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ID0912705400

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    Plenarprotokoll 9/127 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 127. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Inhalt: Ausscheiden der Abg. Frau Matthäus- Maier aus der Fraktion der FDP . . . . 7743 A Wahl der Abg. Dr. Hackel und Schwarz zu Stellvertretern in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 7743 A Gedenkworte für den verstorbenen Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Leonid Iljitsch Breschnew 7786 B Fortsetzung der Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Anlage zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1983 — Drucksache 9/1920) — Drucksache 9/2050 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/2049 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksache 9/2074 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksache 9/2079 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) — Drucksache 9/2016 — in Verbindung mit Beratung des Sondergutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur wirtschaftlichen Lage im Oktober 1982 — Drucksache 9/2027 — Dr. Dregger CDU/CSU 7743 D Frau Simonis SPD 7754 C Hoppe FDP 7761 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7764C, 7857 B Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 7768 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7778A Dr. Ehrenberg SPD 7786 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7791 A Rappe (Hildesheim) SPD 7799 C Müller (Remscheid) CDU/CSU 7802 D Cronenberg FDP 7806 D Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 7809 D, 7821C Jaunich SPD 7818 D Höpfinger CDU/CSU 7821 D Eimer (Fürth) FDP 7825 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 7826 C Daweke CDU/CSU 7831 D Rossmanith CDU/CSU 7833 B Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 7834 B Frau von Braun-Stützer FDP 7835 C Kuhlwein SPD 7837 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7839 D Lennartz SPD 7842A Dr. Struck SPD 7845 B Deres CDU/CSU 7849 B Purps SPD 7850 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 7853 A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes — Drucksache 9/2086 — Kittelmann CDU/CSU 7858 D Dr. Spöri SPD 7860 B Dr. Solms FDP 7862 A Lorenz, Parl. Staatssekretär BK . . . 7863 B Nächste Sitzung 7864 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7865* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7743 127. Sitzung Bonn, den 11. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode —127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7865" Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 12. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 12. 11. Büchner (Speyer) " 11. 11. Haar 12. 11. Immer (Altenkirchen) 12. 11. Junghans 12. 11. Dr. Lenz (Bergstraße) 12. 11. Frau Dr. Neumeister 11. 11. Picard 12. 11. Schulte (Unna) 12. 11. Voigt (Sonthofen) 12. 11. Dr. Wendig 12. 11. Dr. Wieczorek 12. 11. ' für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der Europarates
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    Rede von Heide Simonis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, nein; Entschuldigung.
    Wieso darf der Quellenabzug bei Zinsen auf Sparguthaben von uns nicht einmal andiskutiert werden, weil sonst Kapitalflucht stattfindet — das sind 4 bis 5 Milliarden DM, die den öffentlichen Händen fehlen —, während Sie beispielsweise den Arbeitnehmern sagen, sie möchten einmal eine Lohn- und Atempause einlegen? — 4 bis 5 Milliarden DM dürfen sich andere Leute in ihre Tasche schieben!

    (Beifall bei der SPD)

    Was Sie sich im BAföG-Bereich geleistet haben, wird später von einer Kollegin von mir noch einmal aufgeführt werden. Sie loben da so rührselig den „Facharbeiter".

    (Ein Abgeordneter der CDU/CSU meldet sich zu einer Zwischenfrage)




    Frau Simonis
    — Nein, bitte nicht. Ich komme mit meiner Zeit nicht zurecht.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Schneller reden! Schneller, Genossin!)

    Für seine Söhne und Töchter jedoch haben Sie nichts weiter übrig, als daß sie später als BAföG-Geschädigte ihr Leben mit 40 000 DM Schulden beginnen können.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: 13 000! Rechnen Sie doch!)

    40 000 DM Schulden!

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie können doch sonst rechnen!)

    Wenn ein solches BAföG-geschädigtes Kind eines Facharbeiters nicht zufällig einen Erben heiratet, dann beginnen die beiden mit 80 000 DM Schulden, wenn der andere auch ein BAföG-Geschädigter war. An Ihren Existenzgründungsprogrammen können die beiden jedenfalls nicht mehr teilnehmen, weil keine seriöse Bank ihnen Kreditplazet geben würde. Und einen Einrichtungskredit kriegten die beiden auch nicht, wenn sie heiraten würden.

