinung sein werde.

    (Zuruf von der SPD: So konnten Sie sich darauf vorbereiten!)

    Aber gleichzeitig kann man dem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" entnehmen, daß Sie sich in Hamburg — und dann selbstverständlich auch hier und heute — mit Ihrem Hamburger Parteifreund, dem Altbundeskanzler Helmut Schmidt, in der Frage der Beurteilung der wirtschaftspolitischen Möglichkeiten deutlich auseinandergesetzt und sich von ihm distanziert haben.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Nun kann man, Herr von Dohnanyi, selbstverständlich über unterschiedliche Meinungen sprechen, und man kann das auch in einer Partei. Aber eines lassen Sie mich im Sinne unserer alten und guten Bekanntschaft sagen — im übrigen sehe ich, meine Damen und Herren, nicht ganz ein, warum das Wort „Freundschaft" aus dem Bereich menschlicher Beziehungen gestrichen werden muß, wenn man in einer anderen Koalition sitzt, aber das ist für jeden einzelnen eine Beurteilungsfrage —:

    (Beifall bei der FDP)

    Daß Sie, Herr Kollege von Dohnanyi, hierher kommen und dem Hause mitteilen, es habe hier in den vergangenen zehn Jahren keine angemessene wirtschaftspolitische Debatte gegeben, das allerdings ist ein von Ihnen angemeldeter Anspruch, angesichts dessen ich Ihnen doch einige Namen — und zwar Namen aus Ihrer Partei und Ihrer Fraktion — vorhalten möchte. Ich beginne einmal mit Klaus Dieter Arndt: keine angemessene wirtschaftspolitische Debatte? Mit dem Kollegen Ehrenberg auch nicht? Mit Herrn Lahnstein nicht? Mit Herrn Matthöfer nicht? Auch nicht mit Helmut Schmidt? Herr von Dohnanyi, so hoch kann man, glaube ich, seine Ansprüche nicht hängen!

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Aber vielleicht erkenne ich jetzt den Hintergrund für das mindestens den Zeitungen zu entnehmende Gerücht, daß sich der zukünftige Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei, Herr Vogel, des sachverständigen Rates von Karl Schiller bedienen will. Auch der hat offensichtlich zu den angemessenen wirtschaftspolitischen Debatten der letzten zehn Jahre nach dem Urteil des Hamburger Bürgermeisters nichts beigetragen.
    Ich kann es nur begrüßen, wenn das zustande käme, weil das zur Versachlichung der Debatte dienen und weil er dazu beitragen würde, Sie anzuhalten und Sie anzumahnen, einige Tassen — aber unzerbrochen — im Schrank stehenzulassen, wie er das schon früher getan hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Verzeihen Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal?

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    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nein, ich möchte jetzt hier weitersprechen.
    Herr von Dohnanyi, Sie sagen, wer die Krise nicht verstanden habe, dem könne man sich nicht anvertrauen. Das mag eine so allgemein richtige Feststellung sein. Aber Sie werden mir und, wie ich weiß, auch vielen anderen im Lande erlauben, daß wir die Meinung vertreten, Sie hätten wohl die Krise nicht richtig verstanden, und dann kann man sich eben auch Ihnen nicht anvertrauen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [SPD])

    Die Rezepte, Herr von Dohnanyi, die Sie vorschlagen, haben doch alle, vom zweiten Arbeitsmarkt angefangen über viele andere Dinge, die Sie angesprochen haben, einen ganz ungewöhnlichen Pferdefuß: Sie nehmen nicht die geringste Rücksicht auf die Notwendigkeit der Konsolidierung unserer öffentlichen Haushalte, sondern setzen einen Weg fort, von dem die meisten im Hause und im Lande nicht überzeugt sind, den wir in den letzten Jahren teils gezwungen, teils aber auch nicht ganz so gezwungen gegangen sind und der uns zu übertrieben hohen Defiziten mit allen Konsequenzen und Lasten geführt hat.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Reagan!)

