Rede:
ID0912705000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/127 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 127. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Inhalt: Ausscheiden der Abg. Frau Matthäus- Maier aus der Fraktion der FDP . . . . 7743 A Wahl der Abg. Dr. Hackel und Schwarz zu Stellvertretern in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 7743 A Gedenkworte für den verstorbenen Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Leonid Iljitsch Breschnew 7786 B Fortsetzung der Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Anlage zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1983 — Drucksache 9/1920) — Drucksache 9/2050 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/2049 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksache 9/2074 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksache 9/2079 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) — Drucksache 9/2016 — in Verbindung mit Beratung des Sondergutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur wirtschaftlichen Lage im Oktober 1982 — Drucksache 9/2027 — Dr. Dregger CDU/CSU 7743 D Frau Simonis SPD 7754 C Hoppe FDP 7761 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7764C, 7857 B Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 7768 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7778A Dr. Ehrenberg SPD 7786 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7791 A Rappe (Hildesheim) SPD 7799 C Müller (Remscheid) CDU/CSU 7802 D Cronenberg FDP 7806 D Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 7809 D, 7821C Jaunich SPD 7818 D Höpfinger CDU/CSU 7821 D Eimer (Fürth) FDP 7825 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 7826 C Daweke CDU/CSU 7831 D Rossmanith CDU/CSU 7833 B Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 7834 B Frau von Braun-Stützer FDP 7835 C Kuhlwein SPD 7837 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7839 D Lennartz SPD 7842A Dr. Struck SPD 7845 B Deres CDU/CSU 7849 B Purps SPD 7850 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 7853 A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes — Drucksache 9/2086 — Kittelmann CDU/CSU 7858 D Dr. Spöri SPD 7860 B Dr. Solms FDP 7862 A Lorenz, Parl. Staatssekretär BK . . . 7863 B Nächste Sitzung 7864 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7865* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7743 127. Sitzung Bonn, den 11. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode —127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7865" Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 12. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 12. 11. Büchner (Speyer) " 11. 11. Haar 12. 11. Immer (Altenkirchen) 12. 11. Junghans 12. 11. Dr. Lenz (Bergstraße) 12. 11. Frau Dr. Neumeister 11. 11. Picard 12. 11. Schulte (Unna) 12. 11. Voigt (Sonthofen) 12. 11. Dr. Wendig 12. 11. Dr. Wieczorek 12. 11. ' für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Bitte.


Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Verehrte Frau Kollegin, darf ich Sie darauf aufmerksam machen — selbstverständlich in aller Freundschaft —,

(Frau Simonis [SPD]: Ja!)

daß das Tempo Ihres Vortrags uns um den wirklichen Genuß Ihrer Sottisen bringt?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heide Simonis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Minister, ich danke Ihnen, daß Sie — in aller Freundschaft — trotzdem noch so etwas wie Warnungen an Ihren ehemaligen Koalitionspartner geben, damit Sie in den Genuß unserer Sottisen kommen können. Ich bemühe mich.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir waren beim absurden Theater stehengeblieben. Und da darf ich dann auch weitermachen.

    (Heiterkeit — Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: Noch mal von vorn!)

    Die Mehrwertsteuer — dies als zweite Bemerkung — wird nun doch um einen Prozentpunkt erhöht, obgleich sie vorher als „säuerlicher Mief des Neides" von Herrn Strauß, als „Fehler" von Herrn Albrecht, als „abenteuerlich" von Herrn Geißler gegeißelt worden war. Noch herber allerdings kanzelte der heutige Bundeskanzler die Münchener Parteitagsbeschlüsse meiner Partei zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ab. Linkssozialistische Thesen hätten sich durchgesetzt;

    (Glos [CDU/CSU]: Leider Gottes!)

    der Neid im Sinne des Klassenkampfes habe unsere Hand geführt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Herr Bundeskanzler, ich habe das Gefühl, das Kabinett hatte einen ziemlich heftigen Anfall von Neid im Sinne des Klassenkampfes, als Sie Ihre Beschlüsse gefaßt haben. Denn ich sehe in einigen
    Dingen wirklich keinen großen Unterschied zu unseren Vorschlägen, außer in einem, nämlich beim Gesetzentwurf über die Ergänzungsabgabe. Da hatte der Neid Ihnen allerdings auch noch die Augen geblendet. Denn Sie haben nicht einmal mehr das Deckblatt der Drucksache 9/2016 gelesen — übrigens auch nicht der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU; sonst wären Sie vorhin nicht zu Ihrer abenteuerlichen Bemerkung gekommen, die obendrein falsch ist.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU])