    (Beifall bei der SPD)

    Wieso eigentlich ist Solidarität ab einer bestimmten Einkommenshöhe — und Sie nennen das ja Solidarität mit der zukünftigen Generation — ein Fremdwort, während es nach der NürnbergerTrichter-Methode in Mark und Pfennig in die Köpfe derjenigen eingetrichtert wird, die weniger Geld verdienen? Das müssen Sie uns wirklich einmal erklären.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit Ihrem neuen Haushalt haben Sie das bisher Beschlossene als einen eiligen ersten Schritt in eine für Sie richtige Richtung gemacht. Sie sagen, nach dem 6. März — ich nehme an, es soll tatsächlich eine Wahl stattfinden; ich weiß aber noch nicht, wie Sie das hinkriegen wollen — soll es noch weiter kommen, soll es noch schlimmer werden. Das Ergebnis wird eine Gesellschaft der Reichen und Einflußreichen sein,

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist doch dummes Zeug!)

    eine Gesellschaft der Aus- und Abgegrenzten, eine Gesellschaft der totalen Medienmacht; man könnte das beliebig fortsetzen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: So viele Reiche gibt es gar nicht!)

    Jedenfalls ist das nicht, wie versprochen, eine Gesellschaft mit menschlichem Gesicht, sondern eine Klassengesellschaft,

    (Beifall bei der SPD)

    und weil wir das nicht wollen, werden wir uns schon jetzt rechtzeitig dagegen wenden.
    In der Presse haben Sie, Herr Stoltenberg, Ihren Etat als einen Entwurf mit ganz neuen Akzenten vorgestellt. Ihre Zaubertricks, mit denen Sie als Ministerpräsident Ihren schleswig-holsteinischen Haushalt überhaupt über die Runden bringen konnten, lassen uns allerdings in Zukunft wirklich darauf achten, wie denn diese „ganz neuen Akzente" aussehen sollen. Da wird in Schleswig-Holstein umgebucht, umgetitelt, umgeschoben, da werden neue Deckungsvermerke geschaffen, und plötzlich ist aus einer konsumtiven Ausgabe eine Investition geworden. Damit können Sie die Krdite erhöhen; die hätten Sie nämlich vorher nicht mehr bekommen, weil die Kreditgrenze bereits überschritten war.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das haben wir bei Ihnen gelernt!)

    Aber passiert ist im Grunde genommen gar nichts; Sie geben das Geld für genau die Dinge aus, die Sie vorher geplant hatten.
    Natürlich, Herr Stoltenberg, würde ich Ihnen jederzeit 1 oder 2 oder 5 oder 10 Mark privat anvertrauen — gar kein Problem, Herr Dregger! —, aber nicht meine Steuern,

    (Beifall bei der SPD)

    denn das will ich Ihnen sagen:

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wollen Sie keine Steuern mehr zahlen?)

    Schauen Sie sich einmal die „haushaltspolitischen Meisterwerke" des neuen Finanzministers in Schleswig-Holstein an! Schuldenstand, gemessen am Bruttosozialprodukt: im Bund 16,6 %, in Schleswig-Holstein 19,9 %, in Niedersachsen 20,9 % bei großmütigem Verzicht auf die Einnahmen aus den „windfall-profits".

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    Bei den Schulden pro Kopf stehen Sie in einem Flächenstaat — und da muß man die Gemeinden hinzurechnen, denn sie sind nach Grundgesetz durch die Länder über den Gemeindefinanzausgleich auszustatten —

    (Zustimmung bei der SPD)

    bei über 4 200 Mark, und damit stehen Sie, was die Schulden pro Kopf betrifft, sogar noch vor dem Bund. Die Zinsquote liegt im Bund bei 7,7 %, während es in Schleswig-Holstein 7,9 % sind, und diese Quote wird steigen.
    Dies alles bringt uns auch dazu, hier keineswegs in Jubel auszubrechen, wenn wir uns Ihren Haushalt ansehen, denn er trägt weiß Gott Ihre Handschrift.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    Zwar steigen die investiven Ausgaben, aber die Quote bleibt die gleiche, weil Sie j a auch insgesamt den Umfang des Haushalts vergrößert haben. Die Quote bleibt bei 13,1 %; das verschweigen Sie, wenn Sie mit den Steigerungen der investiven Ausgaben hausieren gehen.
    Als Mogelpackung entpuppt sich auch Ihr Programm für kleine und mittlere Unternehmen sowie für Existenzgründungen. Zwar wird auch hier — insgesamt um 60 Millionen — erhöht, aber gleichzeitig kürzen Sie im selben Haushalt — im übrigen im investiven Bereich — die Kokskohlebeihilfe, die