    — Ich sage dazu auch noch etwas. Ich bin Ihnen dankbar, Herr Ehmke, daß Sie den wenig sachverständigen Zwischenruf „Reagan" schon wieder machen. Ich sage dazu nachher noch etwas.
    Herr von Dohnanyi, wir können darüber reden, und wir sind auch bereit, darüber zu reden, daß Arbeitszeitverkürzung ein flankierendes Mittel,



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    aber auch nicht mehr, zur Bewältigung der gegebenen Probleme sein kann. Wir sollten nach meiner Überzeugung nicht darüber reden, daß man mehr Ausbildungsplätze dadurch erreichen kann, daß man eine Ausbildungspflicht einführt, denn in demselben Augenblick, in dem Sie das tun, indem Sie eine ernsthafte öffentliche Debatte darüber herbeiführen, werden Sie die freiwillige Bereitschaft derjenigen, die ausbilden, auch noch ruinieren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das ist weder im Interesse unserer Wirtschaft, noch ist es im Interesse unserer Arbeitnehmer. Wir haben allen Anlaß, uns für die großen Anstrengungen des Mittelstandes, insbesondere des Handwerks, für die Zurverfügungstellung von Ausbildungsplätzen auch in diesem schwierigen Jahr wieder zu bedanken.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich stehe nicht an, wie ich das in vielen öffentlichen Veranstaltungen gesagt habe, die Wirtschaft auch von dieser Stelle aus aufzufordern: Jede Beschäftigung muß einen Rentabilitätsgesichtspunkt und -hintergrund haben, sonst kann das nicht lange dauern; bei Ausbildungsplätzen aber sollte das zurückgestellt werden können — in vertretbarem Umfang. Bei Ausbildungsplätzen, meine ich, sind die Aspekte — nicht nur die Vermittlung von Berufsfertigkeiten, sondern auch die Vermittlung von Vertrauen in das wirtschaftliche System, in dem wir leben — es wert, daß man in gewissem vertretbaren Umfange die Ertragserwartungen oder Ertragsüberlegungen zurückstellt.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie haben dann dem neuen Bundesarbeitsminister die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ans Herz gelegt. Ich muß Ihnen sagen, daß dies eine theoretisch einleuchtende Diskussion ist und sein kann. Aber offensichtlich haben Sie sich nicht die Mühe gemacht, obwohl Sie hervorgehoben haben, daß Sie wöchentlich zwei Betriebsbesuche absolvieren — da wird dann immer so getan, als wenn andere Leute von der betrieblichen Praxis und Wirklichkeit überhaupt keine Ahnung hätten, meine Damen und Herren; ganz so ist das ja wohl nicht —, einmal in die Praxis der Politik, die da betrieben und mit diesem Gelde durchgeführt worden ist, hineinzusehen. Ich empfehle Ihnen dringend zum Studium einen Aufsatz, der, mit drei Sternen gezeichnet, vor etwa drei bis vier Wochen in der „Zeit" erschienen ist und der über die Praxis aus der Arbeitsverwaltung in einer Weise berichtet, daß man nur erschrocken zusammenfahren konnte und nur hoffen kann, daß da endlich einiges verbessert wird.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Zum Schluß eine grundsätzliche Bemerkung: Herr von Dohnanyi, Sie sagen, dieser Haushalt soll in die 50er und 60er Jahre zurückführen. Niemand von uns hat dies vor. Sie sagen, es sei schon immer der Irrtum des alten und des neuen Wirtschaftsministers gewesen, daß alles allein über den Markt