    Sieht man sich auch Ihr zwanghaftes Bemühen an, soziale Gerechtigkeit bzw. soziale Ungerechtigkeit scheinbar gegen jedermann walten zu lassen, dann fällt einem die Zwangsanleihe ins Auge, die Ihnen ja schon gestern — mit Recht, finde ich — um die Ohren gehauen worden ist und die obendrein heute morgen von Ihnen, Herr Dregger, mehr als nur kläglich begründet worden ist, und als zweites das Kindergeld. Vielleicht läßt sich der Kollege der CDU, der gestern so vollmundig zum Kindergeld sprach, erklären, was bei der Progression für den „Normalverdiener" mit 5 000 Mark — davon hat doch gestern jemand, der Herr Wartenberg (?), gesprochen — an Steuerersparnis rauskommt: Es ist mehr als das, was Sie an Kindergeld wegnehmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Hätten wir dies alles vorgeschlagen, Herr Bundeskanzler, ein „Ganz und gar unerträglich" wäre eine nur milde Rüge aus Ihrem Mund gewesen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Erhöhung der Beiträge zur Rentenversicherung, die Erhöhung der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit, die Beteiligung der Rentner an der Krankenversicherung, eine spätere Anpassung usw. usw.: vorher lauthals abgelehnt, hinterher einfach abkassiert und nicht einmal begründet, warum das sein muß.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wegen Ihrer Schulden!)

    Sicher, lieber Herr Kollege, kann man als Opposition das Blaue vom Himmel herunterversprechen, je nachdem, wie man seine Rolle als Opposition betrachtet.

    (Lampersbach [CDU/CSU]: Sie sind gerade dabei!)

    Aber Sie wollten doch damals ernst genommen werden, als Sie sagten: Deutlich unter 30 Milliarden DM; das ist der Rubikon, über den wir nicht gehen. Sie haben ihn in der Zwischenzeit mit feuchtem Fuß, aber leichtfüßig überschritten. Über 40 Milliarden sind Sie gegangen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben damals gesagt: Die staatliche Kreditaufnahme würgt private Investitionen ab und drückt
    die Zinsen nach oben — das gilt wohl offensichtlich



    Frau Simonis
    nur, wenn der Finanzminister ein SPD-Parteibuch in der Hand hat —,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Richtig, richtig, aber sollen wir Ihre Rechnungen liegenlassen?)

    die Mehrwertsteuer sei Gift — das wird dann durch das Markenzeichen der Rechtskoalition geheilt —,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    und die Abgaben für die Wirtschaft seien nicht mehr tragbar. — Das war offensichtlich psychologische Kriegsführung. Ernst zu nehmen war das jedenfalls nicht.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Dies alles hat Ihnen ja nun in der Presse das eingebracht, was man eigentlich als einen Verriß bezeichnen könnte. Auch die Wirtschaftsinstitute haben keineswegs nur Lob ausgesprochen, lieber Herr Dregger, sondern Ihnen sehr vorsichtig gesagt, was Sie alles falsch machen. Im „Handelsblatt" steht z. B. „Wenig Anlaß zur Freude", in der „Zeit": „Nur die Phrasen haben Konjunktur", in der „Süddeutschen Zeitung": „Stoltenberg braucht noch Sparerfolge", in der „Welt": „Ärgerliche Steuer- und Abgabenerhöhungen". — An dieser negativen Einschätzung ändert sich auch nichts, wenn der Finanzminister in einem Rundfunkinterview des Norddeutschen Rundfunks sagt, im Prinzip habe man seine grundsätzlichen Positionen nicht aufgegeben, aber ... Normalerweise fangen so RadioEriwan-Witze an.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Herr Finanzminister, Sie haben jede, aber auch jede Bastion geräumt, die Sie uns damals, als wir uns darangemacht haben, die aus der Weltwirtschaft herrührenden Schwierigkeiten zu bekämpfen, in den Weg gelegt haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihre Flexibilität auf diesem Gebiet wird nur durch die Härte übertroffen, mit der Sie in der Sozialpolitik allerdings unbeirrt Ihre politischen Ziele weiterverfolgt haben.
    Es muß doch bei Ihnen so etwas wie Unbehaglichkeit aufkommen, wenn Sie an Ihr Tun die Meßlatte Ihrer eigenen Forderungen anlegen. Fünf bis zehn Prozent Kürzungen bei allen Subventionen — das ist eine Rasenmäher-Methode, haben wir immer gesagt; wir haben das auch abgelehnt. Wir haben aber nicht gesagt, daß Sie die Nagelschere nehmen sollen, damit 500 Millionen DM herauskommen sollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die von Ihnen, Herr Stoltenberg, genannten Kriterien — ich suche mir das heraus, was mir die meisten Sorgen macht —, nämlich daß Arbeitnehmer einen Lohnverzicht zu leisten haben, wenn Sie weiterhin Subventionen geben sollten, halte ich in der Tat für zweifelhaft.
    Ist es eigentlich das Verschulden unserer Werften — das müßten Sie als ehemaliger Ministerpräsident doch kennen; Sie kommen ja aus einem Land, in dem die Werften weis Gott einen schwierigen wirtschaftlichen Faktor darstellen —, wenn wir weltwirtschaftlich im Schiffbau Verwerfungen und Überkapazitäten haben? Wer trägt die Schuld daran, daß wir in der EG einen Subventionswettlauf haben, bei dem wir fast schon gar nicht mehr mitkommen, daß wir Management-Fehler haben, die normalerweise zur fristlosen Entlassung führen müssen? Die meisten gehen allerdings schön vorher mit Abfindung.