    Frau Simonis
    Hilfe zum Bau von Kohleheizkraftwerken und die Hilfen zum Ausbau der Fernwärme um insgesamt 260 Millionen DM.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Netto wird hier also weniger ausgegeben, als Sie sagen.
    Schon heute liegt die nationale Kohlereserve bei 10 Millionen t. Hinzu kommt eine Halde von mehr als 20 Millionen t. Fernwärme wäre eine Möglichkeit, unsere Importabhängigkeit vom Rohöl zu mildern, Blockheizkraftwerke könnten die Halden abbauen.

    (Beifall bei der SPD)

    Für beides ist von Ihnen kein Geld zu bekommen.
    Am ärgerlichsten ist — das will ich Ihnen einmal sagen — die Kürzung der Kokskohlezuschüsse um mehr als 160 Millionen Mark. Noch vor vier Wochen hat Ihr Haus, Herr Wirtschaftsminister, im Haushaltsausschuß vorgetragen, daß dann, wenn dieses Geld nicht sofort freigegeben und Ihnen zur Verfügung gestellt wird, Stahl und Kohle in der Bundesrepublik zusammenbrechen. Wir haben Ihnen damals geglaubt. Und was ist dieses Geld jetzt? Ihre Spardose, mit der Sie nach außen zeigen wollen, wie gut Sie sparen. Nein, was Sie machen, ist dies: Sie lassen ganze Regionen kaputtgehen und kommen mit Ihren Existenzgründungsprogrammen in der Hoffnung, daß jemand sie in Anspruch nimmt. Aber jeder Mensch, der Vernunft im Kopf hat, kann sich ausrechnen, daß das Ergebnis Ihrer Politik — Kürzungen bei den Werften, bei der Luftfahrt, beim Bergbau, beim Stahl — mehr Arbeitslose sein muß. Warum um Gottes willen soll dann jemand in diesen Regionen eine neue Existenz gründen?

    (Zustimmung bei der SPD)

    Das hieße doch wirklich das Geld gleich zum Fenster hinauswerfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Eine Nebenbemerkung: Dies ist übrigens dem Parlament gegenüber nicht seriös, um nicht ein anderes Wort zu gebrauchen. Vor allem aber ist es gegenüber den Arbeitnehmern in diesen Ländern bzw. in diesen Regionen nicht seriös; die müssen nämlich jetzt feststellen, daß für Sie, für die neue Regierung, das Sparen einen höheren Stellenwert als die Sicherheit von Arbeitsplätzen hat.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Da nützt es auch überhaupt nichts, daß Sie die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe um 50 Millionen DM erhöht haben. Das ist doch Gießkanne! Hier ein Märkchen, dort ein Märkchen, noch ein Märkchen über das ganze Land verteilt, aber in den wichtigen Industriezentren bricht Ihnen alles zusammen, und von Ihrer Seite kommt überhaupt nichts!

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Finanzminister, auch der tröstliche Hinweis, die Überweisungen an die Bundesanstalt für Arbeit seien j a eine Konjunkturstützungsmaßnahme, nützt dem einzelnen Arbeitslosen ja nun überhaupt nichts. Der will nämlich einen Arbeitsplatz. Der will keine Finanzakrobatik, der will keine Definitionsfreiübungen, der will einen Arbeitsplatz.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das sind doch Ihre Arbeitslosen!)

    Wenn 8 Milliarden DM an die Bundesanstalt eh Konjunkturstützungsmaßnahmen sind, warum tun Sie es nicht gleich in die Wirtschaft, sondern lassen es erst über den Umweg der Bundesanstalt für Arbeit als Arbeitslosengeld laufen, anstatt hier eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu machen?
    „Neue Probleme", so haben Sie damals geschrieben, Herr Genscher, „erfordern neue Mehrheiten." Ich widerspreche Ihnen ausdrücklich. Neue Probleme erfordern zunächst neue Antworten, dann kann man sich um neue Mehrheiten bemühen. Das Kleben an einem Ministersessel ist weiß Gott noch keine Antwort.