    sich regele und geregelt werden könne. Nein, es ist Ihr Irrtum, Herr von Dohnanyi, und der einiger Ihrer Kollegen — nicht aller —, daß Sie mir das unterstellt, nachgesagt oder von mir angenommen haben. Aber in einem Punkte unterscheiden wir uns: Dort, wo Sie in vielen Fällen durch Eingriffe des Staates dafür gesorgt haben, daß die Funktionsweisen des Marktes beschädigt oder außer Kraft gesetzt worden sind, werde immer ich dafür eintreten, daß diese Funktionsweisen zunächst wiederhergestellt werden, bevor wir die ganze Angelegenheit in toto dem Staat übergeben. Das allerdings, meine ich, ist richtig; dabei muß es auch bleiben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Daß wir alle wissen, daß man in der Bundesrepublik Deutschland nicht in einer chemisch reinen marktwirtschaftlichen Ordnung lebt — man kann es auch nicht; man kann es nicht einmal anstreben —, ist so klar, wie eins und eins gleich zwei ist. Wer in der vergangenen Woche und in dieser Woche die Diskussionen über Stahl und Kohle miterlebt hat, weiß das j a nur zu genau.
    Nein, meine Damen und Herren, ich halte die Kritik der Opposition und der Gewerkschaften draußen auf den Marktplätzen an der Finanz- und Haushaltspolitik der Bundesregierung sowohl für ungerechtfertigt als auch für gefährlich. Ungerechtfertigt ist sie, weil wir die Wirtschaft nicht kaputtsparen, weil wir keine Umverteilung von unten nach oben betreiben, weil es sich nicht um soziale Demontage oder Roßtäuschertricks oder um die Einführung des Faustrechts handelt. Das ist alles bare Demagogie. Die muß immer dann herhalten, wenn es an Argumenten fehlt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Die Kritik ist aber auch gefährlich, meine Damen und Herren. Denn Haushalts- und Finanzpolitik ist — das wissen wir alle — eine komplizierte, eine sehr komplizierte Materie; sie fordert sehr viel Information. Wie soll sich der Bürger auf dem Hintergrund demagogischer und polemischer Debatten eigentlich ein eigenes Urteil bilden können? Hier möchte ich ausdrücklich sagen, Herr von Dohnanyi, daß Sie hier eine Ausnahme gemacht haben. Ich teile zwar Ihre Darlegungen und Schlußfolgerungen nicht, aber der Stil, wie Sie es vorgetragen haben, war für die Menschen im Lande informativer als manches, was ich in der Debatte bisher gehört habe. Polemik und Demagogie, wie sie gestern hier geboten wurden, führen zu weiterer Verunsicherung, und zwar bei Investoren und Verbrauchern. Das ist genau das, was wir jetzt nicht brauchen können.
    Hier muß ich, meine Damen und Herren, auch ein Wort zu den Demonstrationen und Protestkundgebungen, die insbesondere vom Deutschen Gewerkschaftsbund veranstaltet werden, sagen. Ich finde es keine sehr ehrliche Position — von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, ist es nämlich nicht geschehen —, nicht darauf hinzuweisen, daß man auf den Transparenten, die für diese Demonstrationen gemalt wurden, j a nur noch den Nachnamen des Kriti-