    (Beifall bei der SPD)

    Was Sie fordern, ist die Privatisierung des Beschäftigungsrisikos, das keineswegs vom Arbeitnehmer verschuldet ist, sondern auf anderen Gründen beruht.

    (Beifall bei der SPD)

    Hans Henning Zencke, der nun weis Gott kein Bewunderer sozialdemokratischen Gedankenguts ist, schreibt denn auch: „Tatsächlich hat sich das Hauptgewicht der derzeitigen Schwierigkeiten auf die Finanznöte vieler Welthandelspartner verlagert, die die Exportchancen der deutschen Unternehmen wesentlich verschlechtert haben". — Es geht dann noch weiter im Zitat — —

    (Dr. Ehmke [SPD]: Langsam, Sie bringen den Lambsdorff um den Genuß!)

    — Nein, der Herr Lambsdorff soll ja gar nicht genießen, der Herr Stoltenberg soll genießen.

    (Heiterkeit bei der SPD — Zuruf von der SPD: Der kann nicht so schnell folgen!)

    Genau jene weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten, jene Finanznöte unserer Welthandelspartner aber waren auch jene Schwierigkeiten, gegen die wir uns in der alten Koalition schon haben zur Wehr setzen müssen. Das haben Sie mit Ihrer Verweigerungsstrategie unmöglich gemacht. Alleine die Wackel-
    und Wendemanöverzeit, die der FDP-Vorsitzende gebraucht hat, um sich zu entscheiden, ob er nun hüpfen soll oder nicht, hat doch unsere Fähigkeit zum Handeln für mindestens ein Jahr lahmgelegt.

    (Beifall bei der SPD)

    An Ihre Erblast-Theorie, meine Damen und Herren von der neuen Koalition, glauben Sie doch eigentlich selber gar nicht mehr. Die beten Sie doch hier nur noch vor, damit Sie sie später irgendwo einmal zitieren können.

    (Beifall bei der SPD)

    Entweder versprechen Sie wider besseres Wissen — das kommt dann schon an den Rand einer Falschmeldung — als Bundeskanzler eine Hausfrauenrente oder eine Steuersenkung — Herr Stoltenberg, ich war wirklich überrascht — von jährlich 4 Milliarden DM, wenn das „Haus in zwei Jahren von Ihnen wieder in Ordnung" gebracht wird. Das könnten Sie nicht bezahlen, wenn Sie das „Trümmerfeld" so beschreiben, wie Sie es getan haben.

    (Glos [CDU/CSU]: Sie sind die Trümmerfrau! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)




    Frau Simonis
    Stimmt das Trümmerfeld, wie Sie es beschrieben haben, dann können Sie es nicht versprechen; stimmt es nicht, dann zerstören Sie wider besseres Wissen die Vertrauenswürdigkeit unserer Wirtschaft. Dies ist ein miserabler Start, und dies ist ein miserabler Stil.