    (Beifall bei der SPD)

    Statt uns konkrete Antworten auf die Frage zu geben, wie Sie Arbeitsplätze für Frauen, für Jugendliche, für Behinderte, für Ausländerkinder schaffen wollen, die nostalgische Sehnsucht, nahtlos an die 50er Jahre anzuknüpfen. Nun ist Nostalgie weiß Gott eine liebenswürdige persönliche Schwäche, in der Politik aber führt sie zur Realitätsblindheit, denn sie verkennt schlichtweg die Veränderungen, die seit 1950 stattgefunden haben. Sie kann und will auch nicht wahrhaben, daß es in der Wirtschaftspolitik, in der Außenpolitik, aber auch in unseren eigenen Wertvorstellungen seit den 50er Jahren Veränderungen gegeben hat.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Eine Politik, die auf die Probleme von heute Antworten von vor 30 Jahren geben will, kann ihrem eigenen Anspruch einer geistigmoralischen Erneuerung überhaupt nicht gerecht werden;

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    denn zur geistig-moralischen Erneuerung gehört nun einmal, daß man Realitäten so erkennt, wie sie sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber ihr mit eurem „modernen Deutschland"!)

    Die drastische Erhöhung unserer Ölpreisrechnung, die Abschottung ausländischer Märkte, insbesondere der amerikanischen Märkte, die Überbewertung des amerikanischen Dollar, die Zahlungsunfähigkeit unserer wichtigsten Handelspartner, dies alles kommt in der Nostalgie nicht, wohl aber in der Realität vor. Daß der sinkende Zins keineswegs die Wirtschaft belebt, wie Sie es immer glaubten — der Immobilienmarkt ist nach Auskunft des Ringes Deutscher Imobilienmakler praktisch tot, die Auftragslage macht im Moment eine Talfahrt durch —, zeigt doch, daß die Wirtschaft zwar Nostalgie schätzt, wenn man sie vermarkten kann, aber als politischen Faktor nicht ernst nimmt.

    (Beifall bei der SPD)

    Nichts, aber auch nichts hat bis jetzt die Unternehmer dazu bewegen können, ihre Zukunftspläne
    nach oben zu korrigieren. Warum denn auch? Bei



    Frau Simonis
    nicht ausgelasteten Kapazitäten und Ihren Parolen, den Gürtel enger zu schnallen, wird Nachfrage breiter Schichten abgewürgt, und das ist immer noch ein wichtiger Faktor

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Und wegen Ihres Klassenkampfgeschreis!)

    für jemanden, der eine Investition tätigen will. Dem Charme der Angebotsökonomie fehlt leider nur der Nachweis, daß sie wirkt. Betrachten Sie einmal, was 1981 stattgefunden hat. Die Gewerkschaften haben sich mit Lohnerhöhungen zufriedengegeben, die unter der Preissteigerungsrate lagen. Keineswegs wurden diese Gewinne — das sind ja Gewinne, wenn man es durchrechnet — von den Unternehmern investiert.

    (Dr. Spöri [SPD]: Siemens!)

    Nein, die haben sogar noch ihre Anlageinvestitionen zurückgefahren um mehr als 4 %. Daran wird höchstwahrscheinlich schuld gehabt haben,

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Wie kann man einen solchen Quatsch erzählen!)

    daß die reale Nachfrage im Verbrauch um 1 % gesunken ist.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: So was Dummes!)