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    sierten zu ändern hatte; der Vorname blieb stehen. Erst ging das nämlich alles gegen Helmut Schmidt, jetzt geht das alles gegen Helmut Kohl. Nur die Transparente gegen mich konnten aus Gründen der Kostenersparnis beibehalten werden.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Nein, meine Damen und Herren, diese Art und Weise, sich mit unserer Politik auseinanderzusetzen und einfach schlicht das zu übertragen, was man vorher kritisiert hat, ohne das zu sagen

    (Duve [SPD]: Es ist gesagt worden!)

    — es ist sehr zurückhaltend gesagt worden, Herr Duve; in den meisten Fällen ist es fröhlich unterschlagen worden —, ist nicht in Ordnung. Es wurden dabei Forderungen bis hin zur Verstaatlichung der Großunternehmen, zur Investitionslenkung und zur Bildung von Wirtschaftsräten aufgestellt. Wem eigentlich hilft das in der gegenwärtigen Situation? Niemandem!

    (Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Sehr wahr! Das kann man wohl sagen!)

    Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß das Hauptproblem deutscher Innenpolitik, mit dem wir es in den nächsten Jahren zu tun haben werden, die Verbesserung der Beschäftigungslage, die Beseitigung oder mindestens die Eindämmung der Arbeitslosigkeit ist. Lassen Sie mich bitte auch an dieser Stelle sagen, was ich meinen eigenen Parteifreunden — der Bundesparteitag der FDP ist vorhin von Herrn Dregger angesprochen worden — gesagt habe: Es nutzt nichts, in Sonntagsreden oder auch von diesem Pult herab zu erklären, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat erste Priorität, aber dann bei jeder erstbesten Gelegenheit für sich selbst festzustellen, daß man ein bestimmtes Problem als noch wichtiger ansieht und ihm den Vorzug gibt, auch dann, wenn das beschäftigungspolitisch vielleicht negative Auswirkungen hat. Bekennen wir uns dazu, daß wir in dieser Zeit alles zu unterlassen haben, was die Bereitschaft zur Investition, zur Innovation und zum Anbieten und Schaffen neuer Arbeitsplätze behindert, so wünschenswert es unter normalen Umständen sein könnte. Hier, in einer Verbesserung der beschäftigungspolitischen Situation, liegt das zentrale Problem der Finanz- und Haushaltspolitik. Hier haben wir es mit der hohen Staatsverschuldung zu tun. Sie ist zu einem Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung geworden. Herr von Dohnanyi, wenn Sie der weiteren Ausdehnung der Staatsverschuldung, ich will nicht sagen: das Wort reden, aber das eben hinnehmen, dann sage ich Ihnen: Eine solche Politik — da gibt es massive Unterschiede zwischen uns — gefährdet Arbeitsplätze, schafft keine neuen und sichert keine.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Eng verbunden mit diesem Zustand ist die Entwicklung der Sozialausgaben, die in ihrer Dynamik den Staatshaushalt zunehmend überfordern. Die Dimensionen sind schon beachtlich: In den letzten 12 Jahren stiegen sie um 40 % mehr als das Sozialprodukt! Der Spielraum des Staates ist nicht zuletzt dadurch ganz erheblich eingeengt. Angesichts der hohen Zahl von Arbeitslosen werden staatliche Ankurbelungsprogramme gefordert mit der Begründung, daß es an Nachfrage fehle. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat mit ihrem 30-Milliarden-Programm jüngst ein Beispiel geliefert. Wer so argumentiert, argumentiert und denkt nach meiner Meinung zu kurz. Staatliche Ankurbelungsprogramme müssen finanziert werden, entweder durch Steuern oder durch Kredite. Steuerfinanziert erhöhen sie die Abgabenlast, mindern die Leistungs- und Investitionsbereitschaft und fördern die Schattenwirtschaft. Die Abgabenbelastung ist schon heute viel zu hoch, und zwar bis in den Facharbeiterbereich hinein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Kreditfinanziert würden sie das Vertrauen in die Finanz- und Haushaltspolitik weiter untergraben, und — was ökonomisch unmittelbar spürbar würde — der Zinsrückgang, der jetzt so wichtig ist — wir haben das auch in der alten Koalition alle immer gesagt —, würde aufgehalten oder vielleicht sogar umgekehrt.
    Deswegen möchte ich noch einmal festhalten, was der Kollege Wieczorek hier gestern gesagt hat: Die Nettoneuverschuldung tragen wir mit, die Begleitgesetze nicht. Das heißt: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das ist ja die Position: Dort, wo es wirklich ernst wird und wo es wirklich harte Entscheidungen zu treffen gilt, da wollen Sie im Keller die Druckmaschine für neues Geld laufen lassen. Das haben Sie wörtlich so gesagt: Nettoverschuldung tragen wir mit, die Begleitgesetze lehnen wir ab.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [SPD])

    — Nein, Herr Ehmke, das hat Ihnen ja Ihr Altbundeskanzler schon in Ihrer Fraktionssitzung gesagt: Eine zukünftige Politik, damit es weitergehen kann, scheitert an euch!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Niemand ist gegen eine Erhöhung der Ausgaben für investive Zwecke. Eine kontraproduktive Finanzierung aber können wir uns nicht leisten. Wir brauchen den Mut zur Umschichtung. Diesen Mut hat die alte Regierung nicht mehr aufgebracht. Herr Hoppe hat das vorhin dargelegt. Eine solide, glaubhafte und beschäftigungswirksame Finanz- und Haushaltspolitik muß in unserer heutigen Situation anders angelegt sein. Konsolidierung und Umstrukturierung zugunsten eines investitions- und leistungsfreundlicheren Haushalts sind das Gebot der Stunde.
    Ich war nicht ganz einverstanden, als der Kollege Gärtner hier sagte: Investitionen kann man nur dann subventionieren oder fördern, wenn sie sich von vornherein rechnen. Wenn wir überhaupt über das Subventionsunwesen und die Notwendigkeit von Subventionen sprechen, dann eigentlich doch nur in den Fällen, in denen notwendige technische Entwicklungen wegen der Größe, wegen des Risi-