    (Beifall bei der SPD)

    Weisere Politiker haben sich schon rechtzeitig aus dieser Situation abgemeldet, so z. B. der heutige Chef der Schleswig-Holsteinischen Landeszentralbank und ehemalige Finanzminister. Er sagte nämlich: Das Wirtschaftsklima in der Bundesrepublik ist nach wie vor — ich wiederhole: nach wie vor — durch das ungünstige weltwirtschaftliche und weltpolitische Umfeld belastet. — Je eher die neue Regierung solche Mahnungen aus den eigenen Reihen ernst nimmt, um so eher kommen wir zu einer anständigen und vernünftigen Politik zur Überwindung der Krise.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie brauchen weder auf Zeitungsartikel einzugehen, noch brauchen Sie auf uns zu hören. Aber auf Dauer werden Sie nicht umhin kommen, zur Kenntnis zu nehmen, daß Tausende von Arbeitnehmern auf die Straße gehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von Ihnen aufgehetzt!)

    Herr Dregger, die wären auch bei uns auf die Straße gegangen. Aber Sie gehen jetzt mit noch viel mehr Recht auf die Straße.

    (Beifall bei der SPD)

    Die wehren sich dagegen, daß Ihre Politik darauf hinausläuft, daß den Armen und sozial Schwachen reichlich genommen wird, um es den Reichen ungehemmt geben zu können.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie wehren sich gegen eine Politik der Entsolidarisierung! Sie wehren sich dagegen, von Ihnen nur als Kostenfaktor betrachtet zu werden,

    (Beifall bei der SPD)

    von dem Unternehmer entlastet werden sollen. Und die wehren sich gegen den Vorwurf gestiegener Anspruchshaltung, wenn es darum geht, daß ihre Leistung gerecht entlohnt wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Leistung, so sagen Sie, muß sich wieder lohnen; ein Vertrauensklima muß wieder geschaffen werden.

    (Glos [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Nach dieser Devise ist Leistung bei Ihnen offenbar nur dann lohnend und belohnenswert, wenn sie sich in Investitionen, wie dubios auch immer, niederschlägt. Hat denn die Leistung des Deutschen Arbeitnehmers nicht dazu beigetragen, daß Investitionen überhaupt erst Früchte tragen können in der Bundesrepublik?

    (Beifall bei der SPD)

    War denn nicht die zurückhaltende Lohnpolitik der deutschen Einheitsgewerkschaft ein Vertrauensfaktor ohnegleichen für die Industrie?

    (Dr. Ehmke [SPD]: Sehr wahr!)

    Ich sage Ihnen: Wer Vertrauen schaffen und erhalten will, muß nicht nur für Unternehmer ein Klima des Vertrauens schaffen, sondern er muß sich vor allem bei Arbeitnehmern um das Vertrauen bemühen, daß deren Leistung, daß deren Opferbereitschaft da, wo es beschäftigungspolitisch sinnvoll ist, mindestens den gleichen gesellschaftlichen Stellenwert erhält wie eine Investition.

    (Beifall bei der SPD)

    Was ist denn das für eine Leistung, wenn durch Wirtschaftskriminalität 4 Milliarden DM verlorengehen? Das ist Anspruchshaltung von Leuten, die zuviel Geld haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Was ist denn das für eine Leistung, wenn in Finanzämtern festgestellt wird, daß bei Firmen 5 Milliarden DM locker rauszuholen wären? Was ist das für eine Leistung, wenn durch Steuerschulden, Stundung und Steuermogelei 35 Milliarden DM an Staatskassen vorbeigeführt werden?

    (Beifall bei der SPD)

    Arbeitnehmer allerdings haben nur überzogenes Anspruchsdenken.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das ist doch während Ihrer Regierungszeit geschehen! Das sind doch die Zahlen Ihrer Regierungszeit!)

    Wieso ist eigentlich die Teilnahme eines Arztes oder Zahnarztes an einem Fortbildungskurs in Davos ein steuerlich zu belohnender Tatbestand, eine Leistung, während Schüler-BAföG von Ihnen als Ausdruck überzogenen Anspruchsdenkens abgeschafft wird?

    (Beifall bei der SPD)