    — Das ist tatsächlich dumm, Ihre Politik, da haben Sie wirklich einmal ein wahres Wort gelassen ausgesprochen.
    Insgesamt haben die Unternehmer nicht investiert, sondern sie haben ihre Finanzausstattung um 2,5 % verbessern können, weil sie nämlich Gewinne nicht entnommen und Abschreibungen vorgenommen haben.
    Wenn nicht Tausende von Arbeitnehmern dafür bitter zu bezahlen hätten, könnten wir mit einiger Gelassenheit abwarten, wie Sie sich aus der Sackgasse, in die Sie sich hineinmanövriert haben, weil Sie alles, aber auch alles fehleingeschätzt haben, wieder hinausbekommen. Ich denke, was wir brauchen, ist eine Wende von Ihrer Wende, denn sonst werden wir am Ende feststellen müssen: Die Operation ist gelungen, der Patient ist tot. Die Forderung nach einer Lohnpause paßt weder in Ihr marktwirtschaftliches Konzept noch paßt sie in die momentane wirtschaftliche Lage. Wir brauchen keine Lohnpause, sondern wir brauchen eine Stärkung der Nachfragefähigkeiten vieler kleiner Nachfrager auf unserem Markt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wann wollen Sie eigentlich Schluß machen mit Ihrer die Talfahrt nur beschleunigenden Wirtschaftspolitik?

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Stoltenberg, spätestens beim nächsten Nachtragshaushalt, den Sie uns hier vorlegen müssen — anders geht es überhaupt nicht, Sie kommen gar nicht anders über die Runden —, werden wir uns über die Zahlen unterhalten müssen bei den Arbeitslosen, die Sie dann zu verantworten haben.
    Dann ist das Erblastthema Ihr Thema und nicht mehr unser Thema.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir, Herr Stoltenberg, werden Ihnen die Höhe der Nettokreditaufnahme nicht zum Vorwurf machen, sondern wir werden Sie fragen: Was haben Sie mit diesem Geld gemacht?

    (Beifall bei der SPD)

    Die alte Koalition hat bis 1980 innerhalb von sechs Jahren 900 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das machen Sie uns bitte erst einmal nach, und dann kommen Sie mit Ihrem Nachtragshaushalt und mit Ihrem Erblastthema.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Frau Simonis, die Zahl der Arbeitsplätze ist doch gar nicht gestiegen!)

    Im übrigen: Wenn Sie darauf hoffen, daß bei unausgelasteten Kapazitäten schlichtweg mit Wachstumspolitik die neue Wende herbeigeführt werden kann, dann lesen Sie bitte einmal den Report Nr. 11 der Prognos AG, die Ihnen vorrechnen wird, daß das nicht geht.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die Zahl unserer Arbeitsplätze ist nicht gestiegen!)

    Ein 6 %iges Wachstum unseres Produktionsvolumens, wie es beispielsweise die Bundesbank fordert, würde dazu führen, daß wir unser Produktionsvolumen in der Bundesrepublik alle zehn Jahre verdoppeln würden. Daran, daß Sie das schaffen, glauben Sie doch selber nicht. Wir wollen es auch gar nicht.

    (Lampersbach [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ihr wollt Arbeitslose!)

    Wenn es nicht gelingt, das zu verhindern, wird das, was wir zum Thema Umwelt und schonende Technologien auch von Ihnen gehört haben, reine Makulatur und ist nicht einmal das Papier wert, auf dem es geschrieben ist.
    Wir erwarten von Ihnen, daß Sie neue Schwerpunkte setzen

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Keine Sorge, keine Sorge!)

    und mit uns diskutieren, wie wir diese Schwerpunkte umsetzen können. Wir erwarten von Ihnen, daß sie tatsächlich Arbeitsplätze schaffen und dies nicht nur zum Problem Nummer eins erklären; wir erwarten von Ihnen, daß Sie was tun.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir erwarten von Ihnen, daß Sie sich mit dem Problem der Arbeitszeitverkürzung nicht nur in der Presse durch Herrn Blüm, sondern hier mit uns im Parlament auseinandersetzen, damit technischer Fortschritt nicht zum Jobkiller Nummer eins wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit einer Arbeitszeitverkürzung, Herr Bundeskanzler, ist übrigens auch den Frauen mehr gedient als



    Frau Simonis
    mit dem in der „Bild-Zeitung" bezeugten Respekt vor den deutschen Hausfrauen und Müttern.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Haben Sie was gegen Mütter? — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie haben die vernachlässigt!)

    Auch deutsche Hausfrauen und Mütter wollen mehr als nur Respekt. Sie wollen einen Arbeitsplatz, Herr Bundeskanzler, allerdings ohne job-sharing. Aber wenn denn schon job-sharing: Wieso findet sich in Ihrer Regierungserklärung nicht ein Wort darüber, daß sich auch einmal ein Mann auf diese Art und Weise die Freizeit erkaufen kann, um sich beispielsweise um seine Kinderchen zu kümmern?