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    kos, wegen der geringen Ertragserwartung von Teilnehmern am privaten Wirtschaftssystem nicht mehr bewältigt werden können. Airbus ist ein Musterbeispiel. Wir haben uns zwar immer vorgerechnet, bei einem bestimmten Hochlauf würde sich das eines Tages auszahlen, wir werden aber wohl den Mut aufbringen müssen, zu sagen: Gerade solche Investitionen, die durch andere Begleitumstände — technische Lernprozesse, die z. B. mit dem Airbus zusammenhängen — volkswirtschaftlich und gesamtwirtschaftlich vernünftig und rentabel sind, müssen auch dann gefördert werden, wenn sie sich einzelwirtschaftlich und betriebswirtschaftlich nicht rechnen.
    Aber eine solche Politik der Konsolidierung und Umstrukturierung kann, meine Damen und Herren, nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Ausgangslage betrieben werden. Darüber wird es keine Meinungsverschiedenheiten geben.
    Angesichts der schlechten Konjunkturlage ist dabei eine schwierige Doppelaufgabe zu lösen. Die Konjunkturschwäche darf nicht noch dadurch verstärkt werden, daß der Staat mittels restriktiver Haushaltspolitik den Defiziten hinterherläuft. Gleichzeitig brauchen wir ein überzeugendes, vertrauensbildendes Konsolidierungskonzept. Beides ist nur vereinbar, wenn die konjunkturbedingten Defizite weitgehend hingenommen werden und gleichzeitig eine glaubwürdige Politik der Rückführung struktureller Defizite auf mittlere Frist verfolgt wird.
    Ich weiß sehr wohl, daß die Trennung zwischen konjunkturellen und strukturellen Defiziten schwierig, ja, mit Genauigkeit sogar unmöglich ist. Aber wir müssen uns doch damit auseinandersetzen, weil die ökonomischen Entstehungsgründe und die wirtschaftspolitischen Folgerungen ganz unterschiedlich sind.
    Konjunkturelle Defizite sind Defizite, die vorübergehend sind, die sich wieder zurückbilden, wenn sich die Wirtschaft erholt hat. Beispiele dafür sind die Steuerausfälle oder die Mehraufwendungen für die gestiegene Zahl der Arbeitslosen, die auf Grund der Wirtschaftsschwäche entstehen.
    Das strukturelle Defizit ist der Teil, der dadurch entstanden ist, daß die Ausgaben des Staates permanent stärker stiegen, als das nominale Sozialprodukt zunahm oder hätte zunehmen können. Es ist also der Block, der unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren immer weiter zugenommen hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Der Sachverständigenrat beziffert dieses strukturelle Defizit des öffentlichen Gesamthaushalts 1981 auf 40 Milliarden DM bei einem Gesamtdefizit von fast 70 Milliarden DM.
    Die Haushaltsoperation 1982 und die Gemeinschaftsinitiative haben erste Fortschritte bei der Rückführung des strukturellen Defizits gebracht, z. B. durch die strukturellen Maßnahmen beim Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe, durch die Stellenkürzungen im öffentlichen Dienst oder
    durch die Anpassungen beim Wohngeld. Der Sachverständigenrat veranschlagt den Rückgang des strukturellen Defizits von 1981 auf 1982 auf immerhin rund 8 Milliarden DM. Aber weitere Schritte müssen hier folgen.
    Ein überzeugendes Konsolidierungskonzept muß deshalb durch eine frühzeitige Festlegung untermauert werden. „Konsolidierung per Termin" hat der Sachverständigenrat das genannt. Die Beteiligung der Rentner an den Kosten ihrer Krankenversicherung ab 1. Juli 1983, jetzt schon festgelegt für die Folgejahre, ist eine solche Konsolidierung per Termin. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
    In der öffentlichen Diskussion besteht immer noch hier und da der Eindruck, die alte Regierung hätte mit einem Defizit von 28 Milliarden DM den Haushalt 1983 bestreiten können oder bestritten,

    (Dr. Ehmke [SPD]: Ganz sicher nicht!)

    die neue Regierung dagegen trete jetzt mit 40 Milliarden DM an. Tatsächlich liegen die Dinge anders: Wenn die alte Regierung keine Maßnahmen ergriffen hätte — und da sehe ich nicht, an unsere Auseinandersetzung eben anknüpfend, Herr Ehmke, wie diese hätten zustande kommen können —, dann beliefe sich das Defizit im Bundeshaushalt 1983 nicht auf 28 Milliarden DM, sondern auf weit über 50 Milliarden DM; denn entgegen den Erwartungen aller Prognostiker — und ich werde der Kollegin Simonis eine Tabelle über die Prognoseergebnisse des Bundeswirtschaftsministeriums in den vergangenen zehn Jahren überreichen; das sieht gar nicht so schlecht aus; aber wir gewöhnen uns daran, daß Prognose immer falsch zu sein hat; das ist wie bei der Wettervorhersage — hat sich die wirtschaftliche Lage nach den Kabinettsbeschlüssen vom Sommer, wie wir alle wissen, rapide — und ich unterstreiche, leider, das Wort „rapide" — verschlechtert.
    Die neue Bundesregierung geht jetzt einen vorsichtigen Kurs. Sie setzt die Konsolidierung allmählich fort, indem sie das strukturelle Defizit langsam senkt. Gleichzeitig bemüht sie sich darum, die Gefahr des Übersparens zu vermeiden. Das Defizit 1983 wird etwas über 40 Milliarden DM ausmachen und damit noch höher als das von 1982 sein. Von Kaputtsparen kann angesichts dieser Zahl wirklich nicht gesprochen werden,

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    zumal der Ausgleich des Haushalts 1982 auch noch zwei nicht unbeträchliche Nachtragshaushalte erfordert.
    Es ist richtig, meine Damen und Herren — auch darauf haben Herr von Dohnanyi, aber auch andere Redner hingewiesen —, daß eine Reihe der Maßnahmen, die das Kabinett für 1983 beschlossen hat, die Entwicklung der Einkommen dämpft. Dazu gehören z. B. die Mehrwertsteuererhöhung, die Kindergeldsenkung, die Verschiebung der Rentenanhebung, die Regelungen zur Besoldung im öffentlichen Dienst oder die Investitionshilfeanleihe. Rechtfertigt das aber den Vorwurf, die Bundesregierung schenke der Nachfrage keine Beachtung?



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    Rechtfertigt das den Vorwurf des Kaputtsparens? Nach meiner Meinung eindeutig: nein.
    Wir verfrühstücken das Geld nicht. Wir verwenden es für investive Zwecke, genau für das, was wir jetzt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze dringend brauchen.
    Sie machen den Zwischenruf: Wie ist das mit der Lohnpause? Ich will ihn gern beantworten. Ich habe große Zweifel, daß diese Anregung des Kollegen Blüm zu den von ihm angestrebten faktischen Ergebnis führen kann. Aber ich finde, daß eines in seiner Argumentation auch draußen im Lande sehr beachtenswert ist. Es wird ein halbes Jahr Pause zugemutet: Rentnern, Kriegsbeschädigten, Fürsorgeempfängern, Beamten. Wenn es nicht zur Lohnpause kommt, dann, meine ich, sollte der Gedanke an diese Gruppen mindestens in die Tarifverhandlungen eingehen, und es sollte bedacht werden, daß andere ein Opfer auf sich nehmen und daß man hier ein Äquivalent bieten sollte. Insofern finde ich die Idee und die Aktion des Kollegen Blüm sehr verdienstlich.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir verwenden dieses Geld — ich sage noch einmal: es wird nicht verfrühstückt — für investive Zwecke, genau für das, was wir jetzt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze dringend brauchen. Wir stärken die Investitionsbereitschaft, insbesondere der mittelständischen Wirtschaft, die Gewerbesteuern — jawohl, Herr von Dohnanyi — werden gesenkt. Es liegt wohl nur nahe, daß die Zurechnung von Dauerschuldzinsen angesichts unserer Eigenkapitalsituation und der hohen Kreditkosten auf Dauer eingeschränkt werden muß. Ich sehe die Probleme der Gemeinden durchaus; aber wir haben dafür j a auch einen Ersatzvorschlag gemacht.
    Die Beratung mittelständischer Unternehmen wird verbessert, die Existenzgründungen werden verstärkt gefördert. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein deutliches Wort sagen, das über den wirtschaftspolitischen Ansatz hinausgeht, da Herr von Dohnanyi die Hilfe für Existenzgründungen kritisiert. Ich sage Ihnen: Wir brauchen in diesem Lande eine große Zahl selbständiger Existenzen, je mehr, desto besser, und zwar nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern auch gesellschaftspolitisch.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Obwohl ich mich — das wissen Sie — sehr zu Ihrem Mißvergnügen immer eingesetzt habe — —

    (Dr. Ehmke [SPD]: Nein!)