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Noch bekommen die Frauen die Kinder! — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Ihr Mann tut mir leid! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    In Ihrer Regierungserklärung kein Wort dazu; hier im Parlament kein Wort, aber in der „Bild-Zeitung" der Respekt.
    Wir Sozialdemokraten sind keineswegs gegen technischen Fortschritt, wenn er sozial kontrolliert wird und wenn seine sozialen Kosten gerecht und gleichmäßig verteilt werden. Deswegen fordern wir den Ausbau der Mitbestimmungsrechte für Arbeitnehmer; auch dazu in Ihrer Regierungserklärung kein einziges Wort. Wir fordern ein Programm, das volkswirtschaftlich sinnvollen, öffentlichen Investitionen, beispielsweise in den Umweltschutz, in die Massenverkehrsmittel, in Kläranlagen, in Fernwärme, Vorrang vor privatwirtschaftlichen Investitionen gibt und damit „vernünftige" Arbeitsplätze schafft.

    (Beifall bei der SPD)

    Zum Schluß noch eine Bemerkung: Im Wahlkampf in Amerika hat der amerikanische Präsident es für nötig befunden, sich bei den Arbeitslosen zu entschuldigen. Ich wünsche und hoffe, daß wir alle als der Deutsche Bundestag uns nicht eines Tages bei den sozial Schwachen und den Arbeitslosen in dieser Republik für die Folgen Ihrer Politik zu entschuldigen haben. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD — Hinsken [CDU/ CSU]: Dafür soll sich doch Schmidt entschuldigen! Sie müssen sich entschuldigen!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch nie bin ich so schweren Herzens an dieses Pult gegangen. Der Beitrag der lieben Kollegin Simonis

    (Zuruf von der SPD: War gut!)

    hat es für mich nicht einfacher gemacht, nicht weil sie kräftig draufgehalten hat; auch Übersteuerungen sind hier durchaus verständlich. Aber was die Operationsformel angeht, so habe ich bei der zweiten Lesung des Haushalts 1982 formuliert: Wenn
    wir die mit der Operation '82 eingeschlagene Politik nicht konsequent weiterführen, dann wird es eines Tages heißen: Operation geglückt, Operationsteam tot. Ich bin nicht stolz darauf, recht behalten zu haben.
    Meine Damen und Herren, es ist in den letzten Wochen in der Finanzpolitik so viel von der Erblast gesprochen worden. Ich stehe hier als Erblasser und Erbe zugleich. Diese Doppeleigenschaft ist eher bedrückend als beglückend. In der Tat kann die Haushaltssituation auch nicht fröhlich stimmen. Bei der hohen Neuverschuldung des Bundes in den Jahren 1982 und 1983 kommt wahrlich keine Stimmung auf.
    Im Ringen um richtige Lösungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Wiederbelebung der Wirtschaft beginnen wir ein neues Spiel. Aber, um in der Tennissprache zu bleiben, dies geschieht mit einem Doppelfehler. Denn 1982 und 1983 schnellt der Kreditbedarf auf über 40 Milliarden DM in die Höhe. Eigentlich wäre es angebracht, die Etats der Jahre 1982 und 1983 mit Trauerrand zu drucken.
    Bevor sich hier jedoch Resignation ausbreitet, sollten wir aus diesen Zahlen den stummen Schrei nach jener Solidität in der Finanzpolitik heraushören, die von Willy Brandt in seiner Regierungserklärung 1969 versprochen wurde.
    Meine Damen und Herren, ich stehe hier auch als Teil jener politischen Gruppe, die „weggeharkt" werden soll. Diese Empfehlung ist zwar abgemildert worden, aber meine Betroffenheit ist geblieben. Es klingt für mich schon seltsam, wenn ausgerechnet der frühere Bundeskanzler jetzt dafür wirbt, die SPD zur neuen Heimat für Liberale zu machen.

    (Beifall bei FDP und der CDU/CSU)

    Helmut Schmidt war ein großer Kanzler und ein unerhört kenntnisreicher Ökonom,

    (Sehr richtig! bei der SPD) Außen- und Sicherheitspolitiker.


    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Aber ein Ausbund an Liberalität war er wahrhaftig nicht.

    (Beifall bei der FDP)

    Er wäre — Sie wissen es selbst so gut wie ich — als Bundeskanzler mit einem Parlamentsbeauftragten gut ausgekommen.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Wir stehen heute vor der alles überragenden Aufgabe, die Folgen gravierender wirtschaftlicher Umbrüche Zug um Zug in den Griff zu bekommen. Diese Erkenntnis ist keineswegs neu. Das Problembewußtsein war zweifellos schon in den letzten Jahren deutlich gewachsen. In der sozialliberalen Koalition ist spätestens mit den sich rasant verändernden ökonomischen Rahmenbedingungen und der daraus resultierenden Wachstumsschwäche versucht worden, dem durch eine zupackende Finanz-



    Hoppe
    und Haushaltspolitik Rechnung zu tragen. Die nachhaltige Begründung des Bundesfinanzministers in seiner Haushaltsrede vom 16. September 1981 ist dafür ein bleibender Beleg. Und doch müssen wir erkennen, daß die für die finanzpolitische Tendenzwende, von der Herr Matthöfer damals gesprochen hat, mit der Operation '82 getroffenen Entscheidungen von der negativen Entwicklung überrollt wurden. Sind es die äußeren Umstände, die uns den Erfolg verwehrten, oder haben wir die Fähigkeit zu den notwendigen Eingriffen nicht mehr gehabt und uns immer mehr mit dem gerade noch möglichen Koalitionskompromiß zufriedengegeben? Tatsache ist jedenfalls, daß schon einen Monat nach der auf den Weg gebrachten Operation '82 Theo Sommer in der „Zeit" das herbe Urteil fällte, daß die Koalition im wahrsten Sinne des Wortes abgewirtschaftet habe. Wir waren gerade wieder in ein Konjunkturloch gefallen. Die sich auftuenden Haushaltsdefizite verschreckten die Öffentlichkeit und entzogen unserer Politik das Vertrauen. Dennoch haben wir versucht, uns nicht von dem einmal für richtig erkannten Weg abbringen zu lassen. Und tatsächlich haben wir es geschafft, trotz sich verschärfender Probleme den Haushalt in den für die finanzpolitische Kurskorrektur notwendigen Eckdaten zu halten. Aber den Erfolg dieser Leistung konnte die Koalition nicht auskosten.
    Noch im Januar wurden wir von dem damaligen Bundeskanzler mit der von ihm durchgesetzten Gemeinschaftsinitiative unnötig und überflüssigerweise an den politischen Marterpfahl des Bundesrates gebunden. Im Endeffekt hat diese Prozedur die Durchsetzungskraft der Regierung beschädigt, zusätzliche Finanzierungslücken aufgetan und Mißstimmung in die Koalition getragen. Dennoch wurde diese kritische Phase überwunden und mit den Entscheidungen für den Haushalt 1983 eine von vielen nicht mehr für möglich gehaltene Einigung zustande gebracht.

    (Zustimmung des Abg. Kühbacher [SPD])

    Die große Übereinstimmung, mit der beide Fraktionen diesem Ergebnis zustimmten, war in der Tat beeindruckend. Leider hat dieser Zustand nicht lange angedauert. Und es führt kein noch so glänzend inszenierter letzter Akt nach dem Drehbuch und der Dramaturgie des Herrn Bölling an der Wahrheit vorbei, daß die SPD vor der massiven Kritik und den angekündigten bundesweiten Protesten der zahlreichen Einzelgewerkschaften zurückwich.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, wie war die Lage wirklich? Vor der entscheidenden Kabinettsentscheidung vom 1. Juli und dem danach einsetzenden Aufmarsch der Gewerkschaften hatte Bundeskanzler Schmidt vor seiner Fraktion am 22. und 30. Juni die Lage treffend gekennzeichnet. Ich will Ihnen nur eine Zusammenfassung vortragen, obschon die ökonomische Brillanz, mit der damals die innen- und außenpolitische, wirtschaftliche Analyse dort vorgetragen wurde, in der Tat Anerkennung verdient. Probleme hat es aus dieser Erkenntnis auf der Grundlage der vorgetragenen wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten zwischen dem
    damaligen Bundeskanzler und der FDP-Fraktion wahrlich nicht gegeben.

    (Beifall bei der FDP)