    — Lieber Herr Ehmke, so pauschal nein zu sagen, wenn ich mich für etwas eingesetzt hätte, das wäre ganz neu von Ihnen. Ich habe mich immer eingesetzt

    (Zuruf von der SPD: Für die Wende!)

    für bestimmte Rechte — die Sie nicht mochten — der leitenden Angestellten.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Wieso?)

    Aber eines weiß ich auch, ohne daß ich jemandem
    zu nahetreten möchte: Es gibt sicherlich mehr angepaßte leitende Angestellte als angepaßte Zimmermeister oder Metzgermeister. Deswegen müssen wir die letzteren haben und müssen deren Existenzen fördern, auch aus gesellschaftspolitischen Gründen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich weiß, daß das eine Denkweise ist, die bei Ihnen nicht auf Zustimmung stoßen kann.

    (Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, in ganz besonderer Weise werden wir den Wohnungsbau stärken. Wir haben uns hier nicht gescheut — ich habe mich schon gewundert, daß Sie uns das nicht unter die Nase gehalten haben —, in den Instrumentenkasten des Lord Keynes zu greifen. Das reicht von steuerlichen Begünstigungen über Bausparzwischenfinanzierungsprogramme bis zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Die Bauwirtschaft ist in der gegenwärtigen Lage konjunkturell besonders stark betroffen. Dies ist ein Bereich, der mit seiner Nachfrage in fast alle Sektoren der Volkswirtschaft hineinwirkt. Wir können davon ausgehen, daß von hier aus rasch Produktions- und Beschäftigungswirkung kommen. Angesichts der schwierigen konjunkturellen Lage erscheint mir derzeit dieser Aspekt wichtiger als die Kritik, die diese Maßnahme vor allem in der Wissenschaft gefunden hat. Das heißt nicht, daß ich die Erwägungen, die mit der Kritik verbunden sind, beiseite schiebe. Bei unserer mittelfristigen Orientierung müssen sie beachtet werden.
    Es ist zu fragen: Hätte man die wachstumspolitischen Impulse auch ohne Steuererhöhung haben können, die allerdings — das sei auch gesagt — die Steuerlastquote insgesamt nicht vergrößert? Meine Antwort: Nein. Herr von Dohnanyi, wenn Sie vortragen, die Steuerlast werde gesenkt, und wenn ich von Herrn Ehmke schon wieder den Zwischenruf „Reagan, Reaganomics" höre, sage ich Ihnen mit aller Eindeutigkeit: Eine solche Politik, supply side economics, nämlich Steuern senken ohne Rücksicht darauf, welche Defizite entstehen, und hoffen, daß daraus Investitionen kommen, ist weder Gegenstand dieses Haushaltes — die Steuerlastquote wird nicht gesenkt; es wird umgeschichtet — noch

    (Widerspruch bei der SPD)

    — nein, sie wird nicht gesenkt — ist sie — wenn ich das für mich persönlich hinzufügen darf — mit einem einzigen Satz oder einem einzigen Hinweis in dem von Ihnen nicht geschätzten Papier enthalten, das ich im Sommer verfertigt habe. Der Hinweis, ihr macht eine Politik à la Reagan oder à la Thatcher, ist schlichter Unfug — von Monetarismus ist nichts zu verspüren —, hat sich aber bei einigen von Ihnen inzwischen zum Spruch einer Gebetsmühle entwickelt.
    Ich frage noch einmal: Kann man die wachstumspolitischen Impulse auch ohne Steuererhöhung haben? Ich glaube, nein. Die Forderung klingt gut, sie ist es aber nicht, weil man eben auch hier an die Folgen denken muß, weil jede zusätzliche Steigerung des Defizits das Vertrauen weiter untergräbt,



    Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
    die Zinssenkung verzögert und genau das konterkariert, was wir wollen: mehr Investitionen für Arbeitsplätze. Hier liegt der deutliche Unterschied zu der Politik, von der Sie behaupten, wir betrieben sie.
    Umstrukturierung, wie wir sie mit unseren Maßnahmen vorgenommen haben, ist in dieser Lage die bessere Alternative als Defizitausweitung. Es ist möglich, daß die dämpfenden Effekte der ergriffenen Maßnahmen etwas eher eintreten könnten als die belebenden. Das ist nicht zu bestreiten.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    — Ja, Herr Mitzscherling, wir haben darüber schon einmal gesprochen. Das schreibt auch der Sachverständigenrat. Er sagt, ihr müßt das in Kauf nehmen. — Aber es muß nicht so sein. Viele Privathaushalte werden ihr Ausgabenniveau kurzfristig gar nicht mehr senken wollen, einige auch nicht mehr senken können.

    (Duve [SPD]: Aber müssen!)

    Sie haben ihren Konsum schon stark umschichten müssen zu Lasten der variablen Ausgaben, weil feststehende Ausgabenblöcke — Miete, Heizung, Lebensmittel, Verkehrsleistungen — nicht reduziert werden können. Aber es gibt natürlich einen Teil frei disponibler Verfügungsmöglichkeiten.

    (Duve [SPD]: Der wird zurückgehen!)

    — Es ist sehr die Frage, ob der zurückgeht, Herr Duve. Nach allem, was wir heute wissen, geht die Sparquote zurück und wird ein Teil entspart oder weniger gespart, um diesen Konsumanteil, den man nicht beschneiden möchte, aufrechterhalten zu können.

    (Zuruf von der SPD)

    — Nein, nein. Diese zig Milliarden, die gespart werden, werden nicht nur von reichen Leuten gespart. Das wissen Sie sehr genau.
    Dieser Teil spielt in der Disposition des privaten Verbrauchs eine große Rolle. Wofür er ausgegeben wird, das kann bei uns glücklicherweise noch jeder frei und selbst entscheiden. Das wird ihm nicht vorgeschrieben.

    (Duve [SPD]: Was heißt „noch"?)

    — Wenn Sie mit Devisenbeschränkung, Luxussteuer und ähnlichen Dingen kommen, weiß ich ja nicht, wie lange das noch gelten würde, wenn Sie allein zu sagen hätten.
    Es ist eben noch jedermanns eigene Entscheidung, zu sagen: Ich will weniger reisen, ich will länger reisen, ich will die teuren Karten für die Bundesligaspiele nicht mehr bezahlen oder ich überschlage einmal ein Spiel. Glücklicherweise ist das so, und es soll in einer freien Gesellschaft auch so bleiben.
    Unsere Politik, die wir betreiben, ist auf Stärkung des Vertrauens ausgerichtet; Vertrauen der Wirtschaft, aber auch des Konsumenten. Wenn es uns gelingt, wieder Mut zu schaffen, wird nicht nur wieder mehr investiert, sondern auch mehr konsumiert. Mut zum Konsum, nicht Angstsparen! Aber dann müssen Sie aufhören, von Konsumterror zu reden; jedenfalls einige von Ihnen.

    (Duve [SPD]: Wer hat das gesagt?)

    — Einige von Ihnen. — Das nämlich ist es, was wir brauchen — Mut zum Konsum —, und das ist es, was wir auch schaffen werden. In diesem Sinne ist unsere Politik auch eine Politik der Verbrauchsankurbelung, weil es ohne Vertrauen nicht geht.

    (Löffler [SPD]: Für den Konsum brauchen Sie erst einmal Pinkepinke!)

    Diese Maßnahmen sind kein Kaputtsparen, und sie sind — lassen Sie mich das mit allem Nachdruck sagen — auch keine soziale Demontage oder Umverteilung von unten nach oben.
    Erstens. Die Sozialabgaben machten 1960 rund 20% des Sozialprodukts aus, 1970 über 25%. 1980 lag ihr Anteil bei knapp 30%. Können wir nicht unschwer einen Konsens darüber finden, daß das Niveau der sozialen Leistungen schon 1960, mindestens aber 1970, auf sehr hohem Niveau lag, in der Welt immer an vorderster Stelle? Jetzt ist es zu Fehlentwicklungen gekommen, die korrigiert werden müssen. Was heißt „soziale Demontage", wenn unser soziales Sicherungssystem sonst aus den Fugen geriete?